56 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. II. Abschnitt. Bundesgesetze

tion eines postamtlichen Briefeinwurfs). Ein die Zustellung ver-

hindernder Mangel der Adressierung vermag die Wirksamkeit des-

tatsächlich vollzogenen Übergabeaktes nicht auszuschliessen, wenn
nur feststeht, dass die Sendung nach dem Willen des Aufgebers richtig
erweise an das Bundesgericht adressiert sein sollte. Hierüber kann aber
vorliegend kein Zweifel obwalten, hat doch die Ubernahmspoststelle Luzern
am 18. November schon den Empfang einer Sendung für das Bundesgericht
bescheinigt, auf das die richtige Ortsangabe Lausanne der Adresse
hinwies. Der Rekurs ist somit rechtzeitig eingereicht. Die gegenteilige
Annahme liesse sich unter den hier gegebenen Umständen um so weniger
rechtfertigen, als der Vertreter des Rekurrenten offenbar hinlänglich
Zeit gehabt hätte, das Versehen der Adresse noch innerhalb der (erst
am 25. November ablaufenden) Rekursfrist zu berichtigen, wenn ihm die
Sendung von der Postverwaltung nicht erst nach zehn Tagen, sondern in
ordnungsgemässer Erledigung des Rücktransportes wieder ausgehändigt
worden wäre-

II. Tragung' der Kosten der Verpflegung und des Transport-,es erkrankter
arm er Angehöriger anderer Kantone. Frais d'entretien et de transport
des ressortissants indigents et malades d'autres cantone.

8. Zier-teil vom 27. Februar 1913 in Sachen gt. Gatten gegen Thurgau.

Interkantonales Armenrecht gemäss Art. 1 des BG v. 22. Juni 1875:
Streitigkeiten über dessen Anwendung fallen unter A rt. i 75 A bs. 1
Z i f fer 2 OG; die Anrufung des Bundesgerichts ist nicht an die Frist
des Art. 178 Ziffer 3 OG geknüpft. Die bundesgesetzliche Für 8 o 1 ge })
f l z" ch t für erkrankte unbemittelte Angehörige anderer Kantone liegt,
ohne Rücksicht auf den Wohnsitz des Erkrankten, demjenigen Kanton ob,
auf dessen Gebiet die Erk ran h u n g er fo lg t. Anerkennung einer
gesetzlich nicht begründeten Kostentragungspflicht ?

ll. Verpflegungs-u. Transportkosten für Angehörige anderer Kantone. N°
8. 57

Das Bundesgericht hat auf Grund folgender Aktenlage:

A. Am 16. November 1911 verunglückte der als Knecht auf dem Gute Neuhof
in der thurgauischen Gemeinde Hauptwil angestellte unbemittelte Jakob
Koller von Teufen (Kanton Appenzell A..Rh.) mit einem Fuhrwerk seines
Dienstherrn auf dem Gebiete der st. gallischen Gemeinde Gossau. Er
erlitt einen komplizierten Armbruch nebst anderweitigen Verletzungen
und wurde auf Anordnung des ihm die erste Hilfe leistenden Arztes in
das Kantonsspital St. Gallen übergesührt.

Mit Zuschrift vom 18. November gab der Gemeinderat Gossau dem Gemeinderate
Hauptwil von der Angelegenheit Kenntnis, mit dem Bemerken, dass er
ihm seiner Zeit die Rechnung zur Bezahlung aus dortiger Armenkasse
überweisen werde, sofern der Betroffene nicht selbst hiesür aufkommen
könne. Und nachdem er auf diese Zuschrift keine Antwort erhalten hatte,
übersandte er dem Gemeinderate Hauptwil am 4. Januar 1912 die Rechnung
des Kantonsspitals St. Gallen für Verpflegung des Jakob Koller bis
31. Dezember 1911 im Betrage von 50 Fr. 60 Ets. zur gefl. direkten
Regulierung; dagegen nahm die Gemeinde Gossau die Kosten der ersten
ärztlichen Hülfe auf sich. Der Gemeinderat Hauptwil übermittelte
die Rechnung sofort unter gleichzeitiger Anzeige an den Gemeinderat
Gossau, dass für solche Spitalkosten nach thurgauischem Recht die
Kirchspielarmenpflege ·zahlungspflichtig sei an die nach seiner
Vermutung zuständige Armenpflege der (katholischen) Kirchgemeinde
St. Pelagiberg. Diese lehnte jedoch die Zahlungsleistung mit der
Begründung ab, dass entweder der Dienstherr des Verunglückten, oder
dann dessen Heimatgemeinde Teuer für die fraglichen Kosten aufzukommen
habe. In der Folge wandte sich die Gemeindebehörde von Gossau, da auch
der Dienstherr Kollers ihr gegenüber die Rechtspflicht zur Bezahlung der
Unfallskosten für seinen Knecht, dem er Selbstverschulden (Trunkenheit)
vorwarf, bestritt und sich bloss freiwillig zu einer Beitragsleistung
hieran bereit erklärte, und da

