238 A. Oberste Zivilgcrichtsinslanz. [. Matericiirechtliche
Entscheidungen.

44. guten der I. Divitabtetluug vom 24. Znai 1913 in Sachen Meter-,
Bekl. u. Ver.-Kl... gegen zimmermann, Kl. u. Ber.-Bekl.

Anfechwng eines Pachtvertrages wegen Irrtums. Der Streitwert bemisst
sich nach. der Vermögenseinbusse, die der Anfecktende nach der
Kéagedarsteilung bei Erfüllung des Vertrages erleiden wär dr. Anfechtung
wegen betrùgerischer Verleitung zum Vertragsabschiusse (Art. 24 aOR):
Die tatsächlichen Voraussetzungen hiefür vssmeint. Anfechtung wegen
wesentlichen irrtums nach Art. 19 Ziff. 4
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 19 - 1 Der Inhalt des Vertrages kann innerhalb der Schranken des Gesetzes beliebig festgestellt werden.
1    Der Inhalt des Vertrages kann innerhalb der Schranken des Gesetzes beliebig festgestellt werden.
2    Von den gesetzlichen Vorschriften abweichende Vereinbarungen sind nur zulässig, wo das Gesetz nicht eine unabänderliche Vorschrift aufstellt oder die Abweichung nicht einen Verstoss gegen die öffentliche Ordnung, gegen die guten Sitten oder gegen das Recht der Persönlichkeit in sich schliesst.
aOR (: Art. 24
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 24 - 1 Der Irrtum ist namentlich in folgenden Fällen ein wesentlicher:
1    Der Irrtum ist namentlich in folgenden Fällen ein wesentlicher:
1  wenn der Irrende einen andern Vertrag eingehen wollte als denjenigen, für den er seine Zustimmung erklärt hat;
2  wenn der Wille des Irrenden auf eine andere Sache oder, wo der Vertrag mit Rücksicht auf eine bestimmte Person abgeschlossen wurde, auf eine andere Person gerichtet war, als er erklärt hat;
3  wenn der Irrende eine Leistung von erheblich grösserem Umfange versprochen hat oder eine Gegenleistung von erheblich geringerem Umfange sich hat versprechen lassen, als es sein Wille war;
4  wenn der Irrtum einen bestimmten Sachverhalt betraf, der vom Irrenden nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als eine notwendige Grundlage des Vertrages betrachtet wurde.
2    Bezieht sich dagegen der Irrtum nur auf den Beweggrund zum Vertragsabschlusse, so ist er nicht wesentlich.
3    Blosse Rechnungsfehler hindern die Verbindlichkeit des Vertrages nicht, sind aber zu berichtigen.
Zifi. 3
re:). OR): Die Zusicherung cross eines Zirkamasses hinsichtlich der
Pachtiéegemchaft schl-iess! einen Irrtum über die Greis-se nicht aus. Wie
gross der Unterschied zwischen dem angegebenen und dem wirklichen
Flächeninhaltss sein dürfe, ist Bechtsfrage, hängt aber wesentlich min
den besondere; VerIuîltne'ssm des Falles und den rief-sonsten Anschauungen
sei-. Auch der Irrtum über die Grösse einer individuell bestimmten Sache
kann ein wesentlicher nach Ziff. 4 cit. sein, sofern nur die Grüsse den
wirtschaftlichen Wert der Suche und damit. der hinsichtlich ilm-'s:u
erfiélic-nden Vertragsleisi ung bedingt und durch einen Grössen--
manga! die Leistung zu. einer solchen von erheblichgeringerm Umfange
wird. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Grösse der Sach-* zum
Gegenstand einer ausdrücklichen Vertragsabrede gemacht wurde. -Der
begründcicrweisr angefochtene Vertrag ist als von Anfang an nichtig
anzusehen. Aus der Anfechäung kann daher kein Entschädigungsanspruch
auf Leistungdes Erfüihmgsintrresses erwachsen, sondern bloss das Recht
auf Rückgängigmaciiung der durch. die Vertragsvollziehung erfolgten
Vermägensverdndenmgen. Die Parteien können gültig im Interesse seiner
Zwecken-ihrigen Ahn-Brutwaihrer gegenseitigen Beziehungen eine vorläufige
Fortsetzung des nichtigen Vertragsverhältnisses vereinbaren.

