388 Staatsrecht.

fehlt es, wie das Obergericht auf Grund der Untersuchung in nicht
aktenwidriger und daher für das BundeSgericht verbindlicherweise
festgestellt hat, in Bezug auf den Mitkläger Emil Studinger Sohn
an jeglichem schlüssigen Beweismaterial, durch das die Wahrheit
des ihm gemachten Vorwurfes oder doch zum mindesten der gute Glaube
des Verfassers dargetan würde, indem dem (allein als einigermassen
belastend in Betracht fallenden) indirekten und schon darum nur wenig
zuverlässigen Zeugnis der Gertrud Steiner eine Reihe anderer Aussagen
gegenüberstehen, die eine schlechte Behandlung des Knaben durch den Bruder
entschieden in Abrede stellen. Wenn der Verfasser des Artikels dennoch
gestützt auf den vereinzelten Vorfall zwischen Mutter und Sohn an der
Aare die allgemeine Behauptung aufgestellt hat, dass der Knabe durch
andauernde Misshandlungen seitens der Eltern, also auch des Vaters und
des älteren Bruders aus dem Hause getrieben werden sei, so hat man es
dabei demnach nicht mehr bloss mit einer nur in Einzelheiten ungenauen
Schilderung oder mit einer vielleicht etwas zu weitgehenden, aber doch
angesichts der tatsächlichen Ereignisse in guten Treuen vertretbaren und
daher entschuldbareu Schlussfolgerung, sondern mit einer wesentlichen
Entstellung der Tatsachen zu tun, deren strafrechtliche Verfolgung vom
Standpunkte des Art. 55
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 55 Mitwirkung der Kantone an aussenpolitischen Entscheiden - 1 Die Kantone wirken an der Vorbereitung aussenpolitischer Entscheide mit, die ihre Zuständigkeiten oder ihre wesentlichen Interessen betreffen.
1    Die Kantone wirken an der Vorbereitung aussenpolitischer Entscheide mit, die ihre Zuständigkeiten oder ihre wesentlichen Interessen betreffen.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend und holt ihre Stellungnahmen ein.
3    Den Stellungnahmen der Kantone kommt besonderes Gewicht zu, wenn sie in ihren Zuständigkeiten betroffen sind. In diesen Fällen wirken die Kantone in geeigneter Weise an internationalen Verhandlungen mit.
BV nicht beanstandet werden kann.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt :

Der Rekurs wird abgewiesen.Ewigen-ans Verfassungsrecht. N° 45. 339

VII. KANTONALES VERFASSUNGSRECHT SPEZIELL OBLIGATORISCHES REFERENDUM

DROIT CON STITUTIONEL CANTONAL RÉFÉRENDUM OBLIGATOIRE EN PARTICULIER

45. Urteil vom 1. Oktober 1914 i. S. Engel gegen Kantonsrat von Zürich.

Rekurs gegen einen Beschluss des Kantonsrates, weil derselbe nicht der
Volksabstimmung unterbreitet WOrden sei. Bedeutung der Art. 30 Abs. 2
Ziff. 1' u. 2 und 31 Ziff. 5 der züreherischen Verfassung, wonach zum
Abschluss von Konkordaten und zu neuen einmaligen Ausgaben für einen
bestimmten Zweck , welche 250,000 Fr. übersteigen, die Zustimmung des
Volkes erforderlich ist. Stellung des

s Bundesgerichts gegenüber einer von der obersten kantonalen Behörde
ausgehenden Auslegung des kantonalen Verfassungsrechts.

A. Am 6. Juli 1914 hat der Kantonsrat van Zürich nach Einsicht eines
Antrages des Regierungsrates vom 22. Mai 1914, eines Berichtes des
Verwaltungsrates der Elektrizitätswerke des Kantons Zürich vom 14. Mai
1914 sowie des Antrages seiner Kommission nachstehenden Beschluss
gefasst:

I. Dem zwischen den Kantonen Aargau, Glarus, Zürich, St.Gallen, Thurgau,
Schaffhausen, Schwyz, Appenzell A. -Rh. und Zug,

a) unter sich am 22. April 1914 abgeschlossenen Vertrage betreffend
Gründung der Gesellschaft der Nordostsehweizerischen Kraftwerke A. G.,

b) mit dem Motor Aktiengesellschaft für angewandte Elektrizität in
Baden am 24. März 1914abgeschlossenen Vertrage

wird die Genehmigung erteilt und der Regierungsrat daher ermächtigt, 38 %
der Aktien der Kraftwerke Beznau-Löntsch A.-G. oder 13,680 Stück zum Kurse

390 Staatsrecht.

von 690 Fr. per Stück von nominell 500 Fr. Wert 1. Oktober 1914 zu
erwerben.