. die Gemeinde anderseits vom Verwalter des Kantonsspitals St.

Gallen am 11. Januar 1912 die Auskunft erhielt, Koller befinde sich zwar
zur Zeit ausser Bett und sei reisefähig, doch

58 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. ll. Abschnitt. Bundesgesetze.

werde seine Kurzeit mit notwendigem Aufenthalt in einem Spital noch
viele Wochen dauern, an den Regierungsrat des Kantons St. Gallen mit dem
Ersuchen um Wahrung ihrer Rechtsstellung gegenüber den thurgauischen
Behörden. Mit Schreiben vom 23. Januar 1912 intervenierte hierauf
der Regierungsrat bei der Regierung des Kantons Thurgau, indem er
den Standpunkt einnahm, der Patient Koller falle, mit Rücksicht auf
dieTatfachen seines Wohnsitzes zur Zeit des Unfalles und seither in der
Gemeinde Hauptwil und seiner nachgewiesenermassen schon unmittelbar nach
dem Unfalle bestehenden Transportund Reisefähigkeit, der Wohngemeinde
Hauptwil zur Last; die Gemeinde Gossau sei nur verpflichtet gewesen,
ihm die erste ärztliche Hülfe auf ihre Kosten angedeihen zu lassen und
die Wohngemeinde zu benachrichtigen; diese letztere habe denn auch ihre
Unterstützungspflicht zunächst stillschweigend anerkannt

Der Regierungsrat des Kantons Thurgau überwies die Angelegenheit zur
erstinstanzlichen Erledigung an den Vezirksrat Bischofszell. Dieser
beschloss am 5. Februar 1912, es sei die Beschwerde der Regierung
des Kantons St. Gallen abgewiesen. Er führte zur Begründung aus,
da sich ergebe, dass der Verunglückte transportfähig gewesen sei,
hätte die Gemeinde Gossau die Pflicht gehabt, von dem Notfall und der
Uberführung des

Patienten in den st. gallischen Kantonsspital nicht nur der

Wohngemeinde, sondern auch der Heimatgemeinde Teufen, der laut Art. 3
des BG vom 22. Juni 1875 die Kostenersatzpflicht obliege, Mitteilung
zu machen; wenn die Gemeinde Hauptwil sich gegen das ungesetzliche
Ansinnen der Zahlungsleistung nicht sofort, sondern erst bei der
wirklichen Geltendmachung der Forderung, gewehrt habe, so könne dies
keinen Rechtsgrund für ihre Zahlungspflicht bilden.

Gegen diesen Beschluss rekurrierte der Regierungsrat des Kantons
St. Gallen an die thurgauische Regierung unter Erneuerung seines Begehrens
um dortseitige Anerkennung der Ubernahmsund Unterstützungspflicht
betr. Jakob Koller. Er betonte neuerdings, die Gemeinde Gossau als
Notfallort habe sich einzig und allein an die faktische und legale
Wohngemeinde des Patienten, Hauptwil, zu halten gehabt; an dieser sei
es gewesen, auf Grund

