158 Staatsrecht.

bringen _vermocht; vielmehr dürfte für die von der Finanzmrektion
in ihrer Vernehmlassung behauptete praktische Notwendigkeit der
streitigen Bestimmung im Interesse der rationellen Pflege des
kantonalen Fischbestandes wohl die Tatsache sprechen, dass das Recht
zum Frelangelfischen verordnungsgemäss nicht allgemein, sondern nur in
den fliessenden Gewässern im Gegensatz zum Hallwilersee auf den Kreis
der Kantonsemwohner beschränkt ist.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Der Rekurs wird abgewiesen.

22. Urteil vom 19. Juli 1915 1. S. Katholische Kirchenpfiege Dietikon

gegen Zürich Regierungsrat.

Verletzung von Art 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV durch eine kant . . onale Gesetz bestimmung,
die das Steuerrecht der staatlich anerkanntäi katholischen Kirchgemeinden
auf die in der Gemeinde ansassrgen Konfessionsgenossen beschränkt,
Während es

den evangelischen Kirchgemeinden nach der einschlägigen

Gesetzgebung auch ge oenüber ' ' ' ' ,... Juristischen P gesellschaiten)
eingeräumt wird. ersonen (Aktien

A. Nach dem zürcherischen Gesetze vom 27. Oktober i863 betreffend
das katholische Kirchenwesen bestehen un Kanton Zürich neben den
evangelischen auch vier staatlich anerkannte katholische Kirchgemeinden
: Rheinau, Dietikon, Zürich (umfassend das Gebiet der heutigen Stadt
Zürich) und Winterthur (umfassend die Gemeinden Winterthur, Töss,
Veltheim, Oherwinterthur, Wülflingen und Seen). Weitere katholische
Kirchgemeinden können auf dem Wege des Gesetzes. gebildet werden, wenn
ein ausgesprochenes Bedürfnis dazu vorhanden ist und von der Gemeinde ein
genügender Ausweis über die ökono-Gleichheit vor dem Gesetz. N° 22. 159

mischen Mittel für die Bestreitung der kirchlichen Ausgaben
erbracht wird. (55 5, 6, 7 und 8 des Gesetzes). Der Wirkungskreis
der katholischen Kirchgemeinden beschlägt mit Ausnahme derjenigen
von Dietikon, die zugleich auch Armenverband ist, lediglich die
kirchlichreligiösen Bedürfnisse der Konfessionsgenossen (§ 9). In
Bezug auf die ökonomische Verwaltung stehen ,dieselben unter der
unmittelbaren Aufsicht des Bezirksrats nach Massgabe der einschlägigen
Bestimmungen des Gemeindegesetzes (g 4). Die Oberaufsicht über das
katholische Kirchenwesen im allgemeinen steht dem Kantonsrat, die
Wahrung der Rechte des Staates gegenüber den Kirchenhehörden in allen
vorkommenden Fällen dem Regierungsrat zu (% 3). Jede katholische
Kirchgemeinde hat eine Gemeindeversammlung, welche berechtigt ist,
di( in ihren Wirkungskreis einschlagenden Angelegenheiten innerhalb
der Schranken von Verfassung und Gesetz zu ordnen : bezüglich der
Stimmberechtigung in den Wahlversammlungen der Kirchgemeinden Rheinau
' und Dietikon gelten die Bestimmungen des § 22 des Gemeinde-gesetzes
: in den Versammlungen der katholischen Kirchgemeinden Zürich und
Winterthur sind stimmberechtigt die innert. den Grenzen der Gemeinde
wohnenden Bürger und Niedergelassenen katholischer Konfession (§
IO). Die Versammlung wird vom Präsidenten der Kirchenpflege geleitet :
im übrigen gelten hinsichtlich ihres Zusammentrittes, des Verfahrens
bei den Verhandlungen und Wahlen derselben, der Protokollführung usw.
die einschlägigen Bestimmungen der Gesetze betreffend das Gemeindewesen
und die Wahlen derBeamten (gg 12, 13). Die von der Gemeindeversammlung
gewählte Kirchenpflege besteht aus dem Präsidenten und mindestens vier,
höchstens acht Mitgliedern: ihre Befugnisse bestimmen sich nach den
Vorschriften der §§ 17?-205 des Gesetzes betreffend das reformierte
Kirchenwesen, unter Vorbehalt der Ausnahmen, welche durch die Konfession
und die besonderen Verhältnisse der betreffenden Kirchgemeinde

