612 Oberste Zwilgerichtsinstanz. [. Materiellrechtliche Entscheidungen-

fetzliche Form Solennitätsund nicht bloss Beweisform ist, auch für
jene Rechtsgeschäfte gelte, deren Form die öffentliche Beut-kundnng
ist und daher vom kantonalen Gesetzgeber geordnet wird. Die Frage
muss verneint werden, weil die dem kantonalen Gesetzgeber erteilte
Befugnis-, zu bestimmen, wie die öffentliche Beurkundung aus seinem
Gebiete hergestellt werde, zugleich die Befugnis in sich schliesst,
die Folgen der Nichtbeobachtung der von ihm für die Be; nrkundung
geforderten Formen zu regeln (oergl. Oser, Kommentar zum OR Note II
4 b zu am. 2165 Wieland, Kommentar zum Sachenrecht, Art. 657 Note '8;
Leemann, Kommentar zum Sachenrecht, Art. 657
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 657 - 1 Die Statuten können die Schaffung von Genussscheinen zugunsten von Personen vorsehen, die mit der Gesellschaft durch frühere Kapitalbeteiligung oder als Aktionär, Gläubiger, Arbeitnehmer oder in ähnlicher Weise verbunden sind. Sie haben die Zahl der ausgegebenen Genussscheine und den Inhalt der damit verbundenen Rechte anzugeben.
1    Die Statuten können die Schaffung von Genussscheinen zugunsten von Personen vorsehen, die mit der Gesellschaft durch frühere Kapitalbeteiligung oder als Aktionär, Gläubiger, Arbeitnehmer oder in ähnlicher Weise verbunden sind. Sie haben die Zahl der ausgegebenen Genussscheine und den Inhalt der damit verbundenen Rechte anzugeben.
2    Durch die Genussscheine können den Berechtigten nur Ansprüche auf einen Anteil am Bilanzgewinn oder am Liquidationsergebnis oder auf den Bezug neuer Aktien verliehen werden.
3    Der Genussschein darf keinen Nennwert haben; er darf weder Partizipationsschein genannt noch gegen eine Einlage ausgegeben werden, die unter den Aktiven der Bilanz ausgewiesen wird.
4    Die Berechtigten bilden von Gesetzes wegen eine Gemeinschaft, für welche die Bestimmungen über die Gläubigergemeinschaft bei Anleihensobligationen sinngemäss gelten. Den Verzicht auf einzelne oder alle Rechte aus den Genussscheinen können jedoch nur die Inhaber der Mehrheit aller im Umlauf befindlichen Genussscheintitel verbindlich beschliessen.
5    Zugunsten der Gründer der Gesellschaft dürfen Genussscheine nur aufgrund der ursprünglichen Statuten geschaffen werden.
"V 2 c). Die behauptete
Verletzung des Art. 11
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 11 - 1 Verträge bedürfen zu ihrer Gültigkeit nur dann einer besonderen Form, wenn das Gesetz eine solche vorschreibt.
1    Verträge bedürfen zu ihrer Gültigkeit nur dann einer besonderen Form, wenn das Gesetz eine solche vorschreibt.
2    Ist über Bedeutung und Wirkung einer gesetzlich vorgeschriebenen Form nicht etwas anderes bestimmt, so hängt von deren Beobachtung die Gültigkeit des Vertrages ab.
OR liegt also nicht vor. Von einer solchen des
Art. 55 SchlT aber kann keine Rede sein, da dieser die Frage, welche
Rechtsfolgen die Missachtung der für die öffentliche Beur-

kundnng geltenden Formen nach sich zieht, unberührt lässt, so dass-.