H. Verpflegungsu. Transportkosten für Angehörige anderer Kantone. N°
8. 59 .

der sofortigen Benachrichtigung über die weitere Fürsorge für den
transportfähigen Kranken zu verfügen und insbesondere auch, sich
mit dem Heimatkanton zur Behandlung des Falles gemàs; Art. 3 des
BG vom 22. Juni 1875 in Beziehung zu setzen; die Gemeinde Hauptwil
habe die Zahlungspflicht des Wohnsitzkantons an und für sich auch
nachträglich nicht bestritten, sondern nur der ortsbürgerlichen
Armenpflege zugeschoben. ' Durch Beschluss vom 29. März 1912 wies
der Regierungsrat des Kantons Thurgau die Beschwerde ebenfalls ab.
Er ergänzte den Tatbestand des Falles durch die Angabe, es habe
sich nachträglich herausgestellt, dass Koller der evangelischen
Konfession angehöre, jedoch verweigere auch die evangelische Kirchen-
vorsteherschaft Bischofszell, die danach eventuell in Frage käme,
jede Zahlungspflicht. Rechtlich bemerkte er wesentlich: Aus Art. 1
des BG vom 22. Juni 1875 müsse notwendig geschlossen werden, dass ein
verarmter Kranker, sobald er transportfähig sei, in den Heimatkanton
verbracht werden könne, wenn dieser nicht etwa vorziehe, für weitere
Verpflegungskosten Garantie zu leisten. Koller hätte somit seinen
Heimatbehörden zugeführt werden können und sollen. Die Anordnungenhiefür
zu treffen aber habe nur Sache derjenigen Behörden sein können, welche
die erste Hülfe anzuordnen gehabt hätten und in deren Pflege und Obhut
der Kranke sich tatsächlich befunden habe, somit der st. gallischen. Die
Gemeindebehörde von Hauptwil sei nur verpflichtet gewesen, auf Ansuchen
über die Verhältnisse betreffend Lohnguthaben des Verunglückten bei
seinem Meister ze. Auskunft zu erteilen. Die Anzeige der Gemeinde Gossau
an die nicht zahlungspflichtige Ge-

meinde Hauptwil sei ohne rechtliche Bedeutung; zur Anerkennung

der Unterstützungspflicht in Armensachen müsse die Übernahme der
Kostengarantie förmlich ausgesprochen werden.

B. Mit Eingabe vom 31. Dezember 1912 hat der Regierungsrat des Kantons
St. Ga upr unter Berufung auf Art. 175 Ziff. 2 und Art. 177 OG den
staatsrechtlichen

Refin-B an das Bundesgericht ergriffen und das Rechtsbegehren

gestellt: Es sei der Entscheid des Regierungsrates des Kautons Thurgau
vom 29. März 1912 i. S. des Jakob Koller, Knecht von

60 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. 11. Abschnitt. Bundesgesetze.

Teuer, in Gottshaus-Hauptwil, aufzuheben und der Kanton Thurgau
gemäss Art. 1
SR 170.32 Bundesgesetz vom 14. März 1958 über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner Behördemitglieder und Beamten (Verantwortlichkeitsgesetz, VG) - Verantwortlichkeitsgesetz
VG Art. 1
1    Den Bestimmungen dieses Gesetzes unterstehen alle Personen, denen die Ausübung eines öffentlichen Amtes des Bundes übertragen ist, nämlich:
a  ...5
b  die Mitglieder des Bundesrates und der Bundeskanzler;
c  die Mitglieder und Ersatzmitglieder der eidgenössischen Gerichte;
cbis  die Mitglieder der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft;
d  die Mitglieder und Ersatzmänner von Behörden und Kommissionen des Bundes, die ausserhalb der eidgenössischen Gerichte und der Bundesverwaltung stehen;
e  die Beamten und übrigen Arbeitskräfte des Bundes;
f  alle anderen Personen, insoweit sie unmittelbar mit öffentlichrechtlichen Aufgaben des Bundes betraut sind.
2    Ausgenommen sind die Angehörigen der Armee mit Bezug auf ihre militärische Stellung und ihre dienstlichen Pflichten.
des VG über die Kosten der Verpslegung erkrankter und
der Beerdigung verstorbener armer Angehöriger anderer Kantone, vom
22. Juni 1875, zur Anerkennung des in der Beschwerde an ihn gestellten
Rekursbegehrens zu verpflichten.

