202 Erbrecht. N° 25.

II. ERBRECHTDROIT DES SUCCESSIONS

25. Urteil der II. Zivilabteilung vom 20. Mai 1915 i. S. Aargauische
Kantonalbank, Bekiagte und Widerkiägei'in,

gegen 1. Johannes Schar, in Gondiswil,

. Johann Blaser, in Gondiswil,

. Rosina Blaser, in Gondiswil,

. Anna Maria Nyieler, in Turgi,

. Marie Elise Weber, in Zofingen,

. Jacob Schar, in Brittnau,

Andreas 'Schär, in Gondiswil,

Jakob Flückiger, in Brittnau,

. Zehn minderjährige Kinder des Gottfried Flückiger in Rheinfelden,

Katharina Baumberger, in Koppigen,

. Testamentserben der Rosina Schar

geb. Nyfeler,

sämtlich Kläger und Widerheklagte.

up VWNQWPWM

ODP-d

11-

Art. 560
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 560 - 1 Die Erben erwerben die Erbschaft als Ganzes mit dem Tode des Erblassers kraft Gesetzes.
1    Die Erben erwerben die Erbschaft als Ganzes mit dem Tode des Erblassers kraft Gesetzes.
2    Mit Vorbehalt der gesetzlichen Ausnahmen gehen die Forderungen, das Eigentum, die beschränkten dinglichen Rechte und der Besitz des Erblassers ohne weiteres auf sie über, und die Schulden des Erblassers werden zu persönlichen Schulden der Erben.
3    Der Erwerb der eingesetzten Erben wird auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Erbganges zurückbezogen, und es haben die gesetzlichen Erben ihnen die Erbschaft nach den Besitzesregeln herauszugeben.
ZGB ( Der Tote erbt den Lebendigen ); gilt auch für die
testamentarischen Erben. Art. 519 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 519 - 1 Eine Verfügung von Todes wegen wird auf erhobene Klage für ungültig erklärt:
1    Eine Verfügung von Todes wegen wird auf erhobene Klage für ungültig erklärt:
1  wenn sie vom Erblasser zu einer Zeit errichtet worden ist, da er nicht verfügungsfähig war;
2  wenn sie aus mangelhaftem Willen hervorgegangen ist;
3  wenn ihr Inhalt oder eine ihr angefügte Bedingung unsittlich oder rechtswidrig ist.
2    Die Ungültigkeitsklage kann von jedermann erhoben werden, der als Erbe oder Bedachter ein Interesse daran hat, dass die Verfügung für ungültig erklärt werde.
und 520 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 520 - 1 Leidet die Verfügung an einem Formmangel, so wird sie auf erhobene Klage für ungültig erklärt.
1    Leidet die Verfügung an einem Formmangel, so wird sie auf erhobene Klage für ungültig erklärt.
2    Liegt die Formwidrigkeit in der Mitwirkung von Personen, die selber oder deren Angehörige in der Verfügung bedacht sind, so werden nur diese Zuwendungen für ungültig erklärt.
3    Für das Recht zur Klage gelten die gleichen Vorschriften wie im Falle der Verfügungsunfähigkeit.
ZGB (Legitimation
zur Anfechtung einer testamentarischen Verfügung); Voraussetzung:
erbrachtliches Interesse, Art. 602
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 602 - 1 Beerben mehrere Erben den Erblasser, so besteht unter ihnen, bis die Erbschaft geteilt wird, infolge des Erbganges eine Gemeinschaft aller Rechte und Pflichten der Erbschaft.
1    Beerben mehrere Erben den Erblasser, so besteht unter ihnen, bis die Erbschaft geteilt wird, infolge des Erbganges eine Gemeinschaft aller Rechte und Pflichten der Erbschaft.
2    Sie werden Gesamteigentümer der Erbschaftsgegenstände und verfügen unter Vorbehalt der vertraglichen oder gesetzlichen Vertretungs- und Verwaltungsbefugnisse über die Rechte der Erbschaft gemeinsam.
3    Auf Begehren eines Miterben kann die zuständige Behörde für die Erbengemeinschaft bis zur Teilung eine Vertretung bestellen.
und 653
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 653 - 1 Die Rechte und Pflichten der Gesamteigentümer richten sich nach den Regeln, unter denen ihre gesetzliche oder vertragsmässige Gemeinschaft steht.
1    Die Rechte und Pflichten der Gesamteigentümer richten sich nach den Regeln, unter denen ihre gesetzliche oder vertragsmässige Gemeinschaft steht.
2    Besteht keine andere Vorschrift, so bedarf es zur Ausübung des Eigentums und insbesondere zur Verfügung über die Sache des einstimmigen Beschlusses aller Gesamteigentümer.
3    Solange die Gemeinschaft dauert, ist ein Recht auf Teilung oder die Verfügung über einen Bruchteil der Sache ausgeschlossen.
ZGB (Erbengemeinschaft) ;
Unwirksamkeit einer nur an einzelne Erben geleisteten Zahlung.

A. Am 22. März 1912 starb in Brittnau (Aargau) der Vitwer Joh. Jakob Schär
unter Hinterlassung eines Vermögens von 11,350 Fr., dessen grösster Teil
(11,100 Fr.) in einer Kaufbriefschuld an den Kläger N° 8 (Jakob Flückiger,
Landwirt in Brittnau) bestand. Seine gesetzlichen Erben sind die Kläger
N° 1-8 und 10, sowie Gottfried Flückiger in Rheinfelden (der Vater der
Kläger N° 9). In einem Testament vom 8. April 1904 und einem Kodizill
vom 29. Oktober 1906, die am 29. und am

Erbrecht. N° 25. 203

27. April 1912 eröffnet wurden, hatte er verfügt, dass, nach Ausrichtung
eines Legats von 500 Fr., die eine Hälfte seiner Erbschaft den Klägern
N° 1-10 (in diesem Prozess als die gesetzlichen Erben bezeichnet), die
andere Hälfte den von seiner Ehefrau in einem Testament vom 4. September
1907 als ihre Erben eingesetzten Klägern N° 11-37 (in diesem Prozess
als die Testamentssi erben bezeichnet) zufallen solle. Seine Ehefrau
ist Anfangs 1912, vo r dem Erblasser verstorben ; ihr Testament wurde
jedoch erst am 11. Mai 1912 eröffnet. Sämtliche drei letztwilligen
Verfügungen wurden von allen als Erben in Betracht kommenden Personen
als rechtsgültig anerkannt.