deren Lösung der kantonalen Gesetzgebung vorbehalten bleibt. Ob endlich
die Vorinstanz die streitige Bestimmung in § 10 des EG hinsichtlich
ihrer Bedeutung als Formvorschrift richtig aufgefasst und angewendet
habe, hat das Bundesgericht nicht nachzuprüsen Die Bestimmungen der
kantonalen Einsührungsgesetze gehörenauch wenn sie kraft einer Delegation
des Bundesgesetzgebers erlassen worden Îmd, wie die durch Art. 55 SchlT
vorgesehenen nicht zum Bundesrecht im Sinne desArt 5? OG, mindestens
insoweit nicht, als sie Fragen der Organisation oder des Verfahrens und
keine materiellen Zivilrechtsverhältnisse regeln. Die hier streitige
Vorschrift aber, wonach der Übersetzer beim Kausakte den Grund seiner
Beiziehung anzugeben und die richtige Erfüllung seiner Obliegenheiten zu
bezeugen bat, betrifft lediglich das Verfahren beim Vertragsabschlnsse
Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Ober-gerichtedes
Kantons Solothurn vom 12. Juni 1913 in allen Teilen
bestätigt.--Z. Versicheruugsvertragsrecht. N° 107. ' 613

5. Versicherungsvertragsrecht. Contratd'assurance.

in?. Tit-teil der II. Zinikabteilnng vom 5. yovember {913 ss in Sachen
gen-let Lebensversicherung-gesellschaftKl. u. Ver.-KL, gegen Jung,
Bekl. u. Ver.-Veil.

Unfailversicherung. Vane. Ver. :ichm'er arkos/ener Amp-ach (reef
Herab-setzung einer ihm durch rr'cfstslaräftiges Urteil ceuferiegten
Renten- k-I)Mlcsetet-tg, geseützt auf (rimBestimmung der Pause: wonach. im
Fallo eineispätere: Besserung des Zustandes des Versicherten disRente In
reduzieren ist. Bim-elle der abgeirrt-einen Sete/ze Segreti-nde! erklärt,
weil die WahrxolwiezZichkss'it einer Spd-"tem Besserung bereit-r im frühen
(Îrleii bei (lv/* Pest-seidenen der Beni.-* berücksichtigt ecmsi:-'Fewar.

A. Der Beklagte war bei der Klägerin gegen Unfall versichert, und zwar
u. a. für den Fall dauernder (lebenslänglicher) Jnvalidität. In § 8
Abs. 2 der Police war unter dem Titel Zahlung der Entschädigung bestimmt:

Die Gesellschaft ist berechtigt, die Fortdauer der Invalidität
.,ieststellen zu lassen Und bei wieder eintretender Erwerbstätigkeit "des
Veschädigten die Rente entsprechend herabzusetzen oder ganz aufzuheben.

Nachdem der Beklagte am 19. März 190? einen schweren Uniau erlitten
hatte, der u. a. eine traumatische Reurose verursachte-, klagte er
ecm 14. September 1908 gegen die heutige Klägerin aus Zahlung einer
lebenslänglichen jährlichen Rente von 50%} Fr. 25 W.

Die vom Gerichte mit der Begutachtung der Unsallsfolgen betrauten drei
Basler Ärzte, die instruktionsgemäss n. a. auch die Chancen einer spätern
Besserung des Gesundheitszustandes des Beklagten berücksichtigten,
gelangten nach ursprünglich starken Divergenzen schliesslich aus Grund
einer gemeinsamen Besprechung zu dem Resultate, die Erwerbsstörung
des Julius Jung für zwei Fabre gleich W " zu erachten und die Störung
als Unsallsolge

614 Oberste Zivilgerichtsmstanz. !. Materiellrechüiche Entscheidungen. .

zu erklären, wenn auch vor dem Unfall eine Disposition zu nexoösem Leiden
zweifellos bestanden hat. Der Obererperte ProfEichborstA in Zürich,
führte ferner u. a. folgendes aus:

