58. Urteil der II. Zivîlabteîlung vom 30. Juni 1915 i. S. Mühlebach,
Kläger, ss gegen Garantie Fédérale , Beklagte.
V ie h v e r s i c h e r u n g. Verpflichtung zur Versicherung
sämtlicher Tiere einer bestimmten Gattung. Nicht zu verwechseln mit der
Anzeigepflicht; ebensowenig mit der Verpflichtung zur Verminderung der
Gefahr oder Verhütung von Gefahrerhöhungen. Art. 102 Abs. 1
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz VVG Art. 102 |
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz VVG Art. 102 |
daher nicht anwendbar. Untersuchung der Frage, ob die Verletzung jener
Verpflichtung im konkreten Falle entschuldbar war.
A. Der Kläger hat am 12. sisi'14. April 1905 einen
Pferdeversicherungsvertrag mit der Beklagten abgeschlossen, für welchen
hier folgende Bestimmungen der Statuten der Beklagten in Betracht kommen :
Art. 15 : ..... Sie (d. h. die Versicherung) soll während der ganzen
Dauer der Police alle Tiere der versicherten Gattungen, welche das
Mitglied irgendwo besitzt, in sich schliessen. Bei unvollständiger
Angabe der in seinem Besitze sich befindlichen Tiere verliert das
Mitglied sein Entschädigungsrecht für alle Schadenfälle, welche sich
während desjenigen Rechnungsjahres erejgnet haben, in welchem die
Unregelmässigkeit entdeckt wird.
Art. 21 (erster Satz) : Alle Aenderungen irgendwelcher Natur und
namentlich diejenigen, welche in der Anzahl, im Standorte, in der
Gebrauchsart oder im Werte der dem Mitgliede gehörenden Tiere vorkommen,
müssen von letzterem innert vierzehn Tagen der Direktion oder o den
Agenten der Gesellschaft angezeigt werden, und es wird dafür ein
Nachtrag ausgestellt.
Art. 24 (erster Teil) : e Während der ganzen Dauer der Police kann die
Gesellschaft, wenn sie es für angezeigt eracht, eine Revision und eine
neue Schätzung des Viehstandes vornehmen lassen.
Art. 22: Die Versicherung wird für eine Dauer von fünf Jahren
abgeschlossen. Sie wird so in fünfjähn'gen
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Perioden während der Dauer der Gesellschaft weiter geführt, wenn keine
Kündigung in der in Art. 23 vor gesehenen Frist und gemäss den in
demselben enthal tenen übrigen Bestimmungen eingereicht wird.
Art. 23 (zweiter Satz) : Die Gesellschaft und das Mit glied können die
Versicherung auf Ende des fünften Jahres jeder Periode auflösen und
zwar unter Beobach tung einer sechsmonatlichen Kündigungsfrist. -
B. Gestützt auf Art. 24 der Statuten liess die Beklagte jeweilen
Anfangs April beim Kläger eine Revision des Viehstandes vornehmen .,
Bei der Revision vom] . April 1912 meldete der Kläger ein von ihm selbst
aufgezogenes Fohlen als neu hinzugekommen an. Bei derjenigen vom 1. April
1913, die der Tierarzt Umbricht im Auftrag der
· Beklagten vornahm, teilte der Kläger, wie er behauptet,
dem Umbricht mit, er stehe in Verkaufsunterhandlungen über dieses
Tier. Darauf soll ihm Umbricht geraten haben, es im Revisionsbericht
wegzulassen und es erst im Jahre darauf wieder aufzunehmen, falls es bis
dahin nicht verkauft sein sollte. Auf dem Formular des Revisionsberichts,
auf dem das Fohlen auf Grund des vorjährigen Berichts schon von der
Beklagten vorgemerkt worden war, wurde es wieder gestrichen, mit dem
Randvermerk verkauft . In der dem Kläger nachher zugestellten Kopie
findet sich der gleiche Vermerk. Im Revisionsbericht bescheinigte der
Tierarzt, dass er gemäss dem Auftrag der Gesellschaft die Revision
vorgenommen, die Tiere untersucht und deren Wert festgestellt habe ;
