438 Obligationenrecht. N° 55

derungen sowie die Forderung für Transportund Lagerspesen sind demnach
grundsätzlich zu schützen. Die zifiermässige Richtigkeit der einzelnen
Posten ist nicht bestritten und ergibt sich übrigens aus den bei den Akten
liegenden Belegen. Mit Rücksicht auf die von den Parteien in der heutigen
Verhandlung getroffene Vereinbarung ist dabei die Kaufpreisforderung für
den nicht gelieferten, durch Feuer zerstörten Rest Heu von 4387 Fr. 50
Cts. auf 675 Fr. zu ermässigen, in der Meinung, dass die Klägerin für
den unerfüllten Rest des Kaufes von der Lieferpflicht entbunden sei
und die auf jenen Rest entfallende Versicherungssumme der Klägerin
verbleiben solle.

Was endlich den Zins anbelangt, so wurde die Forderung von 1604 Fr. 20
Cts., die sich auf das Akzept der Beklagten vom 31. Juli 1913 gründet,
am 25. August 1913 (Verfalitag des Wechsels) fällig; sie ist von da an
zu 6 % verzinslich ; für die Posten von v1385 Fr. und 675 Fr. schulden
die Beklagten 5 % Zins seit dem 18. september 1913, dem Tage des
Friedensrichtervorstandes; hinsichtlich der Forderung von 465 Fr. für
Transportund Lagerspesen wird ein Zins nicht beansprucht.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Die Berufung wird gutgeheissen und das Urteil des Handelsgerichts des
Kantons Zürich vom 20. Oktober 1914 dahin abgeändert, dass die Beklagten
an die Klägerin zu'bezahlen haben :

a) 1604 Fr. 20 Cts. nebst B",-'o Zins seit 25. August 1913;

b) 1385 Fr. 15 Cts. nebstöü/0 Zins seit 18. September 1913 ;

c) 465 Fr. ohne Zins;

d) 675 Fr. nebst 50/0 Zins seit 18. September 1913; letzteres in der
Meinung, dass die Klägerin für den unerfüllten Rest des Kaufes von
der Lieferpflicht entbunden sei und die auf diesen Rest entfallende
Versicherungssumme der Klägerin verbleiben sollle.

Obligationenrecbt. N ° 56. 439

56. Urteil der I. Zivilabteilung vom 11. Juni 1915 i. S. Heck, Kläger,
gegen Verband der Lebensund Genussmittelarbeiter der Schweiz, Beklagten.

Unerlaubte Handlung. Zeitliche Rechtsanwendung.Wird ein Boykott
fortgesetzt mit Mitteln durchgeführt, die gegen die Rechtsordnung und
die guten Sitten verstossen, so ist er als solcher widerrechtlieh und
der Boykottierende ist für den ganzen, dem Boykottierten entstandenen
Schaden haftbar. Zusprechung einer Genugtuungssumme ? Art. 49
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 49 - 1 Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, hat Anspruch auf Leistung einer Geldsumme als Genugtuung, sofern die Schwere der Verletzung es rechtfertigt und diese nicht anders wiedergutgemacht worden ist.
1    Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, hat Anspruch auf Leistung einer Geldsumme als Genugtuung, sofern die Schwere der Verletzung es rechtfertigt und diese nicht anders wiedergutgemacht worden ist.
2    Anstatt oder neben dieser Leistung kann der Richter auch auf eine andere Art der Genugtuung erkennen.
neu OR.

A. Durch Urteil vom 12. Dezember 1914 hat die I. Appellationskammer des
Obergeriehts des Kantons Zürich erkannt :

Der Beklagte ist verpflichtet, an den Kläger 1500 Franken nebst S % Zins
seit 14. November 1911 zu bezahlen. Die Mehrforderung wird abgewiesen.

B. Gegen dieses Urteil hat der Kläger rechtzeitig die Berufung an das
Bundesgericht erklärt mit den Anträgen :

Der Beklagte sei zu verpflichten, an den Kläger 6000 Fr. nebst Zins zu 5%
seit 14. November 1911 zu bezahlen.

C. An der heutigen Verhandlung hat der Vertreter des Klägers diese Anträge
erneuert; eventuell hat er beantragt, es sei die Entschädigung auf 3000
Fr. oder auf einen angemessenen, vom Gericht zu bestimmenden

· Betrag zu erhöhen.

Der Vertreter des Beklagten hat Abweisung der Berufung und Bestätigung
des obergerichtlichen Urteils beantragt.

