176 Staatsrecht.

21. Urteil vom 30. April 1914 i. S. Genossenschaftsapotheke Biel und
Konsorten gegen Bern.

Art. 33, 31 BV. Recht der Kantone, die Bettelbng des Apothekergewerbes
auf im Besitz des Apothekerdiploms befindliche Personen zu beschränken
? Lässt die kantonale Gesetzgebung (i. c. § 19 des bernischen Gesetzes
über die Ausübung der medizinischen Berufsarten) die Möglichkeit zu,
die Bewilligung zur Führung einer Apotheke auch dem nichtpatentierten
Eigentümer der Apothekenlokalitäten zu erteilen, sofern er für die
technische Leitung einen patentierten Apotheker anstellt, so kann sie
unter der nämlichen Voraussetzung ohne Verletzung der Rechtsgleichheit
auch demjenigen nicht verweigert werden, welcher solche Lokalitäten nur
gemietet hat.

A. Das bernisehe Gesetz über die Ausübung der medizinischen Berufsarten
(Medizinalgesetz) vom 14. März 1865 bestimmt in den §§ 1, 2, 16 19:

§ 1. Die im Kanton Bern anerkannten Medizinalpersonen sind:

1. die Ärzte,

2. die Apotheker und ihre Gehilfen,

Diese Medizinalpersonen sowie diejenigen, welchen die Direktion des Innern
besondere Bewilligungen nach §3 erteilt, sind befugt, die verschiedenen
Zweige der Heilkunde nach Mitgabe dieses Gesetzes und ihrer Patente
auszuüben.

§ 2. Wer eine der im vorigen Paragraphen bezeichneten Berufsarten
ausüben und sich zu diesem Zwecke im Kanton Bern niederlassen will,
hat sich durch eine Prüfung vor der hiefür aufgestellten Prüfungsbehörde
über den Besitz der nach den einschlagenden Reglementen erforderlichen
Kenntnisse und Eigenschaften auszuweisen, .....

§ 16. Der Apothekerberuf wird nur in einer öffent--

n.. ._.-Handelsund Gewerbefreiheit, No 21 177

lichen Apotheke ausgeübt und besteht in der Zubereijung und dem Verkaufe
von Arzneien und Arzneistoffen an Kranke und Medizinalpersonen, an diese
letzteren jedoch nur insoweit, als sie zur Anwendung derselben berechtigt
sind, an jene nur auf ärztliche Verordnung hin. Eine vom Regierungsrat zu
erlassende Verordnung über den Verkauf von Arzneistoffen im Grossen und
durch den Handverkauf wird die Ausnahmen von dieser Regel bestimmen. .

§ 17. Zur Errichtung einer öffentlichen Apotheke bedarf es einer
besonderen Bewilligung durch den Regierungsrat, welcher nach Anhörung
eines Gutachtens

des Sanitätskollegiums entscheidet.

§ 18. Der Regierungsrat hat bei der Beurteilung von Gesuchen um Errichtung
öffentlicher Apotheken vorzüglich das Bedürfniss sowohl des Publikums als
der Ärzte der betreffenden Gegend zu berücksichtigen. Für das Bedürfniss
ist die Bevölkerungszahl des mit dem Orte in Verkehr stehenden Bezirkes
in erster Linie massgebend. Wo das Bedürfniss nicht vorhanden ist,
soll keine neue öffentliche Apotheke errichtet werden.

§ 19. Die Bewilligung zur Errichtung einer öffentlichen Apotheke wird
entwederauf den Namen des Apothekers selbst oder des Eigentümers der
Lokaiiiäf ausgestelltIX Letzteres jedoch nur unter dem Vorbehalte, dass
der Apotheke eine patentierte Person verstehe. Die Bewilligung gilt
nur für diejenige Person, auf welche sie lautet. Im übrigen gelten die
Vorschriften des Gewerbegesetzes, soweit das gegenwärtige Gesetz nicht
davon abweicht.

