146 Prozessrecht. N° 18.

V. PROZESSRECHTPROCEDURE

18. Urteil der staatsrechtlichen Abteilung vom 22. Januar 1915
i. 8. Firma. Fritz & Kaspar Jenny, Klägerin, gegen Kanton St. Gallen,
Beklagten.

Begriff der ' zivilrechtlichen Streitigkeit im Sinne des Art. 48
OG. Klage gegen einen Kanton auf Anerkennung eines privaten Wasserrechts,
aus dessen Existenz der ' Kläger seine Befreiung von Konzessionsgebühr
und Vasserzins abzuleiten gedenkt. Nichtexistenz des im konkreten Fall
beanspruchten Privatrechts, soweit der Beklagte es nicht anerkannt hatte.

A. Am 13. ,517. Juli 1860 erwarb der Fabrikant J enny, von Glarus, dessen
zweite Rechtsnachfolger-in die Klägerin ist, von einem gewissen Eberle
in "7allenstadt die sogenannte N i d b e r g e r M ü hl e oberhalb des
Dorfes Mels auf dem rechten Ufer der Seez. Der Vertrag bezeichnete als
zu den verkauften Realitäten gehörig : das Bett und die Wasserleitung
und Wasserrecht durch das Tobel aus dem Seezbache . Es steht fest,
dass dieses Wasserrecht sich auf ein Gefälle von zirka 10,86 m bezieht,
das durch Fassung des Wassers der Seez etwa 300 m talaufwärts der Mühle
gewonnen worden war.

Die Mühle existiert heute nicht mehr. Dagegen Wird der Klägerin das Recht
auf die hie-vor beschriebene Wasserkraft von keiner Seite bestritten. Auch
steht fest, dass es sich dabei um ein privates wWasserrecht im Sinne von
Art. 1 des st. gallischen Gesetzes über Benutzung von Wasserkräften,
vom 23. November 1893, handelt, und dass die Klägerin dem Staate für
die Benutzung jener Vasserkraft weder eine Konzessionsgebühr noch einen
Wasserzins, sondern bloss eine massige

.Jrozessrecnt. N° 18. 14;

Katastergebühr zu entrichten hätte. Uebrigens ist die Nidberger Mühle
-mit allen den Rechten und Gerechtigkeiten, mit Stützen und Beschwerden,
wie selbige Grundstücke die Verkäufer und ihre Vorfahren eingehabt haben ,
womit offenbar u. a. die Wasserkraft gemeint war, bereits in einem bei
den Akten befindlichen Kaufvertrag vom 30. August 1812 erwähnt.

Im Jahre 1866 beabsichtigte die Firma Joh. Heer in Glarus, auf dem
gleichen Ufer der Seez, jedoch (vertikal gemessen) etwa 30 m höher,
eine Spinnerei und Weberei zu errichten. Um sich das hieii'zr in
Aussicht. genommene Gefälle von 160 bis 165 m zu verschaffen, wollte sie
das Wasser der seez etwa l 1/2 km talaufwärts beim sogenannten Stutzrun
fassen und mittels eines Stollens bis in die Nähe der zu errichtenden
Fabrik leiten.

Ueber dieses Projekt fanden zunächst Unterhandlungen mit der Ortsgemeinde
Mels, sowie milder Firma Enderlin & Jenny (d. h. der unmittelbaren
Rechts'0rgängerin der Klägerin) stalt. Um die Interessen der beiden
Geschäftsfirmen in Einklang zu bringen, wurden folgende beiden
Eventualitäten ins Auge gefasst:

a) dass der Firma E. &. J. das gesamte Abwasser der Heer-sehen Fabrik
in einer Höhe von zirka 20 m über der alten Mühlenwasserfassung zur
Verfügung gestellt werde, wodurch das zur Disposition der genannten
Firma stehende Gefälle auf zirka 30 m erhöht wurde;

b) dass dieses Abwasser auf Kosten der Firma Joh. Heer an die alte
Fassungsstelie der Mühlenwasserleitung zurückgeführt werde.

Gleichzeitig suchte die Firma Enderlin & Jenny für den Fall der
Nichtausführung des Heer'sehen Projektes eine Konzession zu erhalten,
wonach sie berechtigt gewesen wäre, behufs Erlangung eines Gefälles von
ebenfalls zirka 30 m das gesamte Wasser der Seez zirka 500 m talaufwärts
(beim Vordern Schlössli ) zu fassen.

Ueber die damaligen Absichten der Firma Enderlin & Jenny äusserte sich
in einer Sitzung des Ortsver-

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waltungsrates Mels vom 29. Dezember 1866 der Präsident dieser
Gemeindebehörde laut Protokoll wie folgt:

Auch Herr Landrat C. Jenny an der Ziegelbrücke bei Niedernrnen als Chef
der Firma Enderlin &Jenny, welche bekanntlich schon vor Jahren die-obere
Mühle im Dorf zu Mels als Eigentum erworben, habe an ihn das Gesuch
gerichtet, dass ihm auf dem Gebiete der Ortsgemeinde Wasser-und Baurecht
zur Erstellung und zum Betrieb eines industriellen Etablissementes an
der Stelle jener Mühle oder deren Umgebung er teilt werden möchte. Es
sei dieser von genannten Herren freilich längst gehegte-I Entschluss
dadurch wesentlich gefördert worden, dass die Verwaltung sich ihrer
angenommen und im projektierten Vertrag der Gemeinde mit der Firma Heer
ihnen ein Recht auf das vom Heer'schen Wasserwerke abfallende Wasser
ausgewirkt habe, welches Recht denselben für ihr Bau projekt wohl zu
statten kommen werde. Nach dem bereits skizzierten Konzessionsvertrag
mit der Firma Enderlin & Jenny Würde dieser folgende Punkte ent-

halten : 1. Die Gemeinde erteilt unter Vorbehalt hoheitrecht--

licher Genehmigung obgenannter Firma das Recht, das.

Wasser des Seezbaches insoweit und für solange als es von der Firma
Johannes Heer zufolge Vertrag nicht in Anspruch genommen wird, in der
Umgegend des so genannten vorderen Schlössli an einer beliebigen Stelle
im Bachtobel, von wo aus ein Gefälle von 100 Fuss erhältlich wird,
aufzufangen und zu beziehen.

Am 18. Januar 1867 wurden auf Grund der gepflegenen Unterhandlungen
folgende zwei Verträge abgeschlossen :

a) Vertrag zwischen der Ortsgemeinde Mels und der Firma Joh. Heer,
mit folgenden hier in Betracht kommenden Bestimmungen:

l. Die Gemeinde erteilt unter Vorbehalt hoheitlicher Genehmigung der
Firma des Herrn Johannes Heer das

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Recht, das sämtliche Wasser des Seezbaches hinterhalb des Sturzruns,
ungefähr an der Stelle, wol-Anton Meli's Wald und der Gemeindewald
zusammenstossen, zum Zweck des Fabrikbetriebes, zu fassen und zu
beziehen und die dazu nötigen polizeilich zulässigen Vorrich tungen
auf Gemeindehoden zu erstellen, worunter auch die Errichtung eines
Schwellwuhres zu verstehen ist.

6. Dagegen versprechen die Herren Unternehmer:

a) Auf den bereits angekauften Liegenschaften im Steigs ein
Fabriketablissement zu errichten, in welchem wenigstens 150 bis 200
Arbeiter beschäftigt werden könnten ;

6) Diese Fabrik innerhalb der nächstfolgenden vier Jahre bei sich
ergebenden, besondern Hindernissen aber innert acht Jahren von dato an,
zu erstellen und in Betrieb zu setzen und zwar bei Verlust der jenigen
Rechte, welche ihnen durch diesen Vertrag eingeräumt werden ,

7. Endlich verpflichtet sich die Firma des Herrn Johannes Heer, das von
ihrer Turbine abfliessende Wasser in der Richtung gegen Franz Guggen
Haus, auf einen vom Verwaltungsrat zu bestimmenden Höhe punkt zu leiten,
von wo aus für die Mühle der Herren Enderlin & Jenny, oder ein anderes
Gewerke, an dieser stelle ein Gefälle von 100 Fuss erzielt werden kann,
und zwar gerechnet aut die Sohle des jetzigen Mühlen wasser-Abflusses.

