548 Obligationenrecht. N° 91 .

chiffre notablement inférieur à celui de la fortune du defendenr.

Amsi donc la preuve n'a pas été rapportée que Barber se fùt mterdit
de prendre livraison et que Dupont eüt renoncé au droit de livrer les
titres. L'exception de jeu doit par conséquent étre écartée....

Par ces moiifs,

le Tribunal fédéral prononce:

Le recours est admis et l'arrété attaqué est repoussé en ce sens que
Barber est condamné à payer à Dupont, avec interéts de droit, la somme
de fr. 53,256.90.

91. Urteil der II. Zivilabteilung vom 22. Oktober lle i. S. Attenhcfer,
Kläger, gegen Versicherungsgesellschaft Le Soleil , Beklagte.

Auslegung einer Versichemngsbestimmung mit sog. Gliedertaxen. Ermittlung
der Entschädigung für einen Unfall dessen Wirkung auf die Erwerbsfähigkeit
des Versicherter; dern Grade nach zwischen den Wirkungen zweier in der
Police speziell vorgesehener Verstümmellungen liegt.

A. Der Kläger hat am 1-. Oktober 1905 eine Unfallversicherung mit der
Beklagten abgeschlossen. Art. 3 der deutsch und französisch redigierten
Police lautet in der deutschen Fassung (welche in den für den vorliegenden
Prozess wesentlichen Punkten eine genaue Uebersetzung des französischen
Textes darstellt):

Die Gesellschaft verpflichtet sich :

l. Im Invaliditätsfalie zu Leistung einer Entschädi gung an den
Versicherten selbst.

Die Invalidität wird in drei Grade eingeteilt:

: 1. Grad : Bleibende, gänzliche Unfähigkeit zu jeder Arbeit (gänzlicher
Verlust beider Augen oder zweier

Ohllgatlonenrecht. N° 91 . 549

..., Glieder) ; dieselbe berechtigt zu der in den besondere
Policrbedingungen festgesetzten Entschädigung.

2. Grad: Gänzlicher Verlust eines Beines, eines v Fusses, eines Armes
oder einer Hand. welcher zu der Hälfte der für die Invalidität ersten
Grades gewährten Entschädigung berechtigt.

3. Grad: Verlust eines Auges, dreier Finger, oder zweier Finger
einschliesslich des Daumens, ebenso wie o alle Verletzungen, die eine,
oben nicht aufgeführte, aber gleichbedeutende Invalidität im Gefolge
haben, berech tigen zu einer Entschädigung gleich dem zehnten Teil des
für Verletzungen ersten Gradesgarantierten Be trages.

2. Im Falle vorübergehender gänzlicher Arbeits unfähigkeit, welche den
Versicherten hindert, seiner ge ' wohnten Beschäftigung nachzugehen,
zu einer in den . Spezialbedingungen festgesetzten Tagesvergütung,
aber für die Dauer von höchstens neunzig Tagen.

Ist die Arbeitsunfähigkeit keine absolute, so reduziert sich die
Entschädigung auf die Hälfte.

Die Unterschrift des Klägers am Fusse der Police lautet : Alf. Attenhofer,
Tapezierer.

Am 14. Juni 1912 erlitt der Kläger bei seiner beruflichen Arbeit iusolge
Sturzes von einer Leiter einen Unfall. der eine bleibende Versteifung des
Hüftgelenks bewirkte. Der gerichtliche Experte hat die auf den Unfall
zurückzuführemle Verminderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers als
Tapezierers auf 75 0/0 und als Tapezierermeisters auf 10 % veranschlagt.