der Kläger dagegen bescheinigte unter Bezugnahme auf die Statuten,
besonders Art. 15 und 21 , dass die im Revisionsbericht verzeichneten
Aenderungen im Versicherungsbestand vorgekommen seien ; ferner erklärte er
(z unter seiner persönlichen Verantwortlichkeit und auf die Gefahr hin,
jegliche Entschädigung für allfällige Schadensfälle zu verwirken , dass
das Verzeichnis der Wahrheit gemäss aufgestellt sei, dass er nichts
verhehlt und keine falschen Angaben gemacht habe, um sich
462 Obligationenrecht. N° 58.
in irgend einer Weise den gegenüber der Gesellschaft
eingegangenen Verpflichtungen zu entziehen ; endlich, ss
dass ihm die Bestimmungen der Art. 15 und 21 der Statuten vollständig
bekannt seien und er genau und ehrenhaft nach denselben handeln
werde. Das Tier wurde aber in der Folge weder verkauft, noch von neuem
angemeldet.
Im März und April 1914 erkrankten dem ,Kläger drei versicherte Pferde. In
der, das erste dieser drei Pferde betreffenden Schadensanzeige vom
14. März 1914 gab er an, ausser dem erkrankten nur noch drei Pferde zu
besitzen, während es bei Berücksichtigung jenes Fohlens noch vier Pferde
gewesen waren. Diese unrichtige Erklärung gab der Kläger ab, trotzdem das
Formular unmittelbar über Datum und Unterschrift die Bemerkung enthielt :
Das unterzeichnete Mitglied erklärt auf die Gefahr hin, jegliche
Entschädigung zu verwirken, dass obige Angaben der Wahrheit gemacht sind,
dass es nichts verhelt und keine falschen Angaben gemacht habe.
lm Sachverständigenattest vom 16. März bescheinigte der Tierarzt
Umbricht, dass eine von ihm vorgenommene Revision des gesamten dem
Kläger gehörenden Viehbestandes ausser dem erkrankten nur drei Pferde
ergeben habe, und der Kläger erklärte, wiederum Unterschriftlich auf
seine persönliche Verantwortlichkeit , dass obige Zusammenstellung den
gesamten Viehstand enthält, welchen er besitzt, Ohne etwas verhehlen
oder bei Seite zu lassen , und dass er wisse, dass jede falsche Angabe
den Verlust seiner Entschädigungsanspriiche zur Folge haben Würde.
Dieselben unrichtigen Angaben Wiederholten sich bei der Schadensanzeige
vom 22. März und dem Sachverständigenattest vom 29. März auf den
gleichlautenden Formularen.
