26 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. l. Abschnitt. Bundesverfassung.

gestatten den Verhältnissen jedes Falles Rechnung zu tragen. Es kommt
also alles darauf an, in welcher Weise die zur Festsetzung der Tare
berufene Verwaltungsbehörde von ihrer Befugnis Gebrauch macht. Erst
wenn der Rekurrent um ein Patent eingekommen und ein Entscheid der
kompetenten Behörde über die hiefür zu entrichtende Gebühr ergangen wäre,
liesse sich daher beurteilen, ob eine Beeinträchtigung der Glaubensund
Gewissensfreiheit vorliege. Vorher ist die Beschwerde hierüber verfrüht.

5. Was schliesslich den im Eingang der Rekursschrift ebenfalls angerufenen
Art. 55
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 55 Mitwirkung der Kantone an aussenpolitischen Entscheiden - 1 Die Kantone wirken an der Vorbereitung aussenpolitischer Entscheide mit, die ihre Zuständigkeiten oder ihre wesentlichen Interessen betreffen.
1    Die Kantone wirken an der Vorbereitung aussenpolitischer Entscheide mit, die ihre Zuständigkeiten oder ihre wesentlichen Interessen betreffen.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend und holt ihre Stellungnahmen ein.
3    Den Stellungnahmen der Kantone kommt besonderes Gewicht zu, wenn sie in ihren Zuständigkeiten betroffen sind. In diesen Fällen wirken die Kantone in geeigneter Weise an internationalen Verhandlungen mit.
BV anbetrifft, so hat der Rekurrent unterlassen, irgendwelche
Ausführung darüber zu machen, wieso der angefochtene Entscheid gegen
diese Vorschrift verstossen soll. Jnsbesondere ist, wie bereits bemerkt,
auch nicht einmal angedeutet worden, dass der Vertrieb anderer Zeitungen
durch Umhertragen nach anderen Grundsätzen behandelt werde. Es kann
daher auf diesen Rekursgrund schon wegen mangelnder Substamiierung nicht
eingetreten werden (Art. 178 Ziff. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 55 Mitwirkung der Kantone an aussenpolitischen Entscheiden - 1 Die Kantone wirken an der Vorbereitung aussenpolitischer Entscheide mit, die ihre Zuständigkeiten oder ihre wesentlichen Interessen betreffen.
1    Die Kantone wirken an der Vorbereitung aussenpolitischer Entscheide mit, die ihre Zuständigkeiten oder ihre wesentlichen Interessen betreffen.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend und holt ihre Stellungnahmen ein.
3    Den Stellungnahmen der Kantone kommt besonderes Gewicht zu, wenn sie in ihren Zuständigkeiten betroffen sind. In diesen Fällen wirken die Kantone in geeigneter Weise an internationalen Verhandlungen mit.
OG); --

erkannt: 1. Auf den Rekurs der Freiwilligen Mission wird
nicht eingetreten. 2. Der Rekurs des Johann Hermann Witten wird
abgewiesen.21. gute vom 14. Zllärz 1913 in Sachen CMan und Witbeietligie
gegen àiitid).

Art. 49 Abs. 6
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 49 Vorrang und Einhaltung des Bundesrechts - 1 Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
1    Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
2    Der Bund wacht über die Einhaltung des Bundesrechts durch die Kantone.
BV. Anfechtung de)" zürcherischen
Sekundarschulgemelndesteuer durch Katholiken, soweit der Ertrag für den
(nach protestantischen Grundsätzen und vom protestantischen Geistlichen
erteilten) Religionsunterricht verwendet wird . Keine zu eigentlichen
K ultuszwecken erhobene Steuer. -

Das Bundesgericht hat, da sich ergeben: A. Nach dem zürcherischen
Volksschulgesetz vom 11. Juni 1899 besteht die Volksschnle des Kantons
Zürich aus zwei Abteilungen: Primarschnle und Sekundarschnle. Zum
Lehrplan der