160 Staats-echt.

geboten und vorn Regierungsrate festzusetzen sind (§§ 14, 16). Die Pfarrer
und Helfer der katholischen Gemeinden werden vom Regierungsrat gewählt
(g 18, eine Bestimmung, die seither durch die Kantonsverfassung von
1869, Art. 64 aufgehoben und dahin abgeändert worden ist, dass die Wahl
wie in der evangelischen Landeskirche den Kirchgemeinden zusteht). In
Bezug auf die Bestreitung der Ausgaben bestimmt § 29 : Die Ausgaben
der katholischen Kirchgemeinden werden, soweit dies erforderlich ist,
durch Steuern der steuerpflichtigen Konfessionsgenossen gedeckt, in
welcher Beziehung die diesfälligen B estimmungen des Gemeindegesetzes
massgebend si n d. '

An Stelle des bei Erlass dieser Vorschriften geltenden Gemeindegesetzes
von 1855 ist seither das Gesetz betreffend das Gemeindewesen vom 27. Juni
1875 getreten, das im Gegensatz zum früheren, welches eine Norm darüber
nicht enthielt, in § 137 litt. d und e an die Gemeindelasten allgemein
auch die in der Gemeinde domizilierten Korporationen, Aktiengesellsc
haften u nd Stiftungen steuerpflichtig erklärt. si Infolgedessen
ist in das neue Gesetz betreffend die Organisation der evangelischen
Landeskirche vom 20. Oktober 1902 (durch welches das frühere von 1861
aufgehoben wurde) in § 1 8 folgende Bestimmung aufgenommen worden :
In Beziehung auf die steuerleistungen (an die Kirchengemeinden) für die
Bedürfnisse der Landeskirche und die ökonomische Gemeindeverwaltung sind
die Vorschriften des Gemeindegesetzes, insbesondere § 137 litt. a bis
e massgebend.

B. Gestützt auf die vorstehend erwähnten Vorschriften stellte
die katholische Kirchenpflege Dietikon am 8. Dezember 1914 der
Aktiengesellschaft Löwenhräu Dietikon einen Kirchensteuerzettel für das
Jahr 1914 im Betrage von 500 Fr. zu. Auf Beschwerde der Löwenbräu hob
jedoch der Bezirksrat Zürich diese Steuerauflage amGleichheit "vor dem
Gesetz. N° 22. 161.

31. März 1915 gestützt auf folgende Erwägungen auf: unter dem in §
29 des katholischen Kirchengesetzes zitierten Gemeindegesetz könne nur
das damals in Kraft stehende von 1855 verstanden sein. Dieses habe aber
die Steuerpflicht der Gesellschaften noch nicht gekannt. Im Einklang
damit bezeichne denn auch § 29 des katholischen Kirchengesetzes als
steuerpflichtig nur die Konfessionsgenossen , was die Besteuerung
juristischer Personen ausschliesse. An diesem Zustande sei durch das
Inkrafttreten des neuen Gemeindegesetzes von 1875 nichts geändert worden,
da sich in dessen Uebergangsbestimmungen keine Vorschrift finde, durch
welche 529 des katholischen Kirchengesetzes aufgehoben oder abgeändert
wiirde. Dass die Vorschriften des Gemeindegesetzes, soweit sie die
Steuerpflicht der Aktiengesellschaften betreffen, nicht ohne weiteres auch
für die Kirchgemeinden anwendbar seien, folge unzweideutig daraus, dass
man es im Jahre 1902 bei Erlass des neuen evangelischen Kirchengesetzes
für nötig erachtet habe; die Anwendbarkeit des § 137 litt. d und e auf
die Kirchensteuer ausdrücklich vorzuschreiben, also die Steuerpflicht
der Aktiengesellschaften besonders vorzusehen. Da es für die katholischen
Kirchgemeinden an einer entsprechenden positiven Bestimmung mangle, seien
diese somit nicht berechtigt, auch Gesellschaften zur Steuer heranzuziehen
und entbehre die angefochtene Steuerauflage der gesetzlichen Grundlage.