A. Durch Urteil vom 25. Februar 1913 hat das Obergericht des Kantons
Luzern in vorliegender Streitsache erkannt: i. Der am 25. April 1911
zwischen den Litigauten abgeschlossene Pachtvertrag sei aus Mitte März
nächsthin aufgehoben 2. Beklagter habe an Kläger für jedes Pachtjahr bis
zum Aushebungstermin eine Entschädigung von 720 Fr. nebst Zins zu 5 0/0
seit 23. Januar 1912 für das erste und seit 11. November 1912 für das
zweite Pachtjahr zu bezahlen und die Auhandnahme der vom Klage-r bis
zur Rechtskraft des Urteils

i. Obligationenrecht. N° 44. 239

deponierten Pachtziusraten aus Rechnung dieser Ausprache und in-s zur
Höhe des gutgesprochenen Betrages zu gestatten.

3. und 4. (Kostenpunkt und Mitteilung).

B. Gegen dieses Urteil hat der Beklagte gültig die Berufung an das
Bundesgericht ergrifer mit dem Antrage: Es seien in Abänderung des
angefochtenen Urteils die Klagebegehren gänzlich abzuweisen

C. Ja der heutigen Verhandlung hat der Vertreter des Beklagten diesen
Antrag wiederholt Der Vertreter des Klägers hat aus Abweisung der Berufung
und Bestätigung des augesochteneu Urteils geschlossen-

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Durch Vertrag vom 25. April 1911 hat der Kläger Arnold Zimmermann vom
Beklagten anne. Meter das diesem gehörende, in den Gemeinden Luzern
und Horw gelegene Gut Birregghof für die Zeit vom 1. Mai 1911 bis
15. März 1915 gepachtet Der Jahresins wurde auf 3000 Fr halbjährlich
vorauszahlbar, bestimmt Der Vertrag erklärt, dass die Liegenschaft zirka
20 Jucharten Land und Streu, alles aneinander- halte. In Wirklichkeit
umfasst aber die Besitzung laut vorinstanzlicher Feststellung nur 12
3/4 Jucharten. Unter Berufung hieraus und auf die Behauptung, dass der
Beklagte beim Vertragsabschluss mündlich eine Ertrageuheit von 13 14 Stück
Grossvieh zugesichert habe, während sie tatsächlich nur 6 Stück ausmache,
hat der Pächter anfangs Februar 1912 Klage eingereicht mit dem Begehren:
1. Der Pachtvertrag sei aus nächste Mitte März nach Rechtskraft des
Urteils aufzuheben und 2. der Bekkagte habe dem Klager für jedes Pachtjahr
bis zum Aufhebungstermin eine Entschädigung von 1200 Fr. nebst Zins zu
5 ",lo seit dem 23. Januar 1912 (Friedensrichtervorstand) zu bezahlen
und zu gestatten, dass der Kläger die von ihm bis zur Rechtskraft des
Urteils hinterlegten Pachtzinsraten auf Rechnung dieser Ansprache und
bis zur Höhe des gutgesprochenen Betrages beziehe. Das Begehren auf
Vertragsaufhebung wurde darauf gestützt, dass der Beklagte den Kläger beim
Vertragsahschlusse über das Mass und die Ertragenheit der Liegenschast
absichtlich getäuscht und dass sich zudem der Kläger damals in einem
wesentlichen Irrtum befunden habe. Während die erste

240 A. Oberste Zivilgericlitsinstanz. }. Materiellrechtliche
Entscheidungen.

Instanz (Bezirksgericht Kriens-Walters) die Klage in beiden Beziehungen
für begründet hielt, erachtet das Obergericht nur den behaupteten
wesentlichen Jrrtum als dargetan und kommt aus diesem Grunde dazu,
den Vertrag als auf den 15. März 1913 als aufgehoben zu erklären. Das
Entschädigungsbegehren spricht es im reduzierten Umfange von 720 Fr. für
jedes Pachtjahr zu.