Nachdem sich herausgestellt hatte, dass der Kläger, ausser den von ihm
und Umbricht angegebenen Pferden, noch ein zweijähriges Fohlen besitze,
lehnle die Beklagte,
Obligationenrecht. N° 58. 463
gestützt auf Art. 15 der Statuten, jede Haftung für die drei erkrankten
Tiere ab, wogegen der Kläger sich zu seiner Entschuldigung auf die
Kenntnis und die Ratschläge des Umbrichl berief und ausserdem den
Standpunkt einnahm, dass es sich im vorliegenden Fall um eine nach
Art. 6
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz VVG Art. 6 - 1 Hat der Anzeigepflichtige bei der Beantwortung der Fragen gemäss Artikel 4 Absatz 1 eine erhebliche Gefahrstatsache, die er kannte oder kennen musste und über die er befragt worden ist, unrichtig mitgeteilt oder verschwiegen, so ist das Versicherungsunternehmen berechtigt, den Vertrag schriftlich oder in einer anderen Form, die den Nachweis durch Text ermöglicht, zu kündigen.29 Die Kündigung wird mit Zugang beim Versicherungsnehmer wirksam. |
|
1 | Hat der Anzeigepflichtige bei der Beantwortung der Fragen gemäss Artikel 4 Absatz 1 eine erhebliche Gefahrstatsache, die er kannte oder kennen musste und über die er befragt worden ist, unrichtig mitgeteilt oder verschwiegen, so ist das Versicherungsunternehmen berechtigt, den Vertrag schriftlich oder in einer anderen Form, die den Nachweis durch Text ermöglicht, zu kündigen.29 Die Kündigung wird mit Zugang beim Versicherungsnehmer wirksam. |
2 | Das Kündigungsrecht erlischt vier Wochen, nachdem das Versicherungsunternehmen von der Verletzung der Anzeigepflicht Kenntnis erhalten hat.30 |
3 | Wird der Vertrag durch Kündigung nach Absatz 1 aufgelöst, so erlischt auch die Leistungspflicht des Versicherungsunternehmens für bereits eingetretene Schäden, soweit deren Eintritt oder Umfang durch die nicht oder unrichtig angezeigte erhebliche Gefahrstatsache beeinflusst worden ist. Soweit die Leistungspflicht schon erfüllt wurde, hat das Versicherungsunternehmen Anspruch auf Rückerstattung.31 |
4 | Wird ein Lebensversicherungsvertrag, der nach Massgabe dieses Gesetzes rückkauffähig ist (Art. 90 Abs. 2) aufgelöst, so hat das Versicherungsunternehmen die für den Rückkauf festgestellte Leistung zu gewähren. |
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz VVG Art. 29 - 1 Vertragsabreden, wonach der Versicherungsnehmer bestimmte Obliegenheiten übernimmt, um die Gefahr zu vermindern oder eine Gefahrserhöhung zu verhüten, werden durch die Bestimmungen des Artikels 28 dieses Gesetzes nicht berührt. |
|
1 | Vertragsabreden, wonach der Versicherungsnehmer bestimmte Obliegenheiten übernimmt, um die Gefahr zu vermindern oder eine Gefahrserhöhung zu verhüten, werden durch die Bestimmungen des Artikels 28 dieses Gesetzes nicht berührt. |
2 | Auf die Vertragsbestimmung, dass das Versicherungsunternehmen, wenn eine solche Obliegenheit verletzt wird, an den Vertrag nicht gebunden ist, kann sich das Versicherungsunternehmen nicht berufen, sofern die Verletzung keinen Einfluss auf den Eintritt des befürchteten Ereignisses und auf den Umfang der dem Versicherungsunternehmen obliegenden Leistung gehabt hat. |
bezw. einer Obliegenheit zur Verminderung der Gefahr oder zur Verhütung
einer Gefahrserhöhung handle
C. Durch Urteil vom 18. März 1915 hat das Handelsgericht des Kantons
Aargau die auf Entschädigung für die drei erkrankten Tiere gerichtete
Klage abgewiesen, weil der Kläger durch die Nichtversicherung des
Foh lens jeglichen Entschädigungsanspruch verwirkt habe. Ueber das,
eventuell. ebenfalls streitige Quantitativ der Entschädigung spricht
sich das Urteil infolgedessen nicht aus.
D. Gegen dieses Urteil richtet sich die vorliegende Berufung, mit dem
Antrag auf Gntheissung der Klage im Betrage von 2099 Fr. nebst Zins.
Die Beklagte hat Abweisung der Berufung und Bestätigung des angefochtenen
Urteils beantragt.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Da der zwischen den Parteien abgeschlossene Versicherungsvertrag
aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über den
Versicherungsvertrag datiert, wäre dieses Gesetz auf ihn nur dann
anwendbar, wenn eine der in Art. 102 Abs. 1 genannten rückwirkenden
Bestimmungen in Frage stünde, oder wenn Abs. 3 von Art. 102 zutreffen
Würde.