Um die von ihm der Erbschaft geschuldete, offenbar gekündete
Kaufbriefschuld von 11,100 Fr. ablösen zu können (wodurch die Teilung
der Erbschaft ermöglicht werden sollte), errichtete der Kläger
N°8 am 20. August 1912 auf derselben Liegenschaft, auf welcher jene
Kauf-briefschuld haftete, eine Grundpfandverschreibuug von 11,000 Fr. zu
Gunsten der Beklagten, wobei über die Auszahlung der Valuta durch die
Beklagte folgendes bestimmt wurde :

Die Glàubigerin, Aargauische Bank in Aarau wird beauftragt, den sub
6 ausgeführten Vorgangsposten gegen die Erben des Johann Jakob Schär
im Betrage von 11,100 Fr. nebst Zinsausstand aus dem neuen Darlehen,
mit Zuschuss durch den Schuldner, zu tilgen und das dafür eingetragene
Pfandrecht löschen zu lassen, wo gegen das durch diese Urkunde begründete
Pfaudrecht nachrückt und zwar auf Interimregister N° 33-38 Ziffer 1-6
in den dritten und auf Interimregister N° 39 Ziffer 7 in den II. Rang.

Tatsächlich bezahlte die Beklagte die 11,000 Fr. wie folgt :

a) 3600 Fr. am 24. August 1912 an den damaligen Gemeindeschreiber Wüst
in Brittuau auf Grund

aa) einer von diesem vorgewiesenen Vollmacht vom

204 Erbrecht. N° 25.

24. August 1912, welche einzig die von Wüst gefälschten, wiewohl
notariell beglaubigten Unterschriften des Klägers N° 8, sowie des
Gottfried Flückiger (Vaters der Kläger N° 9) trug, und deren Text
folgendermassen lautete:

Die Unterzeichneten, als Erben am Nachlasse ihres in Brittnau
verstorbenen Onkels, Joh. Jak. Schär, gew. Landwirt von Gondiswil,
bevollmächtigen hiemit den Hrn. Gemeindeschreiber Jk. Wüst in Brittnau
zur Ent gegennahme und rechtsgültigen Quittierung ihrer Erh guthaben an
Jakob Flückiger, Landwirt in der Stampfi zu Brittnau. Kaufiorderungstitel
vom 17. Dez. 1898.

bb) einer ebenfalls von Wüst vorgewiesenen Vollmacht vom 17. August 1912,
welche einzig die echte Unterschrift der Klägerin'N0 10 trug, und deren
Text folgendermassen lautete : _

Die Unterzeichnete, als Erbin im Nachlasse ihres in Brittnau
verstorbenen Bruders Joh. J ak. Schär, bevoll mächtigt hiemit den
Hrn. Gemeindeschreiber Jk. Wüst in Brittnau zur Entgegennahme und
rechtsgültigen Quittierung des ihr und ihren Miterben laut Kauf
forderungstitel vom 17. Dezember 1898 zustehenden Gnthabens von 11,100
Fr. auf Jakob Flückiger, Land Wirt in der Stampfi zu Brittnau.

b) 7400 Fr. am 27. Juni 1913 ebenfalls an Wüst, auf Grund einer vom
August 1912 datierten Vollmacht mit den echten Unterschriften der Kläger
N° 1, 2, 3, 5, 6, ? und 8, sowie mit der von Wüst gefälschten, wiederum
notariell beglaubigten Unterschrift des Friedrich Nyfeler, Ehemanns der
Klägerin N° 4.

Ausserdem hatte Wüst der Beklagten, um sie in den Glauben zu versetzen,
dass keine weitem Erben als die Kläger N° 1-10 vorhanden seien, ein vom
Gemeinderat Brittnau am 4. April 1912 unter Mitwirkung Wüsts errichtetes
Inventar vorgewiesen, welches unter dem Titel Vorbericht die Bemerkung
enthielt: Gesetzliche Erben sind : (folgte deren Aufzählung).

Erbrecht. N° 25. 205

Die Beklagte hatte sich nicht weiter danach erkundigt, ob auch
Testamentserben vorhanden seien.

Wüst hat das Geld nicht abgeliefert, sondern bis auf 600 Fr., die ihm bei
seiner Verhaftung abgenommen und der Beklagten zur Verwahrung übergeben
wurden in seinem eigenen Interesse verwendet.

B. Mit der vorliegenden Klage beantragten die Kläger:

Die Beklagte sei zu verurteilen, die Kaufrestanz forderung von 11,100
Fr. nebst Zinsausstand gemäss Kaufiorderungstitel gegenüber Jk. Flückiger
(Beleg 44 der Kriminalprozedur Wüst) an die klägerischen Erb schaften
des Joh. Jak. und der Rosina Schär auszu bezahlen.

Eventuell :

Die Beklagte sei zu verurteilen, einen Bruchteil dieser
Kaufrestanzforderung von 11,100 Fr. nebst Zinsaus stand gemäss obgenanntem
F orderungstitel nach richterlichem Ermessen an die klägerisehen
Erbschaften des Joh. Jak. und der Rosina Schar auszubezahlen,

wogegen die Beklagte zunächst, als Antwortschluss, folgende Begehren
stellte :

1. Die gegen die Beklagte erhobene Klage sei, so weit sie von den Erben
der Ehefrau Rosina Schär ausgeht, von vorneherein abzuweisen und nur
auf die" der gesetz heben Erben des Jak. Schar, bezw. auch des Schuldners
Jakob Flückiger einzutreten.