Die katholische Kirchenpflege Dietikon zog diesen Entscheid an
den Regierungsrat weiter, wurde aber auch hier durch Beschluss vom
17. April 1915 mit der Motivierung abgewiesen: die Frage, ob den
staatlich anerkannten katholischen Kirchgemeinden ein Steuerrecht
gegenüber Aktiengesellschaften znstehe, sei schon früher in Bezug auf
die katholische Kirchgemeinde Zürich verneint worden und es sei denn auch
seither seitens dieser Gemeinden eine Besteuerung juristischer Personen
nicht erfolgt. Der Regierungsrat habe damals auf Grund der

AS 41 l 1915 u

162 Staatsreeht.

Entstehungsgeschichte des Gesetzes den Standpunkt eingenommen, dass 529
des katholischen Kirchengesetzes bewusst das Prinzip der Beschränkung
des Steuerrechts auf die steuerpflichtigen Konfessionsgenossen,
d. h. auf physische Personen, aufgestellt habe und dass der darin
enthaltene Hinweis sich nur auf die Bestimmungen des damals geltenden
Gemeindegesetzes und nur auf die Art der Verlegung der Steuern unter die
Kultusgenossen beziehen könne-Ferner sei erklärt worden, dass schon die
Heranziehung der juristischen Personen für die Ausgaben der Landeskirche
ernstliche Beanstandung erfahren habe und dass auch aus diesem Grunde
eine ausdehnende Interpretation des Gesetzes nicht ratsam seheine. Diese
Gründe trafen auch heute noch zu. Der Regierungsrat habe daher keinen
Anlass, seine bisherige Praxis zu ändern.

C. Gegen den Entscheid des Regierungsrates hat die katholische
Kirchenpflege Dietikon als Organ der Kirchgemeinde die staatsrechtliche
Beschwerde an das Bundesgericht ergriffen und beantragt : es
sei in Aufhebung desselben die angefochtene Steuerauflage der
katholischen Kirchgemeinde Dietikon an die Löwenhräu Dietikon
Ass.-G. zu schützen. Das Steuerrecht der öffentlichen Korporationen,
so wird zur Begründung ausgeführt, sei in Art. 19 sowie Art. 48
ff. speziell 51 der zürcherischen Verfassung niedergelegt. Art. 19
Abs. 9 ebenda erkläre ausdrücklichSteuerprivilegien zu Gunsten von
Privaten oder Erwerbsgesellschaften als unzulässig Daraus folge,
dass die Besteuerung juristischer Personen im Sinne der Verfassung
liege. Wenn der Regierungsrat trotzdem den katholischen Kirchgemeinden das
Steuerrecht gegenüber Aktiengesellschaften abspreche, werde dadurch die
KV verletzt. Ausserdem verstosse der angefochtene Entscheid auch gegen
Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV. In § 29 des katholischen Kirchengesetzes sei nur das Prinzip
des Steuerrechts der katholischen Kirchgemeinden aufgestellt, für das
Weitere, so insbesondere auch für den Um-Gleicthit vor dem Gesetz. N°
22. 163

fang der subjektiven Steuerpflicht, dagegen auf das Gemeindegesetz
verwiesen. Damit könne nur das jeweilen geltende Gemeindegesetz
gemeint sein, was sich schon daraus ergehe, dass durch dieses,
nämlich durch das Gesetz vom 27. Juni 1875, das frühere von 1855
aufgehoben worden sei. Durch die Beschränkung der Besteuerung
auf Konfessionsgenossen habe man lediglich die Ausübung eines der
Glaubensund Gewissensfreiheit widersprechenden Zwanges gegen nicht der
katholischen Konfession angehörende Personen verhindern, nicht. die
im Kanton Zürich damals überhaupt noch nicht hekannte Besteuerung der
juristischen Personen untersagen wollen. Aus dem rein negativen Moment,
dass das katholische Kirchengeseiz die letzteren nicht erwähnedürfe
ihr Ausschluss als Steuersubjekt nicht gefolgert werden. So hätten
denn auch die evangelischen Kirchgemeinden tatsächlich schon vor
Erlass des Landeskirchengesetzes von 1902 die Aktiengesellschaften
besteuert, obwohl es damals ebenfalls an einer dahin gehenden positiven
Bestimmung zu ihren Gunsten gefehlt habe. Die Vorschrift des §29 des
katholischen Kirchengesetzes lasse sich demnach sowohl historisch
als auch in materieller Beziehung sehr wohl mit einer Besteue-rung
der Aktiengesellschaften vereinen. Nur auf diese Weise könne auf die
andernfalls offenbar verletzte Rechtsgleichheit zwischen den katholischen
und, evangelischen Kirchgemeinden, die beide die durchaus gleiche
slaatsrechtliche Struktur aufwiesen, gewahrt werden.