II. Der Regierungsrat hat von den von ihm erworbenen 38 % = 13,680
Stück Aktien der Kraftwerke Beznau-Löntsch 20 % = 7200 Stück an die
Elektrizitätswerke des Kantons Zürich zum Ankautspreise abzutreten.

III. Der Regierungsrat wird ermächtigt, die zum Vollzug dieses Beschlusses
erforderlichen Geldmittel auf dem Anlehenswege zu beschaffen.

IV. Mitteilung dieses Beschlusses an den Regierungsrat für sich und
zu Handen der beteiligten Kantone, sowie an den Verwaltungsrat der
Elektrizitätswerke des Kantons Zürich.

Ein bei der Beratung der Vorlage aus der Mitte des Rates gestellter
Antrag, dieselbe dem Volke zur Abstimmung zu unterbreiten, wurde mit
Mehrheit abgelehnt, nachdem der Sprecher der Kommission Dr. Wettstein
dazu nach dem Referate in der Züricher Post im Anschluss an die
(Weisung des Regierungsrates folgendes ausgeführt hatte: Die Frage,
ob derVertrag der Volksabstimmung zu unterbreiten sei, wird von der
Kommission einstimmig verneint Der Regierungsrat, der der gleichen
Ansicht ist, erblickt darin nur eine Kapitalanlage. Jedenfalls gibt uns
das Gesetz über die Errichtung der kantonalen Elektrizitätswcrke die
Befugnis, diese Beteiligung an den Nordostschweizerischen Kraftwerken in
der kantonsrätlichen Kompetenz zu entscheiden: denn tatsächlich handelt
es sich nur um eine Erweiterung der Unternehmung dieser kantonalen
Werke. Ein Konkordat ist die Vereinbarung mit den andern Kantonen
nicht: der Inhalt des Vertrages ist wirtschaftlich-zivilrechtlicher,
nicht öffentlichrechtlicher Natur: er begründet keine einem Akte der
Gesetzge-bung gleichwertige Bindung des Staatswillens. :

Die für die Notwendigkeit der Anordnung des Refe-Kantonales
Verfassungsrecht. N° 45. 391

rendums in Betracht fallenden kantonalen Vorschriften, auf welche die
Votanten sich stützen,llauten:

a) Kantonsverfassung vom 18. April 1869.

Art. 30, Abs. 2. Der Volksabstimmung sind zu unterstellen :

1. alle Verfassungsänderungen, Gesetze und Konkordata

2. diejenigen Beschlüsse des Kantonsrats, welche derselbe nicht endgiltig
zu fassen befugt ist (Art. 31),

3. Schlussnahmen, welche der Kantonsrat von sich aus zur Abstimmung
bringen will.

A rt. 31. Dem Kantonsrat kommt zu:

1. die Beratung und Beschlussfassung über alle Gegenstände, welche der
Volksabstimmung unterstellt werden,4. ......

5. die endgiltige Entscheidung über n e u e e i nmalige Ausgaben für
einen bestimmten Zweck, welche den Betrag von 250,000 Fr. n i c h t ü
b e r s t e i g en, sowie über neue jährlich wiederkehrende Ausgabenbis
auf den Betrag von 20,000 Fr.

6. . . . . ., .

b) Gesetz betr. die Elektrizitätswerke des Kantons Zürich vom 15. März
1908.

g 1. Der Kanton Zürich erstellt und betreibt Elektrizitä tswerke zum
Zwecke der Abgabe elektrischer Energie zu billigem Preise. Er kann auch
an der Erstellung und dem Betriebe solcher Werke sich beteiligen oder
elektrische Energie mieten.