Die Begründung dieses Begehrens geht dahin, der Streit drehe sich um die
Frage, ob derjenige Kanton, auf dessen Gebiet der Unfall eingetreten sei,
oder aber der Wohnsitzkanton des Verunglückten das Heimschasfungsverfahren
bei den Behörden desHeimatkantons einzuleiten habe, bezw. wie weit in
einem solchen Falle die Verpflichtungen der beiden Kantone gingen. Nach
der st. gallischen Auffassung habe der Unfallkanton dem Verunfallten
nur die erste ärztliche Hilfe und Verpflegung, bis zum Momente seiner
Transportfähigkeit, zukommen zu lassen und dem Wohnortkanton Mitteilung
zu machen, damit dieser gegebenenfalls das Heimsehaffungsverfahren
einleiten könne. Selbst wenn übrigens der Standpunkt des thurgauischen
Regierungsrates, wonach die Gemeinde Gossau sich solange des Patienten
Koller anzunehmen gehabt hätte, bis eine andere Behörde die Garantie
für seine weitere Verpflegung förmlich erklärt oder den Patienten
übernommen hätte, an sich richtig wäre, so könne es doch nicht angehen,
dass die Gemeinde Hauptwil, nachdem sie .die Anzeige des Unsalles
wochenlang unerwidert gelassen habe, dann die Rechnungsstellung nicht
an sich kommen lassen wolle. Zudem sei neuerdings zu betonen, dass
der Gemeinderat Hauptwil in seiner Antwort an den Gemeinderat Gossau
die Zahlungspflicht der thurgauischen Wohngemeinde nicht bestritten,
sondern sie nur der ortsbürgerlichen Armenpflege zugeschoben habe. Aus
Art. 1 des BG vom22. Juni 1875 müsse keineswegs, wie der thurgauische
Regierungsrat behaupte, notwendig geschlossen werden, dass auch in
Fällen, wo ein ausserhalb seines Heimatkantons sich aufhaltender, mit
legalem Wohnsitz versehener Bürger bei Ausübung seines Beruses oder sonst
zufällig auf dem Gebiete eines dritten Kantons verunglücke, die Pflicht
der weiteren Fürsorge für den Patienten nach Angedeihenlassen der ersten
und notwendigen Hilfe auch bei Transportfähigkeit des Patienten nicht
dem eigentlichen Wohnsitzkanton obliegen solle, sondern dem Kanton,
in dem sich der

Il. Verpflegungsu. Transportkosten für.Angehörige anderer Kantone. N°
8. Gl

Unfall ereignet habe. Die gegenteilige Auffassung sei nicht nur mitdem
Sinn und Geist des Bundesgesetzes sehr wohl vereinbar, sondern sie
entspreche direkt der ratio legis. Verwiesen werde auf das Urteil des
Bundesgerichts vom 8. Dezember 1897 i. S. Appenzell A.-Rh. gegen Genf
(A. S. 23 II Nr. 198 Erw. 3 S. 1467), wo festgestellt sei, dass nach
dem BG vom 22. Juni 1875 der Wohnsitzkanton die Verpflegungskosten zu
tragen habe.v Die Behörden des Wohnsitzkantons seien es auch, welche
die Verhältnisse des Erkrankten in Bezug auf seine ökonomische Lage,
seine Bedürftigkeit, seine Ansprüche an unterstützungspflichtige Dritte
usw. kenne und zu beurteilen habe. Der Standpunkt der thurgauischen
Regierung, wonach die Wohngemeinde des Verunfallten über dessen
Verhältnisse lediglich dem Unfallkanton Auskunft zu geben hätte, während
es im übrigen diesem obliege, sich mit dem Heimatkanton zu verständigen,
sei weder im Bundesgesetz begründet, noch auch praktisch berechtigt. '

C. Der Regierungsrat des Kantons Thurgau hat in seiner Vernehmlassung
zunächst die Einrede der Rekursverspätung erhoben, unter Hinweis darauf,
dass der Regierungsrat des Kantons St. Gallen, dem die angefochtene
Schlussnahme am 1. April 1912 zugestellt worden sei, die 60tägige
Beschwerdefrist nicht eingehalten habe. Event. hat er in Festhaltung
der Argumentation seines Entscheides auf Abweisung des gegnerischen
Rechtsbegehrens angetragen. '