Auch die bereits bestehenden Apotheken dürfen nur von patentierten
Apothekern betrieben werden.

Wird von einer erteilten Konzession kein Gebrauch gemacht, so kann der
Regierungsrat dieselbe als erloschen erklären.

In Übereinstimmung damit zählt § 14 des Gesetzes über des Gewerbewesen
vom 7. November 1849 unter

178 Staatsrecht

den gewerblichen Anlagen, zu deren Errichtung es einer besonderen an die
Beobachtung der bestehenden polizeilichen Vorschriften geknüpftenr Bauoder
Ein.richtungsbewilh'gung bedarf, auf: die Apotheken, die Zubereitung
und der Verkauf giftiger oder unangenehm riechender Stoffe.

Am 16. juni 1897 hat darauf der Regierungsrat des Kantons Bern in
Vollziehung der Art. 13, 14, 16 und 19, Abs. 2 des Medizinalgesetzes eine
Verordnung über die Apotheken und über den Verkauf und die Aufbewahrung
von Arzneistoiten und Giften erlassen, deren Art. 2 lautet:

Art. 2. Die Bewilligung zur Errichtung und selbständigen Führung einer
öffentlichen Apotheke wird vom Regierungsrat gemäss Art. 19 des Gesetzes
über die Ausübung der medizinischen Berufsarten vom 14. März 1865 und
Art. 1 des Bundesgesetzes über die Freizügigkeit des Medizinalpersonals
vom 19. Dezember 1877 nur auf Grund eines eidgenössischen Diploms erteilt.

Diese Bewilligung ist eine persönliche und der inhaber derselben muss
entweder Eigentümer oder Pächter der von ihm geführten Apotheke sein. .

Durch Beschluss vom 20. Dezember 1909 ist sodann in Abs. 2 dieser
Bestimmung das Wort Pächter durch Mieter ersetzt worden.

B. Die Rekurrentin Genossenschaftsapotheke Biel besitzt an der
Zentralstrasse 45 in Biel eine Apotheke, die bis zum November 1912 an den
Apotheker Guillermet und seit da an den heutigen Mitrekurrenten Apotheker
Bernard Savoie vermietet war. Infolge einer mit der Konsumgesellschaft
Biel getroffenen Abrede beabsichtigte sie, im Einverständniss mit
Savoie, diese Apotheke zum Weiterbetriebe an die genannte Genossenschaft
abzutreten und kam daher gemeinsam mit der letzteren und Savoie beim
Regierungsrat um eine bezügliche Bewilligung ein, in der Meinung, dass
dieHandelsund Geweroefreiheit. N° 21. 179

Leitung des Betriebes einem diplomjerten Apotheker, z. Z. Savoie,
übertragen und dessen Name in die Firma als Zusatz aufgenommen Werde.

Die kantonale Sanitätsdirektion beantragte, dem Gesuche unter diesen
Vorbehalten zu entsprechen.. Der Regierungsrat trat jedoch diesem
Anträge nicht bei und wies mit. Beschluss vom 13. Dezember 1913
das Gesuch ah. Eine Motivierung enthält der Beschluss nicht. Doch
besteht kein Streit, dass der Regierungsrat sich dabei auf den Art. 2,
Abs. 2 der Verordnung vom 16. Juni 1897 stützte, indem er daraus den
Schluss zog, dass die Bewilligung zur Führung einer Apotheke auch einem
diplomierten Apotheker nur dann erteilt werden durfe, wenn er selbst der
Geschäftsinhaher sei, die Betreibung des Apothekergewerbes auf Rechnung
einer nicht diplomierten physischen oder einer juristischen Person daher
ausgeschlossen sei. ·