D. Die Rekursbeklagte Löwenbräu Dietikon hat auf Abweisung des Rekurses
angetragen und gegenüber der Rüge der Verletzung von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV bemerkt:
Die Auslegung, welche der Regierungsrat dem 529 des katholischen
Kirchengesetzes gegeben habe, sei keinenfalls willkürlich und könne daher
nicht aus dem Gesichtspunkte der Rechtsverweigerung angefochten werden. Es
sei klar, dass der Gesetzgeber bei dem Hinweis auf das Gemeinde-

164 Staatxrecht.

gesetz nur das damals geltende Gemeindegesetz und nicht ein Gesetz im
Auge gehabt haben könne, das überhaupt noch nicht bestanden habe. Im
übrigen komme darauf nichts an. Selbst wenn man annehme, dass in § 29
des katholischen Kirchengesetzes das jeweils geltende Gemeindegesetz
gemeint sei. ergäbe sich daraus noch nicht der von der Rekurrentin
gezogene Schluss. Die Besteuerung juristischer Personen durch die
Kirchgemeinden stehe, wenn sie auch vom Bundesgericht als mit Art. 49
Abs. 6
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 49 Vorrang und Einhaltung des Bundesrechts - 1 Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
1    Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
2    Der Bund wacht über die Einhaltung des Bundesrechts durch die Kantone.
BV vereinbar erklärt worden sei, doch im Widerspruch mit dem
Charakter dieser Gemeinden als Personalverbänden. Der allgemeine
Grundsatz des § 137 litt. d Gemeindegesetz dürfe daher nicht ohne
weiteres extensiv auf das Spezialgebiet der Kirchensteuer übertragen
werden. Vielmehr wäre dazu eine ausdrückliche Vorschrift nötig, wie sie
für die evangelischen Kirchgemeinden durch das Gesetz von 1902 geschail'en
worden sei. Solange eine solche für die katholischen Kirchgemeinden fehle,
könne in deren verschiedener Behandlung gegenüber den evangelischen
Kirchgemeinden auch keine Verletzung der Rechtsgleichheit liegen. Das
Gebot der Rechtsgleichheit sei bekanntlich nicht absoluter Natur, es
schliesse nicht jede ungleiche Behandlung aus. Eine Differenzierung
werde insbesondere dann als zulässig erachtet werden müssen, wenn es
sich wie hier um Personenvereinigungen verschiedenen Glaubens handle,
die für die Pflichten ihrer Angehörigen besondere Gesetze geschaffen
hätten. Lauteten diese Gesetze verschieden, so werde man unmöglich von
Rechtsungleichheit sprechen können, solange nicht die Behörde in der
Anwendung der darin enthaltenen Vorschriften unsorgfältig verfahren sei,
was hier nicht zutrei'fe.

E. Der Regierungsrat des Kantons Zürich hat sich unter Verzicht
auf eigene Gegenhemerkungen den Ausführungen der Rekursbeklagten
angeschlossen.Gleichheit vor dem Gesetz. N° 22.