2. Auch die Klage der gesetzlichen Erben des Ehe mannes Schär, bezw. des
Jakob Flückiger sei abzu weisen, soweit etwas anderes damit verlangt wird,
als dass die Beklagte die Zahlung für die zwei Titelbetrei'f nisse
der Anna Maria Nyfeler geb. Blaser und des Gott- fried Flückiger nach
gesetzlichem Erbrecht bemessen mit 1528 Fr. noch einmal leisten soll,
um unter weiterem Beischuss von 100 Fr. durch den Schuldner Flückiger

206 Erbrecht. N° 25.

dann die Löschung des ganzen Titels fördern zu können,

und ausserdem folgende Widerklage erhob : _

I. Die Widerbeklagten unter I und II haben em ;uwdlligen, dass die
Hypothek des Jak. Schär sel. von 11,100 Fr. noch haftend auf dem
Heimwesen des Jak. Flückiger in Brittnau, zu Gunsten der Aargauischen
Kantonalbank im Grundbuch gelöscht werde, wenn die Bank noch 1528
Fr. (mit Zuschuss von 100 Fr. seitens des Schuldners und Zinsbetrefinis)
der Erbschaft des J ak. Schär sel. entsprechend den Intestaterbteilen
der Anna Maria Nyieler und des Gottfried Flückiger nach richterlicher
Weisung bezahlt haben wird.

II. Für den Fall, dass die Gerichte erkennen sollten, die Bank habe
auch eine ganze Hälfte des Kapitals von 11,100 Fr. für die sogenannten
Testamentserben Schär unter II noch einmal zu bezahlen, seien die
nachfolgenden Erben unter I zu den nachstehenden Rückzahlungen zu
verhalten:

1. Jakob Flückiger zu 394 Fr. 50 Cts.

2. Johannes Schar zu 689 Fr.

3. Johann Blaser und RosinaBlaser zusammen 525 Fr.

4. Elise Weber-Schar zu 394 Fr. 50 Cts.

5. Jakob Schär zu 394 Fr. 50 Cts.

6. Andreas Schär zu 689 Fr. nebst Zins seit dem 27. Juni 1913 zu 4 1/2 %.

C. Durch Urteil vom 12. Februar 1915 hat das Obergericht des Kantons
Aargau folgendes Urteil .des Bezirksgerichts Aarau vom 21. November
1914 bestatigt:

1. Die Beklagte ist gegenüber dem Kläger Jakob Flückiger verurteilt,
den Erben des Johann Jakob und der Rosina Schär 11,000 Fr. zur Tilgung
des sub 6 der Grundpfandverschreibung aufgeführten Vorgangsposten von
11,100 Fr. zu bezahlen, wogegen die Wider beklagten einzuwilligen haben,
dass die Hypothek des Jakob Schär sei. von 11,100 Fr. auf dem Heimwesen
des Jakob Flückiger in Brittnau bis zur Höhe der

Erbrecht. N° 25. 207

Zahlung zu Gunsten der Aargauischen Kantonalbank im Grundbuch gelöscht
wird.

2. Im übrigen ist die Widerklage abgewiesen.

3. Die Klage der Erben des Johann Jakob und der Rosina Schär ist
abgewiesen.

D. Gegen das obergerichtliche Urteil hat die Beklagte rechtzeitig und
in richtiger Form die Berufung an das Bundesgericht ergriffen, mit
dem Antrag:

Es sei der Beklagten ihr Antwortbegehren und ihr Widerklagebegehren l
(in der vorgesehenen Eventuell tät auch II) zuzusprechen.

E. Die Beklagten und Widerkläger haben Bestätigung des angefochtenen
Urteils beantragt.

Das Bundesgericht zieht i n E r w a g u n g :

1. Da weder der Kläger Jakob Flückiger noch dessen Mitkläger und Miterben
gegen das vorliegende kantonale Urteil die Berufung ergriffen haben,
bedarf es keiner Ueberprüfung des Dispositivs N° 3, wonach die Klage
der Erben des Joh. Jakob und der Rosina Schar abgewiesen ist , sondern
es fragt sich bloss noch, einmal ob die von Jakob Flückiger in seiner
Eigenschaft als Grundpfandschuldner (im Gegensatz zu seiner Eigenschaft
als Erbe) eingeleitete Klage mit Recht gutgehe'issen, und sodann, ob
die von der Beklagten gegenüber sämtlichen Klägern erhobene W i d e r
kl a g e mit Recht a b g ewiesen wurde.

2. Wie auch das. Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger Jakob Flückiger und
der Beklagten konstruiert werden mag die Auffassungen der Parteien gehen

hierüber auseinander; die Vorinstanz nimmt zu Unrecht an, es handle
sich um eine interne Schuldübernahme , mit welcher Jakob Flückiger von
allen Verpflichtungen gegen die Erben befreit war, auf alle Fälle war
die Beklagte verpflichtet, dem genannten Kläger in irgend einer Form
den Gegenwert der von ihm zu ihren Gunsten As) [1 1915 ' ' u

208 Erbrecht. N° 25.

errichteten Grundpfandverschreibung im Betrage von 11,000 Fr. zukommen zu
lassen es sei denn, dass dle Parteien übereingekommen wären, statt dessen
die Grundpfandverschreibung rückgängig zu machen, wovon rndessen weder
vor noch in dem gegenwärtigen Prozesse je die Rede war. Jenen Betrag von
11,000 Fr. konnte nun die Beklagte dem Kläger entweder direkt auszahlen,
oder aber dadurch zukommen lassen, dass sie ihn gemäss erhaltener Weisung
an einen Gl ä u big e r des Klägers entrichtete. Eine solche Weisung hat
sie sich am Schlusse der Grundpiandverschreibungs-Urkunde vom Kläger er-

teilen lassen, da einerseits dieser die Grundpfandvep

schreibung gerade zu dem Zwecke errichtete, um aus deren Valuta (unter
Zuschuss von 100 Fr.) eine frühere Schuld im Betrage von 11,100 Fr. zu
tilgen, anderseits die Beklagte an der Tilgung dieser frühem schuld
durch den Kläger insofern ein eigenes Interesse hatte, als erst mit
deren Tilgung die neu errichtete Grundpfandverschreibung denjenigen Rang
erhielt, den ihr der Kläger zu verschaffen verpflichtet war.