B. Am 21. November 1912 fand über folgendes Rechtsbegehren des Klägers
der eriolglose Vermittlungsverstand statt :

Feststellung und Auszahlung der dem Kläger laut Versicherungsvertrag
zukommenden Entschädigung für o den am 14. Juni 1912 erlittenen Unfall,
Präzision und .* richterliches Ermessen vorbehalten; unter Kostenfolge. o

In seiner Prozesseingabe vom 12. Dezember 1912

550 Obligationenreeht . N° 91 .

erklärte der Kläger, seiner Ansicht nach müsste die vertragliche
Entschädigung mindestens 2500 Fr. be tragen. Unmittelbar vor Erlass
des erstinstanzlichen Urteils erhöhte er aber seinen Anspruch auf 5900
Fr. (5000 Fr. Invaliditätsentschädigung, 900 Fr. Tagesvergütunga für
vorübergehende gänzliche Arbeitsunfähigkeit). Dass die Beklagte damals
gegen diese Klagerhöhung Einspruch erhoben habe, ist aus den Akten nicht
ersichtlich. Die erste Instanz nahm von der Klagerhöhung ohne jede weitere
Bemerkung Notiz und sprach dem Kläger einen Betrag von 1900 Fr. (1000
Fr. Invaliditätsentschädigung und 900 Fr. Tagesvergütung ) zu. Gegen
dieses Urteil legte nur die Beklagte eine förmliche Appellation ein. Vor
der zweiten Instanz verlangte aber der Kläger eine reformaiio des Urteils
zu seinen Gunsten, in dem Sinne, dass eine Entchädigung von 5000 Fr.
wegen Vorliegens einer Invalidität zweiten Grades (Art. 3
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 3 Organisation der Gerichte und der Schlichtungsbehörden - Die Organisation der Gerichte und der Schlichtungsbehörden ist Sache der Kantone, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt.
des Vertrages)
zuerkannt werde. Das Kantonsgerieht erklärte, gestützt auf Art. 253
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 253 Stellungnahme - Erscheint das Gesuch nicht offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, so gibt das Gericht der Gegenpartei Gelegenheit, mündlich oder schriftlich Stellung zu nehmen.

ZPO, der die reformatie in pefus gestatte, einen derartigen Antrag für
zulässig, gab jedoch dem Begehren des Klägers aus materiell-rechtlichen
Gründen keine Folge, sondern strich im Gegenteil die von der ersten
Instanz zugesprochene Tagesvergiitung von 900 Fr. und setzte somit die
Gesamtentschädigung auf 1000 Fr. fest.

C. Gegen das kantonsgerichtliche Urteil hat der Kläger rechtzeitig und
in richtiger Form die Berufung an das Bundesgericht ergriffen mit dem
Antrag, die Entschädigung auf 5000 Fr., eventuell 2500 Fr. zu erhöhen.

Die Beklagte hat Abweisung der Berufung und Bestätigung des angefochtenen
Urteils beantragt. .

Das Bundesgericht zieht ' in Erwägung:

1. Dadurch, dass der Kläger vor Bundesgericht nicht mehr, wie vor der
zweiten kantonalen Instanz, 5900,

_. ...Mi-... _

Obligationenrecht . N° 91 . 551

sondern nur noch 5000 Fr. verlangt, hat er auf seinen ursprünglichen
Standpunkt, dass ihm ausser der geforderten Invaliditätsentschädigung
auch eine solche für vorübergehende Arbeitsunfähigkeit geschuldet sei,
verzichtet. Es braucht daher nicht untersucht zu werden, ob aus der
vorliegenden Police deutlich genug hervorging. dass die Aufzählung in
Art. 3 (l. Invaliditätsentschädigung. 2. Tagesvergütung ) nicht kumulativ,
sondern nur alternativ gemeint sei.

Ob der Kläger heute 5000 Fr. verlangen könne, trotzdem er in seiner
Prozesseingabe vom 12. Dezember 1912 erklärt hatte, seiner Ansicht
nach müsste die vertragliche Entschädigung mindestens 2500 Fr. betragen,
hängt davon ab, ob er nach dem kantonalen Prozessrecht vor der zweiten
Instanz jenes Begehren stellen konnte. Nun hat zwar das Kantonsgericht
diese Frage nicht ausdrücklich beantwortet, sondern nur die damit nicht
identische Frage nach der Zulässigkeit einer reformaiio in pejus. Da
jedoch aus den Akten nicht ersichtlich ist, dass die Beklagte, sei es vor
erster, sei es vor zweiter Instanz gegen die immerhin noch vor Erlass
des erstinstanzlichen Urteils vorgenommene Klagerhöhung Einspruch
erhoben habe, und da die II. Instanz die von ihr zu entscheidende
prozessuale Frage dahin formuliert hat, ob eine reformalio in pejus in
dem Sinne zulässig sei, dass eine Entschädigung von 5000 Fr. zuerkannt
werden könne, so muss angenommen werden, dass das Kantonsgericht die
Zulässigkeit jener Klägerhöhung als solcher überhaupt nicht in Zweifel
gezogen hat. Darin aber liegt eine prozessrechtliche Entscheidung,
an welche das Bundesgericht gebunden ist.

