422 Familienrecht. N° 52 des Beklagten durch die U m st ä n d e des
Falles

geboten gewesen sei. Das wäre zu bejahen, wenn der _

Beklagten aus besondern Gründen, namentlich in der Person seines
Sohnes liegenden, hätte annehmen müssen, dass für den Eintritt
des Unfalles eine grössere Wahrscheinlichkeit vorliege, als sie
ordentlicher Weise sonst bestände. Hier beruft sich der Kläger im
wesentlichen unter Hinweis auf die tatbestäudliehen Ausführungen der
ersten Instanz darauf, dass der Sohn des Beklagten bei der Ankunft der
ihm durch Postpacket zugesandten Pistole sich gegenüber seiner Mutter
unaufrichtig und anmassend benommen und den Inhalt der Sendung seinen
Eltern verschwiegen habe. Abgesehen aber davon, ob auf diese ungünstigen
Angaben angesichts der Feststellungen der kantonalen Oberirzstanz über
den guten Charakter des Sohnes Capeder abgestellt werden könne, handelt es
sich um Charaktereigenschaften, die für die Bewirknng des Unfalles keine
kausale Bedeutung besitzen. Von Wichtigkeit wäre vielmehr hier lediglich,
ob der Sohn Capeder erfahrungsgemäss zu solchen Unvorsichtigkeiten,
wie die den Unfall bewirkende, neige und ob er daher nicht eben so gut,
wie ein anderer Jüngling seines Alters und Standes im Besitze einer
Schusswaffe habe belassen werden können. Unter diesem Gesichtspunkte hat
aber der Berufungskläger das angefochtene Urteil nicht bemängelt und nach
der Aktenlage liesse sich auch die Klage von einer solchen Erwägung aus
nicht zusprechen. Anderweitige wesentliche Umstände , die ausnahmsweise
eine Aufsichtspflicht des Beklagten gesetzlich begründet hätten, sind
nicht namhaft gemacht worden und aus den Akten nicht ersichtlich.

Demnach hat das Bundesgericht . erkannt : Die Berufung wird abgewiesen
und das Urteil des

Kantonsgerichts von Graubünden vom 19. November 1914 bestätigt.

Familienrecht. N° 53. 44.3

53. Umi} der II. Zivilabteilung vom 15. September 1915 i. S. Drysch,
Beklagter, gegen fipke (Mutter und Kind), Kläger. V a t er s c h a f t
s k la g e. Oertlich anwendbares Recht. Natur der Fristbestimmung des
Art. 308
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 308 - 1 Erfordern es die Verhältnisse, so ernennt die Kindesschutzbehörde dem Kind einen Beistand, der die Eltern in ihrer Sorge um das Kind mit Rat und Tat unterstützt.
1    Erfordern es die Verhältnisse, so ernennt die Kindesschutzbehörde dem Kind einen Beistand, der die Eltern in ihrer Sorge um das Kind mit Rat und Tat unterstützt.
2    Sie kann dem Beistand besondere Befugnisse übertragen, namentlich die Vertretung des Kindes bei der Feststellung der Vaterschaft, bei der Wahrung seines Unterhaltsanspruches und anderer Rechte und die Überwachung des persönlichen Verkehrs.413
3    Die elterliche Sorge kann entsprechend beschränkt werden.
ZGB : keine um der öffentlichen Ordnung oder Sittlichkcit willen
aufgestellte Bestim-

mung; daher auf eine als solche unter ausländischen} Recht stehende
Klage nicht anwendbar.

A. Die unverheiratete Klägerin Emma Kipke gebar am 10. Oktober 1912
den mitklagenden Knaben Ernst, als dessen Vater sie den Beklagten
bezeichnet. Zur Zeit der Geburt, wie der Schwängerung, war der
Wohnsitz der Klägerin, wie auch derjenige des Beklagten, in Deutschland
gewesen. Die vorliegende Vaterschaftsklage wurde am 15. Dezember 1913
beim Bezirksgericht Baden (Aargau) eingereicht, weil der Beklagte sich
unterdessen in Wettingen bei Baden niedergelassen hatte.

Der Beklagte erhob die Einrede der Klageverwirkung gemäss Art. 308
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 308 - 1 Erfordern es die Verhältnisse, so ernennt die Kindesschutzbehörde dem Kind einen Beistand, der die Eltern in ihrer Sorge um das Kind mit Rat und Tat unterstützt.
1    Erfordern es die Verhältnisse, so ernennt die Kindesschutzbehörde dem Kind einen Beistand, der die Eltern in ihrer Sorge um das Kind mit Rat und Tat unterstützt.
2    Sie kann dem Beistand besondere Befugnisse übertragen, namentlich die Vertretung des Kindes bei der Feststellung der Vaterschaft, bei der Wahrung seines Unterhaltsanspruches und anderer Rechte und die Überwachung des persönlichen Verkehrs.413
3    Die elterliche Sorge kann entsprechend beschränkt werden.
ZGB,
wogegen die Klagpartei geltend machte, dass auf den vorliegenden Fall
ausschliesslich deutsches Recht anwendbar, nach deutschem Rechte aber
die Klage nicht verwirkt sei.