,.,Ob sich in Zukunft die traumatische Neurose wesentlich bessern
entre, _mufi zwar als möglich, aber doch als sehr wenig wahrzschetnlich
hingestellt werben, weil auch heute noch hochgradige netvöse Störungen
nachweisbar sind, trotzdem seit dem Unfall zwei Juki-re verflossen
find. Es ist zwar richtig, dass die Aufregungen eines gerichtlichen
Prozesses die Erscheinungen einer traumatischen Neurose unterhalten und
selbst steigern, doch sind die vorausgegangenen Schädelverletzungen so
schwerer Art, dass bei Z. Jung eine Heilung kaum zu erwarten ist. Jst
doch sogar die Möglichim nicht ausgeschlossen, dass es allmählich noch zu
ernster-en Gehirnveränderungeu kommt. Den Grad der zur Zeit bestehenden
und aller Voraussicht nach bleibenden Erwerbsunfähigkeit halte ich für
25 Vrozent."

Durch Urteil des Zivilgerichts Basel-Stadt vom 20. April 1909,
appellationsgerichtlich bestätigt am 22. Juni 1909, wurde darauf die
heutige Klägerin n. a. zur Zahlung einer jährlichen Mente von 400 Fr. 20
Ets. an den heutigen Beklagteu ver-urteilt

Aus den Erwägungen des zivilund des appellationsgerichtlichen

Urteils sind folgende Stellen hervorzuheben: _ a) aus denjenigen
des Zivilgerichts: Das Gericht schliesst sich in der Hauptsache den
Ergebnissen des letzten Gutachtens von lHerrn Prof. Eichhorst an ..... Das
Gericht gelangt zu einer Annahme von 20 ;D bleibender Einbusse anstatt
der 25 °,}, im Gutachten Eichhorst. Es berücksichtigt einerseits dabei
die von den Basler (Experten in ihrem gemeinsamen Schlussgutachten
angenommene Möglichkeit einer allmählichen Besserung und andrerseits
die Möglichkeit eines Einflusses der schon vor dem Unfall bestandenen
leichten Neurasthenie des Klägers auf die Folgen des Unfalls.

b) aus dem appellationsgerichtlichen Urteil: Unter den ergangenen
Gutachten muss mit der Vorinstanz dasjenige von Prof. Eichhorst
als massgebend betrachtet werden, weil es auf Grund eingehender
mehrtägiger Beobachtung des Klägers abgegeben wurde und zugleich das
neueste ist, das den heutigen Zustand des Klägers zur Grundlage hat. '
·5. Versicherungsvertragsrecht. N° 103. 61:1-

Über das Recht der Klägerin aus § 8 Abs. 2 der Police sprach sich keines
der beiden Urteile aus.

Das zitterte Urteil des Appellationsgerichts vom 22. Juni 1909 ist
in Rechtskraft erwachsen, und die Klägerin hat seither die ihr darin
auferlegte Mente regelmässig ausbezahlt.

B. Nachdem die Klägerin im Juli 1910 erfahren hatte, dass der Beklagte
sich bei einer andern Verficherungsgesellschaft als für: perlich
und geistig vollständig gesund angemeldet habe (wobei er allerdings
beigefügt zu haben scheint, er besitze infolge des Unfalls vom März 1907
verminberte Arbeitskraft), verlangte sie von ihm im September 1912 unter
Berufung auf § 8 Abs. 2 der Police, dass er sich einer erneuten ärztlichen
Untersuchung durch den Vertrauensarzt der Gesellschaft unterziehe. Der
Beklagte verweigerte dies. ss

C. Durch Urteil vom 3. September 1912 hat das Appellationsgericht des
Kantons Basel-Stadt in grundsätzlicher Bestätigung eines Urteils des
Zivilgerichts Basel-Stadt Vom 21. Juni 11913, über die Rechtsbegehren
der Klägerin:

1. Der Beklagte sei verpflichtet zu erklären, sich auf die erste
Aufforderung der Klägerin hin behufs Feststellung der Fortdauer der von
ihm behaupteten Invalidität bei einem von der Klägerin gli bestimmenden
Arzt in Basel untersuchen zu lassen.