2. In materieller Beziehung ist, da einerseits der Kläger auf die
ursprünglich geforderte Tages-vergütung von 900 Fr. verzichtet,
anderseits die Beklagte schon vor der zweiten kantonalen Instanz ihre
prinzipielle Haftpflicht anerkannt hat, nur noch zu untersuchen, ob im
vorliegenden Falle eine Invaliditätsent--

552 Obligationenrecht. N° 91 .

schädignng zweiten ,ssoder bloss eine solche dritten Grades (im Sinne
von Art. 3 der Police) geschuldet sei.

Nach dem bei den Akten liegenden ärztlichen Gutachten, das vom kantonalen
Richter als massgebend betrachtet wird und daher für das Bundesgericht
verbindlich ist, beträgt die auf den Unfall zurückzuführende Verminderung
der Erwerbsfähigkeit des Klägers 75 °/o. Denn der Kläger war nicht etwa
nur Tapezierermeister, als welcher er nach der Expertise bloss um 10 0/o
in seiner Erwerbskähiglceit beeinträchtigt wäre, sondern er pflegte,
wie gerade der Unfall beweist, selber als Tapezierer zu arbeiten, und
er hat sich denn auch nach der vorliegenden Police als Tapezierer ,
nicht als Tapezierermeister versichert. Seine Invalidität ist also
nicht nur grösser als in denjenigen Fällen, die von der Police als
Invaliditätsfälle dritten Grades behandelt werden und für welche
10 % der Versicherungssumme zu bezahlen sind, sondern sogar grösser
als in denjenigen Fällen. die als Invaliditätsfälle zweiten Grades
bezeichnet sind und für welche 50 0/0 vergütet werden. Es scheint
somit nahezuliegen, dem Kläger einen Anspruch auf mindestens 50°]°
der Versicherungssumme zuzuerkennen. Nun ist es allerdings bei dem
gegenwärtigen Stand der Versicherungsgesetzgebung in der Schweiz und bei
dem Mangel einheitlicher Allgemeiner Bedingungen sämtlicher im Inland
arbeitender Unfallversicherungsgesellschaften (vergl. betreffend den
Zustand in Deutschland : GERHARD, HAGEN u. a. Kommentar, S. 751 ff.) zur
Zeit noch möglich, nur für den Fall des Verlustes bestimmter Glieder eine
dem Grad der dadurch bedingten Invalidität mehr oder weniger entsprechende
Entschädigung zu gewähren und den Versicherten in allen übrigen Fällen
teilweiser oder sogar gänzlicher Invalidität leer ausgehen zu lassen oder
mit einer unverhältnismässig niedrigen Entschädigung abzufinden. Dagegen
muss vom Standpunkte der Grundsätze über Treu und Glanben, die im modernen
Recht bei der Auslegung eines