Das Bundesgericht zieht i n E r W a g u n g :

l. Von den Art. 19 und 48 ii. der kantonalen Verfassung, auf die sich die
Reizurrentin beruft. enthalten die letztem eine Anzahl von allgemeinen
Vorschriften über die Organisation der Gemeinden und fallen daher für
die hier streitige Frage von vorneherein ausser Betracht. Art. 19 KV
sodann ordnet die veri'assungsrechtlichen Grundlagen des Steuerrechts
in der Form einiger Grundsätze über die Art der Zulässigen Steuern und
das Steuersystem (Besteuerung der Pflichtigen im Verhältnisse der ihnen
zu Gebote stehenden l éili'smittei, i'mgression. Steuerfreiheit des zum
Leben unbedingt notwendigen Teiles des Einkommens, Verbot neuer Steuern
auf dem Konsum unentbehrlicher Lebensmittel usw.). Ueber den Umfang
der subjektiven Steuerberechtigung und der subjektiven Steuerpflicht
bestimmt er nichts. Die Regelung dieser Frage ist demnach Sache der
Gesetzgebung. Eine Schranke zieht der etzteren nach dieser Richtung
einzig Abs. 9 des Artikels. der Steuer-privilegien zu Gunsten einzelner
Privater oder Erwerbsgesellschaften ausschliess't. Diese Bestimmung
kommt aber hier nicht in Frage, weil der vorliegende Streit sich. nicht
darum dreht, ob speziell die Löwenbräu Dietikon von der Entrichtung
der Kirchensteuer an die katho-lische Kirchgemeinde Dietikon befreit
sei, sondern die generelle Frage betrifft, ob sich das Steuerrecht der
katholischen Kirchgemeinden nach der zürcherischen Gesetzgebung nur auf
die physischen oder auch auf die juristischen Personen erstrecke. Die
Riige der Verletzung der kantonalen Verfassung ist somit unbegründet.

2. Auch der weitere Vorwurf der materiellen Rechtsverweigerung geht
fehl. Wie aus dem oben wiedergegebenen Text des §29 des katholischen
Kirchengesetzes hervorgeht, spricht derselbe lediglich von der Besteuelung
der steuerpflichtigen Konfessionsgenossen. Da als

166 Staatsrecht.

Konfessionsgenossen der Natur der Sache nach nur physische Personen
und nicht Erwerbsgesellschaften in Betracht fallen können, lässt sich
demnach die Ansicht des Regierungsrates, dass die Besteuerung der
letztem durch den Wortlaut des katholischen Kirchengesetzes selbst
ausgeschlossen werde, nicht als willkürlich bezeichnen. Daran ändert
auch der Umstand nichts, dass das Kirchengesetz im Anschluss daran
auf die diesfälligen Bestimmungen des Gemeindegesetzes verweist: denn
dieser Hinweis behält auch so noch seine Bedeutung für die übrigen
Fragen der Besteuerung, wie insbesondere die zulässigen Steuerarten,
die Art der Sieuerveranlagung und des Steuerbezuges u. s. w., er braucht
nicht notwendig dahin verstanden zu werden, dass auch hinsichtlich
des Umfanges der subjektiven Steuerpflicht das Gemeindegesetz habe
als massgebend erklärt werden wollen. Anfechtbarer erscheint freilich
schon die weitere Behauptung, dass mit den diesfälligen Bestimmungen
des Gemeindegesetzes ausschliesslich diejenigen des Gesetzes von 1855
gemeint seien. Indessen kommt darauf nichts an, weil, sobald man davon
ausgeht, dass der Kreis der Steuerpflichtigen schon im Kirchengesetz
durch den Gebrauch des Wortes Konfessionsgenossen umschrieben sei,
unerheblich ist, welchen Sinn man jenen Worten beilegt. Muss somit die
Rüge der Willkür abgelehnt werden, so mag immerhin andererseits bemerkt
werden, dass die Richtigkeit der Folgerungen, welche der Regierungsrat
aus dem Wortlaut des 529 des katholischen Kirchengesetzes zieht,
keineswegs ausser Frage steht und mit Grund angezweifelt werden kann.
Da unbestrittenermassen der Kanton Zürich zur Zeit des Erlasses dieses
Gesetzes die Besteuerung von Aktiengesellschaften überhaupt noch nicht
kannte, liesse sich sehr wohl die Ansicht vertreten, dass man durch die
Beschränkung der Kirchensteuerpfiicht auf Konfessionsgenossen, ähnlich
wie dies nachher durch Art. 49 Abs. 6
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 49 Vorrang und Einhaltung des Bundesrechts - 1 Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
1    Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
2    Der Bund wacht über die Einhaltung des Bundesrechts durch die Kantone.
BV geschehen ist, nur die in der
Besteuerung von Nicht-