Das Bundesgericht zieht i n E r W ä g u n g : 1. Der Kläger Heck ist
seit 1. Juli 1911 Inhaber

einer Grossund Kleinmetzgerei in Basel, die schon sein Vater jahrelang
betrieben hatte. Der, beklagte Ver-

440 Obligationenrecht. N° 56.

band ist eine im Handelsregister eingetragene Genossenschaft; er bezweckt
die Organisieruug aller in den Lebensund Genussmittel-Industrien und
-Gewerben der Schweiz, sowie in verwandten Berufen beschäftigter Arbeiter
und Arbeiterinnen, und die Förderung ihrer Interessen.

Am 6. Mai 1911 ersuchte der Verband, gemeinsam mit dem Arbeiterbund
Basel, die Firma Heck um Gewährung einer Besprechung in einer für
sie sehr Wichtigen Angelegenheit. Die Besprechung fand am 8. Mai
1911 mit Vertretern der Arbeiterorganisationen statt. Diese verlangten
Regelung der Lohnund Arbeitsbedingungen durch Abschluss eines kollektiven
Arbeitsvertrages; allein Vater Heck erklärte, er könne von sich aus nichts
tun, es. sei Sache des Metzgermeistervereins. Am 18. Mai 1911 übersandte
der Verband der Firma Heck den Entwurf eines kollektiven Arbeitsvertrages
zwischen ihm und der Firma; Heck antwortete, der Metzgermeisterverein
habe ihm verboten, mit dem beklagten Verbande zwecks Abschlusses
eines Arbeitsvertrages in Unterhandlung zu treten. Darauf wandte sich
der Verband an den Metzgermeisterverein selber, und ersucht-e ihn um
Aufschluss darüber, warum er eine friedliche Verständigung mit der
Firma Heck direkt verhindern wolle. Der Meisterverband antwortete, die
Basler Metzger hätten vor drei Jahren im Interesse eines beidseitigen
guten Einvernehmens mit den Metzgerburschenvereinen auf dem Platz Basel
das Übereinkommen getroffen, es seien in den Basler Privatmetzgereien
nur solche Burschen zu beschäftigen, die der Gewerkschaft nicht
angehörten. Der Verband rief sodann das Einigungsamt an, um dem
drohenden Streite vorzubeugen; der Vermittlungsversuch des Präsidenten
des beselstädtischen Regierungsrates scheiterte aber nach längeren
Unterhandlungen

Der Verband beschloss darauf, die Metzgerei Heck zu boykottieren. Er
teilte diesen Beschluss dem Kläger

Obligationenrecbt. N° 58. 441

mit Brief vom 15. August 1911 mit, unter Angabe der Gründe : weil
der Kläger trotz seines am 8. Mai 1911 gegebenen Versprechens jeden
Abschluss einer Vereinbarung über die Lohnund Arbeitsbedingungen ablehne,
und weil er trotz seiner Erklärung, er werde in keiner Weise gegen die
Organisation vorgehen, den neueintretenden Arbeitern einen Revers zur
Unterschrift vorgelegt habe, wonach sie sich verpflichten sollten, keiner
Gewerkschaft beizutreten; ferner habe der Kläger versucht, Arbeiter von
der Organisation abwendig zu machen. Der Verband sprach zum Schluss die
Hoffnung aus, dass ein loyales Entgegenkommen des Klägers ihm in Bälde
ermöglichen werde, den verhängten Boykott wieder aufzuheben.

Heck antwortete am 17. August 1911, er werde die Zuschrift des Verbandes
nächster Tage einlässlich beantworten, um darzutun, dass das Vorgehen
gegen ihn ungerechtfertigt und die angedrohte Massregelung widerrechtlich
sei. .

Am 19. August 1911 erging aber die öffentliche Aufforderung zum Boykott
durch Flugblätter, Plakate, Zeitungsinserate u. s. w. Der Kläger wurde
dabei, und in der Folge auch durch Zuschriften an Kunden, Wirtschaften,
Vereine u. s.-w., fortgesetzt des Wortbruches angeschuldigt; es wurde
behauptet, seine Arbeiter kristeten ihr Dasein unter menschenunwürdigen
Zuständen, es herrschten bei ihm kulturwidrige, elende Lohnund
Arbeitsverhältnisse, den Arbeitern würden ihre Menschenrechte
vorenthalten. Es seien Arbeiter gemassregelt worden, weil sie organisiert
waren oder weil sie von dem Vereinigungsrechte Gebrauch machten und
nach Verbesserung ihrer Lage strebten. Der Kläger habe ein Verhalten
an den Tag gelegt, dessen sich ein Mann schämen sollte; die Erklärung,
die er hinterher für sein Verhalten gebe, sei ein blosses Auskneifen.