Obligationenrecht . N° 91 . 553

jeden Vertrages anzuwenden sind (vergl. über die Formulierung dieses
Prinzips in Art. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
1    Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
2    Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.
ZGB :BGE 38 Il 8. 462 1. Erw. 2), und die speziell
bei der Auslegung der Versic her 11 n gsverträge vom Bundesgericht stets
angewendet wurden, immerhin verlangt werden, dass Pollo-ahestimmungen,
durch welche für ganze Kategorien von Invaliditätsfällen entweder der
Anspruch auf eine Entschädigung ganz ausgeschlossen oder die Entschädigung
unverhältnismässig tief angesetzt wird, doch wenigstens vollkommen klar
und unzweideutig redigiert seien. Denn der Versicherungsnehmer wird
beim Vertragsabschluss in der Regel von der Annahme ausgehen, dass die
Versicherung alle Invaliditätsfälle deckt und dass die Entschädigung
jeweilen dem Grad der eingetretenen Invalidität entspricht. Wo also
sogenannte Gliedertaxen aufgestellt sind, wird er im Zweifel annehmen,
und auch annehmen dürfen, dass es sich dabei bloss um besonders geregelte
Ein zelf alle handle und dass in allen übrigen Invaliditätsfällen die
Berechnung der Entschädigung, bezw. die Entscheidung darüber,

_welcher Invaliditätsgrad vorliege, nach Massgabe der

tatsächlichen Verminderung der Erwerbsfähigkeit stattfinden werde. Will
der Versicherer diese Präsumtion nicht gelten lassen, so muss er den
Vertrag in einer Weise abfassen, die den Versicherungsnehrner hierüber
vollkommen aufklärt, sodass dieser noch rechtzeitig auf den Abschluss
der Versicherung verzichten kann. Dagegen würde es Treu und Glauben
widersprechen, den Versicherten bei einer Vertragsbestimmung zu behalten,
die er, wenn sie deutlich redigiert gewesen wäre, nie akzep-tiert
haben würde

Im vorliegenden Falle kann nun nicht gesagt werden, dass die Absicht der
Beklagten, die Invaliditätsentschädigung zweiten Grades nur bei Verlust
eines der sub 4 2. Grad aufgezählten Glieder zu gewähren, deutlich aus
dem Vertrag hervorgehe. Die für die Invaliditätsfälle zweiten Grades
gewählte Bezeichnung unter-

554 Obligationenrecht. No 91 .

scheidet sich allerdings insofern von derjenigen der In-_ validitätsiälle
ersten und dritten Grades, als es (in Art. 3 der Police) beim 2. Grad
nur heisst-,: gänzlicher Verlust eines Beines, eines Fusses, eines
Armes oder einer Hand, während beim 1. Grad bleibende, gänzliche
Unfähigkeit zu jeder Arbeit verlangt und der gänzliche Verlust beider
Augen oder zweier Glieder nur in Klammern beigefügt wird-, beim 3. Grad
aber die Entschädigung, ausser für den Fall des Verlustes eines Auges,
dreier Finger u. s. w., auch für den Fall einer oben nicht aufgeführten,
aber gleichbedeutenden Invalidität festgesetzt wird. Indessen kann
nicht angenommen werden, die Beklagte habe durch diese verschiedene
Ausdrucksweise eine wirkliche Differenzierung der drei Invaliditätsgrade
hinsichtlich der bei der Festsetzung der Entschädigung zu beobachtenden
Grundsätze beabsichtigt. Es ist schlechterdings nicht einzusehen, und
die Beklagte hat selber gar nicht zu erklären versucht, welcher Anlass
vorgelegen haben könnte, bei der Invalidität eersten und dritten Grades
auf die Grösse der tatsächlichen Verminderung der Arbeitsfähigkeit
abzustellen, dagegen bei der Invalidität zweiten Grades sich streng
an das sog. Gliedertaxensystem zu halten. Vielmehr kann die vorliegende
Vertragsbestimmung nur den'Sinn haben, dass in allen Fällen, für welche es
in der Police an einer bestimmten Taxe fehlt, auf den Grad der wirklichen
Invalidität abgestellt werden wollte. Es ist daher nicht möglich, die
sub 3. Grad enthaltene Bestimmung betr. alle Verletzungen, die eine,
oben nicht aufgeführte, aber gleichbedeutende Invaliditat im Gefolge
haben , dahin auszulegen, dass die Invaliditätsentschädigung dritten
Grades, also eine Entschädigung von bloss 10 "0 der Versiche _rungssumme,
für diejenigen Fälle vorgesehen sei, welche mit den Invaliditätsfällen
ersten und zweiten Grades (die zu 100 bezw. 50 °/, der Versicherungssumme
berechtigen) gleichbedeutend seien, während für die mit den