lll. Glaubensund Gewissensfreiheit. N° 4. ai

Primarschule gehört u. a. biblische Geschichte und Sittenlehre; der
Unterricht hierin wird in den ersten sechs Klassen vom Lehrer erteilt
und ist so zu gestalten, dass Schüler verschiedener Konsessionen
ohne Beeinträchtigung der Gewissensfreiheit daran teilnehmen können;
im 7. und 8. Schuljahre tritt an Stelle des Lehrers in der Regel
der Geistliche der betreffenden Kirchgemeinde (§§ 23, 26 und 27 des
Gesetzes). Unterrichtsgegenstände der Sekundarschule sind nach §
67: biblische Geschichte und Sittenlehre, deutsche und französische
Sprache, Ariihmetik, Geometrie, Naturkunde, Geschichte, Geographic,
Schönschreiben, Zeichnen, Gesang, Turnen, Handarbeitsunterricht
und Haushaltungstunde für Mädchen. Der Besuch sämtlicher Fächer
mit Ausnahme der biblischen Geschichte und Sittenlehre ist für die
Schüler obligatorisch. Der Unterricht in der letzteren wird wie in der
7. und 8. Klasse der Primarschule in der Regel von einem zürcherischen
Geistlichen erteilt. Lehrplan und Lehrmittelwerden vom Erziehungsrat
nach Einholung eines Gutachtens des Kirchenrates festgestellt (§§
68 und 70). Im Anschluss an diese Vorschriften bestimmt die von der
zürcherischen Synode am 13. Februar 1905 erlassene Kirchenordnung für
die evangelische Landeskirche des Kantons Zürich in den §§ 66 und 67:

g 66. Der von den Geistlichen zu erteilende Religionsunterricht zerfällt
in folgende Stufen:

a) die 7. und 8. Altersklasse der Primarund die Sekundarschule,

b) bie jüngere und die ältere Unterweisung,

c) den Konfirmandenunterricht.

§ 67. Der den Geistlichen durch die Gesetzgebung zugewiesene
Religionsunterricht aus der Stufe der Primarund Sekundarschule wird
gemäss Lehrplan erteilt.

Nach dem gegenwärtig geltenden Lehrplan der Volksschule des Kantons Zürich
vom 15. Februar 1905 Abschnitt III Sekundarschule soll der Unterricht in
biblischer Geschichte und Sittenlehre an den religiösen Grundsätzen des
Protestantismus und der zürcherischen Landeskirche fussen. Als Zweck
desselben wird bezeichnet Veredlung des Gemütslebens und Bildung des
Charakters im Sinne der Vertiefung der durch Elternhaus und

28 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

Primarschule geweckten sittlich-religiösen Gesühle. Der Stoff soll "nicht
allein der biblischen Geschichte und der Lehre Jesu, sondern auch der
Geschichte und dem religiösen Leben der Gegenwart entnommen werden-.

Zur Besorgung der Sekundarschulangelegenheiten bestehen besondere
Sekundarschulkreis-Gemeinden, denen u. a. die Beschlussfassung über
die Voranschläge und Rechnungen, die Bewilligung von Steuern, Zulagen
zu Lehrerbesoldungen und Ruhegehalten zukommt (gg 1 und 4 des Gesetzes
betreffend die Sekundarschulkais-Gemeinden vom 19. März 1878),

B. Der Versammlung der Sekundarschulkreisgemeinde Uster vom 21. Januar
1912 lag u. a. auch der von der Schulpflege ausgearbeitete Voranschlag
des Sekundarschulgutes für das Jahr 1912 vor. Unter den insgesamt 43,365
Fr. betragenden Ausgaben dieses Voranschlages figurierten ein Posten
von 1200 Fr. als Gehalt der beiden Religionslehrer und ein weiterer
in gleicher Höhe für Anschasfung von Lehrmitteln, worin die Lehrmittel
für den Religionsunterricht inbegrifsen waren. Gegen die Aufnahme dieser
beiden Posten protestierten Eduard Kälin und fünf andere Gemeindeeinwohner
katholischer Konfession mit der Begründung, der fragliche Unterricht
trage rein konfessionellen Charakter und diene lediglich der Landeskirche,
die Ausgaben dafür seien daher aus dem allgemeinen Budget auszuscheiden
und ausschliesslich von denjenigen Gemeindemitgliedern zu tragen, die der
Landeskirche angehörten. Die Versammlung verwarf jedoch den dahingehenden
Antrag mit Mehrheit und genehmigte den Vor-· anschlag. Zur Deckung des
Ausgabenüberschusses wurde eine Sekundarschulsteuer von 20,000 Faktoren
zu 1 Fr. 80 Ets. = 36,000 Fr. dekretiert.

Gegen diesen Beschluss rekurrierten Kälin und Mitbeteiligte an
den Bezirksrat Uster, indem sie das an der Gemeindeversammlung
gestellte Begehren wiederxolten Der Bezirksrat schloss sich ihrer
Auffassung an und entschied am 29. Februar 1912: Der Beschluss der
Sekundarschulkreisgemeinde vom 21. Januar 1912 sei für das Jahr 1912
dahin abzuändern, dass die katholischen Gemeindeeinwohner von demjenigen
Betrag der Sekundarschulsteuer entlastet würden, der zur Deckung der
Kosten des Religionsunter-

Ill. Glaubensund Gewissensfreiheit. N° 4. 29

richts notwendig sei.Jn Zukunft sei für den Religionsunterricht an der
Sekundarschule ein besonderes Kultusbudget auszustellen.