Nach dem der Boykott wochenlang scharf durchgeführt und auch auf die
Verkaufsstelle des Klägers in Genf

4-42 Obligationenrecht. N° 56.

ausgedehnt werden war, und ein abermaliger Vermittlungsversuch des
kantonalen Einigungsamtes, das der Metzgermeisterverein angerufen hatte,
gescheitertwar, hob der Kläger gegen den Verband die vorliegende Klage
an, mit den Begehren :

l. Der Beklagte sei verpflichtet, an den Kläger 10,000 Fr. nebst 5 %
Zins seit 13. November 1911 (Schadenersatz und Genugtuung) zu bezahlen.

2. Der Beklagte sei ferner verpflichtet, den über den Kläger verhängten
Boykott aufzuheben und sich aller weiterer Boykotthandlungen zu
enthalten.

Der Beklagte hat Ahweisung der Klage beantragt. Das Bezirksgericht
Zürich hat sie jedoch in vollem, das Obergericht in sehr reduziertem
Umfange geschützt.

2. Gleichzeitig mit der vorliegenden Klage hatten der Kläger und sein
Vater gegen Jean Schifferstein, Sekretär des beklagten Verbandes, vor
den Basler

Gerichten Strafklage wegen Ehrbeleidigung erhoben,

gestützt auf eine Reihe von Zeitungsartikeln und Notizen, die im
Basler Vorwärts gegen Heck, Vater und Heck, Sohn erschienen waren. Das
Appellationsgericht erklärte Schiilerstein der Beschimpfung durch die
Presse schuldig und verurteilte ihn zu einer Busse von 150 Fr.; es stellte
fest, der Vorwurf des Vortbruehes gehe in der Form über das erlaubte Mass
hinaus, ebenso der Vorwurf, der Kläger habe eine'Notlüge gebraucht, er sei
ausgekniifen; die Anschuldigungen und Verdachligungen Hecks seien grundlos
und in der erkennbaren Absicht der Kränkung erfolgt. Von der Zusprechuug
einer Genugtuungssumme an die Strafkläger sah das Appellationsgericht ab,
weil ihnen durch die Bestrafung des Angeklagten und die Veröffentlichung
des Urteils eine der Schwere der Verletzung angemessene Genugtuung
Widerfahre. Zur Zusprechung von Schadenersatz fehlten dem Strafrichter
die nötigen tatsächlichen Unterlagen.

3. streitig ist nur noch das Rechtsbegehren 1 der Zivilklage und auch
dieses Begehren nur insofern, als

______ ...... ..., -

Obligationenrecht. N° 56. 443

der Kläger Erhöhung der Entschädigung auf 6000 Fr., eventuell auf 3000
Fr. oder auf einen vom Gericht zu bestimmenden Betrag verlangt, während
der beklagte Verband das Urteil des Obergerichts hingenommen hat.

Mit den kantonalen Instanzen ist das neue Recht anzuwenden. Zwar haben
die Boykotthandlungen sich zum Teil vor dem 1.Januar 1912 abgespielt,
indem der Boykott im August 1911 verhängt wurde und bis in das Jahr
1913 reichte. Allein die in Betracht kommenden Bestimmungen des neuen
Rechts (ZGB Art. 28
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 28 - 1 Ist ein Vertragschliessender durch absichtliche Täuschung seitens des andern zu dem Vertragsabschlusse verleitet worden, so ist der Vertrag für ihn auch dann nicht verbindlich, wenn der erregte Irrtum kein wesentlicher war.
1    Ist ein Vertragschliessender durch absichtliche Täuschung seitens des andern zu dem Vertragsabschlusse verleitet worden, so ist der Vertrag für ihn auch dann nicht verbindlich, wenn der erregte Irrtum kein wesentlicher war.
2    Die von einem Dritten verübte absichtliche Täuschung hindert die Verbindlichkeit für den Getäuschten nur, wenn der andere zur Zeit des Vertragsabschlusses die Täuschung gekannt hat oder hätte kennen sollen.
, OR 41 if.) decken sich im wesentlichen mit den
altrechtlichen Bestimmungen und der früheren Gerichtspraxis. Und die
Parteien sind damit einverstanden, dass auf das neue Recht abgestellt
werde.