Ohllgationenrecht. N° 91 . 555

Invaliditätsfällen dritten Grades gleichbedeutenden Fälle überhaupt keine
Entschädigung zu zahlen Wäre; sondern die Anführung der gleichbedeutenden
Invaliditätsfälle hat offenbar den Sinn, dass in diesen Fällen auch eine
gleichbedeutende Entschädigung geschuldet sei. Allerdings führt dies
dazu, die Worte oben nicht aufgeführte ( non spécifiée ci-dessus) auf die
unmittelbar davorstehende Aufzählung ( Verlust eines Auges, dreier Finger,
oder zweier Finger einschliesslich des Daumens ) zu beziehen, Während doch
sonst mit dem Wort oben ( ci dessus ) auf etwas weiter oben Stehendes
verwiesen zu werden pflegt, für das im gleichen Satz Angeführte aber
eher das Wort hier ( ici ) verwendet Wird. Allein es liegt gewiss näher,
hier eine kleine sprachliche Ungenauigkeit der Police anzunehmen, als den
vorliegenden Text in einer Weise zu interpretieren, für welche vergeblich
nach einer sachlichen Erklärung gesucht Würde. Ist aber darnach unter
der sub 3. Grad angeführten gleichbedeutenden Invalidität ein solcher
Invaliditätsfall zu verstehen, welcher mit den übrigen Invaliditätsfällen
dritten Grades gleichbedeutend oder, genauer ausgedrückt. gleichwertig
ist, so fehlt es, formell wenigstens, an einer Bestimmung für diejenigen
Invaliditätsfälle, die mit den Fällen zweiten Grades gleichwertig sind;
ebenso für diejenigen, die zwischen den Invaliditätsfällen ersten und
zweiten oder zweiten und dritten Grades liegen. Da jedoch, wie bereits
ausgeführt wurde,'im Zweifel nicht anzunehmen ist, dass für alle diese
Zwischenfälle und alle jene, den ausdrücklich vorgesehenen äquivalenten
Invaliditätsfälle überhaupt keine Entschädigung habe festgesetzt werden
wollen, und dass der Versicherungsnehmer den Vertrag so habe., auffassen
müssen, so bleibt nichts anderes übrig als, auf alle diese Fälle die
vorliegenden Taxen analog anzuwenden und also in allen Invaliditätsfällen,
die denjenigen des zweiten Grades entsprechen oder zwischen denen des
ersten und denen des ;zweiten Grades liegen,

556 Obilga'tionenrecht, N° 92 .

50 0/0, in allen denjenigen Fällen aber, die den Invali-

ditätsfällen dritten Grades entsprechen oder zwischen denen zweiten und
denen dritten Grades liegen, 10 % der Versicherungssumme zuzusprechen.

Demgemäss ist im vorliegenden Falle, da die Verminderung der
Erwerbsfähigkeit 75 0/0 beträgt, also mehr als eine Invalidität zweiten
Grades, jedoch immerhin keine solche ersten Grades vorhanden ist,
die Beklagte zur Zahlung von 50 0/0 der Versicherungssumme, d. h. zur
Zahlung von 5000 Fr. zu verurteilen.

Demnach hat das Bundesgericht

erkannt :

Die Berufung wird gutgeheissen, das angefochtene Urteil aufgehoben und
die Beklagte verurteilt, dem Kläger 5000 Fr. nebst 5 °/o Zins seit dem
21. November 1912 zu bezahlen.

92. Urteil der I. Zivilabteilung vom 23. Oktober 1914 i. S. Lager, Kläger,
gegen Esslinger, Beklagten. Abtretung eines Anspruches auf Unterlassung
von Konkurrenz und auf Konventionalstrafe im Zuwiderhandlungsfalle.