B. Durch Urteil vom 26. März 1915 hat das Obergericht des Kantons
Aargau die Klage zugesprochen und insbesondere hinsichtlich des örtlich
anwendbaren Rechts den Standpunkt der Klagpartei gutgeheissen.

C. Gegen dieses Urteil richtet sich die vorliegende Berufung, mit dem
Antrag auf Nichteintreten, eventuell Abweisung der Klage.

Das Bundesgericht zieht in E r W d g u n g : Da die Vorinstanz ihrem
Urteil ausschliesslich deut-

sches Recht zu Grunde gelegt hat, könnte nach Art. _56 und 57 OG auf
die vorliegende Berufung nur dann em-

424 ' Familienrecht. N° 53.

getreten werden, wenn crichtigerweise schweizerisches Recht anwendbar
gewesen wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall. Denn die Vaterschaftsklage
unterliegt, weil familienreehtlicher Natur (vergl. BGE 39 II S. 499 f.
Erw. 2) dem Rechte desjenigen Staates, in welchem die Parteien zur
Zeit der Sehwängerung bezw. der Geburt, ihren Wohnsitz hatten, und
die Möglichkeit verschiedener Auffassungen ist erst dann gegeben,
wenn entweder der Wohnsitz des Schwängerers und derjenige der
Geschwängerten, oder aber der Wohnsitz zur Zeit der Sehwängerung und
derjenige zur Zeit der Niederkunft auseinanderfallen, was indessen
hier nicht zulrittt. Danach könnte Art. 308
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 308 - 1 Erfordern es die Verhältnisse, so ernennt die Kindesschutzbehörde dem Kind einen Beistand, der die Eltern in ihrer Sorge um das Kind mit Rat und Tat unterstützt.
1    Erfordern es die Verhältnisse, so ernennt die Kindesschutzbehörde dem Kind einen Beistand, der die Eltern in ihrer Sorge um das Kind mit Rat und Tat unterstützt.
2    Sie kann dem Beistand besondere Befugnisse übertragen, namentlich die Vertretung des Kindes bei der Feststellung der Vaterschaft, bei der Wahrung seines Unterhaltsanspruches und anderer Rechte und die Überwachung des persönlichen Verkehrs.413
3    Die elterliche Sorge kann entsprechend beschränkt werden.
ZGB auf die vorliegende
Vaterschaftsklage nur dann anwendbar sein, wenn er als eine um der
öffentlichen Ordnung und Sittlichkeit willen aufgestellte Bestimmung
aufzufassen wäre. Auch dies ist jedoch nicht der Fall.

Zwar ist die Verwirkungsfrist des Art. 308
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 308 - 1 Erfordern es die Verhältnisse, so ernennt die Kindesschutzbehörde dem Kind einen Beistand, der die Eltern in ihrer Sorge um das Kind mit Rat und Tat unterstützt.
1    Erfordern es die Verhältnisse, so ernennt die Kindesschutzbehörde dem Kind einen Beistand, der die Eltern in ihrer Sorge um das Kind mit Rat und Tat unterstützt.
2    Sie kann dem Beistand besondere Befugnisse übertragen, namentlich die Vertretung des Kindes bei der Feststellung der Vaterschaft, bei der Wahrung seines Unterhaltsanspruches und anderer Rechte und die Überwachung des persönlichen Verkehrs.413
3    Die elterliche Sorge kann entsprechend beschränkt werden.
ZGB materieller. nicht
prozessrechtlicher Natur. Auch ist zuzugeben, dass ihr gesetzgeberisches
Motiv gewisse Verwantdschaft hat mit den Gründen, die z. B. im
französischen Recht zum absoluten Verbot der recherche de la

paterniié geführt haben, welch *letzteres zweifellos um

der öffentlichen Ordnung und Sittlichkeit willen aufgestellt wurde
(vergl. WEISS, Droit international IV S. 60). Zu jenen Gründen gehört
nämlich die Vermeidung der