... Es--Gleichheit vor dem Gesetz. N° 22. 167

koni'essionsangehörigen liegende Beeinträchtigung der Glaubens-und
Gendssensfreiheit habe verhindern wollen, während im übrigen auch
für die subjektive Steuerpflicht auf das Gemeindegesetz abgestellt
worden sei. Wäre dem so, so. müsste daraus aber mit Notwendigkeit
der Schluss gezogen werden, dass, nachdem nunmehr das letztere Gesetz
die Gemeindesteuerpflicht der Korporationen und Aktiengeseilschaften
ausdrücklich statuiert, dieselbe auch zu Gunsten der katholischen
Kirchgemeinden bestünde und anerkannt werden müsste, Indessen mag
die Frage, wie es sich damit verhalte, auf sich beruhen bleiben, da
es nicht Sache des Bundesgerichts als Staatsgerichtshof sein kann, in
diesem Auslegungsstreite Stellung zu nehmen. Es genügt festzustellen, das
jedenfalls in der vom Regierungsrat vertretenen Auslegung keine Verletzung
klaren Rechts, wie sie zur Annahme einer materiellen Rechtsverweigerung
notwendig wäre, erblickt werden kann.

3. Anders Liegt die Sache hinsichtlich der weitern Frage, ob nicht
der angefochtene Entscheid gegen die formelle Rechtsgleichheit
verstosse. Aus den eingangs angeführten Bestimmungen des katholischen
Kirchengesetzes erhellt, dass die durch dasselbe anerkannten vier
katholischen Kirchgemeinden Rheinau, Dietikon, Zürich und Winterthur
staatsrechtlich die nämliche Stellung einnehmen wie die evangelischen
Kirchgemeinden. Gleichwie bei den letztem handelt es sich auch bei ihnen
nicht um private Korporationen, sondern um Verbände des öffentlichen
Rechts, die kraft ihnen vom Staate verliehener obrigkeitlicher Macht ein
Stück öffentlicher Verwaltung besorgen, ihren Wirkungskreis und ihre
Organisation durch die staatliche Gesetzgebung angewiesen erhalten und
inbezug auf die Führung ihrer Geschäfte der staatlichen Oberaufsicht
unterstehen, also um innert des staatlichen Organismus stehende
Selbstverwaltungskörper. Dementsprechend ist ihnen denn auch gleich
wie den

168 Staatsrecht.

evangelischen Gemeinden insofern gegenüber ihren Verbandsangehörigen
Zwangsgewalt eingeräumt, als sie dieselben für ihre Zwecke besteuern
können.. Ein Unterschied besteht nur nach der Richtung, dass die
evangelischen Kirchgemeinden noch zu einem über ihnen stehenden höheren
Verbande, der evangelischen Landes- kirche, zusammengeschlossen sind,
während für die katholischen Kirchgemeinden eine solche zusammenfassende
Organisation auf staatlichem Boden fehlt. Im übrigen und in den Punkten,
worauf es hier ankommt, inbezug auf das Verhältnis zum staates und
die Beziehungen zu ihren Angehörigen, stehen sich die beiden Arten
von Kirchgemeinden evangelische und katho-lische durchaus gleich. In
diesem Sinne spricht sich denn auch der Kommentator des zu rcheiischen
Gemeindegesetzes WIZTTSEIN (N° 16) mit aller Bestimmtheit aus. Bei
dieser Sachlage bedeutet es eine Rechtsnngleichheit, die vor Art. ji-IV
nicht standhalten kann und von Bundeswegen beseitigt werden muss, wenn
das den evangelischen Kirchgemeinden ausdrücklich zuerkannte Recht,
die Besteuerung auch auf die in ihrem Gebiet domizilierten juristischen
Personen anszudehnen. den katholischen Kirchgemeinden versagt wird. Ob
diese Ungleichheit durch die geltenden gesetzlichen Bestimmungen begründet
und sanktioniert sei, ist dabei unerheblich. Denn Art. 4 BY bildet eine
Schranke nicht nur für die rechtsanwendenden Behörden. sondern auch für
den Gesetzgeber und schliesst auch die ungleiche Behandlung durch das
Gesetz und zwar diese in erster Linie aus. Die gerügte Unterscheidung
in der Rechtsstellung der evangelischen und katholischen Kirchgemeinden
könnte demnach nur dann als zulässig angesehen werden, wenn sie durch
wesentliche Verschiedenheiten in den für die Ordnung der Materie
massgehenden tatsächlichen Verhältnissen gerechtfertigt wäre. Solche
haben aber nicht namhaft gemacht werden können und bestehen nach dem
Gesagten auch zweifellos nicht.ss Gleichheit vor dem Gesetz. N° 22. 169