Die Wasserleitung wird bis zu dem oben bezeichneten Punkt auf Kosten
der Herren Unternehmer erstellt. Die allfällig nötige Fortsetzung, nebst
anzubringendem Leerlauf fällt dagegen zu Lasten der Herren Enderlin &
Jenny, welchen dort das Wasser, natürlich in völlig nnnachteiliger Weise
für Herrn Johannes Heer, zur Fassung und weitem Benutzung überlassen
wird. Sollten aber die Herren Enderlin & Jenny von dem ihnen durch
diesen-Artikel eingeräumten Recht auf das Abwasser

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keinen Gebrauch machen wollen, worüber sie sich zu Handen der Herren
Unternehmer auszusprechen pflich tig sind, bevor diese die Arbeiten zur
Ableitung des Wassers beginnen, so haben dieselben das Abwasser ins
Bachtobel dahin abzuleiten, wo gegenwärtig die Wasserleitung für das
erwähnte Mühlenwerk statt findet. . . . .)

b) Vertrag ze 1schen der Ortsgemeinde Mels und der Firma Enderlin &
Jenny, mit folgenden für diesen Prozess wesentlichen Bestimmungen :

1. Die Gemeinde erteiit hiemit unter Vorbehalt hoheitlicher Genehmigung
ob genannter Firma das Recht, das Wasser des Seezbaches insoweit, und so
lange es von der Firma des Herrn Johannes Heer in Glarus infolge Vertrag
vom 18. Januar 1867 nicht in Anspruch genommen wird, in der Umgebung des
soge nannten vorderen Schlössli, an einer beliebigen Stelle im Bachtobel,
von wo aus ein Gefälle von 100 Fuss er-

hältlich wird, aufzufassen und zu beziehen und die dazu'

nötigen Vorrichtungen auf Gemeindeboden zu erstellen. wer-unter auch
die Errichtung eines Schweliwuhres verstanden ist

3. Sollte den Herren Enderiin & Jenny bewilligt werden, aus der
Wasserleitung des Herrn Johannes Heer das zu ihrem Fabrikbetrieb nötige
Wasser be ziehen zu dürfen, oder wenn die genannten Unter nehmer Von dem
laut Vertrag zwischen der Firma Heer und der Gemeinde vom 18. Januar 1867
ihnen zustehende Recht auf das vom Triebwerk der Ersteren abfliessende
Wasser Gebrauch machen wollten, so sind dieselben in gleicher Weise zur
Fassung und Fortlei tung des Wassers auf Gemeindesboden berechtigt.

8. Dagegen versprechen die Herren Enderlin &.ienny:

a) Innerhalb der nächsten zehn Jahre, von dato an, an der Stelle
ihrer Mühle, oder an einem beliebigen andern Orte der Umgebung, ein
Fabriketablissement zu errichten, in welchem 150 bis 200 Personen be-

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schàt'tigt werden können und zwar bei Verlust der jenigen Rechte, welche
ihnen durch diesen Vertrag eingeräumt werden . . . .

Am 6. Februar 1867 übermittelte der Ortsverwaltungs-

rat Mels diese beiden Verträge dem Regierungsrat des

Kantons St. Gallen behufs Erteilung der hoheitlichen Genehmigung . Dabei
bemerkte er u. a. :

Der Vertrag mit der Firma Enderlin & Jenny hat hinsichtlich Fassung und
Bezug von Wasser aus dem Seezbnch keine wesentliche Bedeutung, indem
ihnen diesfällige Rechte nur eventueiiiter (sie !) einge räumt werden
in Erweiterung derjenigen, welche sie als Besitzer der am Ausgang des
Seezbachtobels bestehen den Mühle schon besitzen. . . .

Der Regierungsrat erteilte darauf am 9. März 1867 den beiden Verträgen
die hoheitliche Genehmigung, jedoch nur insoweit sie die ökonomischen
Interessen der Ortsgemeinde Mels beschlagen . Im übrigen fasste er die
beiden Verträge als ein Konzessionsgesuch auf und erledigte dieses
zunächst (am 1. Mai 1867) durch folgenden Beschluss :

Es sei die für die Firma Samuel Heer von Glarus und Enderlin & Jenny
von Niederurnen nachgesuchte Wasserrechtskonzession für ihre in der
Gemeinde Mels am Seezbache zu errichtenden Etablissements unter folgenden
Bedingungen erteilt :

5. Der Staat behält sich vor, in beliebiger Zeit von den Konzessionären
oder ihren Rechtsnachfolgern ein für allemal oder periodisch eine
Konzessionsgebühr zu erheben, im letztem Falle rückwirkend bis zum Tage
der Konzessionserteilung.

6. Die gegenwärtige Konzession erlischt, wenn innert der Frist von zwei
Jahren, von deren Erteilung an ge rechnet, kein Gebrauch gemacht wird.

Dieser Beschluss wurde in dem Register Auszüge aus den regierungsrätiichen
Protokollen über Wasserrechts-

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konzessionen 1859-1901 folgendermassen zusammengefasst :

Konzession um Errichtung eines Kanals zum Betriebe industrieller
Etablissemente.

Konzessionär : Heer Glarus und Enderlin & Jenny, Niede'rurnen.

Datum der Konzession: 1. Mai 1867.

Wasserzins, Ziff. 5 des Dispositivs : Der Staat behält sich vor, in
beliebiger Zeit von den Konzessionären oder ihren Rechtsnachfolgern
ein für allemal oder periodisch eine Konzessionsgebühr zu erheben, im
letztern Falle rückwirkend bis zum Tage der Kon zessionserteilung. . . .

Der Ortsverwaltungsrat Mels suchte eine Abänderung der
Konzessionsbedingungen zu Gunsten der Firma Enderlin & Jenny zu erwirken
und schrieb dem Regierungsrat zu diesem Zwecke am 29. Mai 1867:

Die Herren Enderlin & Jenny sind als Besitzer der am Ausgang der
Seezschlucht oben im Dorfe stehenden Mühle bereits im Besitz einer
bedeutenden Wasserkraft, welche auch zum Betrieb eines anderen Gewerbes
benützt werden kann und wofür sie einen gehörigen Rechtstitel besitzen. '

Im weitern steht für die Herren Enderlin & Jenny in Aussicht, von der
Firma Heer die Bewilligung zum Bezug von Wasser aus dieser letzteren
Wasserleitung zu erhalten, für welchen Fall den genannten Herren bereits
im Vertrag mit der Gemeinde Beut-echte einge räumt worden sind.

Endlich haben sie laut Vertrag der Gemeinde mit der Firma Heer (Art. 7)
das Recht auf den Bezug des Abwassers vom Heer'schen Etablissement,
welches seitwärts der Mühle auf eine Anhöhe zu stehen kommt.

Es geht daraus hervor, dass die Herren Enderlin & Jenny das zum
Fabrikbetrieb erforderliche Wasser auf verschiedene Weise sich
verschaffen können ohne eine Wasserrechtskonzession zu bedürfen, und
es hat

Prozessrecht. N ° 18. 153

alle Wahrscheinlichkeit für sich, dass sie, wenn sie an der Stelle ihrer
alten, schadhaften Mühle ein indu strielles Gewerbe errichten, zum Zwecke
dessen Betriebs die oben genannten Wasserbezugsquellen benutzen werden. '

Um aber auf alle mögliche Fälle des Bedürfnisse-s fürzusorgen,
suchen die Herren Enderlin & Jenny auch um ein Recht nach, auf das
dem Seezbachtobel flies sende Wasser, soweit es von Herrn Heer hinten
im Tobel nicht bezogen werden sollte ; und dieses Wasser recht kann
einzig Gegenstand der Konzessionierung sein.

Der Regierungsrat änderte darauf die Art. 5 und 6 der von ihm am 1. Mai
festgesetzten Konzessionsbedingungen folgendermassen ab :

Art. 5: Der Regierungsrat behält sich vor, von den Konzessjonären eine
Konzessionsgebühr nach gesetz lichen Bestimmunger zu beziehen. Hiebei
wird den Konzessionären die Erklärung abgegeben, dass, falls für die
Konzessionsgebühr eine Skala aufgestellt werde, von den Konzessionären
nur das Minimum derselben erhoben und daran keine den Geschäftsbetrieb
hem mende Bedingung geknüpft werde.

Art. 6: Die gegenwärtige Konzession erlischt, wenn innert der Zeitfrist
von 2 Jahren, von der Erteilung an gerechnet, die zur Benützung derselben
erforderlichen Arbeiten nicht begonnen haben werden.