3. Aus dem Gesagten ergibt sich ohne weiteres, dass die Beklagte sich von
ihrer Verpflichtung, dem Kläger den Gegenwert der Grundpfandverschreibung
(1 1,000 Fr.) zukommen zu lassen, nur entweder durch direkte Zahlung an
ihn welcher Zahlungsmodus aber ihren eigenen Interessen widersprochen
hätte, oder aber durch genaue Befolgung der im Grundpfandtitel erteilten
Wersung befreien konnte. Die Weisung lautete nun dahin, dass die Beklagte
die 11,000 Fr. den E rb e n d es J ohann Jakob Schä-r auszuzahlen
habe. Es fragt sich daher vor allem, wer die Erben des Johann Jakob Schar
waren, bezw. wen die Kontrahenten unter dieser Bezeichnung verstanden
oder verstehen mussten.

Mit Unrecht vertritt die Beklagte den Standpunkt, dass unter den Erben
nur die g esetzlic h en, d. h. die I n t e s t a t erben verstanden
gewesen seien, oder dass sie doch auf Grund des gemeinderätlichen
Inventars,Erbrecht. N° 25. 209

das nur die gesetzlichen Erben anführte, diese als zur Einziehung
des betreffenden Erhschaftsguthabens legitimiert erachten durfte,
weil nach Art. 560
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 560 - 1 Die Erben erwerben die Erbschaft als Ganzes mit dem Tode des Erblassers kraft Gesetzes.
1    Die Erben erwerben die Erbschaft als Ganzes mit dem Tode des Erblassers kraft Gesetzes.
2    Mit Vorbehalt der gesetzlichen Ausnahmen gehen die Forderungen, das Eigentum, die beschränkten dinglichen Rechte und der Besitz des Erblassers ohne weiteres auf sie über, und die Schulden des Erblassers werden zu persönlichen Schulden der Erben.
3    Der Erwerb der eingesetzten Erben wird auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Erbganges zurückbezogen, und es haben die gesetzlichen Erben ihnen die Erbschaft nach den Besitzesregeln herauszugeben.
Abs.] und 2 ZGB der Grundsatz Der Tote erbt den
Lebendigen nur für die gesetzlichen Erben gelte. Nicht nur durfte
nämlich die Beklagte hinsichtlich der Frage, wer Erbe sei, nicht ohne
weiteres auf das gemeinderätliche Inventar abstellen, weil ja schon
begrifilich ein Erbschaftsinventar nur über die Aktiven und die Passiven
der Erbschaftsmasse, nicht auch über die Erbberechtigung Auskunft zu
geben hat, und weil übrigens die Inventarisierung zu Steuerzwecken,
wie gerade der vorliegende Fall zeigt, schon vor der Testamentseröfinung
stattfinden kann, sondern es ist namentlich auch nicht richtig, dass nach
Art. 560
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 560 - 1 Die Erben erwerben die Erbschaft als Ganzes mit dem Tode des Erblassers kraft Gesetzes.
1    Die Erben erwerben die Erbschaft als Ganzes mit dem Tode des Erblassers kraft Gesetzes.
2    Mit Vorbehalt der gesetzlichen Ausnahmen gehen die Forderungen, das Eigentum, die beschränkten dinglichen Rechte und der Besitz des Erblassers ohne weiteres auf sie über, und die Schulden des Erblassers werden zu persönlichen Schulden der Erben.
3    Der Erwerb der eingesetzten Erben wird auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Erbganges zurückbezogen, und es haben die gesetzlichen Erben ihnen die Erbschaft nach den Besitzesregeln herauszugeben.
ZGB der Grundsatz Der Tote erbt den Lebendigen nur für die
gesetzlichen Erben Geltung habe. Wäre das Verhältnis zwischen den beiden
ersten Absätzen und dem dritten Alinca dieses Artikels wirklich das von
der Beklagten angenommene, d. h. bezogen sich die beiden ersten Absätze
im Gegensatz zum dritten nur auf die gesetzlichen Erben, so wäre dieser
Gegensatz gewiss dadurch zum Ausdruck gebracht werden, dass in Absatz 1
gesagt worden wäre : (Die g e setz l i c h e n Erben erwerben. . . . ,
gerade wie in Absatz 3 von dem Erwerb der eingesetzten Erben die
Rede ist. Da aber tatsächlich nur Absatz 3 eine Spezifizierung der in
Betracht kommenden Erben enthält, während Absatz 1 einfach von den Erben
spricht und Absatz 2 diese allgemeine Bezeichnung wiederholt, so führt
sowohl die wörtliche als die logische Interpretation zu dem Schlusse,
dass Absatz 1 und 2 sich nicht nur auf die gesetzlichen, sondern auch auf
die eingesetzten Erben beziehen, und dass Absatz 3 bloss den in Absatz 1
und 2 aufgestellten Grundsatz hinsichtlich seiner Anwendung auf die eine
jener beiden Kategorien von Erben erläutert, bezw. entwickelt. Diese
Annahme wird denn aneh durch die Entstehungsgeschichte des Art. 560,
insbesondere durch

210 Erbrecht. N° 25.

folgende Erklärung des ständerätlichen Kommissioneberichterstatters
(Sten. Bull. 1906 S. 446 und 451) m unzweideutiger Weise bestätigt : Die
Bestimmung, dass der Erbe von Gesetzeswegen mit dem Tode des Erblassers

die Erbschaft als Ganzes erwerbe, gilt sowohl für die .

instituierten, als für die gesetzlichen Erben.