§ 2. Die Elektrizitätswerke des Kantons Zürich werden als selbstständige
staatliche Unternehmung betrieben und sollen sich grundsätzlich selbst
erhalten. Von letzterem Grundsatze darf insofern abgegangen werden,
als dies zur Entwicklung und Konkurrenzfähig-

392 Staatsrecht.

keit der Unternehmung notwendig ist. Allfällige Zuschüsse aus der
Staatskasse an den Betrieb sind aus späteren Überschüssen zu tilgen.

" § 3. Die zur Gründung, zum Ausbau, Unterhalt und Betrieb der
Unternehmung erforderlichen Kredite werden vom Kantonsrat bewilligt Das
Kapital wird vom staat-e beschafft und ihm zu einem vom Kantonsrat zu
bestimmenden und den Selbstkosten entsprechenden Zinsfusse verzinst.

Aus dem durch den Beschluss des Kantonsrates genehmigten Vertrage
betr. Gründung der Nordostschweizerischen Kraftwerke Akt. -Ges. sind als
für das Verständnis des vorliegenden Rechtsstreites bedeutsam folgende
Bestimmungen hervorzuheben :

§ 1. Die Kantone Aargau, Glarus, Zürich, St. Gallen, Thurgau,
Schaffhausen, Schwyz, Appenzell A. Rh. und Zug erwerben von der
A. G. Motor in Baden die sämtlichen Aktien der Kraftwerke Beznau-Löntsch
und betreiben diese Unternehmung auf Grund der bestehenden Konzessionen
und Verträge als Aktiengesellschaft unter der Firma Nordostschweizerische
Kraftwerke A.-G. nach kaufmännischen Grundsätzen, unter Berücksichtigung
angemessener Verzinsung und Abschreibung, mit Hauptsitz in Baden und
Zweigniederlassungen in Zürich und Glarus Weiter.

§ 2. Von den zu erwerbenden Aktien übernehmen die Vertragskantone
folgende Beträge:

Wird das Aktienkapital erhöht, so übernehmen die Vertragskantone die
neuen Aktien nach dem gleichen Verhältnis.

Die Zahl der Mitglieder des Verwaltungsrates beträgt 25.

Jeder beteiligte Kanton soll im Verwaltungsrat mindestens durch
ein Mitglied vertreten sein, das in verbindlicher VV eise von der
betreffenden Kantonsregierung in Vorschlag gebracht wird. Im übrigen
erfolgt dieKantonales Verfassungsrecht. N° 45. 393

Verteilung der Verwaltungsratsmitglieder auf die Kantone nach Massgabe
ihres Aktienbesitzes. "

g 3. Die beteiligten Kantone dürfen ihre Aktien nicht an Dritte
veräussern, ausgenommen:

I. die Übertragung des gesamten oder eines Teiles des Aktienbesitzes an
ein eigenes staatliches Elektrizitätswerk,

2. Abgabe der Pflichtaktien an die Vertreter im Verwaltungsrat

§ 4 Die Nordostschweizerischen Kraftwerke sind verpflichtet. in den
beteiligten Kantonen die elektrische Energie unter gleichen Verhältnissen
zu den gleichen Bedingungen abzugeben, vorbehaltlich der bestehenden
Verträge und Konzessionen.

Die beteiligten Kantone verpflichten sich, die gesamte elektrische Energie
für ihre staatlichen Kraftversorgungen von den Nordostschweizerischen
Kraftwerken zu beziehen, solange diese in der Lage sind, zu annehmbaren
Bedingungen Kraft zu liefern. Dabei hat es die Meinung, dass die
Bedingungen, zu denen die beteiligten Kantone von den Kraftwerken Strom
beziehen, unter keinen Umständen ungünstiger sein dürfen, als diejenigen
zu welchen sie bei Abschluss dieses Vertrages ihren Energiebedarf decken.

Vorbehalten bleiben die bestehenden Kraftbezugsverträge, Bezüge aus
eigenen Anlagen und die in bestehenden und künftigen Konzessionen
reservierten Vorzugskraftquoten, ebenso der Ausbau der bestehenden
Anlagen.