Beweisschwierigkeiten, die mit allen, auch den rechtzeitig -

erhabenen Vaterschaftsklagen verbunden sind, und diese sind gewiss
auch hestimmend gewesen für die zeitliche Begrenzung der Klage. Allein
die blosse Begrenzung des Klagerechts ist doch mit dem absoluten
Verbot nicht auf eine und dieselbe Linie zu stellen. Sobald einmal
die Vaterschaftsklage als solche zugelassen wird, erscheint auch die
Entgegen nahme einer nach ausländischem Recht zu beurteilenden Klage,
die nach inländischem Recht verspätet wäre, nicht als mit der öffentlichen
Ordnung und Sittiichkeit unvereinbar. Art. 308
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 308 - 1 Erfordern es die Verhältnisse, so ernennt die Kindesschutzbehörde dem Kind einen Beistand, der die Eltern in ihrer Sorge um das Kind mit Rat und Tat unterstützt.
1    Erfordern es die Verhältnisse, so ernennt die Kindesschutzbehörde dem Kind einen Beistand, der die Eltern in ihrer Sorge um das Kind mit Rat und Tat unterstützt.
2    Sie kann dem Beistand besondere Befugnisse übertragen, namentlich die Vertretung des Kindes bei der Feststellung der Vaterschaft, bei der Wahrung seines Unterhaltsanspruches und anderer Rechte und die Überwachung des persönlichen Verkehrs.413
3    Die elterliche Sorge kann entsprechend beschränkt werden.
ZGB ist daher auf

Famfiemeeb't. NW 54. 4-25

solche Klagen nicht anwendbar. Die gegenteilige Lösung würde übrigens
dazu führen, dass die Rechtsstellung der Matter und des Kindes
dure-h einen in mindern der Ansprechen herbeigeführten Domizilweehsel
benachteiligt werden könnte. Der Berufungskläger will zwar selbst für
solche Fälle eine Ausnahme zulassen; allein es wäre nicht tunlich,
sie nur bei besonderem Nachweis der iraudulösen Domizilverlegnng
zuzulassen, wenn prinzipiell die lex fori zuträfe.' Eine dem Art. 21
des Ein-' fùhrungsgesetzes zum deutschen BGB entsprechende Bestimmung,
wonach bei der Vaterschattsklage auch in Fällen sachlicher Anwendung
ausländischen Rechts die Geltendmachung weitergehender Ansprüche, als
sie nach dem inländischen Recht bestehen, unzulässig wäre, ist in der
schweizerischen Gesetzgebung nicht enthalten und entspricht auch nicht
etwa einem allgemeinen Grundsatze des internationalen Privatrechts
(vergl. ZITELMANN, Internationales Privatrecht, S. 911 f.).

Demnach hat das Bundesgericht erkannt :

Auf die Berufung wird nicht eingetreten.

54. Arrèt de la. XI° section civile du 22 septembre 1915 dans la cause
Pellet, défendeur, contre Commune de Saint-Livres, demanderesse.

Qualité de 1a commune d'origine pour contester l'état d'un enfant
faussement indiqué dans l'acte de naissance comme né d'une de ses
ressortissantes. Legitimation p a s s i v e de l'individu Iaussement
indiqué comme père de l'enfant. L' action en contestation d'état, sans
demande de rectification d'aete de l'état civil, est recevahle Iorsqne
la naissance a eu lieu à l'étranger et n'a été inserite que dans les
registres étrangers.

Le 31 mai 1912 à Annemasse (Haute-Savoie), Jeanne Rose, originaire de
Ballaigues, non mariée, a mis au monde
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 41 II 423
Datum : 15. September 1915
Publiziert : 31. Dezember 1915
Quelle : Bundesgericht
Status : 41 II 423
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 422 Familienrecht. N° 52 des Beklagten durch die U m st ä n d e des Falles geboten


Gesetzesregister
ZGB: 308
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 308 - 1 Erfordern es die Verhältnisse, so ernennt die Kindesschutzbehörde dem Kind einen Beistand, der die Eltern in ihrer Sorge um das Kind mit Rat und Tat unterstützt.
1    Erfordern es die Verhältnisse, so ernennt die Kindesschutzbehörde dem Kind einen Beistand, der die Eltern in ihrer Sorge um das Kind mit Rat und Tat unterstützt.
2    Sie kann dem Beistand besondere Befugnisse übertragen, namentlich die Vertretung des Kindes bei der Feststellung der Vaterschaft, bei der Wahrung seines Unterhaltsanspruches und anderer Rechte und die Überwachung des persönlichen Verkehrs.413
3    Die elterliche Sorge kann entsprechend beschränkt werden.
BGE Register
39-II-495
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • vaterschaftsklage • wille • ausländisches recht • bundesgericht • internationales privatrecht • mutter • aargau • weiler • kantonsgericht • waffe • zugang • erste instanz • charakter • lex fori • deutschland • vater • legitimation • vorinstanz • minderheit
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