4. Durfte demnach die Beklagte nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass
unter den Erben des J oh. Jakob Schär nur dessen g e s e t z l i c h e
Erben zu verstehen seien, so ist sie anderseits auch nicht legitimiert,
die Erbenqualität der im vorliegenden Fall-von den gesetzlichen
Erben als ebenfalls erbberechtlgt anerkannten testamentarischen Erben
anzufechten. Zur Anfechtung einer testamentarischen Verfügung genügt nach
Art. 519 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 519 - 1 Eine Verfügung von Todes wegen wird auf erhobene Klage für ungültig erklärt:
1    Eine Verfügung von Todes wegen wird auf erhobene Klage für ungültig erklärt:
1  wenn sie vom Erblasser zu einer Zeit errichtet worden ist, da er nicht verfügungsfähig war;
2  wenn sie aus mangelhaftem Willen hervorgegangen ist;
3  wenn ihr Inhalt oder eine ihr angefügte Bedingung unsittlich oder rechtswidrig ist.
2    Die Ungültigkeitsklage kann von jedermann erhoben werden, der als Erbe oder Bedachter ein Interesse daran hat, dass die Verfügung für ungültig erklärt werde.
und 520 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 520 - 1 Leidet die Verfügung an einem Formmangel, so wird sie auf erhobene Klage für ungültig erklärt.
1    Leidet die Verfügung an einem Formmangel, so wird sie auf erhobene Klage für ungültig erklärt.
2    Liegt die Formwidrigkeit in der Mitwirkung von Personen, die selber oder deren Angehörige in der Verfügung bedacht sind, so werden nur diese Zuwendungen für ungültig erklärt.
3    Für das Recht zur Klage gelten die gleichen Vorschriften wie im Falle der Verfügungsunfähigkeit.
ZGB nicht irgend ein interesse, sondern
es bedarf eines erb rechtlichen Interesses, d. h. der Anfechtende muss
für sich selber die Eigenschaft eines Erben oder Vermächtnisnehmers in
Anspruch nehmen können, und zwar, entgegen der Auffassung der Beklagten,
auch dann, wenn. er die Ungültigkeit gemäss Art. 521 Abs. 3 ejnredewe1se
geltend macht (vergl. das Beispiel bei ESCHER, Anm. 4 zu Art. 521). Wer
dagegen lediglich als Erbschaftsgläubiger oder Erbschaftsschuldner oder
gar, wie die Beklagte, nur als Gegenkontrahent eines Erbschaftsschuldners
auftreten kann, hat sich hinsichtlich der Frage, wer Erbe sei,
an dasjenige zu halten, was, infolge gütlicher oder gerichtlicher
Anseinandersetzung zwisehen den erb rechtlichen Interessenten, für diese
Rechtens ist. Im vorliegenden Falle genügt daher die Feststellung, dass
die drei in Betracht kommenden letztwilligenVerfügungen weder von den
gesetzlichen noch von allfälligen andern testamentarischen Erben oder
Erbprätendenten, bezw. Vermächtnisnehmern oder Vermächtnisprätendenten,
angefochten worden sind, sodass auch die Beklagte sie als rechtsgültig
anzuerkennen hat.

5. -Aus dem Gesagten folgt zunächst, dass sich die

'. Z::îecht N° 25. 211

Beklagte von ihrer, dem Kläger Jakob Flückiger gegenüber eingegangenen
Verpflichtung zur Zahlung der 11,000 Fr. an die Erben des Joh. Jakob
Schär jedenfalls in soweit nicht befreit hat, als die Erbteile der
Testamentserben (Kläger N° 11 37) in Betracht kommen; denn sie behauptet
selber nicht, diesen Erben direkt oder indirekt irgend eine Zahlung
geleistet zu haben. Weiterhin hat sie sich aber von jener Verpflichtung
auch hinsichtlich der Erbteile der Anna Maria Nyfeler geb. Blaser, sowie
der Kinder des Gottfried Flückiger nicht befreit, da von Seite dieser
gesetzlichen Erben, bezw. ihrer Vertreter Friedrich Nyfeler und Gottfried
Flückiger, nur gefälschte Vollmachten vorlagen. Die Beklagte anerkennt
denn auch ohne weiteres ihre Verpflichtung zur nochmaligen Zahlung der auf
Grund jener gefälschten Vollmachten ausgezahlten Teilbetref'inisse. Ob
diese Teilbetreiinisse mit 611 Fr. _und mit 916 Fr. 65 Cts. richtig
berechnet seien, ferner ob vom Betreiinis des Klägers Jakob Flückiger
selbst, von welchem eine gefälschte, aber auch eine echte Vollmacht
vorlag, ebenfalls ein Teil, eventuell wie viel, nochmals zu zahlen Ware,
kann hier dahingestellt bleiben. Aus Art. 602
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 602 - 1 Beerben mehrere Erben den Erblasser, so besteht unter ihnen, bis die Erbschaft geteilt wird, infolge des Erbganges eine Gemeinschaft aller Rechte und Pflichten der Erbschaft.
1    Beerben mehrere Erben den Erblasser, so besteht unter ihnen, bis die Erbschaft geteilt wird, infolge des Erbganges eine Gemeinschaft aller Rechte und Pflichten der Erbschaft.
2    Sie werden Gesamteigentümer der Erbschaftsgegenstände und verfügen unter Vorbehalt der vertraglichen oder gesetzlichen Vertretungs- und Verwaltungsbefugnisse über die Rechte der Erbschaft gemeinsam.
3    Auf Begehren eines Miterben kann die zuständige Behörde für die Erbengemeinschaft bis zur Teilung eine Vertretung bestellen.
und 653
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 653 - 1 Die Rechte und Pflichten der Gesamteigentümer richten sich nach den Regeln, unter denen ihre gesetzliche oder vertragsmässige Gemeinschaft steht.
1    Die Rechte und Pflichten der Gesamteigentümer richten sich nach den Regeln, unter denen ihre gesetzliche oder vertragsmässige Gemeinschaft steht.
2    Besteht keine andere Vorschrift, so bedarf es zur Ausübung des Eigentums und insbesondere zur Verfügung über die Sache des einstimmigen Beschlusses aller Gesamteigentümer.
3    Solange die Gemeinschaft dauert, ist ein Recht auf Teilung oder die Verfügung über einen Bruchteil der Sache ausgeschlossen.
ZGB ergibt sich
nämlich, dass die von einzelnen Erben ausgestellten Vollmachten zur
Einkassierung eines Erbschaftsguthabens, solange die Erhschaft nicht
verteilt ist, für die übrigen Erben, bezw.