A. Mit Urteil vom 23. Mai 1914 hat die I. Appellationskammer des
Obergerichts des Kantons Zürich die auf Bezahlung einer Konventionalstrafe
von 3000 Fr. gerichtete Klage abgewiesen. ss'

B. Gegen dieses Urteil hat der Kläger rechtzeitig die Berufung an
das Bundesgericht ergriffen, mit dem Antrag, es sei der Beklagte zu
verpflichten, ihm 2000 Fr. zu bezahlen, eventuell seien die Akten der
Vorinstanz zur Abnahme der oilerierten Beweise zurückzusenden.

Das Bundesgericht zieht i n E r W ä g u n g : 1. DerBeklagte Esslinger
betrieb in Zürich ein Hüppenfabrikationsgeschäft . Mit Vertrag von
12. März 1912Obligationenrecht . N° 92. 557

verkaufte er es für 2800 Fr. an Fräulein Bertha Nipp, in deren Dienste
er als Provisionsreisender'trat. Ziffer 6 des Vertrages lautet: Herr
und Frau Esslinger ver pflichten sich bei einer Konventionalstrafe
von 3000 Fr. im aniderhandlungsfalle, in der Schweiz kein Konkuro
renzgeschäft zu gründen, noch ein solches durch Dritte unter ihrer
Anleitung betreiben zu lassen, noch für Konkurrenzartikel zu reisen
oder Dritten Kunden anzu weisen. ' '

Am 20. Juni 1912 verkaufte Fräulein Nipp das Geschäft weiter an
den heutigen Kläger Luger: der Kaufpreis betrug wieder 2800 Fr. Die
Verkäuferin stellte dem Käufer am 8. Mai 1913 eine Erklärung aus,
wonach sie als selbstverständlich angenommen habe, dass alle ihre
Rechte aus dem Kaufvertrag mit Esslinger auch auf Luger übergingen;
die Erklärung enthält sodann folgenden Passus: Ich wiederhole hiermit
nochmals ausdrücklich, dass alle Rechte aus dem am 12. März 1912 mit
Herrn Esslinger abgeschlossenen Vertrage Ihnen in aller Form des Rechtes
übertrage und zediere.

Da Esslinger in der Folge wieder ein eigenes Versandgeschäit in Rahmhüppen
u. s. w. in Zürich eröffnete, hob Luger gegen ihn die vorliegende Klage
auf Bezahlung der vertraglichen Konventionalstrafe an.

2. Die Vorinstanz hat die Klage deshalb abgewiesen, weil dem Kläger
die Aktivlegitimation fehle : er fordere die Konventionalstrafe als
Zessionar der Bertha Nipp; diese habe aber ihre Rechte gegen Esslinger auf
Befolgung des Konkurrenzverbotes und auf Bezahlung der Konventionalstrafe
im Uebertretungskalle dem Kläger Luger nicht abgetreten; der Kaufvertrag
über das Geschäft enthalte hierüber nichts und die rechtlicheWirkung
dieser Tatsache habe durch die Erklärung, welche Fräu-

. lein Nipp am 8. Mai 1913, offenbar auf den Prozess hin,

dem Kläger ausgestellt habe, weder aufgehoben noch ahgeschwächt werden
können. Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 40 II 548
Datum : 23. Oktober 1914
Publiziert : 31. Dezember 1914
Quelle : Bundesgericht
Status : 40 II 548
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 548 Obligationenrecht. N° 91 . chiffre notablement inférieur à celui de la fortune


Gesetzesregister
ZGB: 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
1    Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
2    Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.
ZPO: 3 
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 3 Organisation der Gerichte und der Schlichtungsbehörden - Die Organisation der Gerichte und der Schlichtungsbehörden ist Sache der Kantone, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt.
253
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 253 Stellungnahme - Erscheint das Gesuch nicht offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, so gibt das Gericht der Gegenpartei Gelegenheit, mündlich oder schriftlich Stellung zu nehmen.
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • bundesgericht • konventionalstrafe • kantonsgericht • frage • zweifel • versicherer • bewilligung oder genehmigung • tag • vorinstanz • erste instanz • versicherungsnehmer • gleichwertigkeit • berechnung • dauer • rechtsbegehren • vertragsabschluss • entscheid • arbeitsunfähigkeit • verfahren
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