2. Die Berufung ist zulässig, namentlich auch hinsichtlich des
Streitwertes. Dieser bemisst sich nach dem Vermögensinteresse,
das der Kläger an der Gntheissung des gestellten Hauptbegehrens
auf Ungültigerklärung des Pachtvertrages vom 25. April 1911 hat. Nun
fordert er auf Grund jenes Begehrens mit einem weitern Klagantrage eine
Entschädigung von 1200 Fr. für jedes Pachtjahr bis zur Vertragsaufhebung
Er behauptet damit, dass erwenn der Vertrag während der vereinbarten
vier-jährigen Dauer zu erfüllen ware, eine Vermögenseinbusse von
zusammen 4800 Frerleiden würde und dass sich also sein Interesse an
der Ungültigerklärung auf diesen Betrag belaufe. Nach Art. 53 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 24 - 1 Der Irrtum ist namentlich in folgenden Fällen ein wesentlicher:
1    Der Irrtum ist namentlich in folgenden Fällen ein wesentlicher:
1  wenn der Irrende einen andern Vertrag eingehen wollte als denjenigen, für den er seine Zustimmung erklärt hat;
2  wenn der Wille des Irrenden auf eine andere Sache oder, wo der Vertrag mit Rücksicht auf eine bestimmte Person abgeschlossen wurde, auf eine andere Person gerichtet war, als er erklärt hat;
3  wenn der Irrende eine Leistung von erheblich grösserem Umfange versprochen hat oder eine Gegenleistung von erheblich geringerem Umfange sich hat versprechen lassen, als es sein Wille war;
4  wenn der Irrtum einen bestimmten Sachverhalt betraf, der vom Irrenden nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als eine notwendige Grundlage des Vertrages betrachtet wurde.
2    Bezieht sich dagegen der Irrtum nur auf den Beweggrund zum Vertragsabschlusse, so ist er nicht wesentlich.
3    Blosse Rechnungsfehler hindern die Verbindlichkeit des Vertrages nicht, sind aber zu berichtigen.

OG ist die von ihm genannte Summe für die Berechnung des Streitwertes
massgebend. Aus dem Gesagten ergibt sich auch die Anwendbarkeit des
mündlichen Berufungsverfahrens

3. Hinsichtlich der Anfechtung des Vertrages wegen betrügerischer
Verleitung zum Vertragsabschlusse (Art. 24 aOR) nimmt die Vorinstanz an,
es fehle der strikte Beweis für die Täuschungsabsieht des Beklagten. Zwar
habe laut Zeugenaussagen der Beklagte das Gut ungefähr 10 Jahre selbst
bewirtschaftet und daher reichlich Gelegenheit gehabt, sich ein Bild von
dessen Grösse zu machen, und nach einem Zeugen solle ferner auch eine
Ausmessung erfolgt sein. Dem stehe aber immerhin der Umstand gegenüber-,
dass die Besitzung in den Katasterbüchern von Horw und Luzern mit
zusammen rund 20 Jucharten eingetragen sei. Die Behauptung sodann,
der Beklagte habe dem Kläger beim Vertragsabschlusse eine Ertragenheit
von 13 14 Stück Grossvieh zugesichert, werde durch die Zeugenaussagen
ebenfalls nur wahrscheinlich gemacht, nicht aber voll bewiesen. Diese
tatsächliche Würdigung ist wie unbestritten, weder aktenwidrig noch sonst
bundesrechtlicb anfechtbar. Auf Grund ihrer hat das Bundesgericht davon
auszugehen, dass sich der Beklagte beim Abschlusse des Vertrages der