die Erbengemeinschaft, die nach Art. 602
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 602 - 1 Beerben mehrere Erben den Erblasser, so besteht unter ihnen, bis die Erbschaft geteilt wird, infolge des Erbganges eine Gemeinschaft aller Rechte und Pflichten der Erbschaft.
1    Beerben mehrere Erben den Erblasser, so besteht unter ihnen, bis die Erbschaft geteilt wird, infolge des Erbganges eine Gemeinschaft aller Rechte und Pflichten der Erbschaft.
2    Sie werden Gesamteigentümer der Erbschaftsgegenstände und verfügen unter Vorbehalt der vertraglichen oder gesetzlichen Vertretungs- und Verwaltungsbefugnisse über die Rechte der Erbschaft gemeinsam.
3    Auf Begehren eines Miterben kann die zuständige Behörde für die Erbengemeinschaft bis zur Teilung eine Vertretung bestellen.
. unter

ihnen besteht, überhaupt nicht verbindlich sind.

Das ZGB hat in bewusster und gewollter Abweichung

vom Gemeinen Recht zum Zwecke des Schutzes der

Gesamtheit der Erben gegen schädigende oder 'chikanöse

Sonderverfügungen einzelner Erben den deutschrecht-

lichen Grundsatz der Gesamth and eingeführt, wonach

die Erben, so lange die Erbschaft nicht verteilt ist, über

deren Bestandteile nur gemeinsam, bezw. durch einen gemeinsamen
Vertreter verfügen können ; zu den Verfügungen über Erbschaftsgut gehört
aber-u. a. gerade

212 Erbrecht. N° 25.

die Einkassierung eines Erhschaftsguthabens. Bei dieser Art von Verfügung
ist denn auch die Gefahr einer Schädigung der Erbengemeinschaft durch
einzelne Erben besonders gross. Selbst wenn daher im vorliegenden Falle
die vom damaligen Gemeindeschreiber Wüst der Beklagten vorgewiesenen
Vollmachten alle echt gewesen wären, könnte die Beklagte dem Kläger Jakob
Flückiger doch weder die ganze Zahlung von 11,000 Fr. noch auch nur einen
Teil davon anrechnen ; denn auch dann würde der genannte Kläger keine
Gewähr dafür besitzen, dass die Erbengemeinsch af t jene an den Vertreter
bloss einzelner Erben geleistete Zahlung als an sie geleistet anerkennen
werde, m. a. W.: auch dann müsste er gewärtigen, von der Erbengemeinschaft
trotz jener Zahlung für das Ganze in Anspruch genommen zu werden.

6. Wäre demnach die Klage des Jakob Flückiger auch dann gutzuheissen
gewesen, wenn Wüst bei der Erhebung der 11,000 Fr. im Besitze von
echten Vollmachten sämtlicher Intestaterben gewesen wäre, und würde
die Beklagte von ihrer Verpflichtung zur Entrichtung jenes Betrages
an die Erbengemeinschaft auch dann nicht befreit sein, wenn jener das
Geld den gesetzlichen Erben abgeliefert hätte, 'diese es aber entgegen
Art. 602
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 602 - 1 Beerben mehrere Erben den Erblasser, so besteht unter ihnen, bis die Erbschaft geteilt wird, infolge des Erbganges eine Gemeinschaft aller Rechte und Pflichten der Erbschaft.
1    Beerben mehrere Erben den Erblasser, so besteht unter ihnen, bis die Erbschaft geteilt wird, infolge des Erbganges eine Gemeinschaft aller Rechte und Pflichten der Erbschaft.
2    Sie werden Gesamteigentümer der Erbschaftsgegenstände und verfügen unter Vorbehalt der vertraglichen oder gesetzlichen Vertretungs- und Verwaltungsbefugnisse über die Rechte der Erbschaft gemeinsam.
3    Auf Begehren eines Miterben kann die zuständige Behörde für die Erbengemeinschaft bis zur Teilung eine Vertretung bestellen.
und 653
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 653 - 1 Die Rechte und Pflichten der Gesamteigentümer richten sich nach den Regeln, unter denen ihre gesetzliche oder vertragsmässige Gemeinschaft steht.
1    Die Rechte und Pflichten der Gesamteigentümer richten sich nach den Regeln, unter denen ihre gesetzliche oder vertragsmässige Gemeinschaft steht.
2    Besteht keine andere Vorschrift, so bedarf es zur Ausübung des Eigentums und insbesondere zur Verfügung über die Sache des einstimmigen Beschlusses aller Gesamteigentümer.
3    Solange die Gemeinschaft dauert, ist ein Recht auf Teilung oder die Verfügung über einen Bruchteil der Sache ausgeschlossen.
ZGB für sich behalten hätten, so erweist es sich als
unerheblich, ob die Beklagte wegen der Art und Weise, wie Wüst in der
ganzen Angelegenheit vorging, begründeten Anlass gehabt hätte, Verdacht
zu schöpfen. Dem Kläger Jakob Flückiger gegenüber ist sie nicht deshalb
zur nochmaligen Zahlung verpflichtet, weil sie die Unterschriften auf den
ihr von Wüst vorgewiesenen Vollmachten nicht auf ihre Echtheit prüite,
oder weil-Sie sich nicht darüber vergewisserte, dass der Genannte das
Geld auch wirklich an die einzelnen Vollmachtgeber abliefern werde,
sondern deshalb, weil sie ihre Verpflichtung, nur an einen Vertreter
sämtlicher Erben Zahlung zu leisten, nicht erfüllt hat, und weil das,
Erbrecht. N° 25. 213