Nachdem sich die Erstellung der Heer'schen Fabrik um mehrere Jahre
verzögert hatte, verlangte die Firma Joh. Heer im Jahre 1873 von der
Firma Enderlin &Jenny, dass sie nunmehr das ihr zustehende Wahlrecht
betreffend Abnahme des Abwassers der Heer'Schen Fabrik ausübe. Dies
geschah darauf seitens der Firma Enderlin & Jenny in dem Sinne, dass
sie sich für die Abnahme des Wassers unmittelbar bei dessen Ausfluss
aus den Turbinen der Heer'schen Fabrik (zirka 18,73 m über der alten
Mühlenwasserfassung) entschloss.

154 Prozessrecht. N° 18.

Darauf wurde die Heer'sche Fabrik fertiggestellt. Von der Firma Enderlin &
Jenny wurden dagegen keine Anstalten zur Benutzung des Abwassers der
Heer'schen Fabrik getroffen. Dieses Abwasser fällt auch heute noch
unbenutzt in einem einzigen Wasserfall von der Ausflussstelle in die
Talsohle hinunter.

B. Am 1. September 1910 hat die Firma Fritz & Caspar Jenny als
Rechtsnachfolger-in der Firma Enderlin & Jenny unter Berufung auf Art. 48
Ziff. 4 OG folgendes Klagebegehren heim Bundesgericht eingereicht:

Ist gerichtlich zu erkennen, Klägerschaft besitze ein unbedingtes und
unbefristetes privates Nutzungsrecht an der Seez, all' das Wasser
abzunehmen, das von dem Etablissement Heer (jetzt Schuler, Heer &
Cie) nicht abgeleitet wird, und all' das Wasser, das von letzterem
Etablissement als Abwasser kommt, und zwar letzteres oberhalb der
Mühle mit einem Gefälle von zirka 100 Fuss, und sei nicht pflichtig,
hiefür und für die Nut zung dieserWasserkraft Konzessionsgebühren und
einen Vasserzins oder eines von beiden zu zahlen, unter Koslenfolge ?

Die Klägerin hat dieses Begehren damit begründet, dass die gegenwärtig
vorhandene, bis jetzt unbenutzte Wasserkraft von zirka 29,59 m Gefälle
bloss eine Modifikation ihres alten privaten Mühlen-Wassei'rechtes sei;
die Erhöhung des Gefälles von 10,86 auf 29,59m sei weiter nichts als
eine Kompensation für die der Firma Enderlin & Jenny aus der Errichtung
der Heer'schen, nunmehr Schuler Heer'schen Fabrik erwachsenen Nachteile.
Handle es sich aber danach bei der ganzen Wasserkraft von zirka 29,59 m
Gefälle um ein altes privates Wasserrecht, so sei die Klägerin nach Art-l
des Gesetzes über die Benutzung von Wasserkräften, vom 23. November 1893,
von Konzessionsgebührren und Vasserzins befreit.

Demgegenüber hat der Kanton St. Gallen in seiner

Prozessrecht. N° 18. 155

Klagbeantwortung unter Anerkennung der Kompetenz des Bundesgerichts
beantragt :

Die Klage sei abzuweisen, soweit darin mehr ver langt wird, als die
Anerkennung bezw. Feststellung des privaten Rechts auf wasserzinsund
konzessionsgebüh renfreie Ausnutzung der Wasserkraft an der Seez von
der Hòhe der Wehrkrone der alten Mühlewasserzulei tung bis zur Sohle
des Mühlewasserabschlusskanals, unter Kosteniolge für die Kläger '?

Dieses Begehren wird damit begründet, dass die Benutzung des Mehrgefälles
von zirka 18,73 m nur auf Grund einer eigentlichen Ko nz essi on zulässig
sei. Eine solche habe in dem Regierungsbeschluss vom 1. Mai 1867 gelegen,
sei aber infolge Nichtbenutzung dahingefallen.

Die Replik enthält am Schlusse die Bemerkung:

Nur eventuell wird der Standpunkt eingenommen, v dass im Art. 7 unter
allen Umständen eine unbefristete und unbedingte Konzession für das
vermehrte Ge fälle des Abwassers liegt.

C. Anlässlich eines von der Instruktionskommission des Bundesgerichls am
14. Oktober 1911 abgehaltenen, mit Augenschein verbundenen Rechtstages
haben die Parteien übereinstimmend erklärt, die Streitfrage spitze
sich darauf zu, ob das 18,73 m betragende Gefälle vom Punkt A bis zur
Fassung des alten Mühlekanals, bezw. die Differenz zwischen dem Gefälle
dieses alten Mühlekanals (10,86 m) und dem gegenwärtig zur Verfügung
stehenden Gefälle (29,59 m), den Gegenstand einer vom Staat gegen Entgelt
zu erteilenden Konzession bilde, für deren Ausnutzung ein jährlicher
Wasserzins zu entrichten wäre, oder ob es sich dabei lediglich um eine
Abänderung des frühem Wasserrechtes handle, dessen neue Gestaltung der
Staat ohne weiteres anzuerkennen hätte, und für welches von der Klägerin
bloss die gesetzliche Katastergebühr zu entrichten wäre. Diese

156 Prozessrecht. N ' 18.

Erkiämng wurde von den Parteien in dem sinne abgegeben, dass daraus nicht
auf eine Änderung der Rechtsfragen und der Reebtsstandpunkte gegenüber
den Prozesschriften geschlossen werden dürfe, und dass die Massangaben
keine definitiven seien.

D. Ein vom Kantonsgericht des Kantons St. Gallen am 23. März 1914
erstatteter Amtsbericht gibt über die Grundsätze des st. gallisehen
Wasser-rechtes Auskunft.

Die für den vorliegenden Fall in Betracht kommenden Bestimmungen der
st. gallisehen Wasserrechtsgesetzgebung lauten: -

Art. 1 Abs. I des Gesetzes über Benützung 'von Gewä ssern, vom
23. November 1893:

sämtliche im Gebiete des Kantons befindliche Flüsse, Bäche und
Seen unterstehen dem Hoheitsrechte des Staates. Ihre Benutzung zu
Wasserwerken und zu anderen gewerblichen Zwecken (Art. ?) unterliegt,
so weit nicht gegenteilige. Privatrechte geltend gemacht werden können,
den Vorschriften dieses Gesetzes.

Art. 2 Abs. 1 desselben Gesetzes: Zur Erstellung einer neuen
Vasserwerksanlage ist die Bewilligung der Staatsbehörde (Konzession)
erforderlich.

Art. 6 Abs. 1 desselben Gesetzes: Für jede Pferde starke des aus Gefälle
und mittlerem Niederwasser zu ermittelnden absoluten Effektes einer
Wasserkraft wird bei der Konzessionserteilung eine einmalige Gebühr von
fünf bis fünfzehn Franken und sodann ein jähr licher Wasserzins von zwei
bis fünf Franken erhoben.

Art. 18 Abs. 1 und 2 desselben Gesetzes: Zur Er mittlung aller zur
Zeit bestehenden Wasserrechte wird sofort nach Inkrafttreten dieses
Gesetzes ein nach Flussgebieten geordneter Wasserrechtskataster aufge-
nommen. In denselben müssen die Berechtigten innert der Frist von
5 Jahren a data einer zu erlassenden öffentlichen Aufforderung ihre
Wasserrechte eintragen lassen.

Wird ein behauptetes Wasserrecht bestritten, so

Prozessreeht. N° 18. 157

hat der Ansprecher innert Jahresfrist seinen Rechts anspruch gerichtlich
anhängig zu machen, sodann den Rechtsstreit ohne erheblichen Unterbruch
durchzu führen und nach rechtskräftigem Urteilsspruch im Falle des
Obsiegens die Eintragung zu bewirken.

Art. 3 des Regulativs für die Feststellung der Vasserzinsen un d der
Wasserr echtsKonzessionsgebühren, vom 5. Oktober 1900 :

. Vom Wasserzinse befreit sind diejenigen Wasser werke und Anlagen,
für welche der Nachweis erbracht wird, dass im Sinne von Art. 18 der
Kantonsverfas sung und Art. l des Gesetzes über die Benützung der
Gewässer ein Privatrecht auf zinsfreie Benützung des betreffenden
Gewässers besteht.