4. Obligatinnenrecm. N° 4-4. 34}

Unrichtigkeit der darin aufgenommenen Massangabe nicht bewuij gewesen
ist. Hiemit aber entfällt die Möglichkeit, den Vertrag nach Art. 24
aOR als unverbindlich zu erklären, und es kann sich nur noch fragen, ob
er wegen wesentlichen Irrtums anfechtbar sei, mm im besondern, ob der
Aufechtungsgrund des Art. 19 Ziff. 4
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 19 - 1 Der Inhalt des Vertrages kann innerhalb der Schranken des Gesetzes beliebig festgestellt werden.
1    Der Inhalt des Vertrages kann innerhalb der Schranken des Gesetzes beliebig festgestellt werden.
2    Von den gesetzlichen Vorschriften abweichende Vereinbarungen sind nur zulässig, wo das Gesetz nicht eine unabänderliche Vorschrift aufstellt oder die Abweichung nicht einen Verstoss gegen die öffentliche Ordnung, gegen die guten Sitten oder gegen das Recht der Persönlichkeit in sich schliesst.
aOth (: Art. 24 Ziff. 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 24 - 1 Der Irrtum ist namentlich in folgenden Fällen ein wesentlicher:
1    Der Irrtum ist namentlich in folgenden Fällen ein wesentlicher:
1  wenn der Irrende einen andern Vertrag eingehen wollte als denjenigen, für den er seine Zustimmung erklärt hat;
2  wenn der Wille des Irrenden auf eine andere Sache oder, wo der Vertrag mit Rücksicht auf eine bestimmte Person abgeschlossen wurde, auf eine andere Person gerichtet war, als er erklärt hat;
3  wenn der Irrende eine Leistung von erheblich grösserem Umfange versprochen hat oder eine Gegenleistung von erheblich geringerem Umfange sich hat versprechen lassen, als es sein Wille war;
4  wenn der Irrtum einen bestimmten Sachverhalt betraf, der vom Irrenden nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als eine notwendige Grundlage des Vertrages betrachtet wurde.
2    Bezieht sich dagegen der Irrtum nur auf den Beweggrund zum Vertragsabschlusse, so ist er nicht wesentlich.
3    Blosse Rechnungsfehler hindern die Verbindlichkeit des Vertrages nicht, sind aber zu berichtigen.
rev. OR)
vorliege, auf den die Vorinstanzen und der Kläger abstellen.

4. Hiebei ist zunächst die Auffassung des Beklagten zurückzuweisen,
dass sich der Kläger über den Flächeninhalt der Pachtbesitzung schon
deshalb nicht geirrt haben könne, weil der Vertrag nur ein Zirkamass
zusichere. Durch die Beifügung des zitta zu der Flächenzahl wird
nicht etwa eine Haftung für eine bestimmte Grösse der Liegenschaft
wegbedungen, sondern nur ausgesprochen, dass die angegebene Zahl nicht
ganz genau der Wirklichkeit zu entsprechen brauche, sondern ein gewisser
Fehler in der Angabenamentlich auch nach unten hin, vorbehalten sei. Der
Beklagte hat sich hier vor den kantonalen Jnstanzen namentlich auf den §
626 des luzernischen BGB berufen, wonach bei Liegenschaftsverkaufen für
Zirkamasse nicht gehaftet werde. Allein mit Recht wendet der Vorentscheid
ein, dass diese Bestimmung auf den durch das OR geregelten Pachtvertrag
unanwendbar sei. Wie gross nun nach dem Willen der Vertragsvarteien der
Unterschied zwischen dem wirklichen Flächeninhalte sein dürfe, ist zwar an
sich Auslegungsund insofern Rechtsfrage, hängt aber im wesentlichen von
den besondern tatsächlichen Verhältnissen des Falles und den regionaien
Anschauungen über diesen Punkt ab. Danach aber kann sich das Bundesgericht
ohne weiteres der vorinstanzlichen Auffassung anschliessen, dass hier
der den Flächeninhalt betreffenden Zusage nur genügt wäre, wenn das
Pachtgut mindestens 18 oder sogar 19 Jucharten messen würde.

5. Der wirkliche Inhalt des Pachtgutes ist aber viel geringer-, nämlich
bloss 12 3/4 Jncharten und es steht fest, dass sich der Kläger bei
der Eingehung des Vertrages über diesen Flächennnterschied im Jrrtuin
befunden, also angenommen hat, das Gut halte tatsächlich 20 Jucharten.

Gegen die voriustanzliche Annahme nun, dass dieser Irrtum ein wesentlicher
nach Art. 19 Ziff. 4 aOR sei, macht der Bei-tagte

242 .L. {si,-order) Zin i!guz'éithisiiuztauz. {. Hinterteilrecijtiiciie
Entscheidungen.