C. Gegen diesen Entscheid des Regierungsrates haben die
Genossenschaftsapotheke Biel, die. Konsumgenossenschaft Biel und Apotheker
Savoie mit Eingabe vom 2. Februar 1914 die staatsrechtliche Beschwerde
an das Bundesgericht ergriffen und beantragt: er sei als im Widerspruch
zu Art. 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
und 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV und zu. den bundesrechtlichen Grundsätzen über die
Freizügigkeit der wissenschaftlichen Berufsarten stehend aufzuheben
und der Regierungsrat anzuhalten, der Konsumgenossen-schaft Biel die
Bewilligung zu erteilen, unter dem Namen Konsumapoiheke Biel, Verwalter
B. Savore den Betrieb der Apotheke an der Zentralstrasse fiö m Biel unter
dem Vorbehalte zu übernehmen, dass die Verwaltung einem eidgenössisch
diplomierlen Apotheker, z. Z. B. Savoie, übertragen werde. Die Begründung
des Rekurses ist soweit wesentlich aus den nachstehenden

ä un en ersichtlich. _ Erg. g %er Regierungsrat des Kantons Bern hat
auf Abweisung der Beschwerde angetragen und zur Rechtfertigung der
angefochtenen Schlussnahme im Wesent-

180 Staatsrecht.

lichen ausgeführt : Der Betrieb bezw. die Führung einer Apotheke
stehe entsprechend der Doppelstellung der Apotheke als Mittels zur
Ausübung eines Wissenschaftlichen Berufes und als auf die Fabrikation
und den Umsatz von Waren gerichteten Gewerbes unter einer doppelten
hundesrechtlichen Garantie, nämlich unter derjenigen der Art. 33
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 33 Petitionsrecht - 1 Jede Person hat das Recht, Petitionen an Behörden zu richten; es dürfen ihr daraus keine Nachteile erwachsen.
1    Jede Person hat das Recht, Petitionen an Behörden zu richten; es dürfen ihr daraus keine Nachteile erwachsen.
2    Die Behörden haben von Petitionen Kenntnis zu nehmen.
und
31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV. Anderseits gelten dafür auch die in diesen beiden Artikeln
vorgesehenen Beschränkungen. Es stehe also den Kantonen frei, die
Bewilligung dazu ausser an den Besitz des eidgenössischen Diplomes
auch noch an andere Bedingungen zu knüpfen, soweit solche im Interesse
des öffentlichen Wohles lägen. Als eine solche Beschränkung erscheine
die Bestimmung des Art. 2 der Verordnung vom 16. Juni 1897, wonach die
Bewilligung zur Führung einer Apotheke auch diplomierten Apothekem nur
dann erteilt werden könne, Wenn sie entweder Eigentümer oder Mie-

ter der von ihnen zu führenden Apotheke seien. Es solle _

dadurch verhütet werden, dass nicht zum Schaden der Volksgesundheit beim
Betriebe der Apotheke die geschäftlichen Interessen vor den beruflichen
in den Vordergrund traten. Das lasse sich aber nur durch die Vorschrift
erreichen, dass der Apotheker, der einer Apotheke verstehe, zugleich auch
deren Inhaber sein müsse. Sei er lediglich unselbständiger Angestellter,
so werde immer die Gefahr bestehen, dass bei einer Interessenkollision die
rein geschäftlichen Interessen des Dienstherm den Ausschlag gehen. Auch
werde ein bloss angestellter Apotheker nicht dieselbe Sorgfalt anwenden,
nicht von dem gleichen Verantwortlichkeitsgefühl getragen sein, wie wenn
das Geschäft ihm gehörte. Ob in anderen Kantonen abweichende Vorschriften
hestünden, sei unerheblich. Es sei Sache der Kantone, wie weit sie in der
Einschränkung des Gewerbebetriebes aus Gründen des öffentlichen Wohles
gehen wollten. Eine allfällige Diskrepanz zwischen dem bernischen und
anderen kantonalen Rechten vermöge daher noch keine Rechts-Handelsund
Gewerhefreiheit. N° 21. 181