Die evangelische Kirchenvorsteherschaft Bischofszell als Vertreterin
der allenfalls in der Sache interessierten thnrgauischen Kirchgemeinde
Bischofszell, die der Regierungsrat seinerseits zur Wahrung ihrer
Rechtsstellung aufgefordert hat, hat sich im gleichen Sinne vernehmen
lassen; --

in Erwägung:

1. Es handelt sich vorliegend nicht, wie die thurgauischeu Behörden
anzunehmen scheinen, um eine staatsrechtliche Beschwerde im Sinne des
Art. 175 Abs. 1 Ziffer 3
SR 170.32 Bundesgesetz vom 14. März 1958 über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner Behördemitglieder und Beamten (Verantwortlichkeitsgesetz, VG) - Verantwortlichkeitsgesetz
VG Art. 1
1    Den Bestimmungen dieses Gesetzes unterstehen alle Personen, denen die Ausübung eines öffentlichen Amtes des Bundes übertragen ist, nämlich:
a  ...5
b  die Mitglieder des Bundesrates und der Bundeskanzler;
c  die Mitglieder und Ersatzmitglieder der eidgenössischen Gerichte;
cbis  die Mitglieder der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft;
d  die Mitglieder und Ersatzmänner von Behörden und Kommissionen des Bundes, die ausserhalb der eidgenössischen Gerichte und der Bundesverwaltung stehen;
e  die Beamten und übrigen Arbeitskräfte des Bundes;
f  alle anderen Personen, insoweit sie unmittelbar mit öffentlichrechtlichen Aufgaben des Bundes betraut sind.
2    Ausgenommen sind die Angehörigen der Armee mit Bezug auf ihre militärische Stellung und ihre dienstlichen Pflichten.
OG, sondern vielmehr um eine selbständige Klage
des Kantons St. Gallen öffentlich-rechtlicher Natur, die zutreffend
auf Art. 175 Abs. 1 Ziffer 2
SR 170.32 Bundesgesetz vom 14. März 1958 über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner Behördemitglieder und Beamten (Verantwortlichkeitsgesetz, VG) - Verantwortlichkeitsgesetz
VG Art. 1
1    Den Bestimmungen dieses Gesetzes unterstehen alle Personen, denen die Ausübung eines öffentlichen Amtes des Bundes übertragen ist, nämlich:
a  ...5
b  die Mitglieder des Bundesrates und der Bundeskanzler;
c  die Mitglieder und Ersatzmitglieder der eidgenössischen Gerichte;
cbis  die Mitglieder der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft;
d  die Mitglieder und Ersatzmänner von Behörden und Kommissionen des Bundes, die ausserhalb der eidgenössischen Gerichte und der Bundesverwaltung stehen;
e  die Beamten und übrigen Arbeitskräfte des Bundes;
f  alle anderen Personen, insoweit sie unmittelbar mit öffentlichrechtlichen Aufgaben des Bundes betraut sind.
2    Ausgenommen sind die Angehörigen der Armee mit Bezug auf ihre militärische Stellung und ihre dienstlichen Pflichten.
und Art. 177 OG gestützt wird und deren
Zulässigkeit demnach, feststehender Praris gemäss, nicht an die Einhaltung
der 60tägigen

62 A. Staatsrecmliche Entscheidungen. ll. Abschnitt. Bundesgesetze.

Rekursfrist des Art. 178 Ziffer 3 OG geknüpft ist (vergl. z.B. BGE 32
I Nr. 71 Erw. 2 S. 485).