'2. Die Beklagte sei berechtigt zu erklären, die weitere Zahlung der
ihr mit Urteil des Zivilgerichts Basel-Stadt vom 20. April 1909 und des
Appellationsgerichts Basel-Stadt vom 22. Juni 1909 auferlegten Rente
zu sistieren, wenn der Beklagte auf erhaltene Aufforderung der Klägerin
hin sich einer neuen ärztlichen Untersuchung nicht nnterzieht.

erkannt:

Auf die Klage wird nicht eingetreten.

Das appellationsgerichtliche Urteil ist im wesentlichen folgendermassen
begründet: Die allgemeine Frage, ob und wann infolge von Tatsachen,
welche erst nach dem Urteil eintreten, durch Feststellungsklage eine
Urteilsverpflichmng abgeändert werden könnebrauche hier nicht erörtert
zu werden. Denn eine solche Abänderung sei jedenfalls dann unstatthaft,
wenn die Einrede aus derartigen künftigen Ereignissen schon im ersten
Verfahren hätte vorgebracht

ist-d Oberste Livilgekjehtss-.d;.uz. [. Materiellreehüiche Entscheidungen.

werden können. Diese Möglichkeit habe aber für die Klägerin bestanden.
Jhr heutiges Begehren stütze sich nämlich nicht bloss auf die tatsächliche
Behauptung einer Verminderung der Invalidität des Beklagten, sondern
auch auf die weitere Tatsache der Wolken: Bestimmung § 8". Letztere
Tatsache gegenüber dem Begehren des Beklagten auf Ausweisung einer
lebenslänglichen, also unwandelbaren Rente in gleichbleibender Höhe
vorzubringen, hätte die Klägerin im ersten Verfahren Veranlassung
gehabt. Sie hätte einzuwenden gehabt, dass eine unwandelbar-e Mente für
die ganze Lebensdauer überhaupt nach dem Vertrage nicht gefordert werden
könneNun habe aber die Klägerin nicht nur diese Einrede aus der Po{ice
nicht vorgebracht, sondern aus ihrem ganzen Verhalten im ersten Prozess
müsse gefolgert werden, dass sie die Einrede nicht vorbringen wollte. Dies
ergehe sich daraus-, dass gerade über die zukünftige Gestaltung des
Gesundheitszustandes des Betlagten von ihr Anträge gestellt und dieser
Punkt einlässlich von ihr diskutiert worden sei. Das Gericht habe auch
hierüber Sachverständige befragt und auf Grund mehrerer medizinischer
Gutachten speziell mit Rücksicht auf die Möglichkeit einer Besserung die
Höhe der Mente festgestellt Auch aus diesem weiteren Grunde könne auf
die heutigen Begehren wegen bereits erfolgter Erledigung der Streitsache
nicht eingetreten werden.

D. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin rechtzeitig und in richtiger
Form die Berufung an das ·Bundesgericht erklärt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

i. . . . .. Materiell handelt es sich um den von der Klägerin aus § 8
Abs. 2 der Police abgeleiteten Anspruch auf Herabsetzung oder Aufhebung
der ihr im Jahre 1909 durch Urteil auferlegten Rentenverpflichtung. Die
Frage, ob dieser-, von der Klagerin erhobene Anspruch bestehe oder nicht,
bezw. ob auf dessen Beurteilung überhaupt eingetreten werden könne,
hängt vor allem davon ab, ob die vom Beklagten erhobene Einrede der
abgeurteilten Sache begründet sei oder nicht. Zur Entscheidung über diese
Einrede aber ist das Bundesgericht nach feststehender Praxis (vergl.
BGE 16 S. 768, 21! II S. 55, 30 II S. 543) jedenfalls dann kompetent,
wenn es sich dabei um die Frage der Jdentität des eingeklagten mii dein
früher abgeurteilten Anspruch handelt,5. Versicherungsvertragsrecht. N°
107. 617

und Vorausgesetzt, dass der eingeklagte Anspruch an sich dem
eiltgenösfischen Zivilrecht untersteht Beides ist hier der Fall. Denn
einerseits hat die Klägerin die Rechtskraft des vom Beklagten angerufenen
appellatiousgerichtlichen Urteils vom Jahre 1909, wie