2. Von den in Art. 102 Abs. 1 aufgezählten rückwirkenden Bestimmungen
nimmt der Kläger Art. 29 Abs. 2 für sich in Anspruch; dieser ist denn auch
die einzige jener Bestimmungen, die hier in Frage kommen könnte. Allein
um eine Obliegenheit zur Verminderung
464 Obligationenrecht. N° 58.
der Gefahr oder zur Verhütung einer Gefahrserhöhung im Sinne der
angeführten Gesetzesbestimmung handelt es sich bei Art. 15 der
Statuten, dessen Verletzung die Beklagte dem Kläger vorhält, nicht. Die
versicherte Gefahr ist Krankheit oder Tod von Pferden. Auf diese ist es
aber ohne Einfluss, ob alle Tiere einer und derselben Gattung oder nur
ein Teil davon versichert sind. Es handelt sich nicht etwa nur um die
Verpflichtung, kranke Tiere nicht zu den versicherten hinzuzubringen,
auch nicht um die Pflicht, das Vorhandensein anderer als der schon
versicherten Tiere anzuzeigen, sondern um die Verpflichtung, sie zu
versichern. Die Versicherungspflicht wird ganz allgemein aufgestellt,
ohne Rücksicht darauf, ob im konkreten Falle durch die Versicherung
weiterer Tiere die Gefahr verringert oder im Gegenteil erhöht wird. Auch
alte Pferde müssen ja versichert werden, und ihre Verheimliehung hat die
gleichen Folgen, wie diejenige von jungen Pferden, obschon vielleicht
das kon-krete Risiko der Gesellschaft durch ihre Aufnahme verschlechtert
wird. Die Versicherung aller Tiere einer und derselben Gattung wird
vielmehr zu dem Zwecke verlangt, um durch Vergrösserung des Kreises der
Gefahrsgenossen eine bessere Verteilung des allgemeinen Ge-schäftsrisikos
zu erhalten. Das konkrete Erkrankungsrisiko wird dadurch nicht betroffen
; nur um dieses handelt es sich aber bei Art. 29 des Gesetzes. Auch der
Umstand, dass die Versieherungspflicht verhindern kann, versicherte
gesunde Tiere betrügerisch durch nicht versicherte kranke Tiere zu
ersetzen, macht nicht die Versicherungspflicht zu einer Obliegenheit
im Sinne des Art. 29
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz VVG Art. 29 - 1 Vertragsabreden, wonach der Versicherungsnehmer bestimmte Obliegenheiten übernimmt, um die Gefahr zu vermindern oder eine Gefahrserhöhung zu verhüten, werden durch die Bestimmungen des Artikels 28 dieses Gesetzes nicht berührt. |
|
1 | Vertragsabreden, wonach der Versicherungsnehmer bestimmte Obliegenheiten übernimmt, um die Gefahr zu vermindern oder eine Gefahrserhöhung zu verhüten, werden durch die Bestimmungen des Artikels 28 dieses Gesetzes nicht berührt. |
2 | Auf die Vertragsbestimmung, dass das Versicherungsunternehmen, wenn eine solche Obliegenheit verletzt wird, an den Vertrag nicht gebunden ist, kann sich das Versicherungsunternehmen nicht berufen, sofern die Verletzung keinen Einfluss auf den Eintritt des befürchteten Ereignisses und auf den Umfang der dem Versicherungsunternehmen obliegenden Leistung gehabt hat. |
Geschäftsrisiko der Beklagten, nicht die Erkrankung der versicherten
Tiere. Die Gefahr, für ein betrügerisch eingeschmuggeltes, aber in
Wirklichkeit nicht versichertes Objekt haften zu müssen, ist nicht
die versicherte Tiererkrankungsgefahr. Die gegenteilige Auffassung der
Beklagten selbst in ihren neuen Statuten ist für den Richter nicht mass-
Obligationenrecht. N° 58. 465
gebend. Die Fassung des Deklarationsformulars kann wohl eine Vermutung
dafür begründen, dass eine bestimmte Gefahrstatsache wesentlich sei;
nicht aber kann
· dadurch aus einer Tatsache, die mit der versicherten
Gefahr nichts zu tun hat, eine Gefahrstatsache gemacht werden.