§ 5. Die Kantone sind im übrigen in der Erteilung von Konzessionen an
Dritte unbeschränkt. Bei Projekten von Anlagen mit 10,000 Pferdekräfte-n
und mehr haben sie jedoch unter Vorbehalt der kantonalen Gesetzgebung
den Nordostsehweizerischen Kraftwerken zu den gleichen Bedingungen
ein Vorzugsreeht vor privaten Konzessionsbewerbern einzuräumen. Das
Vorzugsrecht ist längstens innert vier Monaten nach Abschluss der
Verhandlungen mit den Konzessionsbewerbern geltend zu machen .....

394 Staatsrecht.

§ SyDie Kantone Zürich und. Schaffhausen werfen in die Gesellschaft der
Nordostschweizerischen Kraftwerke Asssi. die Konzession des Wasserwerkes
Eglisau bei Rheinsfelden gemäss dem bestehenden Projekt und den vom
Bund und der Grossherzoglichen Regierung erteilten Konzessionen gegen
Vergütung'der gehabten Auslagen ein und .....

§ 7. Sollte die Entwicklung des Energieabsatzes der Nordostschweizerichen
Kraftwerke die Errichtung eines dritten Niederdruckwerkes erforderlich
machen, so ist unter mehreren gleich wirtschaftlichen Bauprojekten
dasjenige auszuführen, welches im Gebiete des Kantons Aargau liegt.

B. Gegen den erwähnten Beschluss des Kantonsrates vom 6. Juli 1914
hat Dr. H. Engel in Zürich in seiner Eigenschaft als stimmberechtigter
Kantonseinwohner die staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht
ergriffen, mit dem Antrage, es sei zu erkennen, dass derselbe die
Art. 30 Abs. 2 Zifî.1 und 2 und 31 Ziff. 5 KV verletze und daher erst in
Kraft treten könne, nachdem er zur Volksabstimmung gebracht und in ihr
angenommen worden sei. Die Begründung des Rekurses ist soweit wesentlich
aus den nachstehenden Erwägungen ersichtlich.

C. Der Regierungsrat des Kantons Zürich, der gestützt auf die ihm
durch Art. 40 KV übertragene Kompetenz zum Vollzug der Beschlüsse
des Kantonsrates für den letzteren die Rekursantwort erstattet hat,
hat unter Aufrechterhaltung der bereits in seiner Weisung zum
Beschlussesentwurf vertretenen und in dem oben erwähnten Referate des
Sprechers der kantonsrätlichen Kommission resümierten Rechtsauffassung
auf Abweisung der Beschwerde angetragen.

Das Bundesgericht zieht i n E r w ä g u n g : 1. Der mit dem Rekurse
angefochtene BeschlussKantonale: Verfassungsrecht N° 45. 395

des zürcherischen Kantonsrates vom 6. Juli 1914 soll nach der Ansicht des
Rekurrenten aus einem doppelten Grunde der Volksabstimmung unterstehen,
Einmal weil der dadurch genehmigte interkantonale Vertrag über die
Gründung der Nordostschweizerischen Kraftwerke A.-G. ein Konkordat im
Sinne von Art. 30 Abs. 2 Ziff. 1 KV sei. Und sodann weil die daraus dem
Kanton erwachsenden finanziellen Aufwendungen Ankauf von 13,680 Aktien der
Kraftwerke Beznau Löntsch und Beschaffung der dazu erforderlichen Mittel
auf dem Anlehenswege eine neue einmalige Au sgabe für-einen bestimmten
Zweck darstellen, die den nach Art. 31 Ziff. 5 in Verbindung mit Art. 30
Abs. 2 Ziff. 2 ebenda in die endgültige Kompetenz des Kantonsrates'
fallenden Betrag von 250,000 Fr. übersteige. Beide Argumente halten bei
näherer Prüfung nicht Stich.