ipaudie Jdentität der damaligen Parteien mit den heutigen, nicht
bestritten; anderseits aber ist der von der Klägerin erhobene Anspruch
auf Revision der Utente in der Tat vom eidgenössischen Zivilrecht
beherrscht, da er aus einein Versicherungsvertrag hergeleitet wird, der
zwar noch nicht dem Bundesgesetze vom 2. April 1908, wohl aber weil die
Ausnahmebestimmung des am. 896 OR alter Fassung ans den Kanten Basel-Stadt
nicht zutraf dem eidgenössischeu OR unterstand. --

Das Bundesgericht ist somit zur Beurteilung des streitigen Anspruchs
kompeteut.

'2. In der Sache selbst handelt es sich nach dem Gesagten zunächst
nur um die Frage, ob der von der Klägerin ans § 8 Abs. 2 der Police
abgeleitete Anspruch auf Revision der Rente bereits im frühern Prozesse
beurteilt worden sei, oder nicht. Erst wenn feststünde, dass dies nicht
der Fall ist, wäre des weitern zu untersuchen, ob in § 8 Abs. 2 der
Police überhaupt auch die Revision einer durch rechtskräftiges Urteil
(im Gegensatz zu einer auf gütlichein Wege) festgesetzten Rente in
Aussicht genommen worden sei. '

3. Der Auffassung der Vorinstanz, die Klägerin habe das ihr in § 8 Abf. 2
der Police eingeräumte Recht auf Revision der Rente dadurch verwirkt,
dass sie es im srühern Prozesse nicht geltend machtebezw.dadurch, dass
sie nicht beantragte, es sei ihr vorzubehalten, kann nicht beigestimmt
werden. Die Klägerin hatte damals keinen Anlass, ein Recht geltend zu
machen oder sich vorbehalten zu lassen, das ihr laut Vertrag überhaupt
noch nicht zustand und dessen zukünftige Entstehung sogar ganz ungewiss
war. Zur Geltendmachung oder Reservierung eines solchen zukünftigen
und bedingten vertraglichen Rechts liegt für den bedingt Berechtigten
ebensowenig eine Veranlassung vor, wie zur Geltendmachnng oder
Reservierung eines vielleicht in der Zukunft entstehenden ges etzlichen
Rechts, sei es, dass die Gesetzesbestimmung, aus der es möglicherweise
entstehen wird, schon existiert (ver-gl. Art. 47 des eidgz Expropria-

518 Oberste Zivilgerichtsinsianz. _ !. Materiellrechniche Entscheidungen

tionsgesetzes und Iîrt. 157 3GB, deren Anrufung feststehendermugen nicht
schon im Erpropriationsversahren, bezw. im Scheidungsprozesse vorbehalten
zu werden braucht; vergl. auch § 823 der ZPO des Deutschen Reichs), sei
es, dass das betreffende Recht uberhaupt erst im Falle einer Änderung
der Gesetzgebuna entstehen kann (vergl. Praxis II Nr. 107 und GaumeStein,
*Ilnm. 18 zu § 767 der deutschen SVO). (

. 4. Eher könnte umgekehrt aus dem Umstande, dass das von der heutigen
Klägerin beanspruchte Revisionsrecht ihr im früher-n Prozesse weder
ausdrücklich vorbehalten, noch ausdrücklich aberkannt worden ist und
übrigens von ihr selber gar nicht g eltend gemacht worden war, der
Schluss gezogen werden, ihr Anspruch aus § 8. Abs. 2 der Police sei
damals ganz ausserhalb des Prozesses geblieben, so dass dessen heutige
Geltendmachung mit den frühem Urteilen nicht im Widerspruch stehe.