Art. 1 Satz 1 des Na chtragsgesetzes betreffend die Wasserzinse, die
Konzessionsund die Wasserrechtsk atastergeb uhren, vom 24. November 1905 :

Für die vor dem Jahre 1860 errichteten Wasser-

werke werden weder Wasserzinse noch Konzessions--

gebühren erhoben Art. 5 desselben Gesetzes: Die zinspflichtigen Wasser
werksanlagen werden für die Berechnung des Wasser zinses innert der
Grenze von 2 bis 5 Fr. in sieben Klassen eingeteilt, und es sind per
Pferdestärke zu bezahlen : si in der I. Klasse Fr. 5 II. _ 4 III.
4 IV. 3 V. ) ) 3 VI. 250 VII. 2 der Wasserzins beträgt
bei jeder Anlage mindestens 4 Fr. Art. 6 desselben Gesetzes: Für die
Berechnung der Konzessionsgebühren werden die Wasserwerksanlagen

158 Prozessrecht. N° 18.

innert der Grenze von 5 bis 15 Fr. in fünf Klassen eingeteilt, und es
sind per Pferde-starke zu bezahlen: in der I. Klasse Fr. 15 -

II. 12 --

III. 9 ) ;) IV. ) 7 -

V. 5 --

Art. 10 desselben Gesetzes: Von den zinsfreien Was serwerksanlagen
wird eine jährliche Wasserreehtskata stergebühr erhoben, sie beträgt
1 Fr. per Pferdestärke, für eine Anlage jedoch wenigstens 2 Fr. und
höchstens 200 Fr.

Art. 8 des Regulativs für die Festsetzung und den Bezug der Wasserzin se,
Konzessionsund Wasse'rrechtskatastergebühren, vom 8. September 1906:

Für die vor dem Jahre 1860 errichteten Wasser werke werden weder
'Wasserzinse noch Konzessions gebühren erhoben. Soweit jedoch für
einzelne Wasser werksanlagen vor dem Jahre 1860 eine Konzession mit
Zinsvorhehalt erteilt wurde, fallen solche An lagen ebenfalls unter
die nachstehenden Bestimmungen.

Für die in den Jahren 1860 bis 1894 erstellten Wasser werksanlagen,
mag für sie eine Konzession niit Zins vorbehalt erteilt worden sein
oder nicht, tritt eine Herabsetzung des Wasserzinses um drei Klassen,
also um 1 Fr. 50 Cts. per Pferdestärke ein (Art. 5}, immer hin unter
Beibehaltung des Minimums von 2 Fr. per Pferdestärke.

Die Konzessionsgebührren für die Anlagen aus den Jahren 1860 bis 1894
sind auf das Minimum von 5 Fr. per Pferdestärke anzusetzen.

Die vor dem Jahre 1894 erfolgten Erweiterungen von Wasserwerksanlagen
sind hinsichtlich der Wasser zinse und Konzessionsgebühren wie die
Neuerrichtung solcher Werke zu behandeln.

_ s-. .

Prozessreeht. N° 18. 159

(Art. 1 4 des Nachtragsgesetzes vom 1. Januar 1906).

E. _ Nach einem bei den Akten liegenden Bericht des kantonalen
Wasserrechtsingenieurs vom 27. Februar 1908 beträgt die streitige
Wasserkraft 178,3 Bruttopferdestärken oder, bei 75% Nutzefiekt, 133,7
Nettopferclestärlcen. '

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. In erster Linie, und zwar von Amteswegen (trotz der Anerkennung der
Kompetenz des Bundesgerichts durch den Beklagten), ist festzustellen,
ob und inwieweit eine zivilrechtliche Stre'itigkeit im Sinne des Art. 48
OG vorliegt. Hiebei ist nach konstanter Praxis nicht sowohl auf die
Form des Klagbegehrens, als vielmehr auf die N ai ur des streitigen
Anspruchs abzustellen.

streitig ist im vorliegenden Falle zunächst die Frage, inwieweit der
Klägerin an dem (abgeleiteten oder nicht abgeleiteten) Wasser der
Seez ein p rivates Nu tzungsrecht zustehe. Ueber die weitere Frage, ob
dieses private Nutzungsrecht, insoweit es vom Bundes gericht anerkannt
werden sollte, gebührrenpflichtig sei, besteht zwischen den Parteien
kein Streit; vielmehr sind sie darüber einig, dass dafür weder eine
Konzessionsgebühr noch ein Vasserzins, sondern lediglich eine iniissige
Katastergebühr zu entrichten sein Wird. Ebenso stimmen die Parteien darin
überein, dass umgekehrt in dem Masse, wie die Existenz eines privaten
Nutzungs-rechts vom Bundesgericht verneint werden sollte, die in Frage
stehende 'Nasserkraft nur gegen Entrichtung einer Konzessionsgebühr und
eines Wasserzinses wird ausgebeutet werden können. Streitig ist dagegen
wiederum die H öh e der in diesem Fall zu bezahlenden Gebühren, indem
die Klägerin unter allen Umständen

160 . Prozessrecht. N° 18.

die Anwendung der gesetzlichen Minimalansätze verlangt, während der
Beklagte sich die Entscheidung hierüber vorbehält. Und streitig ist
endlich, ob die Klägerin (nach der Formulierung in der Replik, S. 9)
eventuell im Besitze einer unbefristeten und unbedingten Konzession
für das vermehrte Gefälle des Abwassers sei, oder ob sie für dieses
vermehrte Gefälle erst noch um eine Konzession nachsuchen müsse, für
deren Erteilung oder Verweigerung Art. 2 des Wasserrechtsgesetzes vom
23. November 1893 massgebend wäre.

Nun ist zunächst klar, dass die Meinungsverschiedenheit der Parteien
über die beiden letztem Punkte (Konzessionsrecht ,und Höhe der
Gebühren) sich als eine Streitigkeit rein öflentlichrechtlicher
Natur qualifiziert. Ueber diese beiden Punkte liegen denn auch keine
Rechtsbegehren vor. Insbesondere kommt der in der Beplik enthaltenen
Bemerkung betreffend das eventuell beanspruchte unbekristete und
unbedingte Konzessionsrecht nicht die Eigenschaft eines förmlichen
Rechtsbegehrens zu (dessen Anbringung in der Replik übrigens nach Art. 46
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 46 - Für Klagen nach dem Bundesgesetz vom 11. April 188930 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit nach diesem Kapitel, soweit das SchKG keinen Gerichtsstand vorsieht.

eidg. ZPO nicht mehr zulässig gewesen wäre). ,

Zu Zweifeln kann dagegen die rechtliche Natur der e rste n Streitfrage
Anlass geben, der Frage nämlich, ob und inwieweit der Klägerin an dem
Wasser der Seez ein privates Nutzungsrecht, zustehe ; denn nach der
Stellungnahme der Parteien deckt sie sich mit der andern ,Frage, ob
und inwieweit die Klägerin für die Benutzung der in Betracht kommenden
Wasserkraft eine Konzessionsgebührr und einen Wasserzins zu entrichten
habe. Diese letztere Frage ist zwar, wie bereits konstatiert, insofern
nicht streitig, als der Beklagte für denjenigen Teil der Wasserkraft,
in Bezug auf welchen der Klägerin ein Privatrecht zuerkanut werden
sollte, keinen Anspruch auf Gebühren erhebt. Nichtsdestoweniger hat
aber einerseits die Klägerin in Bezug auf diesen Punkt ein förmliches
Rechtsbegehren gestellt, anderseits derProzessrecht. N° 18. 161

Beklagte, formell wenigstens, die AbweiSung dieses Rechtsbegehrens
verlangt, insoweit es sich auf eine andere Wasserkraft als diejenige
bezieht, an welcher der Beklagte selbst der Klägerin ein privates
Nutzungsrecht ,zuerkennt. Das Bundesgericht ist daher genötigt, auch in
dieser Beziehung die Kompetenzfrage zu entscheiden.