3. Die in Art. 102 Ah s. 3 genannten Bestimmungen, zu denen, ausser dem
bereits behandelten Art. 29 Abs. 2
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz VVG Art. 29 - 1 Vertragsabreden, wonach der Versicherungsnehmer bestimmte Obliegenheiten übernimmt, um die Gefahr zu vermindern oder eine Gefahrserhöhung zu verhüten, werden durch die Bestimmungen des Artikels 28 dieses Gesetzes nicht berührt. |
|
1 | Vertragsabreden, wonach der Versicherungsnehmer bestimmte Obliegenheiten übernimmt, um die Gefahr zu vermindern oder eine Gefahrserhöhung zu verhüten, werden durch die Bestimmungen des Artikels 28 dieses Gesetzes nicht berührt. |
2 | Auf die Vertragsbestimmung, dass das Versicherungsunternehmen, wenn eine solche Obliegenheit verletzt wird, an den Vertrag nicht gebunden ist, kann sich das Versicherungsunternehmen nicht berufen, sofern die Verletzung keinen Einfluss auf den Eintritt des befürchteten Ereignisses und auf den Umfang der dem Versicherungsunternehmen obliegenden Leistung gehabt hat. |
angerufene Art. 6
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz VVG Art. 6 - 1 Hat der Anzeigepflichtige bei der Beantwortung der Fragen gemäss Artikel 4 Absatz 1 eine erhebliche Gefahrstatsache, die er kannte oder kennen musste und über die er befragt worden ist, unrichtig mitgeteilt oder verschwiegen, so ist das Versicherungsunternehmen berechtigt, den Vertrag schriftlich oder in einer anderen Form, die den Nachweis durch Text ermöglicht, zu kündigen.29 Die Kündigung wird mit Zugang beim Versicherungsnehmer wirksam. |
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1 | Hat der Anzeigepflichtige bei der Beantwortung der Fragen gemäss Artikel 4 Absatz 1 eine erhebliche Gefahrstatsache, die er kannte oder kennen musste und über die er befragt worden ist, unrichtig mitgeteilt oder verschwiegen, so ist das Versicherungsunternehmen berechtigt, den Vertrag schriftlich oder in einer anderen Form, die den Nachweis durch Text ermöglicht, zu kündigen.29 Die Kündigung wird mit Zugang beim Versicherungsnehmer wirksam. |
2 | Das Kündigungsrecht erlischt vier Wochen, nachdem das Versicherungsunternehmen von der Verletzung der Anzeigepflicht Kenntnis erhalten hat.30 |
3 | Wird der Vertrag durch Kündigung nach Absatz 1 aufgelöst, so erlischt auch die Leistungspflicht des Versicherungsunternehmens für bereits eingetretene Schäden, soweit deren Eintritt oder Umfang durch die nicht oder unrichtig angezeigte erhebliche Gefahrstatsache beeinflusst worden ist. Soweit die Leistungspflicht schon erfüllt wurde, hat das Versicherungsunternehmen Anspruch auf Rückerstattung.31 |
4 | Wird ein Lebensversicherungsvertrag, der nach Massgabe dieses Gesetzes rückkauffähig ist (Art. 90 Abs. 2) aufgelöst, so hat das Versicherungsunternehmen die für den Rückkauf festgestellte Leistung zu gewähren. |
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz VVG Art. 47 - Die Abrede, dass der Versicherungsvertrag mangels Kündigung als erneuert gelten soll, ist insoweit nichtig, als die Erneuerung für mehr als je ein Jahr ausbedungen wird. |
Fall deshalb nicht zur Anwendung, weil der Vertrag, nachdem er erstmals
am 1. Oktober 1909 auf den 1. April 1910 hätte gekündet werden können,
nach dem Inkrafttreten des Gesetzes erst wieder am 1. Ok-tober 1914
auf den 1. April 1915 geket werden konnte und auch erst von da an
der zwingenden Bestimmung des Art. 47
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz VVG Art. 47 - Die Abrede, dass der Versicherungsvertrag mangels Kündigung als erneuert gelten soll, ist insoweit nichtig, als die Erneuerung für mehr als je ein Jahr ausbedungen wird. |
Erneuerung jeweilen nur auf ein Jahr gültig ist.