ungleichheit im Sinne von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV zu begründen. Ebenso sei es
nicht richtig, dass die Verordnung von 1897 dem Medizinalgesetz
widerspreche. Auch das Gesetz stehe auf dem Standpunkt, dass eine Apotheke
nur von einem diplomierten Apotheker geführt, betrieben werden könne. §
19 Abs. 1 Medizinalgesetz beziehe auch nicht auf den Betrieb, sondern
auf die Errichtung einer Apotheke und erkläre sich daraus, dass das
Gesetz noch auf den Boden des Konzessionssystems gestanden habe und
daher die Errichtung von Apotheken nur in beschränkter Zahl und nach
Massgabe des Bedürfnisses statlhaft gewesen sei. Er sei daher mit dem
Momente obsolet geworden, wo die BV von 1874 dieses System aufgehoben
und auch die Ausübung der wissenschaftlichen Berufsarten unter Vorbehalt
des Befähigungsausweises freigegeben habe, da seitdem die Bewilligung
zur Errichtung einer Apotheke den Konzessionscharakter verloren habe
und zu einer blossen gewerbepolizeilichen Kontrollniassregel geworden
sei. Die Verordnung von 1897 habe demnach nicht neues, dem Gesetze
widersprechendes Recht geschaffen, sondern lediglich einen bereits
bestehenden Rechtszustand fixiert.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Es mag dahingestellt bleiben, ob Art. 33
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 33 Petitionsrecht - 1 Jede Person hat das Recht, Petitionen an Behörden zu richten; es dürfen ihr daraus keine Nachteile erwachsen.
1    Jede Person hat das Recht, Petitionen an Behörden zu richten; es dürfen ihr daraus keine Nachteile erwachsen.
2    Die Behörden haben von Petitionen Kenntnis zu nehmen.
BV, wie dies der Bundesrat
als frühere Rekursbehörde in dem Entscheide vom 1. Dezember 1903 in
Sachen Jucker (BB! 1903 V S. 282 fi'.) angenommen hat, die Kantone
berechtige, zu bestimmen, dass das Apothekergewerbe überhaupt nur durch
patentierte Apother, aut den Namen nicht patentierter physischer oder
juristischer Personen also auch dann nicht betrieben werden könne,
wenn die technische Leitung des Geschäftes von ihnen einem patentierten
Apotheker als Angestellten übertragen wird. Entscheidend für das Schicksal
des Rekurses erscheint, dass auf alle Fälle das gegenwartig

182 Staatsrecht.

geltend bernische Gesetzesrecht n i c h t auf diesem Boden steht. Denn
indem es in § 19 des Medizinalgesetzes bestimmt, dass die Bewilligung
zur Errichtung einer Apotheke sowohl auf den Namen des ihr vorstehenden
Apothekers als auf denjenigen des Eigentümers der Lckalitäten erteilt
werden könne, hat es die Möghchkeit, dass eine Apotheke auf den
Namen einer nicht patentierten Person betrieben werde, ausdrücklich
zugelassen. Wenn der Regierungsrat diese Bestimmung als obsolet geworden
erklärt, weil ihr Grund die durch die gesetzliche Beschränkung der Zahl
der Apotheken mittelst der Bedürfnissklausel bewirkte Wertsteigerung der
Liegenschaften, in denen bereits eine Apotheke betrieben werden war,
und die Notwendigkeit, diesen Wert dem Eigentümer der Liegenschaft
zu erhalten mit der BV von 1874 dahingefallen sei, so kann dem
nicht beigestimmt werden. Ein in'Form eines Gesetzes ausgesprochener
Rechtsatz kann ffnur durch ein ihm widersprechendes späteres Gesetz oder
allenfalls durch ein seither entstandenes abweichendes Gewohnheitsrecht
aufgehoben werden. Die blosse Tatsache, dass die Verhältnisse, welche
seine Aufstellung veranlassten, sich geändert haben, nimmt ihm seine
Gültigkeit noch nicht. Nachdem eine solche förmliche Aufhebung in Bezug
auf die hier in Frage stehende Gesetzesbeslimmung nicht dargetan und
auch nicht behauptet ist, muss daher davon ausgegangen werden, dass sie
,nach wie vor in Kraft besteht. Es braucht daher nicht untersucht zu
werden, welches die Tragweite des vom Regierungsrat zur Begründung des
angefochtenen Beschlusses angerufenen 5-2 der Verordnung vom 16. Juni
1897, d. h. ob dessen Sinn wirklich der vom Regierungsrat angenommene sei,
(das vom Regierungsrat eingeholte Gutachten Burckhardt zeigt, dass die
Bestimmung verschiedener Auslegung fähig ist). Dennwäre dies der Fall,
so stände die Verordnung in diesem Punkte mit dem Gesetz inHandelsund
Gewerbefreiheit. N° 21. 183