2. Wie im Rekurse zugegeben wird, enthält die zürcherische Verfassung
keine Bestimmung, durch die die Bedeutung des in Art. 30 Abs. 2 Ziff. 1
verwendeten Ausdruckes Konkordate näher umschrieben würde. Die Frage, was
darunter zu verstehen sei, muss daher auf dem Wege der Auslegung unter
Berücksichtigung des Zwecks und Zusammenhangs der Norm gelöst werden.
Danach darf aber unbedenklich angenommen werden, dass damit nicht, wie
der Rekurrent behauptet, alle Verträge mit anderen Kantonen gleichgültig
welchen Inhalts gemeint sind. Denn irgendwelcher innere Grund, der dafür
sprache, fürAngelegenheiten, die der Kantonsrat oder Regierungsrat für
das Kantonsgebiet abschliessend ordnen kann, die Zustimmung des Volkes
zu verlangen, wenn sie statt dessen auf dem Verlragswege für das Gebiet
mehrerer Kantone gemeinsam geregelt werden, ist nicht ersichtlich und
wird denn auch im Rekurse nicht namhaft gemacht. Soll die allgemeine
Unterstellung der Konkordate unter die Volksabstimmung einen vernünftigen
Sinn haben, so muss daher der Begriff zweckentsprechend, nämlich dahin
beschränkt werden, dass

AS 401 1914 26

396 Staatsreeht.

darunter nur Vorkommnisse über solche Gegenstände fallen, zu deren
Regelung es nach der Verfassung allgemein, auch wenn sie einseitig nur
für den eigenen Kanton geschieht, der Mitwirkung des Volkes bedarf.
Demnach erscheinen als Konkordate im Sinne des Art. 30 Ziff. 1 KV zwar
nicht nur Vereinbarungen mit Gesetzescharak'l'er, d. h. solche, durch
die neue allgemein verbindliche Rechtssätze aufgestellt werden. Denn das
Mitwirkungsrecht des Volkes erstreckt sich nach der zürch. Verfassung
nicht nur auf Veri'assungsanderungen und Gesetze, sondern auch auf
solche staatliche Willenserklkirungen, welche ihrer 1 'atur nach bloss
den Charakter von Verwaltungsakten haben, nämlich auf alle diejenigen
Beschlüsse, zu deren Fassung nach der Verfassung nicht der Kantonsrat
oder eine andere Behörde endgültig kompetent ist. Wohl aber fallen
damit aus dem Bereiche der Konkordate alle diejenigen Abweichungen
über Verwaltungsangelegenheiten hinaus, bei denen es sich nicht um
eine selbständige staatliche fillensiiusserung, Sondern lediglich um
die Anwendung und Vollziehung eines vom Volke angenommenen Gesetzes
handelt. Denn der Gesetzesvollzug und die Aufsicht darüber ist nach der
Verfassung ausschliesslich Sache des Regierungsrates und Kantonsrates,
sodass nach dem Gesagten auch der Abschluss darauf bezüglicher
interkantonaler Vereinbarungen in ihre endgiltige Kompetenz fallen muss. '

Geht man hievon aus, so ist aber klar, dass der hier in Frage stehende
interkantonale Vertrag betr. Gründung der Nordostschweizerischen
Kraftwerke A.-G. nicht unter die Konkordate nach Art. 31 Ziff. 1 fällt.
Allerdings nicht etwa deshalb, weil dadurch lediglich zivilrechtliche
Rechte und Pflichten des Kantons ohne jede öffentlichrechtliche
Nebenwirkung begründet würden: aus dem oben wiedergegebenen Inhalt
des Vertrages insbesondere der darin von den Beteiligten übernommenen
Verpflichtung, den gesamten Energiebedarf