Nun liesse sich freilich die Rechtsgleichheit an sich auch in der Weise
herstellen, dass das Recht zur Besteuerung von juristischen Personen
auch den evangelischen Kirchgemeinden aberkannt würde. Indessen
erscheint diese Lösung unter den obwaltenden Verhàlt ss nissen nicht
angangig. Abgesehen davon, dass sie nicht beantragt worden ist, hatte
sie die Aufhebung einer positiven gesetzlichen Vorschrift, nämlich
des § 18 des evangelischen Kirchengesetzes von 1902 zur Folge, die an
sich nach der bekannten Praxis des Bundesgerichts zu Art. 49 Abs. 6
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 49 Vorrang und Einhaltung des Bundesrechts - 1 Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
1    Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
2    Der Bund wacht über die Einhaltung des Bundesrechts durch die Kantone.

BV bundesrechtlich nicht zu beanstander. ist. Umgekehrt bedingt die
Gutheissung des von der Rekurrentin gestellten Antrages lediglich die
Beseitigung einer regierungsrätlichen Praxis, die zudem, wie gezeigt,
auf einer zum mindesten anfechtbaren Gesetzesauslegung beruht; sie
empfiehlt sich auch deshalb umsomehr, als nach der unwidersprochen
gebliebenen Behauptung des Rekurses die evangelischen Kirchgemeinden
tatsächlich ebenfalls schon vor dem Gesetze von 1902 die juristischen
Personen besteuerten, was offenbar nur darauf zurückgeführt werden
kann, dass man hier den § 137 des Gemeindegesetzes trotz Fehlens einer
dahingehenden positiven gesetzlichen Anordnung ohne weiteres auch auf die
Kirchensteuer als anwendbar erachtete. Die Konsequenz, welche sich bei
dieser Lòsung ergeben kann, nämlich dass unter Umständen beim Bestehen
zweier Kirchgemeinden, einer evangelischen und einer katholischen,
auf dem nämlichen Gebiet eine Gesellschaft von beiden für ihr ganzes
Vermögen zur Steuer herangezogen wird, ist hier dadurch vermieden worden,
dass sich die beteiligten Gemeinden (Evangelischund Katholisch-Dietikon)
durch Vertrag geeinigt haben, das Steuerrecht je zur Hälfte in Anspruch
zu nehmen. Wo eine solche Einigung nicht zustandekommt,'wird es Sache des
Regierungsrates bezw. seiner Organe sein, die erforderliche quantitative
Ausscheidung der steuerhoheiten vorzunehmen.

170 Staatsrecht.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt :

Der Rekurs wird begründet erklärt und demgemäss unter Aufhebung des
angefochtenen Entscheides die streitige Steuerauflage der Rekurrentin
gegenüber der Rekursbeklagten geschützt.

II. POLITISCHES STIMMUND WAHLRECHT

DROIT ÉLECTORAL ET DROIT DE VOTE

23. Urteil vom 9. Juli 1915 i. S. 1. Dr. Lutz-Müller und Mitbeteiligte,
2. Schwarz und Mitbeteiligte gegen St. Gallen.

Willkürliche Auslegung und Anwendung eines k a nt o n al e n W a big es
etze s. Zulässigkeit der Verwendung von Stimmzetteln mit aufgedruckt er
Parteibezeichnung nach dem st. gallischen Gesetz betr. die Volkswahlen
und Volksabstimmungen vom 16. Mai 1893.