4. Die vom Kläger angerufenen Bestimmungen des VVG sind somit auf den
vorliegenden Fall nicht anwendbar. Wären sie es aber auch, so würde es
sich bei der vereinbarten Versicherungspflicht um eine vom Gesetz nicht
ausgeschlossene, also zulässige Obliegenheit des Versicherungsnehmers
handeln, da dabei nach dem Gesagten weder die Anzeigepflicht (im Sinne
des Art. 6), noch eine Verpflichtung zur Gefahrsverminderung oder zur
Verhütung von Gefahrserh öh ung (im Sinne des Art. 29) in Frage steht. In
beiden Fällen könnte daher die Klage nur dann gutgeheissen werden,
wenn die vom Kläger unbestreitbar begangene Verletzung der in Art. 15
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz VVG Art. 15 - Hat eine der in Artikel 14 dieses Gesetzes genannten Personen gemäss einem Gebote der Menschlichkeit gehandelt und dadurch das befürchtete Ereignis herbeigeführt, so haftet das Versicherungsunternehmen in vollem Umfange. |
statuierten Versicherungspflicht eine im Sinne der frühem Praxis (die
übrigens in Art. 45
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz VVG Art. 45 - 1 Ist vereinbart worden, dass der Versicherungsnehmer oder der Anspruchsberechtigte wegen Verletzung einer Obliegenheit von einem Rechtsnachteil betroffen wird, so tritt dieser Nachteil nicht ein, wenn: |
|
1 | Ist vereinbart worden, dass der Versicherungsnehmer oder der Anspruchsberechtigte wegen Verletzung einer Obliegenheit von einem Rechtsnachteil betroffen wird, so tritt dieser Nachteil nicht ein, wenn: |
a | die Verletzung den Umständen nach als eine unverschuldete anzusehen ist; oder |
b | der Versicherungsnehmer nachweist, dass die Verletzung keinen Einfluss auf den Eintritt des befürchteten Ereignisses und auf den Umfang der vom Versicherungsunternehmen geschuldeten Leistungen gehabt hat.85 |
2 | Die wegen Zahlungsunfähigkeit des Prämienschuldners versäumte Prämienzahlung gilt nicht als unverschuldet. |
3 | Wo der Vertrag oder dieses Gesetz den Bestand eines Rechtes aus der Versicherung an die Beobachtung einer Frist knüpft, ist der Versicherungsnehmer oder der Anspruchsberechtigte befugt, die ohne Verschulden versäumte Handlung sofort nach Beseitigung des Hindernisses nachzuholen. |
bezw. entschuldbare gewesen ware. Dies ist nun aber nicht der Fall.
Zu seiner Entschuldigung beruft sich der Kläger einzig auf die mit dem
Tierarzt Umbricht getroffene Abrede, das Fohlen erst bei der nächsten
Revision Wieder anzu-
466 Obligationenrecht. N° 58.
geben, wenn es inzwischen nicht verkauft sei. Ob Umhricht, der
nnbestrittenermassen der Bevollmächtigte der Beklagten zur Vornahme der
Stallrevision war, vom Kläger auch als Agent angesehen werden konnte,
weil ihm ein Erlöschen seinerAgentenvollmacht nicht mitgeteilt worden war,
kann dahingestellt bleiben. Denn auch auf die Ratschläge eines Agenten
darf sich der Versicherungsnehrner jedenfalls d an n nicht verlassen,
wenn diese mit unverkennbaren Vertragspflichten imWiderspruch stehen.