2. Wird von der bisherigen Praxis über den Begriff der zivilrechtlichen
Streitigkeit im Sinne des Art. 48 OG ausgegangen, so ist die Kompetenz
des Bundesgerichts jedenfalls in Bezug auf den ersten Teil des klägeri
,schen Rechtsbegehrens (Bestand des behaupteten privaten Nutzungsrechts)
zu hejaben. Denn danach genügt es, wenn der Kläger die Feststellung
der Existenz eines Privatrechts verlangt und der Beklagte die Existenz
dieses Privatrechts bestreitet, und es tut der zivilrechtlichen Natur
des Rechtsstreites der Umstand keinen Abbruch, dass die Parteien die
Frage der Existenz eines Privatrechts dem Bundesgericht Vielleicht nur
(1 esh alb unterbreiten, weil ihre Entscheidung für diejenige einer
öfientliehrechtlichen, insbesondere einer steuerrechtlichen Streitigkeit
präjudiziell zu sein scheint. (Vergl. BGE 27 II S. 687 Erw. 1, 39 II
S. 451 Erw. 2.)

An dieser Auffassung ist festzuhalten. Allerdings entspricht es sonst dem
Standpunkte der schweizerischen, wie aueh der deutschen (im Gegensatz zur
französischen) Doktrin und Praxis, dass die Kompetenz zur Entscheidung
einer Präjudizialfrage demjenigen Richter zuerkannt wird, der zur
Entscheidung der Hauptfrage kompetent ist, und es liesse sich gerade
in einem Falle wie dem vorliegenden das Verhältnis zwischen der Frage
nach der Existenz eines Privatrechts einerseits und der davon abhängigen
steuerrechtlichen Frage anderseits sehr wohl als dasjenige einer Vor-frage
zur Hauptfrage qualifizieren; denn es unterliegt keinem Zweifel, dass hier
die Anerkennung der Existenz eines Privatrechts wesentlich nur im Hinblick
auf die dadurch präjudizierte Frage der Gebührenireiheit verlangt wird.

AS 41 ll _ 1915 11

132 Prozessrecht. N° 18.

Indessen ist es doch auch denkbar, dass derjenige, der die Anerkennung
eines privaten Nutzungsrechts an'einer Wasserkraft verlangt, mit
diesem seinem Rechtsbegehren noch andere praktische Zwecke verfolgt,
als die Anerkennung der mit dem beanSpruchten Privatrecht verbundenen
Gebührenfreiheit. Da er aber überhaupt nicht verpflichtet ist, über
die mit seiner Klage verfolgten praktischen Zwecke Auskunft zu gehen,
und der Richter seinerseits weder das Recht noch die Pflicht hat, in
dieser Hinsicht Nachforschungen anzustellen, so lässt es sich sowohl vom
praktischen als auch vom grundsätzlichen Standpunkte aus rechtfertigen,
das Vorhandensein einer zivilrechtlichen Streitigkeit überall da zu
bejahen, wo einerseits die Anerkennung eines Privatrechtes verlangt,
anderseits die Existenz dieses Privatrechts bestritten wird.

Dies war denn auch zweifellos, entsprechend der damaligen Doktrin,
der Standpunkt des Art. 110
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 110 * - 1 Der Bund kann Vorschriften erlassen über:
1    Der Bund kann Vorschriften erlassen über:
a  den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer;
b  das Verhältnis zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite, insbesondere über die gemeinsame Regelung betrieblicher und beruflicher Angelegenheiten;
c  die Arbeitsvermittlung;
d  die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen.
2    Gesamtarbeitsverträge dürfen nur allgemeinverbindlich erklärt werden, wenn sie begründeten Minderheitsinteressen und regionalen Verschiedenheiten angemessen Rechnung tragen und die Rechtsgleichheit sowie die Koalitionsfreiheit nicht beeinträchtigen.
3    Der 1. August ist Bundesfeiertag. Er ist arbeitsrechtlich den Sonntagen gleichgestellt und bezahlt.
BV und des

_ Art. 27
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 110 * - 1 Der Bund kann Vorschriften erlassen über:
1    Der Bund kann Vorschriften erlassen über:
a  den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer;
b  das Verhältnis zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite, insbesondere über die gemeinsame Regelung betrieblicher und beruflicher Angelegenheiten;
c  die Arbeitsvermittlung;
d  die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen.
2    Gesamtarbeitsverträge dürfen nur allgemeinverbindlich erklärt werden, wenn sie begründeten Minderheitsinteressen und regionalen Verschiedenheiten angemessen Rechnung tragen und die Rechtsgleichheit sowie die Koalitionsfreiheit nicht beeinträchtigen.
3    Der 1. August ist Bundesfeiertag. Er ist arbeitsrechtlich den Sonntagen gleichgestellt und bezahlt.
OG 1874. Da nun Art-is OG 1893 in seinem Ingress wesentlich
gleich lautet wie Art. 27
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 110 * - 1 Der Bund kann Vorschriften erlassen über:
1    Der Bund kann Vorschriften erlassen über:
a  den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer;
b  das Verhältnis zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite, insbesondere über die gemeinsame Regelung betrieblicher und beruflicher Angelegenheiten;
c  die Arbeitsvermittlung;
d  die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen.
2    Gesamtarbeitsverträge dürfen nur allgemeinverbindlich erklärt werden, wenn sie begründeten Minderheitsinteressen und regionalen Verschiedenheiten angemessen Rechnung tragen und die Rechtsgleichheit sowie die Koalitionsfreiheit nicht beeinträchtigen.
3    Der 1. August ist Bundesfeiertag. Er ist arbeitsrechtlich den Sonntagen gleichgestellt und bezahlt.
OG 1874 und wie Art. 110
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 110 * - 1 Der Bund kann Vorschriften erlassen über:
1    Der Bund kann Vorschriften erlassen über:
a  den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer;
b  das Verhältnis zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite, insbesondere über die gemeinsame Regelung betrieblicher und beruflicher Angelegenheiten;
c  die Arbeitsvermittlung;
d  die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen.
2    Gesamtarbeitsverträge dürfen nur allgemeinverbindlich erklärt werden, wenn sie begründeten Minderheitsinteressen und regionalen Verschiedenheiten angemessen Rechnung tragen und die Rechtsgleichheit sowie die Koalitionsfreiheit nicht beeinträchtigen.
3    Der 1. August ist Bundesfeiertag. Er ist arbeitsrechtlich den Sonntagen gleichgestellt und bezahlt.
BV, der Nachsatz in
Art. 48 Ziff. 4 OG 1893 aber eher auf die Absicht einer Ausdehnung als
einer Einschränkung der Kompetenz des Bundesgerichts hei Streitigkeiten
zwischen Kantonen und Privaten hindeutet, so ist anzunehmen, dass auch dem
heutigen Art. 48 im Gegensatz zu Art. 56; vergl. über diesen Gegensatz:
BGE 40 II S. 86; vielleicht auch im Gegensatz zu Art. 52 -jene etwas
weite Auslegung des Begriffs der Zivilrechtsstreitigkeit zu Grunde liegt.

Von dieser Auslegung abzugehen, besteht trotz der Wandelung, die sich
seither in den Anschauungen über die Ausscheidung zwischen Privatund
öffentlichem Recht vollzogen hat hier, wie in andern Grenzfällen
(vergl. z. B. betreffend Steuerpriviiegien : BGE Ä II S. 842, 26 II
S. 862 f. Erw. 1, 31 l S. 260, 34 II S. 131, 38 II S. 737) jedenfalls
solan ge kein genügender An--

Prozessreeht. N° 18. 163

lass, als nicht im ganzen Gebiet der Eidgenossenschaft oder doch
in der überwiegenden Mehrheit der Kantone fur die Entscheidung
verwaltungsrechtlieher Streitig-_ keiten eine unabhängige Instanz gegeben
sein wird. Denn es ist unverkennbar, dass durch Art. 110 Ziff. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 110 * - 1 Der Bund kann Vorschriften erlassen über:
1    Der Bund kann Vorschriften erlassen über:
a  den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer;
b  das Verhältnis zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite, insbesondere über die gemeinsame Regelung betrieblicher und beruflicher Angelegenheiten;
c  die Arbeitsvermittlung;
d  die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen.
2    Gesamtarbeitsverträge dürfen nur allgemeinverbindlich erklärt werden, wenn sie begründeten Minderheitsinteressen und regionalen Verschiedenheiten angemessen Rechnung tragen und die Rechtsgleichheit sowie die Koalitionsfreiheit nicht beeinträchtigen.
3    Der 1. August ist Bundesfeiertag. Er ist arbeitsrechtlich den Sonntagen gleichgestellt und bezahlt.
BV,
bezw. 27 Zifî. 4 OG 1874 und 48 Ziff. 4 OG 1893, für Streitigkeiten
zwischen Privaten oder Korporationen einerseits und Kantonen anderseits
dieselbe Gewähr eines unparteiischen Richters geschaffen werden wollte,
die heute durch die Institution der Verwaltungsgerichte oder durch die
Zuweisung verwaltungsrechtlicher Streitigkeiten an die Zivilgerichte
erstrebt wird.