von ihr dem Vertreter einzelner Erben bezahlte Geld auch nicht etwa
auf einem Umwege dennoch in den Besitz der Erbengemein schaft gelangt
ist. Auf eine Prüfung der Frage, ob die Beklagte in dem von ihr dem
Gemeindeschreiber Wüst geschenkten Vertrauen zu weit gegangen sei,
ist daher nicht einzutreten, und aus demselben Grunde ist auch nicht
zu untersuchen, ob die Kläger und Widerbeklagten ihrerseits Anlass
gehabt hätten, die Beklagte vor Wüst zu warnen. Ausschlaggehend ist,
dass die Beklagte ihrer Verpflichtung, die 11,000 Fr. an die Erben
des Joh. Jakob Schar zu zahlen, tatsächlich nicht nachgekommen ist,
ferner dass es ihr e Sache war, die Erben zu ermitteln es sei denn,
dass sie sich eine amtliche Erbenbescheinigung, wie sie auch abgesehen
von Art. 559 erhältlich sein muss ( Erläuterungen 2. Aufl. I S. 435),
oder aber ein vom Kläger Jakob Flückiger selbst aufgestelltes oder als
richtig anerkanntes Erbenverzeichnis übergeben liess, was indessen nicht
der Fall ist, endlich, dass weder der Kläger und Widerbeklagte Jakob
Flückiger, noch irgend einer der übrigen Kläger und Widerbeklagten
sie über die Frage, wer die Erben seien, getäuscht hat. Eine solche
Täuschung kann insbesondere darin nicht gefunden werden, dass die
Kläger und Widerbeklagten N° 1, 2, 3, 5, 6, 7, 8 und 10 je eine der
von Wüst verwendeten Vollmachten unterzeichneten, ohne sich darüber zu
vergewissern, dass Wüst die Einholung der Unterschriften sämtlicher
Intestatund Testamentserben heabsichtige. Ist auch, entgegen der
Auffassung der Klagpartei, nicht anzunehmen, dass die einzelnen Erben
die betreffenden Vollmachten unter der stillschweigenden Bedingung
der Erteilung entsprechender Vollmachten seitens aller übrigen Erben
unterzeichneten, so haben sie sich darin doch nicht als die Erben,
d. h. als die einzige n Erben des Joh. Jakob Flückiger geriert , wie
die Beklagte behauptet, sondern sie haben sich nur als Erben

214 Erbrecht. N° 25.

(verbis : Die unterzeichneten Erben , Die Unterzeichneten, als
Erben... , Die Unterzeichnete, als Erbin... ) bezeichnet und es im
Uebrigen der Beklagten überlassen, zu prüfen, ob sie auf Grund der
ausgestellten, bezw. noch auszustellenden Vollmachten zur Zahlung an Wüst
herechtigt sei, bezw. berechtigt sein werde. Die Beklagte aber kann sich,
wenn sie diese Frage unrichtig beantwortet hat, auf ihren Rechtsirrtum
ebensowenig berufen, wie jeder andere Schuldner oder Drittschuidner,
der am unrichtigen Orte gezahlt hat.

7. Aus dem Gesagten ergibt sich einerseits die Gutheissung der
Klage des Jakob Flückiger, anderseits die Abweisung der Widerklage,
soweit diese nicht von der Vorinstanz im Sinne einer der Beklagten
für die rechtsgültige Zahlung der 11,000 Fr. geschuldeten, übrigens
selbstverständliehen Gegenleistung (Einwilligung in die Löschung oder
Reduktion der Kaufbriefschuld von 11,000 Fr.) teilweise gutgeheissen
worden ist.

Von einem Handeln wider Treu und Glauben, im Sinne des von der Beklagten
in ihrer Berufungserklärung für sich in Anspruch genommenen Art. 2
Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
1    Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
2    Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.
ZGB, sowie ihrer Ausführungen in der Kiagbeantwortungsschrift,
kann im vorliegenden Falle nicht gesprochen werden; ebensowenig
von einem Rechtsmissbrauch im Sinne des Art. 2 Abs. 2. Der Kläger
Jakob Flückiger ist durch den Fortbestand seiner Haftung gegenüber der
Erbengemein-schaft, neben seiner Haftung gegenüber der Beklagten auf Grund
der neuen Grundpfandverschreibung, tatsächlich um 11,000 Fr. geschädigt ;
die Erbengemeinschaft aber würde ihrerseits denselben Schaden erleiden,
wenn sie, ohne in den Besitz jener Summe gelangt zu sein, dln Beklagten
aus seiner Schuldpflicht entlassen würde. Die einzige mit den Grundsätzen
über Treu und Glauben vereinbare Lösung besteht somit darin, dass die
Beklagte den von ihr zu Unrecht an Vüst bezahlten Betrag zu Handen der
Berechtigten nochmals bezahle.Sachenrecht. N° 26. 215

Demnach hat das Bundesgericht erkannt :

Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obersi gerichts des
Kantons Aargau vom 12. Februar 1915 bestätigt.

ll]. SACHENRECHTDROITS RÉELS

26. Arrèt ds 13. IIe Section civile da 5 mai 1915 dans la cause Wenker,
défendeur, contre Rothacher, demandeur.

Art. 674, 685 et 686 COS. Construction élevée en dehors des distances
légales; demande du propriétaire tendant à la constitution d'une servitude
obligeant le propriétaire du fonds voisin à tolérer le maintien de la
construction. Droit fédéral applicable malgré _que la construction soit
antérieure à l'entrée en Vigueur du CCS. Application par analogie des
regles sur l'empiétement sur fonds d'ssautrui. Nature réelle des droits
dérivant de l'empiétement. Conditions de l'exercice de ces droits :
notion de la bonne foi du constructeur.