Indessen ergibt sich ausdiesen frühern Urteilen doch immerhin ionici,
dassn damals die Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit einer später-U
Besserung des Gefundheitszustandes des Beklagten bei der Bemessung
der Rente tatsächlich berücksichtigt worden ist Dennnachdem schon
in der Erperteninstruktion auf diesen Punkt hingewiesen worden war,
ist dann im Urteil u. a. gerade wegen der mehr oder weniger grossen
Wahrscheinlichkeit einer solchen Besserung die durchschnittliche
zukünftige Erwerbseinbusse des Beklagten auf 20 30 Uratt auf 25 ", wie
vom Erperten Eichhorft beantragti angesetztworden Allerdings wäre diese
Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit einer spätern Besserung offenbar auch
dann berücknchtigt worden, wenn die Bestimmung des § 8 Abs. 2 der Police
nicht existiert hätte gleichwie ja auch sonst, z. B. im Haftvslichtrechn
solche Möglichkeiten oder Wahrscheinlichkeiten bei der Festsetzung
der Entschädigung für dauernde Verminderung der Erwerbssähigkeit
berücksichtigt zu werden pflegen. Allein unter allen Umständen war
es nicht die Absicht des damaligen Richter-s und konnte es nicht seine
Absicht sein, zu ermöglichen, dass die Chance einer zukünftigen Besserung
zweimal berücksichtigt werde: einmal bei detFestsetzung der mutmasslichen
durchs chnittlichen Erwerbseinbusze, und dann später nochmals, falls
sich eine Differen;

__ * Jst-. .'; in die. * ... Ben-if:5. Yersichemngsveriragsrecht. N°
XO'}. 619

zwischen der angenommenen durchschnittlichen und der nachmaligen
effektiven Invalidität ergeben sollte. Jst also die Möglichkeit oder
Wahrscheinlichkeit einer späteren Besserung bereits im frühem Prozesse
berücksichtigt worden, so wollte damit die zukünftige Berücksichtigung
einer effektiv eintretenden Besserung ausgeschlossen werden.

Darüber-, ob das Vorgehen des damaligen Richters prozessund
knateriellrechtlich gerechtfertigt war, oder ob darin nicht eine
Verletzung des Grundsatzes der Verhandlungsmarime, sowie ein Eingriff in
das der Klägerin kraft Vertrages zustehende Revisionsrecht lag, hat sich
das Bundesgericht, nachdem das frühere Urteil in Rechtskraft erwachsen
ist, nicht auszusprechen {fiber die prozessrechtliche Frage übrigens
_ auch deshalb nicht, weil es sich dabei um kantonaies Recht handeln
.würde). Vielmehr genügt es, zu konstatieren, dass durch die bereits im
früheren Prozesse erfolgte Berücksichtigung der zu erwartenden Besserung
des Gesundheitszustandes des Beklagten die nochmalige Berücksichtigung
einer solchen Besserung ausgeschlossen, und damit das Recht der Klägerin
aus § 8 Abs. 2 der Police konsumiert worden ist.

Ob die Klägeriu diese Konsums-non ihres Anspruchs dadurch hätte verhindern
können, dass sie im frühem Prozesse ausdrücklich erklärt hätte, sie
verlange nicht, oder gar, sie verwahre sich dagegen, dass die Möglichkeit
oder Wahrscheinlichkeit einer spätern Besserung berücksichtigt werde,
kann hier ebenfalls dahingestellt Bleiben. Denn eine solche Erklärung
ist von der Klägerin damals, soviel aus den Akten ersichtlich ist, nicht
abgegeben worden (cmd) nicht vor Appellationsgericht, wo die Klägerin dazu
doch allen Anlass gehabt hätte, nachdem das Zivilgericht jene Möglichkeit
oder Wahrscheinlichkeit tatsächlich berücksichtigt hatte, wie die Klägerin
den Urteilsmotiven entnehmen musste). Es liegt also hier ein ähnliches
Verhältnis vor, wie wenn eine Partei gestattet, dass eine ihr zustehende
Forderung, trotzdem sie sie nicht förmlich geltend gemacht hat, zur
Verrechnung mit einem von der Gegenpartei erhabenen Anspruch verwendet
werde: hat sie es unterlassenhiegegen zu protestieren, so kann sie jene
Forderung nicht nachträglich noch zum Gegenstand einer Klage machen.