_ Auf die vorliegende Klage ist daher, wenn der gesetzliche Streitwert
von 3000 Fr. vorhanden ist, insoweit emzutreten, als darin die Anerkennung
eines unbedingten und unbefristeten privaten Nutzungsrechtes an der Seez
verlangt wird, wie dies im ersten Teil des klägerischen Rechtsbegehrens
geschieht. Was dagegen den zweiten Teil dieses Rechtshegehrens betrifft
(die Klägerin sei nicht pflichtig, für die beanspruchte Wasserkraft
eine * Konzessionsgebühr und einen Wasserzins oder eines von beiden zu
bezahlen), so kann darauf deshalb nicht eingetreten werden, weil es sich
dabei lediglich um eine öflentlichrechtliche, speziell steuerrechtliche
Konsequenz aus der Existenz des behaupteten Privatrechts handelt, welche
zu ziehen das Bundesgericht als Zivilgeriehtshof unter keinen Umständen
kompetent ist. Uebrigens kommt dem zweiten Teil des klägerischen
Rechtsbegehrens kaum eine wesentliche praktische Bedeutung zu; denn
der Beklagte beabsichtigt einen Anspruch auf Konzessionsgebühr und
Wasserzins nur hinsichtlich desJenlgen Teils der streitigen Wasserkraft
zu erheben, in Bezug auf welchen das Begehren um Anerkennung eines
privaten Nutzungsrechts abgewiesen werden sollte. Bei der Klägerin aber
besteht umgekehrt offenbar nicht die Absicht, an ihrem Anspruch auf
gebührenfreie Be-

184 Prozessrccht. N° 18.

nutzung des Mehrgefälles auch nach einem ihr ungünstigen Entscheide des
Bundesgerichts über die zivilrechtliche Vorfrage festzuhalten.

3. Was den S t r eit w e rt betrifft, so würde sich aus den'foben
sub D angeführten Gesetzesbestimmungen in Verbindung mit der sub E
erwähnten Schätzung der streitigen Wasserkraft, schon im Falle der
Anwendung der gesetzlichen Minimaltaxen und bei Berücksichtigung
bloss der Nettowasserkraft von 133,7 Pferdestärken, ein jährlicher
Wasserzins von 267 Fr. 45 Cts. ergeben, der nach Art. 54 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 110 * - 1 Der Bund kann Vorschriften erlassen über:
1    Der Bund kann Vorschriften erlassen über:
a  den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer;
b  das Verhältnis zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite, insbesondere über die gemeinsame Regelung betrieblicher und beruflicher Angelegenheiten;
c  die Arbeitsvermittlung;
d  die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen.
2    Gesamtarbeitsverträge dürfen nur allgemeinverbindlich erklärt werden, wenn sie begründeten Minderheitsinteressen und regionalen Verschiedenheiten angemessen Rechnung tragen und die Rechtsgleichheit sowie die Koalitionsfreiheit nicht beeinträchtigen.
3    Der 1. August ist Bundesfeiertag. Er ist arbeitsrechtlich den Sonntagen gleichgestellt und bezahlt.
OG mit
5349 Fr. zu kapitalisieren wàressfssund somit den nach Art. 48 Ziff. 4
OG erforderlichen Streitwert von 3000 Fr. bereits erheblich übersteigen
würde, ganz abgesehen von der Konzessionsgebühr, die sich auf 668 Fr. 60
Cts. belaufen würde.

Entsprechend grössere Beträge würden sich ergeben, wenn mit höheren als
den gesetzlichen Minimalansätzen für Wasserzins und Konzessionsgebühr,
sowie mit der Brutto-, statt mit der Nettowasserkraft gerechnet Würde.

4. 1n der Sache selbst ist zunächst festzustellen, dass private
Nutzungsrechte an öffentlichen Gewässern (zu welcher Kategorie von
Gewässern die Seez unbestrittenermassen gehört) in der Tat möglich und
speziell auch im Kanton St. Gallen anerkannt sind. Letzteres ergibt
sich, abgesehen von der übereinstimmenden Auffassung beider Parteien,
u. a. aus Art. 1 und 16 des kantonalen Gesetzes über Benutzung von
Gewässern, vom 23. November 1893 (vergl. JAEGER Anm. 6 zu Art. 1 dieses
Gesetzes), sowie aus einem Urteile des Kantonsgerichts vom Jahre 1897
(vergl. Entscheidungen des Kantonsgerichts des Kantons St. Gallen im
Jahre 1897, S. 26 if.) ;endlich aus dem bei den Akten liegenden, auf
Veranlassung der Klägerin eingehalten Amtsbericht des Kantonsgerichts
vom 23. März 1914.

5. Das von der Klägerin beanspruchte Privatrecht wird vom Beklagten
insoweit anerkannt, als es sich auf die Wasserkraft an der Seez von
der Höhe der Wehr-Prozessrecht. N° 18. 165

krone der alten Mühlenwasserzuleitung bis zur Sohle des
Mühlenwasserabflusskanals (ca. 10,86 rn) bezieht. Nun ist aber zur Zeit
von der Höhe der Wehrkrone der alten Mühlenwasserzuleitung bis zur Sohle
des Mühlenabwasserflusskanals kein einheitliches Gefälle mehr vorhanden
; sondern ein Teil des Wassers, durch welches das betreffende Gefälle
gebildet wird, besteht in dem Abwasser der Schuler-Heer'schen Fabrik,
der andere Teil dagegen in dem nicht abgeleiteten Wasser der Seez. Die
Anerkennung des Beklagten ist somit dahin zu interpretieren, dass der
Klägerin ein Recht zugestanden wird:

a) auf ein Gefälle von ca. 10,86 m (genau = der Höhendifferenz
zwischen der Wehrkrone der alten Mühlenwasserzuleitung und der Sohle des
Mühlenwasserabflusskanals) des durch das Abwasser der Schuler-Heer'schen
Fabrik gebildeten Gesamtgefälles,

b) auf das von Schuler Heer & Cie nicht abgeleitete Wasser der Seez,
von der Wehrkrone der alten Mühlenwasserzuleitung bis zur Sohle des
Mühlenwasserabflusskanals.

Was speziell das sub & erwähnte Gefälle betrifft, so kann es sich
dabei gegenwärtig in der Tat nur um einen ideellen Teil des durch das
Abwasser der Schuler-Heer'schen Fabrik gebildeten Gesamtgefälles handeln.
Denn jenes Abwasser fällt, wie anlässlich desÎAugenscheins konstatiert
wurde, in einem einzigen Wasserfall von der Ausfluss Stelle bei der
Schuler-Heer'schen Fabrik bis in die Tahlsohle hinunter, und es sind von
keiner Seite technische Einrichtungen geplant, durch die eine (übrigens
offenbar irrationelle) getrennte Ausnutzung der obern ea. 18,73 m und
der untern zirka 10,86 m ermöglicht würde.

In diesem Sinne ist der Beklagte bei seinersiin der
Klagbeantwortungsschrift enthaltenen Anerkennung zu behaiten, sodass ein
Entscheid des Bundesgerichts nur noch in Bezug auf denjenigen ideellen
TeilLdes

166 Prozessrecht. N° 18.

Gesamtgefälles von zirka 29,59 m nötig ist, welcher der Differenz zwischen
diesem Gesamtgefälle und dem frühem Gefälle von ca. 10,86 m entspricht,
d. h. in Bezug auf ca. 18,73m jenes Gesamtgefälles.

6. Die Klägerin gibt zu, dass ihr, bezw. ihren Rechtsverfahren Enderlin
& Jenny, ursprünglich ein Recht nur auf ein Gefälle von zirka 10,86 m
zustand. Sie behauptet aber, die Vermehrung des Geiälles um ca. 18,73
m stelle sich lediglich als eine Modifikation ihres ursprünglichen
Wasserrechtes dar, die infolge der Ableitung des Wassers durch die
Schuler-Heer'sche Fabrik nötig geworden und ihr deshalb s. Zt. als Entgelt
für die ihr aus der Ableitung des Wassers erwachsenden Nachteile bewilligt
werden sei.