2. Lant Art. 1 des BG. über die Kosten der Berpslegung erkrankter und
der Beerdigung verstorbener armer Angehöriger anderer Kantone, vom
22. Juni 1875, haben die Kantone dafür zu sorgen, dass unbemittelten
Angehörigen anderer Kantone, welche erkranken und deren Rückkehr
in den Heimatkanton ohne Nachteil für ihre oder anderer Gesundheit
nicht geschehen kann, die erforderliche Pflege und ärztliche Besorgung
und im Sterbesall eine schickliche Beerdigung zu teil werden (wobei,
nach Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes, ein Ersatz der hierbei erwachsenden
Kosten durch die öffentlichen Kassen oder Anstalten der Heimatgemeinde
nicht stattfindet). Dieser Gesetzes-text spricht es allerdings nicht
völlig bestimmt aus, allein die Entstehungsgeschichte und der Zweck
des Gesetzes lassen einen Zweifel darüber schlechterdings nicht zu,
dass die darin vorgeschriebenen Verpflegungsmassnahmen von den Behörden
desjenigen Kantons zu treffen sind, auf dessen Gebiet die Erkrankung
(Gesundheitsbeschädigung irgend welcher Art, insbesondere auch Verletzung
zufolge Unfalls) eines unbemittelten Angehörigen eines andern Kantons
erfolgt. Es soll also die gesetzliche Hülfsund Verpflegungspflicht einfach
an die Tatsache der Erkrankung geknüpft sein, ohne Unterschied, ob die
erkrankte Person im betreffenden Kanton der nicht ihr Heimatkanton
ist ihren Wohnsitz im Rechtss inne hat oder aber sich im Momente
der Erkrankung nur zu vorübergehendem Aufenthalt innerhalb seiner
Grenzen besindet. Das Gesetz ist, was die Krankenbehandlung betrifft,
aus humanitären Erwägungen erlassen worden, nämlich im Interesse der
erkrankten Personen selbst und ihrer Umgebung: um bei interkantonalen
Verhältnissen die sofortige rationelle Fürsorge für erkrankte Unbemittelte
sicherzustellen und die Durchführung von Transporten solcher Kranken
in ihre Heimat, denen gesundheitliche oder gesundheitspolizeiliche
Gründe entgegenstehen, zu verhindern. Dieser Zweck des Gesetzes aber
erfordert naturgemäss das Eingreifen der Behörden des Erkrankungsortes
als solchen, ohne Rücksicht auf dessen anderweitige Beziehungen zur
Person des Erkrankten. In diesem Sinne hatte schon das die Mehrzahl

ll. Verpflegungsu. Transportkosten für Angehörige anderer Kantone. N°
8. 63 der Kantone umfassende Konkordat betreffend gegenseitige
klagütung der Verpflegungsund Begräbniskosten sur armer iein gehörige,
vom 16. November 1865, das der bundesrelclh dim Regelung der Materie
vorausgegangen war,·in Art. 1 a gejniim bestimmt, dass zur Verpflegung
verniögensloser Kranker uns MSchioangerschaftszustande besindlicher
Personen, deren TMan ckin den Heimatkanton nach ärztlicher Beurkundung
aus n' sichten der Humanitas untunlich erscheine, die (Gemeindef it!;
welcher die betreffende Person sich befinde, vierpxlicher sei (im
Unterschied zum heutigen Bundesgesetz allerding n; gegen den Anspruch
auf Rückerstattung der Kosten bug?) ie Heimatgemeinde). Und entsprechend
lautet Art. 48 B gg 29. Mai 1874, der die verfassungsmässige Grundlage des
_ vom 22. Juni 1875 bildet, deutlicher, als der Art. 1 dgseéîGesetzes
selbst, dahin, dass das Gesetz uber die Kosten gert expflegung und
Beerdigung armer Angehorigerl eines an odne; welche in einein andern
Kanton krank werden oA , sterben, die nötigen Bestimmungen zu treffen
habe. Die tdiffassung, dass das Gesetz den Kanton des Erkrankungskllo
er Sterbeortes schlechthin dein Heimatkanton gegenuberstellen roi _
was übrigens speziell im Sterbefalle hinsichtlich der lèslttck); zu
schicklicher Beerdigung ohne weiteres klar sein durfte , Lizs densn
auch, im Einklang mit der Literatur (B.lumer-Morel, 112723 staatsrecht
I, S, 321; Burckhardt, Kommentar z. BV, S. d)in der bisherigen Praxis
stets zur Geltung gebracht w:(r)7en (vergl. BGE 10 Nr. 37 S. 218; 31 I
Nr. 75 Erw. 2 S. ). In dem vom Kanton St. Gallen angerufeiien llrteile
(A. S. 2311 Nr. 198) hat das Bundesgericht allerdings von den Pflichten
des Wohnsitzkantons aus Art. 1· des. BG vorn 22. Juni 1875 gesprochen,
allein es hat dabei, wie der gänsamnienhang (1. c. Erw. 3 S. 1467)
sofort erkennen lasst, en Ausdruck Wohnsitz nicht in seinem besonderen
Rechtssinnte (als Gegensatz zum bloss vorübergehenden Aufenthalt)
gebrauchs, sondern vielmehr bloss zur allgemeinemBezeichnung des Fantoknt
des tatsächlichen Aufenthaltes m seiner Gegensatzlich ei