4. In der Sache selber fragt sich in erster Linie, ob der Boykott
rechtmässig oder widerrechtlich war.

Es kann dahingestellt bleiben, ob er die Wahrung berechtigter
Berufsinteressen bezweckte oder darüber hinaus mit der Rechtsordnung und
den guten Sitten nicht vereinbare Zwecke verfolgte. Denn er ist jedenfalls
mit unerlaubten Mitteln durchgeführt werden und deshalb widerrechilich.

Dass der Verb and unerlaubte Kampfmittel angewendet hat, hat schon
die Vorinstanz anerkannt. Allein es handelt sich dabei nicht bloss um
vereinzelte Vorkommnisse und Rechtswidrigkeiten, durch die der an sich
zulässige Boykott eine erhebliche Verschärfung erfuhr, sondern die ganze
Kampfesweise des Verbandes verstiess gegen die Rechtsordnung und die
guten Sitten.

Es steht fest, dass der Verband durch zahlreiche Inserate, Notizen und
Einsendungen in Zeitungen sowohl als durch mannigfache Flugblätt'er und
Plakate öffent-

lich gegen den Kläger schwere Vorwürfe erhoben, ihn

fortgesetzt persönlich verdächtigt und unehrenhafter Handlungsweise: des
mehrfachen Wortbruches, der Misshandlung seiner Arbeiter usw. beschuldigt
hat. Es wurde behauptet, es herrschten beim Kläger kulturwidrige Lohn-

444 Obligationenrecht. N° 56.

und Arbeitsverhältnisse, seine Arbeiter fristeten ein menschenunwürdiges
Dasein, der Kläger habe ein Verhalten an den Tag gelegt, dessen sich ein
Mann schämen sollte, er habe Arbeiter gemassregelt, weil sie organisiert
waren und nach Verbesserung ihrer Lage strebten, und er missachte die
in der Schweiz bestehenden Gesetze.

Nach den für das Bundesgericht verbindlichen tatsächlichen Feststellungen
der kantonalen Instanzen waren diese zahlreichen, immer wieder, in
dieser oder jener Form, gegen den Kläger öffentlich erhobenen und
meist schon der Form nach beleidigenden Vorwürfe und Anschuldigungen
direkt unwahr oder wenigstens unbewiesen; sie waren aber in hohem Masse
geeignet, den Kläger in der Achtung seiner Mitbürger herabzusetzen,
ihn in der öffentlichen Meinung als einen ehrlosen Menschen erscheinen
zu lassen, und bildeten unzulässige Angriffe auf seine persönliche und
geschäftliche Ehre. Der Sekretär des Verbandes, Schifierstein, der den
Boykott leitete, ist denn auch wegen dieser Presserzeugnisse von den
Basler Strafgerichten der Beschimpfung schuldig erklärt und zu einer
Busse verurteilt worden. Mit Recht hat die Vorinstanz die Feststellungen
des Strafrichters übernommen; sie sind durchaus aktengemäss und deshalb
auch für das Bundesgericht massgebend. Auch die anderen Veranstaltungen,
zu denen der Verband fortgesetzt griff, um die Gefientlichkeit gegen
Heck aufzureizen Austeilung von Flugschriftén, Anschlagen von Plakaten,
Drohungen an Kunden usw. können aber, so wie die Umstände liegen, vor
der Rechtsordnung und den guten Sitten nicht standhalten; sie waren keine
zulässigen Mittel im wirtschaftlichen Kampfe. Daher ist der Boykott als
s o l c h e r wider-rechtlich geworden.

5. Die Folge davon ist, dass der Verband dem Kläger den ganzen Schaden
zu ersetzen hat, der ihm aus dem Boykott nachweisbar entstanden ist. Der
Einnahmenausiall beträgt nach einwandfreier Feststellung der Vorinstanz,
die sich auf die von ihr angeordnete Oberexpertise

Obligationenrecht. N° 56. 445

stützt, 3000 Fr.; mit Recht hat die Vorinstanz dabei, im Gegensatz
zur ersten Instanz, nur die Netto-, nicht die Bmtto Mindereinnahme in
Betracht gezogen. Der Einnahmenausfall von 3000 Fr. ist für die Zeit von
der Eröffnung des Boykottes bis 30. November 1912 berechnet. Das Begehren
des Klägers um Berücksichtigung des späterhin eingetretenen Schadens
ist von der Vorinstanz aus prozessualischen Gründen abgewiesen worden;
es hat somit dabei sein Bewenden.