Voraussetzung einer Gutheissung der Klage wäre demnach vor allem der
Nachweis der behaupteten B ewi lligun g, und zwar müsste nachgewiesen
sein, nicht nur dass die kompetente Behörde mit einer Vermehrung des
Getälles um ca. 18,73 m einverstanden war, sondern auch, dass sie der
Firma Enderlin & Jenny diese Vermehrung des Gefälles im Sinne einer
blossen Modifikatio n ihres ursprünglichen privaten Wasser-rechts und
als Ersatz für die aus der Ableitung des Wassers erwachsenden Nachteile
bewilligt habe.

7. Bevor unter diesem Gesichtspunkte die Vorgänge im Jahre 1867 geprüft
werden, ist festzustellen, dass die zur Bewilligung einer Modifikation,
insbesondere einer E rw ei 1: e ru ng des ursprünglichen Wasserrechts
kompetente Behörde einzig der Regierungsrat, als Vertreter des Staates
war, während der Gemeindebehörde in Bezug auf das Wasser-recht als solches
(im Gegensatz zu dem Recht auf Benutzung des Gemeindebodens) nur die
Vorbereitung der regierungsrätlichen Bewilligung zukam. Wenn also in
dem Vertrag , aus welchem die Klägerin das beanspruchte Recht auf das
Mehrgefälle ableitet, d. h. in dem Vertrag zwischen der Ortsgemeinde
Mels und der Firma Joh.Prozessrecht. N° 18. 167

Heer, gesagt wurde, die Ortsgemeinde erteile der Firma Joh. Heer is
unter Vorbehalt hoheitlicher Genehmigung das Recht usw. , so war dies
eine ungenaue Formulierung, die denn auch vom Regierungsrat in seinen
Beschlüssen vom 9. März und 'vom 1. Mai 1867 dahin richtiggestellt
worden ist, dass er die für die Firmen Joh. Heer und Enderlin &
Jenny nachgesuchte Vasserrechtskonzession erteilte und die von der
Ortsgemeinde Mels mit den Konzessionären abgeschlossenen Verträge nur
insoweit hoheitlich genehmigte, als dabei die ökonomischen Interessen
der Gemeinde in Betracht kamen.

Hienach ist auch für den Inhalt der damals erteilten Bewilligung in
erster Linie auf den Wortlaut der Regierungsbeschlüsse vom 1. Mai und
vom 22. Juli 1867, und nur ergänzungsweise auf den am 18. Januar 1867
zwischen der Gemeinde Mels und der Firma Joh. Heer abgeschlossenen
Vertrag, insbesondere dessen Art. 7, abzustellen.

Aus dem Regierungsbeschluss vom 1. Mai 1867 geht nun deutlich hervor,
dass der Regierungsrat, im Gegensatz zum Ortsverwaltungsrat Mels, das der
Firma Enderlin & Jenny eventuell zu bewilligende Mehrgefälle (im Sinne
von Art. 7 des Vertrages Mels-Heer) nicht als eine blosse Modifikation
des ursprünglichen Wasserrechts, sondern als eines der Objekte der den
beiden Firmen Joh. Heer und Enderlin & Jenny durch ihn erteilte n ,
einheitlichen Konzession betrachtete. Schon aus diesem Grunde versagt
also die Argumentation der Klägerin, dass es sich bei ihr, im Gegensatz
zur Firma Joh. Heer, die einer eigentlichen Konzession bedurft habe,
lediglich um eine Modifikation ihres alten Wasserrechts gehandelt habe.

Dazu kommt, dass der Regierungsrat sich in den von ihm am 1. Mai 1867
aufgestellten und am 22. Juli etwas abgeänderten Konzessionsbedingungen
ausdrücklich das Recht vorbehalten hat, eine Konzessionsgebühr

168 Prozessrecht. N° 18.

nach gesetzlichen Bestimmungen zu beziehen . Dadurch hat er
deutlich dokumentiert, dass er der Firma Endet- lin & Jenny die
Befugnis zur Benutzung des vermehrten Gefälles im Sinne eines neuen,
gebùhrenpflichtigen, konzessionsmässigen Rechts erteile, also nicht
als Entgelt für angeblich ihr erwachsende Nachteile und im Sinne einer
blossen Modifikation ihres alten privaten Wasser-rechts

8. Fehlt somit schon der regierungsrätliche Akt, auf Grund dessen allein
die Annahme einer blossen Modifikation des ursprünglichen Wasserrechts
gutgeheissen werden könnte, so mag immerhin noch konstatiert werden, dass
es sich auch den Umständen nach nicht um eine solche blosse Modifikation
des alten, privaten Wasserrechts handeln konnte. Einerseits nämlich
hatte die Benutzung des Wassers der Seez durch die Firma Joh. Heer
durchaus nicht notwendig eine Beeinträchtigung der Ausübung jenes alten
Wasserrechts zur Folge, und es hatte also die Firma Enderlin & Jenny gar
kein Opfer zu bringen, für welches sie ein Entgelt in Form der Vermehrung
ihres ursprünglichen Gefälles hätte beanspruchen können ; anderseits aber
wurde der unentgeltliche Erwerb eines Mehrgefälles von zirka 18,73 m einen
ganz unverhältnismässig grossen Ersatz für allfällige, mit der Errichtung
der Heer'sehen Fabrik verbundene Inkonvenienzen dargestellt haben.

Eine Beeinträchtigung der" Firma Enderlin & Jenny ergab sich aus der
Benutzung des Wassers der Seez durch die Firma Heer schon deshalb nicht,
weil diese letztere Firma sich in ihrem Vertrag mit der Ortsgemeinde Mels
ausdrücklich verpflichtet hatte, das Abwasser ihrer Fabrik nach Wahl der
Firma E n d e r l i n & J e n n y entweder auf einen vom Ver-waltungsrat
der Ortsgemeinde zu bestimmenden Höhepunkt zu leiten, von wo aus für
die Firma Enderlin & Jenny ein Gesamtgefälle von zirka 100 Fuss = 30 m
erzielt werden könne, oder aber es auf ihre KostenProzessrecht. N° 18. 169

an die alte Abnahmestelle der Firma Enderlin & Jenny zurückzuleiten. Der
letztem Firma ist somit keine Abänderung ihres ursprünglichen Wasserrechts
aufgenötigt worden, wofür sie eine Kompensation hätte beanspruchen
können; sondern, wenn das von Schuler-Heer & Cie benutzte Wasser ihr
gegenwärtig nicht mehr an ihrer alten Abnahmestelle Zur Verfügung steht,
so ist dies darauf zurückzuführen, dass sie selber auf die Rückleitung
des Wassers an diese alte Abnahmestelle verzichtet hat, offenbar
weil sie es vorteilhafter fand, das Abwasser der Schuler-Heer'schen
Fabrik unmittelbar unter deren Turbinen abzunehmen, was ihr gestattete,
ihrerseits ebenfalls eine moderne Druckleitung zu erstellen. Dass sie aber
das hieraus sich ergebende Mehrgefälle von zirka 18,73 m, wodurch ihr
früheres Gefälle nahezu verdreifacht wurde, nicht einfach als einen aus
den veränderten Einrichtungen sich ergebenden Nebenvorteil betrachtete,
der ihr unentgeltlich zufallen müsse, erhellt deutlich aus dem Umstande,
dass sie sich gleichzeitig, durch einen von ihr mit der Ortsgemeinde
Mels abgeschlossenen Vertrag, für den Fall der Nichtausiührung des
Heer'schen Projektes eine selbständige Konzession zusiehern liess,
durch die ihr auf andere Weise dasselbe Gefälle von ca. 30 m (= 100 Fuss)
verschafft werden sollte, das sie im Falle der Ausführung des Heer'schen
Projektes erhielt. Der Firma Enderlin & Jenny war somit unter allen
Umständen daran gelegen, nach den Akten (vergl. oben sub A) handelte es
sich dabei sogar um einen längst gehegten Entschluss ein Gefälle von
ca. 30m zu erhalten. Um diesen Zweck zu erreichen, hätte sie im Falle
der Ni ehtausführung des Heer'schen Projektes nicht nur anstandslos die
gesetzlichen Konzessions- und 'Wasserzinsgebühren bezahlt, sondern auch
noch die beträchtlichen Kosten der Erstellung eines Stollens von zirka 500
m Länge übernommen. Umso weniger konnte sie unter diesen Umständen dar-