Kantonales Verfassungsrecht. N° 45. 397

für ihre staatlichen Elektrizitätswerke bei den Nordostschweizerischen
Kraftwerken zu decken und der Bestimmung, wonach die Kantone Zürich
und Schaffhausen die Konzessionen für das Werk bei Eglisau an die
Nordostschweizerischen Kraftwerke abtreten, aISO auf dessen eigene
Ausführung verzichten erhellt klar, dass diese Behauptung, wie sie in
der Rekursantwort und dem darin angerufenen Artikel von Prof. HUBER
vertreten wird, nicht richtig ist und man es hier nicht einfach mit der
Gründung einer gewöhnlichen zivilrechtlichen Erwerbsgesellschaft, sondern
mit der Schaffung einer zwischenstaatlichen Gemeinschaft zum Zwecke
der rationellen Versorgung der beteiligten Kantone mit elek-trischer
Energie, also der Lösung einer in den Bereich der staatlichen Verwaltung
fallenden Aufgabe, zu tun hat und die Bildung einer Aktiengesellschaft
nur die äussere Form, das Mittel zur Verwirklichung jenes Zweckes ist
(vgl. FLEINER, Institutionen des Verwaltungsrechts S. 5 f.). Wohl
aber aus dem anderen Grunde, weil die Beteiligung an der Gründung von
Elektrizitätswcrken durch Art. 1 des Gesetzes über die Elektrizitätswerke
des Kantons Zürich als Mittel zur Versorgung des Kantons mit billiger
Kraft ausdrücklich vorgesehen ist, der Beitritt zudem s'treitigen
Vertrage sich daher nicht als selbständige staatliche Zwecksetzung,
sondern lediglich als Ausführung und Vollziehung des in jenem Gesetze
ausgesprochenen Willens darstellt, die nach dem Ausgeführten in die
abschliessende Kompetenz des Kantonsrates fällt. Die Berufung des
Rekurrenten auf Art. 30 Abs. 2 Zifl'. 1 KV ist daher als unbegründet
zu verwerfen.

3. Das Gleiche gilt hinsichtlich des weiteren Standpunktes, dass der
Vertrag eine den Betrag von 250,000 Fr. übersteigende einmalige Ausgabe
im Sinne von Art. 31 Ziff. 5 und 30 Abs. 2 Ziff. 2 ebenda zur Folge
habe. Zwar kann auch hier der Auffassung der Regierung, dass der Ankauf
der 13,680 Beznau Löntsch-Aktien sich überhaupt nicht als Ausgabe,
sondern als blosse Kapital-

398 Nester-echt-

anlage charakterisiere, nicht beigestimmt werden. Denn von Kapitalanlage
kann logischer Weise nur da die Rede sein, wo es sich um die Investierung
bereits vorhandener Mittel in einem Unternehmen handelt. So liegen
aber die Dinge hier nicht, da die Mittel zum Ankauf der Aktien nicht
dem bereits vorhandenen Staatsvermögen entnommen werden, sondern durch
Aufnahme eines rückzahlbaren Anleihens aufgebracht werden müssen. Auch ist
dem Rekurrenten zuzugeben, dass eine Verfassungsbestimmung nicht durch
ein einfaches Gesetz, sondern nur durch ein neues Verfassungsgesetz
abgeändert werden kann. stünde die Bestimmung des § 3 des Gesetzes
über die Elektrizitätswerke des Kantons Zürich, welche den Kantonsrat
ermächtigt, die zur Ausführung dieses Gesetzes erforderlichen Kredite
von sich aus zu bewilligen, wirklich im Widerspruch zu Art. 31 Ziff. 5
der Verfassung, so müsste sie somit in der Tat als ungültig angesehen
und könnte die Notwendigkeit der Anordnung einer Volksabstimmung nicht
unter Berufung auf sie verneint werden. Die Frage ist nur, ob ein solcher
ViderSpruch zwischen der Verfassung und der genannten Gesetzesbestimmung
wirklich vorliege. Das ist zu ver-neinen. Voraussetzung dafür Wäre,
dass sich das durch Art. 31 Zill. 5 in Verbindung-mit Art. 30 Abs. 2
Ziff. 2 KV vorgesehene Finanzrelerendum auf alle den Betrag von 250,000
Fr. übersteigenden Ausgaben schlechthin, also auch auf solche bezöge,
welche nicht die Folge eines selbständigen Willensentschlusses des
Kantonsrates, sondern eines vom Volke bereits angenommenen Gesetzes
sind. Dies wird nun allerdings vom Rekurrenten behauptet, ist aber
keineswegs liquid. Denn Art. 31 KV spricht nicht etwa einfach von Ausgaben
für einen bestimmten Zweck, sondern von neuen Ausgaben. Es lässt sich
daher sehr wohl die Ansicht vertreten, dass damit nur solche Aufwendungen
gemeint seien, welche vom Kantonsrat ohne gesetzliche Grundlage auf
dem blossen Besehlusseswege dekretiert werden, weil man esKantonales
Verfassungsrecht. N° 45. 399