Die Vorinstanz hat den Schadensbetrag von 3000 Fr. zur Hälfte auf den
zulässigen Boykott und auf die rechtswidrigen Mittel verteilt. Nach
dem Gesagten ist er in vollem Umfange dem Verbande aufzuerlegen. Denn da
der Schaden tatsächlich durch den mit verwerflichen Mitteln geführten
und daher an sich rechtswidrigen Boykott verursacht worden ist, kommt
nichts darauf an, dass der Kläger auch bei einem erlaubten Boykott
der aber in Wirklichkeit nicht ins Leben getreten ist schaden erlitten
hätte. Ein Abstrich erscheint umso weniger gerechtfertigt, als dem Kläger
offenbar über den nachweisbaren Schaden hinaus durch Kundenentzug und
Kreditschädigung ein gewisser Schaden erwachsen ist, der sich rechnerisch
nicht ermitteln lässt. -

6. Dagegen rechtfertigt sich die Zusprechung einer Geldsumme an den
Kläger als Genugtuung wegen Verletzung in den persönlichen Verhältnissen
angesichts des Art. 49
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 49 - 1 Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, hat Anspruch auf Leistung einer Geldsumme als Genugtuung, sofern die Schwere der Verletzung es rechtfertigt und diese nicht anders wiedergutgemacht worden ist.
1    Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, hat Anspruch auf Leistung einer Geldsumme als Genugtuung, sofern die Schwere der Verletzung es rechtfertigt und diese nicht anders wiedergutgemacht worden ist.
2    Anstatt oder neben dieser Leistung kann der Richter auch auf eine andere Art der Genugtuung erkennen.
neu OR nicht. Es fehlt an der besonderen
Schwere der Verletzung und des Verschuldens , die nach dem neuen
Recht Voraussetzung des Anspruches auf Leistung einer Genugtuungssumrne
ist. Zudem ist das Hauptorgan des Verbandes, Schifferstein, wegen seiner
Presskampagne gegen den Kläger bestraft worden; in diesem Strafarteil,
das veröffentlicht wurde, liegt für den Kläger bereits eine. Genugtuung.

446 Obligationenrecht. N° 57.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt :

Die Berufung wird in dem Sinne begründet erklärt, dass der Beklagte
verpflichtet wird, an den Kläger den Betrag von 3000 Fr. nebst Zins zu
5 % seit 14. November 1911 zu bezahlen.

57. Urteil der II. Zivilabteilung vom 17. Juni 1915 1. S. Urbaine,
Beklagte, gegen Denner, Klägerin.

1. Art. 78
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz
VVG Art. 78 - Die Begünstigung begründet, unter Vorbehalt von Verfügungen nach Artikel 77 Absatz 1 dieses Gesetzes, für den Begünstigten ein eigenes Recht auf den ihm zugewiesenen Versicherungsanspruch.
VVG : Anspruch des in einem Versicherungsvertrag als
Begünstigter genannten Dritten. 2. Wirkungen des Unterschreibens einer
ungelesenen Urkunde.

A. Cäsar Denner, der verstorbene Ehemann der Klägerin, führte in
den Jahren 1908-1912 die zürcher Agentur der Beklagten, bei der er
durch zwei am 19. Januar und 26. Juni 1903 abgeschlossene Policen N°
110,811 und 112,952 für je 20,000 Fr. auf den Todesoder Erlebensfall
versichert war; als Begünstigte für den Fall des Ablebens Denners vor
Ablauf der Versicherung nennen beide Polieen die heutige Klägerin. Nach
dem am 1. August 1912 d. h. vor Auslauf der Versicherungen erfolgten Tod
Cäsar Denners, zeigte sich, dass seine Vermögensverhältnisse ungeordnete
und vermutlich auch ungünstige waren. Die Werttitel, auch diejenigen,
die der Ehefrau gehörten, waren verpfändet, die mit der Be-klagten
abgeschlossenen Lebensversicherung-en bei der Leihkasse Enge für
eine Forderung von 9000 Fr. Am 20. August 1912 verlangte die Klägerin
die Aufnahme des öffentlichen Inventars; die Eingabefrist endigte am
1. Oktober 1912. Da das Inventar einen Passivenüberschuss von ungefähr
700,000 Fr. ergab, schlugen die Erben den Nachlass aus. In der darauf
folgenden konkursrechtlichen Liquidation erhielt die Klägerin für ihre