170 Prozessrecht. N° 18.

auf Anspruch erheben, im Falle der Ausführung des Heer'schen Projektes
in welchem Falle sie nicht nur keinen Nachteil erlitt, sondern sogar die
Kosten der Erstellung des Stollens ersparte das Recht auf das erstrebte
Mehrgefälle gebührenfrei zu erwerben. Nicht nur hat also die Klägerin
nicht nachgewiesen, dass der Regierungsrat ihr das Recht zur Benutzung des
Mehrgefälles gebührenfrei erteilt, bezw. in eine Abänderung des Inhalts
des ursprünglichen privaten Wasserrechts eingewilligt. habe, nicht nur ist
ferner aktenmässig erstellt, dass der Regierungsrat sich im Gegenteil die
Erhebung der Gebühren auch ihr gegenüber (ebenso wie gegenüber der Firma
Joh. Heer) ausdrücklich vorbehalten, also die Auffassung von der blossen
Modifikation des frühern privaten Wasserrechts im voraus abgelehnt hat,
sondern es geht ausserdem aus den Umständen hervor, dass zur Bewilligung
einer gebühren-

freien Benutzung des Mehrgefälles im Sinne einer blossen --

Modifikation jenes alten privaten Wasserrechts gar kein Anlass vorhanden
war, m. a. W. dass der Firma Enderlin & Jenny damit auf Kosten des
Staates eine durch nichts zu rechtfertigende und daher auch nicht zu
prä-sumierende, unentgeltliche Zuwendung gemacht worden wäre.

Die vorliegende Klage erscheint somit von allen Gesichtspunkten aus
insoweit auf sie überhaupt eingetreten werden konnte (vergl. oben
Erw. 1 und 2) und insoweit sie nicht anerkannt ist (vergl. oben Erw. 5),
als unbegründet.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

1. Bei der Anerkennung eines der Klägerin zustehenden Privatrechtes :

a) auf ein Gefälle von 10,86 m (genau = der Höhendifferenz zwischen
der Wehrkrone der alten Mühlenwasserzuleitung und der Sohle des
Mühlenwasserabfluss--kreaessrecht. N° 19. 171

kanals) des durch das Abwasser der Schuler-Heer'schen Fabrik gebildeten
Gesamtgefälles,

I)). auf das von Schuler-Heer & Cie nicht abgeleite _ ten Wasser der
Seez, von der Wehrkrone der alten Mühlenwasserzuleitung bis zur Sohle
des Mühlenwasserabflusskanals,

wird der Beklagte behaftet.

2. Im übrigen wird das Klagebegehren, soweit darauf eingetreten werden
konnte, abgewiesen.

19. Urteil der I. Zivilabteilung vom 30. Januar 1915 i. S. Christ,
Beklagter, gegen Untertrifaller und Genossen, Kläger.

Zulässigkeit der Berücksichtigung einer erst in der Berufungsinstanz
aufgestellten Behauptung bei der von Amteswegen vorzunehmenden Bestimmung
des Streitwertes, Art. 53
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 110 * - 1 Der Bund kann Vorschriften erlassen über:
1    Der Bund kann Vorschriften erlassen über:
a  den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer;
b  das Verhältnis zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite, insbesondere über die gemeinsame Regelung betrieblicher und beruflicher Angelegenheiten;
c  die Arbeitsvermittlung;
d  die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen.
2    Gesamtarbeitsverträge dürfen nur allgemeinverbindlich erklärt werden, wenn sie begründeten Minderheitsinteressen und regionalen Verschiedenheiten angemessen Rechnung tragen und die Rechtsgleichheit sowie die Koalitionsfreiheit nicht beeinträchtigen.
3    Der 1. August ist Bundesfeiertag. Er ist arbeitsrechtlich den Sonntagen gleichgestellt und bezahlt.
, 59
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 110 * - 1 Der Bund kann Vorschriften erlassen über:
1    Der Bund kann Vorschriften erlassen über:
a  den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer;
b  das Verhältnis zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite, insbesondere über die gemeinsame Regelung betrieblicher und beruflicher Angelegenheiten;
c  die Arbeitsvermittlung;
d  die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen.
2    Gesamtarbeitsverträge dürfen nur allgemeinverbindlich erklärt werden, wenn sie begründeten Minderheitsinteressen und regionalen Verschiedenheiten angemessen Rechnung tragen und die Rechtsgleichheit sowie die Koalitionsfreiheit nicht beeinträchtigen.
3    Der 1. August ist Bundesfeiertag. Er ist arbeitsrechtlich den Sonntagen gleichgestellt und bezahlt.
und 80
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 110 * - 1 Der Bund kann Vorschriften erlassen über:
1    Der Bund kann Vorschriften erlassen über:
a  den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer;
b  das Verhältnis zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite, insbesondere über die gemeinsame Regelung betrieblicher und beruflicher Angelegenheiten;
c  die Arbeitsvermittlung;
d  die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen.
2    Gesamtarbeitsverträge dürfen nur allgemeinverbindlich erklärt werden, wenn sie begründeten Minderheitsinteressen und regionalen Verschiedenheiten angemessen Rechnung tragen und die Rechtsgleichheit sowie die Koalitionsfreiheit nicht beeinträchtigen.
3    Der 1. August ist Bundesfeiertag. Er ist arbeitsrechtlich den Sonntagen gleichgestellt und bezahlt.
OG.

A. Jakob Zimmerli in Kriens hatte auf Grund eines am 2. Januar
1909 mit dem Beklagten Franz Josef Obrist und einem Josef Stofer
abgeschlossenen Gesellschaftsvertrages eine Einzahlung von 3000 Fr.
gemacht. Er forderte diese Einzahlung mit Klage vom LF,/28. April 1911
von den beiden Gesellschaftern zurück, worauf Stofer am 13. August 1912
den Prozessabstand erklärte. Das Amtsgericht Luzern-Land verurteilte den
Beklagten Obrist durch Entscheid vom 23. Februar 1914, unter solidarischer
Haftbarkeit mit Josef Stofer anzuerkennen und an die Klägerschaft zu
bezahlen: 3000 Fr. nebst Verzugszins zu 5°/0 seit 21. Januar, 3. und
13. Februar 1909 von je 1000 Fr., abzüglich anfällig bereits geleisteter
Zahlungen des Stofer. An die Stelle des Zimmerli, der während des
Prozesses in Konkurs fiel, waren inzwischen gemäss Massarechtsabtretung
vom 17. November 1913 eine Anzahl Konkursgläubiger getreten. Obrist
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 41 II 146
Datum : 22. Januar 1915
Publiziert : 31. Dezember 1915
Quelle : Bundesgericht
Status : 41 II 146
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 146 Prozessrecht. N° 18. V. PROZESSRECHTPROCEDURE 18. Urteil der staatsrechtlichen


Gesetzesregister
BV: 110
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 110 * - 1 Der Bund kann Vorschriften erlassen über:
1    Der Bund kann Vorschriften erlassen über:
a  den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer;
b  das Verhältnis zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite, insbesondere über die gemeinsame Regelung betrieblicher und beruflicher Angelegenheiten;
c  die Arbeitsvermittlung;
d  die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen.
2    Gesamtarbeitsverträge dürfen nur allgemeinverbindlich erklärt werden, wenn sie begründeten Minderheitsinteressen und regionalen Verschiedenheiten angemessen Rechnung tragen und die Rechtsgleichheit sowie die Koalitionsfreiheit nicht beeinträchtigen.
3    Der 1. August ist Bundesfeiertag. Er ist arbeitsrechtlich den Sonntagen gleichgestellt und bezahlt.
OG: 27  48  53  54  59  80
ZPO: 46
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 46 - Für Klagen nach dem Bundesgesetz vom 11. April 188930 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit nach diesem Kapitel, soweit das SchKG keinen Gerichtsstand vorsieht.
BGE Register
27-II-672 • 40-II-83
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
heer • wasser • benutzung • fabrik • abwasser • wasserkraft • beklagter • bundesgericht • frage • regierungsrat • stelle • gemeinde • rechtsbegehren • weiler • kantonsgericht • erwachsener • leiter • unternehmung • zahl • replik
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