5. Im übrigen würde es, nachdem die Klägerin dank

629 ss oberste ZÎVÎIgffl'Ichts-imtanz. l. Materieih'echflichc
Entscheidungen.

der Berücksichtigung der mutmasslichen Besserungschancen im frühem Prozess
mehrere Jahre lang weniger gezahlt hat, als sie ohne Berücksichtigung
dieser Chancen hätte zahlen müssen, der guten Treue widersprechen, ihr
wegen der tatsächlich eingetretenen Besserung auch noch eine Reduktion
ihrer zukünftigen Zahlungen zu bewilligen. Eine solche nachträgliche
Reduktion der zugesprochenen Mente würde doch zum mindesten voraussetzen,
dass die Klägeriu dasjenige, was sie infolge der antizipierten
Berücksichtigung der Besserungschancen bisher zu wenig bezahlt hat,
nachzahle. Dieser Ansgleich ist jedoch von ihr nicht angeboten worden
und liesse sich auch kaum praktisch durchführen, da ja heute, in
Ermangelung einer Expertise über den Gesundheitszustand des Beklagten
in den Jahren 1909 bis 1913, nicht mehr festgestellt werden kann, bis
zu welchem Gradeder Beklagte während dieser vier Jahre erwerbsfähig
war, und da ferner auch nicht mit Sicherheit zu ermitteln ist, welchen
Grad von Invalidität der Richter im Jahre 1909 angenommen haben win-de,
wenn er die Utente nur für die Jahre 1907 bis 1913 festgesetzt hätte. Es
ist möglich, dass er in diesem Falle einfach die vom Experten Eichhorst
beantragten 25 % zugesprochen haben würde. Möglich ist aber and), dass er,
auf Grund der Annahme einer nenrasthenischen Prädisposition des Beklagten
vor dem Unfall, zu einem zwischen 20 und 25 % liegenden Ansatze gelangt
wäre, oder dass er im Gegenteil-, wenn denn nur die ersten Jahre nach
dem Unfall in Betracht kamen, dem Beklagten eine grössere, vielleicht
sogar viel grössere als 25 oJoige Mente zugesprochen hatte. Demnach hat
das Bundesgericht erkannt:

Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Appellationsiifzterichts
des Kantons Basel-Stadt vom 3. September 1913 beätigns. Haftpflicht für
den Fabrikund Gewerbebetrieb. N° 108. 621

6. Haftpflicht für den Fabrikund Gewerbebetrieb. Responsabilité civile
des fabricants.

108. guidi der II. zioicabteitung vom I. Oktober 1913 in Sachen Herkul-,
Bekl. u. Ver.-Kl... gegen Sticker, Kl. u. Ber.-Bekl.

tmpruch {ms FHG. Kmesalzusummcnhsmg. Einfluss fis-UnumVerletzungen,
auf dip Unfalleolgen.