geltend: Der Kläger habe das Pachtgut, so wie es sei, als eine
individuelie Sache, gepachtet Hinsichtlich ihrer Jdentität und ihrer
Grenzen habe er sich anerkanntermassen nicht geirrt. Sein Irrtum
betreffe nicht den Gegenstand, sondern dessen Mass und dieses bilde sitt
jenen kein Judividualisterungsmerkmal wie bei generisch bezeichneten
Sachen. Sonach könne auch ein Irrtum hierüber kein wesentlicher sein
Dieser Auffassung lässt sich indessen nicht beipslichtem Die Ziffer 4
spricht nicht von Sachen, sondern von Leistungen und Gegenleistungen,
über die der Irrtum unterlaufen sein muss. Freilich können sich diese
auch auf Sachen be'ziehen wie hier, wo die Einräumung der Pachtnutzung
eines Gutes den Leistungsinhalt bildet und wenn man es alsdann mit
einer bestimmten Sache zu tun hat, so mag in der Tat deren Grösse
kein Jndividualisierungsmotnent mehr bilden, das erforderlich wäre, um
die Sache als Vertragsgegenstand von andern zu unterscheiden. Allein
mit dem allem ist nicht gesagt, dass deswegen die Grösse auch keine
individualisierende Bedeutung für die Bestimmung der Vertragsleistung
besitze. Sofern vielmehr die Grösse den wirtschaftlichen Wert der Sache
bedingt, wird sie regelmässig auch den Wert der Leistung beeinflussen
und es kann alsdann ein Grössenmangel der Sache zur Folge haben, dass
damit die die Sache betreffende Leistung zu einer solchen von erheblich
geringerem Umfangeist im Sinne der Ziffer 4 wird. Das Gesagte muss im
besondern auch für die Vertragsleistung des Pächters gelten: Denn der
Wert der eingeräumten Pachtnutzung hängt hauptsächlich auch von der
Grösse des Pachtgegenstandes ab und diese ist, als ein wirtschaftlich
wichtiges Merkmal des Gegenstandes, für die Festsetzung des Pachtzinses
von wesentlicher Bedeutung Aus dem Wortlaut der Ziffer 4 lässt sich denn
auch nichts entnehmen für eine unterschiedliche Behandlung der Fälle, wo
sich die Leistung auf genere!! und der andern, wo sie sich auf individual
bezeichnete Sachen bezieht. Für beide gelten wohl auch gleicherweise
die Gründe, die dazu führen, dem Jrrenden ein Anfechtungsrecht zu
gewähren, sobald die mit der Aufrechterhaltung des Vertrages gegebene
Benachteiligung ein gewisses Mass übersteigt Zum mindesten muss die Ziffer
4 dann auch auf Leistungen, die individuell bezeichnete Sachen betreffen,
anwendbar sein, wenn, wie hier, die Grösse der Sache

si. 0biigatiunenrectit. N° cià. " ?-

zum Gegenstand einer ausdrücklichen Vertragsabrede gemacht worden
ist. Dann lässt sich unmöglich sagen, dass die Vertragsleistung lediglich
in der Gewährung der Sache als solcher bestehe, da der Gläubiger ja
ausdrücklich verspricht, die Sache als eine solche von bestimmter Grösse
zn leisten. Dass endlich das hier vorhandene Mindermass der Pachtsache
so bedeutend gewesen ist, um die eingeräumte Pachtnutzung zu einer
Gegenleistung von erheblich geringerem Umfange zu machen, leuchtet von
selbst ein und ist auch nicht bestritten worden.

Vor den kantonalen Jnstanzen hat der Beklagte noch eingewende:,
der Kläger habe durch fein Verhalten nach dem Vertragsabschlufie auf
sein Anfechtungsrecht verzichtet und er habe es auch nach Art. 28
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 28 - 1 Ist ein Vertragschliessender durch absichtliche Täuschung seitens des andern zu dem Vertragsabschlusse verleitet worden, so ist der Vertrag für ihn auch dann nicht verbindlich, wenn der erregte Irrtum kein wesentlicher war.
1    Ist ein Vertragschliessender durch absichtliche Täuschung seitens des andern zu dem Vertragsabschlusse verleitet worden, so ist der Vertrag für ihn auch dann nicht verbindlich, wenn der erregte Irrtum kein wesentlicher war.
2    Die von einem Dritten verübte absichtliche Täuschung hindert die Verbindlichkeit für den Getäuschten nur, wenn der andere zur Zeit des Vertragsabschlusses die Täuschung gekannt hat oder hätte kennen sollen.
aOR
(Art. 31
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 31 - 1 Wenn der durch Irrtum, Täuschung oder Furcht beeinflusste Teil binnen Jahresfrist weder dem anderen eröffnet, dass er den Vertrag nicht halte, noch eine schon erfolgte Leistung zurückfordert, so gilt der Vertrag als genehmigt.
1    Wenn der durch Irrtum, Täuschung oder Furcht beeinflusste Teil binnen Jahresfrist weder dem anderen eröffnet, dass er den Vertrag nicht halte, noch eine schon erfolgte Leistung zurückfordert, so gilt der Vertrag als genehmigt.
2    Die Frist beginnt in den Fällen des Irrtums und der Täuschung mit der Entdeckung, in den Fällen der Furcht mit deren Beseitigung.
3    Die Genehmigung eines wegen Täuschung oder Furcht unverbindlichen Vertrages schliesst den Anspruch auf Schadenersatz nicht ohne weiteres aus.
rev. OR) verwirken lassen. Vor Bundesgericht hat er diese
Einwendungen nicht mehr erhoben und nach den zutreffeuden Ausführungen
des Vorentscheides, auf die zu verweier ist, halten sie in der Tat
nicht stand.