' tanton als ol em. . ' sung. sie unGaeknäss der vsorsilzhenden Erwägung
kann im hier ge-

64 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. ll. Abschnitt. Bundesgesetze.

gebenen Falle ein Streit über die Kostentragung nach dem BG vom 22. Juni
1875 überhaupt nur zwischen St. Gallen als dem Kanton des Erkrankungsortes
und dem Heimatkanton des Erkrankten, Appenzell A.-Rh., in Frage fommen,
der thurgauische Wohnsitz des auswärts Erkrankten dagegen spielt für
die Kostentragungspflicht grundsätzlich keine Rolle. Das Argument des
Kantons St. Gallen, dass in solchen Fällen die Auseinandersetzung mit
dem Heimatkanton nicht dem Kanton des Erkrankungsortes, sondern dem
Wohnsitzlanton obliegen müsse, weil einzig die Behörden des Wohnsitzes
in der Lage seien, die für die Anwendung des BG erheblichen Verhältnisse
des Erkrankten zu beurteilen, vermag die erörterte Gesetzesauslegung
nicht zu entkräften. Diesem Umstande wird, soweit er zutrifft,
durch die allerdings anzunehmende und vorliegend vom Kanten Thurgau
auch ausdrücklich anerkannte Verpflichtung der Wohnortsgemeinde zur
Auskunftserteilung an die Gemeinde des Erkrankungsortes in genügender
Weise Rechnung getragen. Auch der Versuch des Kantons St. Gallen, aus dem
Verhalten der Gemeindebehörde von Gossau eine verbindliche Anerkennung der
von ihm behaupteten Rechtsstellung des Kantons Thurgau abzuleiten, muss
als durchaus verfehlt bezeichnet werden. Eine solche Anerkennung einer
gesetzlich nicht begründeten Rechtspflicht darf gewiss nicht vermutet
werden, sondern bedürfte, wie die thurgauischen Behörden mit Recht
angenommen haben, einer bestimmten Erklärung, wie sie in der blossen
Mitteilung der Gemeinderatskanzlei Hauptwil an den Gemeinderat Gossau
gegenüber dessen Rechnungsstellung, dass für derartiges Spitalkosten im
Thurgau die Kirchspielsarmenpflege zahlungspflichtig sei, schlechterdings
nicht gesunden werden kann. Das Rechtsbegehren des Kantons St. Gallen
erweist sich somit als unbegründet; erkannt: Die Klage des Kantons
St. Gallen wird abgewiesen.

lll. Vormundschaft. N° 9. 65

III. Vormundschaft. Tutesle.

9. gwen vom 27. Februar 1913 in Sachen Memnone-g gegen Falls-.