nur in diesem Falle mit einer Ausgabe für einen neuen Zweck zu tun
habe, während bei den aus der Ausführung eines Gesetzes entstehenden
Auslagen diese schon durch das Gesetz selbst sanktioniert seien. so
wird denn auch die Bestimmung von STBÄULI ausgelegt, der dazu in seinem
Kommentare zur Verfassung folgendes ausführt: Die Ausgaben des Staates
beruhen entweder auf Gesetzen (Schulgesetz, Strassengesetz) oder auf
Beschlüssen des Kantonsrates in Spezialiällen (Bauten). Da erstere vom
Volke erlassen werden, so genehmigt dieses mit dem Gesetze auch dessen
finanzielle Konsequenzen, die durch dasselbe entstehenden Ausgaben. Die
Kompetenz zur Dekretierung nicht im Gesetz vorgesehener Ausgaben ist
geteilt zwischen Volk und Kantonsrat. Der letztere entscheidet nach
Ziff. 5 endgültig über neue einmalige Ausgaben für einen bestimmten Zweck
bis zu 250,000 Fr. . . . Beschlüsse, welche höhere Summen erfordern,
unterliegen der Volksabstimmung. Und den nämlichen Standpunkt hat auch
der Kantonsrat selbst nach den in der Rekursantwort enthaltenen Nachweisen
schon wiederholt eingenommen. So bestimmt, um nur einige der angeführten
Präzedenzfalle zu nennen, 2. B. das Gesetz über die Staatsbeteiligung
bei Eisenbahnen von 1872, dass % der Kantonsrat ermächtigt, sei, die
Summe der Beteiligung in jedem einzelnen Falle endgültig festzusetzen.
Ebenso hat sowohl das frühere als das gegenwärtig geltende Gesetz über die
Kantonalbank (Gesetzessammlung Bd. 21 S. 45, Sammelwerk der zür-cherischen
Gesetzgebung Verwaltungsband I S. 871) in § 2 den Kantonsrat für befugt
erklärt, das Grundkapital der Kantonalbank von sich aus zu erhöhen,
eine Kompetenz, von der der Kantonsrat denn auch bereits einmal durch
Beschluss vom 4. März 1907 (Gesetzessammlung 28 S. 7) Gebrauch gemacht
hat. Nun hat das Bundesgericht aber stets erklärt, dass bei der Anwendung
kantonaler Verfassungsnormen auf die Auslegung durch diejenige kantonale
Behörde, welche nach dem kantonalen Staats-

400 Staatsrecht.

recht in letzter Instanz zur Lösung verfassungsrechtlicher Fragen berufen
ist, ein besonderes Gewicht zu legen und

davon nicht ohne Not, sondern nur dann abzuweichen'

sei, wenn sich dieselbe als zweifellos unrichtig darstelle (s. AS 25 I
s. 470 E. 3 und die dort angeführten früheren Urteile). Es muss daher
auch hier die Interpretation, welche der Kantonsrat dem Art. 31 Ziff. 5
der KV gegeben hat, als massgebend hingenommen werden, sofern sie nicht
etwa in offensichtliche-m Widerspruch zum Texte dieser Bestimmung steht,
was nach dem oben Ausgeführten offenbar nicht zutrifft.

Legt man sie der Beurteilung zu Grunde, so war aber der Kantonsrat zu dem
streitigen Aktienankauf ohne Rücksicht auf den dafür erforderlichen Betrag
endgültig kompetent. Denn da die Gründung der Nordostschwei' zerischen
Kraftwerke, der der Aktienerwerb dient, wie bereits oben zum ersten
Beschwerdepunki festgestellt und nach dem Inhalt des interkantonalen
Vertrages ausser Zweifel stehend. nicht etwa zu reinen Erwerbszwecken,
sondern vorab im Interesse einer rationellen Versorgung der beteiligten
Kantone mit elektrischer Energie erfolgt, so hat man es dabei mit einer
blossen Ausführung des § 1 des kantonalen Gesetzes vom 15. März 1908,
mithin nicht mit einer neuen Ausgabe im Sinne von Art. 3 1 Ziff. 5
KV, sondern mit einer auf Gesetz beruhenden und durch dieses gedeckten
Aufwendung zu tun.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt: Der Rekurs wird
abgewiesen.Steuerstreitigkeiten zwischen Bund und Kantonen. N° 46. 401