Im vorliegenden Falle aber konnte nicht zweifelhaft sein, dass die
Ratschläge des Umbrieht dem Vertrag direkt zuwiderlieten. Hätte der
Kläger allenfalls noch die Auffassung haben können, dass er berechtigt
sei, mit der Anmeldung eines Tieres zuzuwarten, bis das Resultat
ohschwebender Verkaufsverhandlungen feststehe, so konnte er doch in
guten Treuen nicht annehmen, dass ihm gestattet sei, mit Rücksicht auf
Verkaufsverhandlungen, die vielleicht einige Tage oder höchstens Wochen
gedauert haben machten, eine ganze Jahresprämie zu umgehen Nachdem
er mehrmals auf seine Pflicht zu getreuer Angabe aufmerksam gemacht
worden war, konnte er sich nicht mehr durch die Konnivenz des Umbricht
für gedeckt erachten. Unrichtig ist auch die Auffassung des Klägers,
dass schon die Kenntnis des Umbricht von der Anwesenheit des Tieres ihn,
den Kläger, entlastet habe. Es handelt sich hier, wie bereits in anderm
Zusammenhang konstatiert wurde, nicht um eine A n z e i g e pflicht, bei
welcher übrigens die schriftliche Anzeige seitens des Versicherungsnehmers
an den Versicherer selbst nicht durch die blosse Kenntnis eines Agenten
ersetzt werden könnte, sondern verletzt wurde die dem Versicherungsnehmer
kraft einer besondern Vertragsbestimmung obliegende V e r s i c h e r u
n g s pflicht ; diese Verletzung wurde aber nicht dadurch entschuldbar,
dass sie im Einverständnis mit dem Tierarzt erfolgte, selbst wenn dieser
vom Kläger einem Agenten gleichgestellt werden konnte.
Obligationenrecht. N° 59. 467
Demnach hat das Bundesgericht erkannt:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Handelsgerichts des
Kantons Aargau vom 18. März 1915 bestätigt.
59. Sentenza 30 giugno 1915 della IIa sezîone civile nella causa Gristini
e Gonsorti, attori, contro La. Genevoise e Bazzini, "convenuti.
Causa in annullazione di contratti di assicurazione e in restituzione dei
premi pagati alla società. Determinazione del valore litigioso. -Contratti
di assicurazione viziati. Relazione tra l'art. 12 della legge sul
contratto di assicurazione 2 aprile 1908 edi motivi generali di
annullabiiità dei contratti di cui agli art. 23 e seg. CO. Errore
essenziale ) dolo ? Responsabilità della Società per l'errore causato
dal suo agente generale.
A. II 17 dicembre 1909 Cristini Giovanni in Giornico, elettricista,
contraeva con la società di assicurazione La Genevoise un' assicurazione
sulla vita di fr. 5000 col premio annuale di fr. 197. Nello stesso giorno
stipulava simile eontratto (fr. 5000, premio fr. 195.70) anche Umberto
Bertolini, fabbro, pure in Giornico. Giovannina Rainerio-Giudici,
commerciante in Giornico, eonchiudeva il 25 novembre 1911 analogo
contratto, ma per la somma di fr. 10000 (premio annuale fr. 386.50)
e il 5 dicembre 1911 anche Ernesto Maffessanti, fabbro in Giornico, si
assicurava presse la detta società per una somma di fr. 10000 (premio
fr. 384.80). Le proposte di assicurazione, che stanno alla base di
questi contratti, contengono la clausola segnente Dietro domanda degli
assicurati la compagnia riscatta isuoi contratti purchè Siano stati
pagati almeno tre premi annuali. Il valore del riscatto è calcolato sulla
AS 41 Il 1915 31