Le mur de la maison du défendeur Wenker est construit à la limite du
fonds du demaudeur Rothacher. Dans cette i'acade trois fenétres ont
été pratiquées en 1902-1903, alors que l'immeuble appartenait à César
Minini ; ce travail & été fait avec l'assentiment de Michel Mininijrére
de César, qui alors était propriétaire du fonds appartenant aujourd'hui
à Rothacher. Aucune servitude n'a été constituée, quoique l'ouverture des
fenétres füt contraire a l'art. 528 du CC neuchätelois qui disposait que
nul ne peut avoir des vues droites. .. sur le fonds de son voisin s'il
n'y a trois pieds (90 cm.) de distance entre le mur où on les pratique
ei le dit fonds . La loi neuchäteloise d'introduc-
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 41 II 202
Datum : 20. Mai 1915
Publiziert : 31. Dezember 1915
Quelle : Bundesgericht
Status : 41 II 202
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 202 Erbrecht. N° 25. II. ERBRECHTDROIT DES SUCCESSIONS 25. Urteil der II. Zivilabteilung


Gesetzesregister
ZGB: 2 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
1    Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
2    Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.
519 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 519 - 1 Eine Verfügung von Todes wegen wird auf erhobene Klage für ungültig erklärt:
1    Eine Verfügung von Todes wegen wird auf erhobene Klage für ungültig erklärt:
1  wenn sie vom Erblasser zu einer Zeit errichtet worden ist, da er nicht verfügungsfähig war;
2  wenn sie aus mangelhaftem Willen hervorgegangen ist;
3  wenn ihr Inhalt oder eine ihr angefügte Bedingung unsittlich oder rechtswidrig ist.
2    Die Ungültigkeitsklage kann von jedermann erhoben werden, der als Erbe oder Bedachter ein Interesse daran hat, dass die Verfügung für ungültig erklärt werde.
520 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 520 - 1 Leidet die Verfügung an einem Formmangel, so wird sie auf erhobene Klage für ungültig erklärt.
1    Leidet die Verfügung an einem Formmangel, so wird sie auf erhobene Klage für ungültig erklärt.
2    Liegt die Formwidrigkeit in der Mitwirkung von Personen, die selber oder deren Angehörige in der Verfügung bedacht sind, so werden nur diese Zuwendungen für ungültig erklärt.
3    Für das Recht zur Klage gelten die gleichen Vorschriften wie im Falle der Verfügungsunfähigkeit.
560 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 560 - 1 Die Erben erwerben die Erbschaft als Ganzes mit dem Tode des Erblassers kraft Gesetzes.
1    Die Erben erwerben die Erbschaft als Ganzes mit dem Tode des Erblassers kraft Gesetzes.
2    Mit Vorbehalt der gesetzlichen Ausnahmen gehen die Forderungen, das Eigentum, die beschränkten dinglichen Rechte und der Besitz des Erblassers ohne weiteres auf sie über, und die Schulden des Erblassers werden zu persönlichen Schulden der Erben.
3    Der Erwerb der eingesetzten Erben wird auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Erbganges zurückbezogen, und es haben die gesetzlichen Erben ihnen die Erbschaft nach den Besitzesregeln herauszugeben.
602 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 602 - 1 Beerben mehrere Erben den Erblasser, so besteht unter ihnen, bis die Erbschaft geteilt wird, infolge des Erbganges eine Gemeinschaft aller Rechte und Pflichten der Erbschaft.
1    Beerben mehrere Erben den Erblasser, so besteht unter ihnen, bis die Erbschaft geteilt wird, infolge des Erbganges eine Gemeinschaft aller Rechte und Pflichten der Erbschaft.
2    Sie werden Gesamteigentümer der Erbschaftsgegenstände und verfügen unter Vorbehalt der vertraglichen oder gesetzlichen Vertretungs- und Verwaltungsbefugnisse über die Rechte der Erbschaft gemeinsam.
3    Auf Begehren eines Miterben kann die zuständige Behörde für die Erbengemeinschaft bis zur Teilung eine Vertretung bestellen.
653
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 653 - 1 Die Rechte und Pflichten der Gesamteigentümer richten sich nach den Regeln, unter denen ihre gesetzliche oder vertragsmässige Gemeinschaft steht.
1    Die Rechte und Pflichten der Gesamteigentümer richten sich nach den Regeln, unter denen ihre gesetzliche oder vertragsmässige Gemeinschaft steht.
2    Besteht keine andere Vorschrift, so bedarf es zur Ausübung des Eigentums und insbesondere zur Verfügung über die Sache des einstimmigen Beschlusses aller Gesamteigentümer.
3    Solange die Gemeinschaft dauert, ist ein Recht auf Teilung oder die Verfügung über einen Bruchteil der Sache ausgeschlossen.
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
erbe • beklagter • erbrecht • gesetzlicher erbe • weiler • aargau • grundpfandverschreibung • unterschrift • erbengemeinschaft • frage • schuldner • gemeindeschreiber • richtigkeit • geld • weisung • testament • zahl • eigenschaft • inventar • bundesgericht
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