VIII. STEUERSTREITIGKEITEN ZWISCHEN BUND UND KANTONENCONTESTATIONS ENTRE
LA CONFÉDÉRATION ET LES CANTONS EN MATIÈRE FISCALE

46. Urteil vom 25. September 1914 i. S. Kanton Solothurn gegen
Schweizerische Eidgenossenschaft.

Art. 179
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 55 Mitwirkung der Kantone an aussenpolitischen Entscheiden - 1 Die Kantone wirken an der Vorbereitung aussenpolitischer Entscheide mit, die ihre Zuständigkeiten oder ihre wesentlichen Interessen betreffen.
1    Die Kantone wirken an der Vorbereitung aussenpolitischer Entscheide mit, die ihre Zuständigkeiten oder ihre wesentlichen Interessen betreffen.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend und holt ihre Stellungnahmen ein.
3    Den Stellungnahmen der Kantone kommt besonderes Gewicht zu, wenn sie in ihren Zuständigkeiten betroffen sind. In diesen Fällen wirken die Kantone in geeigneter Weise an internationalen Verhandlungen mit.
OG. Kompetenz des BG zur Beurteilung von Konflikten, welche
zwischen dem Bund und einem Kanton über die Anwendung von Art. 7 des
BG über die politischen und polizeilichen Garantien zu Gunsten der Eidg
enossenschaft entstehen. Bestätigung der von der Bundesversammlung als
früherer Rekursbehörde vertretenen Auffassung, wonach die Erbschaftssteuer
als direkte Steuer im Sinne der letzteren Bestimmung zu betrachten ist.

A. Der am 31. Dezember 1912 verstorbene Arthur Bally-Herzog in Schönenwerd
hat in seinem vom 18. Juli 1912 datierten Testamente u. a. seine Münzund
Medaillensammlung dem Schweiz. Landesmuseum in Zürich vermaeht. In dem von
der Amtsschreiberei Olten-Gösgen aufgenommenen Nachlassinventar wurde der
Wert dieser Sammlung auf 50,000 Fr. geschätzt. Infolgedessen setzte der
Regierungsrat des Kantons Solothurn am 18. April 1913 in Anwendung der §§
1 bis 3 des kantonalen Erbschaftssteuergesetzes sowie des Art. 81 KV die
vom Landesmuseum für das Legat zu entrichtende Erbschaftssteuer auf 3 %
des erwähnten Betrages fest.

Die zitierten Vorschriften lauten :

a) Gesetz betr. die Erbschaftssteuer vom 13. Dezember 1848:

§ 1. Die Übernehmer von Erbschaften, Vermächtnissen und Schenkungen auf
Todesfall mit Ausnahmen der Nachkommen in gerade absteigender Linie
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 40 I 389
Datum : 01. Oktober 1914
Publiziert : 31. Dezember 1914
Quelle : Bundesgericht
Status : 40 I 389
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 388 Staatsrecht. fehlt es, wie das Obergericht auf Grund der Untersuchung in nicht


Gesetzesregister
BV: 55
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 55 Mitwirkung der Kantone an aussenpolitischen Entscheiden - 1 Die Kantone wirken an der Vorbereitung aussenpolitischer Entscheide mit, die ihre Zuständigkeiten oder ihre wesentlichen Interessen betreffen.
1    Die Kantone wirken an der Vorbereitung aussenpolitischer Entscheide mit, die ihre Zuständigkeiten oder ihre wesentlichen Interessen betreffen.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend und holt ihre Stellungnahmen ein.
3    Den Stellungnahmen der Kantone kommt besonderes Gewicht zu, wenn sie in ihren Zuständigkeiten betroffen sind. In diesen Fällen wirken die Kantone in geeigneter Weise an internationalen Verhandlungen mit.
OG: 179
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
regierungsrat • verfassung • kv • verfassungsrecht • bundesgericht • weiler • verwaltungsrat • frage • bedingung • weisung • aargau • aktiengesellschaft • einmalige ausgabe • entscheid • kantonalbank • thurgau • kantonale behörde • gesetzessammlung • wille • neue ausgabe
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