olienbarem Widerspruch und müsste daher als ungiltig angesehen werden.

Sobald aber einmal die bernische Gesetzgebung es grundsätzlich zulässt,
dass eine Apotheke auf Namen und Rechnung einer nicht patentierten
Person, nämlich des Eigentümers der Apothekenlokalitäten betrieben
werde, sofern er nur für die Leitung des Betriebes einen patentierten
Apotheker anstellt, kann das nämliche konsequenter Weise auch
demjenigen nicht versagt werden, der, wie dies hier in Bezug auf die
Genossenschaitsapo-theke bezw. die Konsumgenossenschatt Biel zutrifft
nicht Eigentümer der dem Apothekenbetrieb dienenden Räume ist, sondern sie
nur gemietet hat. Denn irgendwelcher innere, sachliche Grund, welcher es
rechtfertigte, diese beiden Fälle verschieden zu behandeln, besteht nicht
und ist denn auch nicht. geltend gemacht werden. Insbesondere ist. klar,
dass der vom Regierungsrat für den gänzlichen Anschluss nichtpatentierter
Personen von der Betreibung des Apothekergewerhes geltend gemachte
Gesichtspunkt dass nur dann, wenn der die Apotheke leitende Apotheker
selbst Geschäftsinhaber sei, die Gefahr des Überwucherns der rein
geschäftlichen über die allgemeinen beruflichen Interessen vermieden
werden könne in diesem Zusammenhange nicht zutrifl't, weil ja auch da, wo
Inhaber des Geschäftes der Hauseigentümer ist, der es leitende Apotheker
nur die Stellung eines Angestellten hat. Wenn das Gesetz dem Eigentümer
zum Apothekenbetrieb passender Räume ein Recht auf Bewilligung dieses
Betriebes gibt, so muss dieses Recht somit auch demjenigen zustehen,
der sich solche Räume auf dem W'ege der Miete beschafft. Es nur dem
Hauseigentümer einzuräumen, bedeutet eine Privilegierung dieses, die
vor dem durch Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV statuirten Grundsatze der Rechtsgleichheit nicht
Stand halten kann. ss

Die Beschwerde muss daher schon aus diesem Gesichts-

184 Staatsrecht.

punkte grundsätzlich geschützt und der angefochtene Entscheid deshalb
aufgehoben werden, so dass auf die übrigen von den Rekurrenten angerufenen
Rekursgründe nicht weiter eingetreten zu werden braucht."Dagegen muss
es anderseits auch bei der Aufhebung des Entscheides sein Bewenden
haben und kann dem weiteren Antrage der Rekurrenten, den Regierungsrat
im Urteilsdispositiv zur Erteilung der nachgesuchten Bewilligung
anzuhalten, keine Folge gegeben werden, da der Anspruch der Rekurrenten
auf diese Bewilligung möglicherweise auch noch von der Erfüllung
anderer, sanitätspolizeilicher Erfordernisse-, welche bis heute nicht
geprüft worden sind, abhängen und die Gutheissung der Beschwerde daher
nur den Sinn haben kann, dass die Ablehnung des Gesucln-s aus den dem
angefochtenen Entscheide zu Grunde liegenden Erwägungen verfassuugswidrig
und daher unstatthaft ist.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Der Rekurs wird begründel erklärt und der damit angefochtene Entscheid
des Regierungsrates des Kan tons Bern vom 13. Dezember 1913 aufgehoben.