Obligationenrecht. N ° 5?. 447

Weibergutsforderung von 155,000 Fr. nur für 17,043 Fr. 80
Cts. Befriedigung. Die nach dem Hinscheiden Denners von der Beklagten
Veranlasste Prüfung der Geschäftsführung der Agentur ergab sofort, dass
Denne1DER sich bedeutende Unterschlagungen der eingegangenen Prämiengelder
hatte zu Schulden kommen lassen. Der Inspektor der Beklagten, Josef
Baumgartner in Basel, stellte fest, dass die Unterschlagungen Denners zu
Ungunsten der Beklagten und der mit ihr eng verbundenen Urbaine-Incendie,
deren Agentur Denner ebenfalls geführt hatte, sich auf mehr als 40,000
Fr. beliefen. Denner hatte als Kaution für richtige Geschäftsführung
Wertpapiere im Nominalbetrag von 40,000 Fr. hinterlegt, die in erster
Linie der Urbaine-lncendie, sodann der Beklagten hafteten. Durch
die Liquidation der Kaution, die teils durch die Beklagte, teils
durch das Konkursamt geschah, wurde die Urbaine-Incendie für ihre
Forderung ganz, die Beklagte jedoch nur bis zu einem Betrag von 18,897
Fr. 70 Cts. gedeckt. Baumgartner hatte der Klägerin von den von ihrem
Manne verübten Veruntreuungen, deren Höhe damals noch nicht feststand,
Mitteilung gemacht. In der Folge wurde zwischen ihm und der Klägerin über
die Deckung dieser Unterschlagungen gesprochen. Die Klägerin anerkennt,
dass sie anfänglich beabsichtigt habe, für die Unterschlagungen ihres
Ehemannes einzustehen; dass sie dem Baumgartner gegenüber geäussert habe,
sie wolle das Andenken ihres Mannes retten , sowie dass davon die
Rede gewesen sei, die Beträge aus den der Klägerin zukommenden Policen
zu decken. Die Klägerin behauptet aber, sie habe das nur für den Fall
zugesagt, dass die Verhältnisse des Nachlasses ihres Mannes sich nicht
ungünstig gestalten würden. Baumgartner erklärt dagegen, die Klägerin
habe von allem Anfang an bestimmt in Aussicht gestellt, für den Schaden,
der aus der Geschäftsführung ihres Mannes entstanden sei,.aufzukommen. Am
26. September 1912 siedelte die Klägerin mit ihrer Familie nach Bern über;
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 41 II 439
Datum : 11. Juni 1915
Publiziert : 31. Dezember 1915
Quelle : Bundesgericht
Status : 41 II 439
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 438 Obligationenrecht. N° 55 derungen sowie die Forderung für Transportund Lagerspesen


Gesetzesregister
OR: 28 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 28 - 1 Ist ein Vertragschliessender durch absichtliche Täuschung seitens des andern zu dem Vertragsabschlusse verleitet worden, so ist der Vertrag für ihn auch dann nicht verbindlich, wenn der erregte Irrtum kein wesentlicher war.
1    Ist ein Vertragschliessender durch absichtliche Täuschung seitens des andern zu dem Vertragsabschlusse verleitet worden, so ist der Vertrag für ihn auch dann nicht verbindlich, wenn der erregte Irrtum kein wesentlicher war.
2    Die von einem Dritten verübte absichtliche Täuschung hindert die Verbindlichkeit für den Getäuschten nur, wenn der andere zur Zeit des Vertragsabschlusses die Täuschung gekannt hat oder hätte kennen sollen.
49
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 49 - 1 Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, hat Anspruch auf Leistung einer Geldsumme als Genugtuung, sofern die Schwere der Verletzung es rechtfertigt und diese nicht anders wiedergutgemacht worden ist.
1    Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, hat Anspruch auf Leistung einer Geldsumme als Genugtuung, sofern die Schwere der Verletzung es rechtfertigt und diese nicht anders wiedergutgemacht worden ist.
2    Anstatt oder neben dieser Leistung kann der Richter auch auf eine andere Art der Genugtuung erkennen.
VVG: 78
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz
VVG Art. 78 - Die Begünstigung begründet, unter Vorbehalt von Verfügungen nach Artikel 77 Absatz 1 dieses Gesetzes, für den Begünstigten ein eigenes Recht auf den ihm zugewiesenen Versicherungsanspruch.
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • boykott • hecke • zins • schaden • bundesgericht • weiler • mann • vorinstanz • tag • vater • genugtuung • beschuldigter • plakat • verhalten • arbeitsvertrag • unternehmung • mass • beschimpfung • schadenersatz
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