Bei Streitigkeiten i. S. von Art. 180
SR 170.32 Bundesgesetz vom 14. März 1958 über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner Behördemitglieder und Beamten (Verantwortlichkeitsgesetz, VG) - Verantwortlichkeitsgesetz
VG Art. 1
1    Den Bestimmungen dieses Gesetzes unterstehen alle Personen, denen die Ausübung eines öffentlichen Amtes des Bundes übertragen ist, nämlich:
a  ...5
b  die Mitglieder des Bundesrates und der Bundeskanzler;
c  die Mitglieder und Ersatzmitglieder der eidgenössischen Gerichte;
cbis  die Mitglieder der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft;
d  die Mitglieder und Ersatzmänner von Behörden und Kommissionen des Bundes, die ausserhalb der eidgenössischen Gerichte und der Bundesverwaltung stehen;
e  die Beamten und übrigen Arbeitskräfte des Bundes;
f  alle anderen Personen, insoweit sie unmittelbar mit öffentlichrechtlichen Aufgaben des Bundes betraut sind.
2    Ausgenommen sind die Angehörigen der Armee mit Bezug auf ihre militärische Stellung und ihre dienstlichen Pflichten.
, Zi/T . 4 OG ist die Beobachtung
der Frist des Art. 178 Z isf. 3 l. c. und die Erschöpfung des kantonalen
Instanzenzuges nicht notwendig. Die in Art. 377
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 377 - 1 Hat sich eine urteilsunfähige Person zur Behandlung nicht in einer Patientenverfügung geäussert, so plant die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt unter Beizug der zur Vertretung bei medizinischen Massnahmen berechtigten Person die erforderliche Behandlung.
1    Hat sich eine urteilsunfähige Person zur Behandlung nicht in einer Patientenverfügung geäussert, so plant die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt unter Beizug der zur Vertretung bei medizinischen Massnahmen berechtigten Person die erforderliche Behandlung.
2    Die Ärztin oder der Arzt informiert die vertretungsberechtigte Person über alle Umstände, die im Hinblick auf die vorgesehenen medizinischen Massnahmen wesentlich sind, insbesondere über deren Gründe, Zweck, Art, Modalitäten, Risiken, Nebenwirkungen und Kosten, über Folgen eines Unterlassens der Behandlung sowie über allfällige alternative Behandlungsmöglichkeiten.
3    Soweit möglich wird auch die urteilsunfähige Person in die Entscheidfindung einbezogen.
4    Der Behandlungsplan wird der laufenden Entwicklung angepasst.
ZGB vorgesehene Zustimmung
zum Wohnsitzweehsel des Mandela kann nur von der Vormundschaftsbehörde
und nicht vom Vormunde allein, von jener aber auch stillschweigend erteilt
werden. Momente für und gegen die Annahme stillschweigender Zustimmung.

Das Bundesgericht hat, da sich ergeben: -

A. Der 1849 geborene, in St. Niklaus (Wallis) heimatberechtigte und dort
bevormundete Daniel meoden wurde anfangs April 1912 von seinem Vormund
Joseph Saarbach in Täsch in die Trinkerheilanstalt Pontareuse bei Boudry
verbracht, Am 23. April 1912 deponierte er bei der Einwohnerpolizei
von Boudry seinen Heimatschein und am 10. Mai 1912 wurde ihmdagegen vom
Vorstand der Einwohnerpolizei eine Niederlassungsbewilligung ausgestellt,
nachdem der Präsident und der Schreiber des Waisenamts von St. Niklaus
namens dieses am 28. April 1912 nachstehende, ihnen von Boudry aus zur
Unterzeichnung übermittelte Erklärung abgegeben hatten:

Antorisntion. L'autorité tutélaire de St.-Nicolas consent à ce que le
citoyen Daniel Imboden actuellement sous la curatelle du citoyen Joseph
Saarbach établisse son domicile à Boudry où il est actuellement interné
à l'asile de Pont-a reuse (Boudry).

Nach dem Eingang dieser Erklärung das genaue Datum ist nicht festgestellt
verliess meoden die Anstalt Pontareuse und nahm in einem Hotel in Boudry
Wohnung und Pension. Gleichzeitig liess er durch seinen Bevollmächtigten
Advokat Barrelet in Neuenburg beim Justizdepartement des Kantons Neuenbürg

AS 39 l 1913 5
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Document : 39 I 56
Date : 27. Februar 1913
Published : 31. Dezember 1914
Source : Bundesgericht
Status : 39 I 56
Subject area : BGE - Verfassungsrecht
Subject : 56 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. II. Abschnitt. Bundesgesetze tion eines postamtlichen


Legislation register
OG: 175  177  178  180
VG: 1
ZGB: 377
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