22. Arrét du 2 juillet 1914 dans la cause Rachel: contre Genève.

A rt. 31_ Con st. féd. Liberté de commerce et d'industrie. Imposxtion
d'une entreprise de cinématographe par 3 à'8 ",i: sur la recette
brute. Caractere prohibitif ?

A. A teneur de la loi du 3 février 1886, incorporée dans la loi generale
de 1888 sur les contributions publiques, il est percu sur tous les
spectacles, concerts et exhibitions um, taxe, nommée Droit des Pauvres,
dont le produit est versé dans la caisse de l'Hospice général; cette taxe
est, pour les entreprises permanentes, de 3Handelsund Gewerbeîreiheit. N°
22. 185

à 8 0/0 de la recette brute; le taux est fixe par le Département de
Justice et Police, sous réserve de recours an Conseil d'Etat.

Le recourant Charles Rochaix a ouvert le 8 novembre 1913, sous l'enseigne
de Grand Cinema , une salle de spectacles cinématographiques dont il
est propriétaire. Le 20 janvier 1914 le Département de Justice et Police
l'a informe qu'il avait fixé a 4000 fr. par an le droit des pauvres à
payer pour l'exploitation de cet étahlissement. Une demande de reduction
présentée par Rochaix a été écartée, la taxe étant basée conformément
à la loi sur les recettes brutes effectivement encaissées. Rochajx a
alors recouru au Conseil d'Etat en iaisant valoir que la somme est
exagérée, vu que l'entreprise est à ses débuts, que le capital engagé
est considerable et que les recettes journaliéres ne suffisent pas à
couvrir les frais d'exploitation.

Par arrèté du 3 mars 1914 le Conseil d'Etat a écarté le recours, la
taxe réclamée restant dans les limites légales et son taux ayant été
fixe en prenant en censidération les circonstances spéciales invoquées
par le recourant.

B. Rochaix a forme un recours de droit public contre cet arrèté. Il
expose que les recettes moyennes mensuelles sont de 10 726 fr. 35 et
que les dépenses moyennes sont de 11 066 fr. 90, que l'entreprise est
ainsi en déficit, que l'impöt réclamé a dès lors un caractère nettement
prohibitif, que d'une facon générale une taxe pouvant s'élever à 8 0/0 des
recettes hrutes est un danger permanent pour n'importe quelle entreprise,
et qu'en l'espèce elle empéche l'exploitation rationnelle du Grand Cinéma
et condamne à l'insuccès les efforts du recourant. Il conclut donc à ce
que le Tribunal federal ordonne une expertise pour Verifier l'exactitude
des faits allégués et annule comme contraire au principe constitutionnel
dela liberté du commerce l'arrèté' du Conseil d'Etat.

Le Conseil d'Etat a conclu au rejet du recours. Il
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 40 I 176
Datum : 30. April 1914
Publiziert : 31. Dezember 1914
Quelle : Bundesgericht
Status : 40 I 176
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 176 Staatsrecht. 21. Urteil vom 30. April 1914 i. S. Genossenschaftsapotheke Biel


Gesetzesregister
BV: 4 
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
31 
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
33
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 33 Petitionsrecht - 1 Jede Person hat das Recht, Petitionen an Behörden zu richten; es dürfen ihr daraus keine Nachteile erwachsen.
1    Jede Person hat das Recht, Petitionen an Behörden zu richten; es dürfen ihr daraus keine Nachteile erwachsen.
2    Die Behörden haben von Petitionen Kenntnis zu nehmen.
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
apotheke • regierungsrat • biel • bundesgericht • zahl • unternehmung • weiler • juristische person • departement • autonomie • entscheid • fähigkeitsausweis • zuschauer • freier beruf • bedürfnis • handel und gewerbe • grundstück • begründung des entscheids • staatsrechtliche beschwerde • gesuch an eine behörde
... Alle anzeigen