A. Am 25. April 1915 fanden in Rapperswil die Gesamterneuerungswahlen
für die politischen Gemeindebehörden statt, bei denen 'u. a. der
Gemeinderat von

7 Mitgliedern und, aus dessen Mitte, der Gemeinde-.

ammann zu Wählen waren. Das Wahlbureau bestimmte die Zahl der gültigen
Wahlzeitel und das entprechende absolute Mehr der stimmen bei den
Gemeinderatswahlen auf 670 bezw. 336 und bei der Wahl des Gemeindeammanns
auf 541 bezw. 271 und erklärte danach als Mitglieder des Gemeinderates
sechs Kandidaten, worunter A. Bauer und G. Brunner den letztern gerade
mit der Stimmenzahl des absoluten Mehrs (336) , und als Gemeindeammann
Gemeinderat A. Bauer alsPolitisches Stimmund Wahlrecht. N° 23, 171

gewählt, die Wahl des siebenten Gemeinderatsmitgliedes dagegen als mangels
Erreichung des absoluten Mehrs durch einen der weitem Kandidaten nicht
zustande gekommen. Wegen dieses Wahlentscheides beschwerten sich drei
Wähler, Fidel Schwarz, Aug. Dennler und Friedr.Moser, beim Regierungsrat
des Kantons St. Gallen, indem sie geltend machten, das Wahlbureau habe
eine grosse Anzahl mit Parteibezeichnungz'n versehener Wahlzettel
unrichtigerweise als gültig mitgerechnet, bei deren Abrechnung das
absolute Stimmenmehr von A. Bauer und G. Brunner nicht," dafür aber
möglicherweise von andern Kandidaten erreicht worden sei, weshalb
die entsprechende Berichtigung des Wahlergebnisses verlangt werde. Die
hierauf angeordnete Untersuchung ergab, dass von den gedruckt eingelegten
Wahlzetteln tatsächlich 248 über dem allgemein verwendeten Titel
Stimmzettel für die Gemeindewahlen vom 25. April 1915 mit nachfolgender
Angabe der zu Wählenden Personen, nach Beamtungen geordnet, noch die
Bemerkung trugen : Wahlvorschlag der konservativen Volkspartei oder
Demokratischer Wahlvorschlag oder F reisinnigdemokratische Partei bei
424 Zetteln ohne eine solche Parteibezeichnung , und dass sich unter
Mitberücksich tigung dieser VVahlzettel die richtig berechnete Zahl
der gültig abgegebenen Stimmen bei den Gemeinderatswahlen auf 672 und
demgemäss das absolute Stimmenmehr auf 337 belief. Auf Grund dieser
Feststellungen erledigte der R e g i e r u n g s r a t die erwähnte
Beschwerde durch folgenden B e s c h ] u s s v o m 21. M a i 1 9 1 5 :

Es sei die Wahl des Herrn A. Bauer als Gemeinde ratsmitglied und als
Gemeindeammann, sowie des Herrn G. Brunner als Gemeinderatsmitglicd
kassiert, und es sei der Gemeinderat Rapperswil eingeladen, für diese
Amtsstellen beförderlichst Nachwahlen an zuordnen.

Die entscheidenden Erwägungen dieses Beschlusses
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Dokument : 41 I 158
Datum : 19. Juli 1915
Publiziert : 31. Dezember 1915
Quelle : Bundesgericht
Status : 41 I 158
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 158 Staatsrecht. bringen _vermocht; vielmehr dürfte für die von der Finanzmrektion


Gesetzesregister
BV: 4 
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
49
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 49 Vorrang und Einhaltung des Bundesrechts - 1 Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
1    Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
2    Der Bund wacht über die Einhaltung des Bundesrechts durch die Kantone.
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
kirchgemeinde • gemeindegesetz • regierungsrat • gemeinde • juristische person • frage • aktiengesellschaft • bundesgericht • verfassung • gemeinderat • kirchensteuer • zahl • kandidat • brunnen • absolutes mehr • stimmberechtigter • rechtsgleiche behandlung • wahlvorschlag • römisch-katholische kirche • gemeindeversammlung
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