6. Was die Folgen der hienach zu Gunsten des Klägers gegebenen
Unverbindiichkeit des Vertrages anlangt, so macht der Beklagte mit Unrecht
geltend, der Kläger habe den Irrtum über die Grösse des Pachtgutes
seiner eigenen Fahrlässigkeit zuzuschreiben und sei ihm daher nach
Art. 23 aOR schadenersatzpflichtig. Der Irrtum ist veranlasst worden
durch eine Handlung des Beklagten, dessen Angabe über den Flächeninhalt
beim Vertragsabschlusse. Wie die in Erwägung 3 erwähnten tatsächlichen
Ausführungen der Vorinstanz dartun, hätte der Beklagte jedenfalls allen
Grund gehabt, an der Richtigkeit dieser Angabe zu zweifeln, so dass
wohl ihn in dieser Hinsicht ein Verschulden trifft Umgekehrt lässt sich
unter den obliegenden Verhältnissen nicht einsehen, wieso sich der Kläger
trotz der ausdrücklichen Erklärung des Verpächters und Eigentümers noch
besonders über die Grösse des Gutes hätte erkundigeu sollen.

Auf die Unverbindlichkeit des Vertrages stätzt anderseits der Kläger
das Begehren, es habe ihm der Beklagte für jedes Pachtjahr bis zur
gerichtlichen Aufhebung des Vertrages die auf Mitte März nach der
Rechtskraft des Kriens zu erfolgen habe, eine Entschädigung von 1200
Fr. zu bezahlen. Dieses Begehren ist jedenfalls seiner Fassung nach
usnjerechtigr insofern es sich nämlich

244 A, Oberste Zivilgerichisinstaux. i. Matm'iellrechtliche
Entscheidungen.

äusserlich als ein solches auf Schadenersatz wegen ungenügender
Vertragserfüllung darstellt: Der Beklagte hätte danach den Klägee durch
Leistung von Entschädigungsbeträgen so zu stellen, wie wenn er ihm ein
Pachtgut von vertraglich zugesichertem Umfange übergeben hatte. Nun
bedarf es aber zunächst einer gerichtlichen Aufhebung des wegen Irrtums
ansechtbaren Vertrages nicht sondern mit der Anfechtungserklärung schon,
der Mitteilung des Anfechtungsberechtigten, dass er den Vertrag nicht
halte, steht die Ungültigkeit des Vertrages fest; dieser ist damit
als von Anfang an nichtig anzusehen (vergl. AS 23 II S. 713 und 29 II
S. 662 und Oser, Komm. z. OR S. 128 Ziff. 3). Sind aber durch ihn für
die Parteien keine vertraglichen Rechte oder Pflichten begründet worden,
so kann aus der Anfechtung auch kein Entschädigungsanspruch auf Leistung
des Erfüllungsinteress es erwachsen. Vielmehr entsteht für die Parteien
bloss das Recht, die Vermögensverschiebungen, die durch die bereits
erfolgte Vertragsvollziehung eingetreten sind, wieder rückgängig zu
machen, namentlich auf dem Wege der Bereicherungsklage schon Geleistetes
zurückzusordern (Oser, S. 132), Ob dem Jrrenden daneben noch ein Anspruch
aus unerlaubter Handlung dann zustehen könne, wenn die Gegenpartei den
Jrrtum durch ihre Fahrlässigkeit veranlasst hat, ist hier nicht in Frage,
indem ein solcher Anspruch nicht geilend gemacht wird.