A. Im November 1904 siek dem Kläger, der von Beruf Säger ist, in
Wallenstadt bei der Arbeit ein schweres Fass aus den Rücken. Dieser Unfall
hatte einen Bruch der Wirbelsc'iule, Quetschungen des Rückenmarks und
teilweise Lähmung beider Beine zur Folge. Da der damalige Arbeitgeber
des Klägers der Gewerbehaftpflicht nicht unterstaud, erhielt der Kläger
für den Unfall keine Haftpflichtentschädignng· Dagegen war er bei der
schweiz. Unfallversicherungsgesellschaft in Winter-thue bis zu 1000
Fr. versichert Im Schlussberichte an die Versicherungsgesellschaft
führte der Spitalarzt von Wallensiadt, der den Kläger behandelte, aus,
es sei nicht anzunehmen, dass der Kläger seinen frühem Beruf weiter werde
ausüben können, und es sei demnach die dauernde Erwerbseinbusse für den
bisherigen Beruf auf 100 %, sonst auf 45 0/0 zu veranschlagen Gestützt
hierauf zahlte die Versicherungsgesellschaft dem Kläger einen Betrag
von 4:30Fr. aus. In der Folge erholte sich der Kläger indessen soweit,
dass er seinen Beruf als Säger wieder aufnehmen tenute. Jin Jahre 1907
stand er im Dienste des Holzhändlers Fehlmann in Lenzburg, bei dein er
einen höhern Lohn bezog als vor dem Unfall im Jahre 1904. Nach seiner
Angabe glitt der Kläger hier im Mai 1907 auf dem Sägeplatz rückwärts
aus, wobei er sich eine Verletzung in der linken Gesässgegeud zuzog Die
behandelnden Ärzte Dr. Markwalder in Baden und Dr. Siegfried in Wildegg
bezweifelten, dass ein Unfall vorliege und stellten die Diagnose einer
tuberkulösen Wirbelerkrankung. Dr.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 39 II 613
Datum : 12. Juni 1913
Publiziert : 31. Dezember 1914
Quelle : Bundesgericht
Status : 39 II 613
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 612 Oberste Zwilgerichtsinstanz. [. Materiellrechtliche Entscheidungen- fetzliche


Gesetzesregister
OR: 11 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 11 - 1 Verträge bedürfen zu ihrer Gültigkeit nur dann einer besonderen Form, wenn das Gesetz eine solche vorschreibt.
1    Verträge bedürfen zu ihrer Gültigkeit nur dann einer besonderen Form, wenn das Gesetz eine solche vorschreibt.
2    Ist über Bedeutung und Wirkung einer gesetzlich vorgeschriebenen Form nicht etwas anderes bestimmt, so hängt von deren Beobachtung die Gültigkeit des Vertrages ab.
657
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 657 - 1 Die Statuten können die Schaffung von Genussscheinen zugunsten von Personen vorsehen, die mit der Gesellschaft durch frühere Kapitalbeteiligung oder als Aktionär, Gläubiger, Arbeitnehmer oder in ähnlicher Weise verbunden sind. Sie haben die Zahl der ausgegebenen Genussscheine und den Inhalt der damit verbundenen Rechte anzugeben.
1    Die Statuten können die Schaffung von Genussscheinen zugunsten von Personen vorsehen, die mit der Gesellschaft durch frühere Kapitalbeteiligung oder als Aktionär, Gläubiger, Arbeitnehmer oder in ähnlicher Weise verbunden sind. Sie haben die Zahl der ausgegebenen Genussscheine und den Inhalt der damit verbundenen Rechte anzugeben.
2    Durch die Genussscheine können den Berechtigten nur Ansprüche auf einen Anteil am Bilanzgewinn oder am Liquidationsergebnis oder auf den Bezug neuer Aktien verliehen werden.
3    Der Genussschein darf keinen Nennwert haben; er darf weder Partizipationsschein genannt noch gegen eine Einlage ausgegeben werden, die unter den Aktiven der Bilanz ausgewiesen wird.
4    Die Berechtigten bilden von Gesetzes wegen eine Gemeinschaft, für welche die Bestimmungen über die Gläubigergemeinschaft bei Anleihensobligationen sinngemäss gelten. Den Verzicht auf einzelne oder alle Rechte aus den Genussscheinen können jedoch nur die Inhaber der Mehrheit aller im Umlauf befindlichen Genussscheintitel verbindlich beschliessen.
5    Zugunsten der Gründer der Gesellschaft dürfen Genussscheine nur aufgrund der ursprünglichen Statuten geschaffen werden.
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • bundesgericht • frage • basel-stadt • weiler • zivilgericht • gesundheitszustand • richtigkeit • vorinstanz • zahl • erwachsener • neurose • sachenrecht • not • rechtskraft • ermässigung • berechnung • angabe • form und inhalt • wirkung
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