Aus dem Gesagten ergibt sich für den vorliegenden Fall folgendes:
Jnfolge des bisherigen bloss tatsächlichen, einer vertraglichen Grundlage
entbehrenden Pachtverhältnisses ist der Beklagte als Verpachter bereichert
und zwar insofern, als er den vereinbarten Pachtzins von 3000 Fr. für das
erste Jahr voll bezogen hat· Die Bereicherung beläuft sich auf den Betrag,
um den die bezahlte Summe den wirklichen Wert der Pachtzinsnutzung des
statt 20 nur 1 ;.; Jucharten haltenden Grundstücke-B übersteigt. Die
Vorinstanz bestimmt diesen Betrag auf Grund einer in keiner Beziehung
bundesrechtswidrigen Würdigung der Verhältnisse auf 720 Fr. Hiefür ist
also der Beklagte rückerstattnngspflichtig, wobei, mit der Vorinstanz,
ein Verzugszins zu 5 % vom Friedensrichtervorstand ("23. Januar 1912)
an in Ansatz zu bringen ist. Die später-n Bachtzinse sind noch nicht
bezahlt, sondern bloss, soweit verfallen,

4. Obiigationenrechi. N° 44. 245

als streitig hinterlegt. In dieser Beziehung fällt in Betracht,
dass die Parteien vom Prozessbeginn an einig gewesen find, es habe
der Kläger auf alle Fälle bis zum Endnrteil auf dem Gut zu bleiben
(s. Klage S. 14, Antwort S. 11), unbeschadet der streitigen Frage,
wie es sich mit den Pachtzinszahlungen verhalte Eine solche Einigung
musste wohl auch dem Interesse beider Teile entsprechen, indem sie ihnen
gestattet, die durch die tatsächliche Benutzung gegebenen Beziehungen
auf einen voraussehbaren Zeitpunkt ordnungsgemäss abznwickeln und die
Ungewissheit des Prozessausganges mit in Rechnung zu bringen. Jnsofern
diese Verabredung den Rechtszustand, wie ihn die Vertragsanfechtung
geschaffen hat, abändert, ist nicht einzusehen, wieso nicht auch der
Richter darauf Rücksicht nehmen follie. Hienach kommt man also, sachlich
in Übereinstimmung mit dein Vorentscheid, dazu, für die Zeit vom zweiten
Pachtjahre an und so lange die Pachtnutzung dauert, einen Jahresbetrag
von ebenfalls 720 Fr. zu Gunsten des Klägers vom vertraglichen Zins
von 3000 Fr. abzuziehen, so dass der Kläger nur die Differenz, als das
Äquivalent für die weitere Pachtnutzung, am jeweiligen vertraglichen
Fälligkeitstermine zu entrichten hat. Hinsichtlich der Frage endlich, wie
lange das Pachtverhältnis noch in der genannten Weise weiter zu führen
sei, ist zu sagen: Der Beklagte hat sich dem Begehren des Klägers,
die nächste Mitte Mainz nach Rechtskraft des Urteils als Endtermin
anzusehen, nicht widersetzt und wenn der am 25. Februar 1913 ergangene
Vorentscheid von Mitte März nächsthin, also 1913, spric: : will er doch
offenbar den nunmehr eingetretenen Fall vorbehalten wissen, wonach die
Sache an das Bundesgericht weitergezogen und von diesem erst nach Mitte
März 1913 erledigt würde. Als Endtermin muss sonach der 15. März 1914
gelten. Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichis

des Kantons Luzern vom 25. Februar 1913 bestätigt.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 39 II 238
Date : 24. Januar 1913
Published : 31. Dezember 1914
Source : Bundesgericht
Status : 39 II 238
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : 238 A. Oberste Zivilgcrichtsinslanz. [. Matericiirechtliche Entscheidungen. 44.


Legislation register
OG: 53
OR: 19  24  28  31
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defendant • error • lower instance • federal court • value • nullity • contract conclusion • question • interest • error on a material point • measure • value of matter in dispute • counter-performance • behavior • adult • intention • calculation • authorization • correctness • duration
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