Auf Rekurs der Sekundarschulpflege Uster hob indessen der Regierungsrat am
7. Dezember 1912 diesen Entscheid auf, im Wesentlichen mit der Begründung:
dem Bezirksrat sei darin beizustimmen, dass der Religionsunterricht
an der Sekundarschule Merkmale konsessionellen Unterrichts an sich
trage. Allerdings erscheine er im Gesetz unter der neutralen Bezeichnung
"Unterricht in biblischer Geschichte und Sittenlehre. Der Umstand,
dass er in der Regel von einem zürcherischen Geistlichen erteilt werden
solle, dass er sakultativ erklärt werde, dass Lehrplan und Lehrmittel
auf Grund eines Gutachtens des Kirchenrates festgestellt würden, weise
aberdarauf hin, dass schon der Gesetzgeber ihn nach den religiösen
Glaubenssätzen der evangelischen Landeskirche habe erteilt wissen
wollen. Ganz unzweideutig komme dieser Wille im Lehrplane von 1905 zum
Ausdruck. Daraus folge aber noch nicht, dass zur Deckung der Kosten
dieses Unterrichts nur die Angehörigen der Landeskirche herangezogen
werden dürsten. Denn Art. 49 Abs. 6
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 49 Vorrang und Einhaltung des Bundesrechts - 1 Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
1    Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
2    Der Bund wacht über die Einhaltung des Bundesrechts durch die Kantone.
BV verbiete es nicht schlechthin,
ausserhalb einer Konfession stehende Personen für Ausgaben konfessionellen
Charakters zu belasien. Untersagt sei nur die Besteuerung Andersgläubiger
für eigentliche Knltuszwecke einer Religionsgenossenschaft. Als
eigentliche Kultusausgaben könnten aber solche Aufwendungen nicht
angesehen aierden, die von den politischen oder Schulgemeinden zur
Durchführung ihrer Gemeindezwecke, insbesondere der ihnen durch Gesetz
übertragenen Aufgaben gemacht werden müssten, auch dann nicht, wenn
dabei konfessionelle Gesichtspunkte eine Rolle spielten. Mit einem
solchen Falle habe man es hier zu tun. Der Religionsunterricht an der
zürcherischen Sekundarschule sei ein integrierender Bestandteil des den
Gemeinden vom Staat vorgeschriebenen Unterrichtsprogrammes Sein Zweck
sei in erster Linie ein allgemein pädagogischer. Er solle mithelfen,
eine der wichtigsten Aufgaben der Schule, die Leitung der psychischen
Entwicklung der Schüler, zu verwirklichen. Es handle sich bei diesem
Unterricht also um einen gesetzlich geordneten Teil des Wirkungskreises
der Schulgemeinden, so dass nicht von einem eigentlichen Kultuszweck im
Sinne von Art. 49 Abs. 6
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 49 Vorrang und Einhaltung des Bundesrechts - 1 Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
1    Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
2    Der Bund wacht über die Einhaltung des Bundesrechts durch die Kantone.
BV gesprochen

30 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. 1. Abschnitt. Bundesverfassung.

werden könne. Dass bei seiner Ausgestaltung im Einzelnen auf die
religiösen Grundsätze des Protestantismus besondere Rücksicht genommen
werde, sei für die rechtliche Qualifikation ohne Bedeutung, da es dem
Staate freistehe, in welcher Weise er den Religionsunterricht an der
öffentlichen Schule erteilen lassenwolle, sofern nur in Bezug aus die
Teilnahmepslicht der Schüler die Glaubensund Gewissenssreiheit gewahrt
werde.

C. Gegen den Entscheid des Regierungsrates haben Eduard Kälin und
Mitbeteiligte den staatsrechtlichen Rekurs an das Bundesgericht ergriffen,
mit dem Antrage, es sei derselbe aufzuheben und der erstinstanzliche
Entscheid des Bezirksrates Uster wiederherzustellen. Zur Begründung wird
ausgeführt: der Unterricht in biblischer Geschichte und Sittenlehre könne
schon deshalb nicht als integrierender Bestandteil des Schulprogramms
gelten, weil er nicht obligatorisch sei und nicht vom Lehrer, sondern
vom Geistlichen erteilt werde..Die Tatsache, dass ihm ein allgemein
pädagogischer Wert zukomme, ändere an seinem konfessionellen Charakter
nichts. Man habe es also mit einem eigentlichen Kultuszweck im Sinne
von Art. 49 Abs. 6
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 49 Vorrang und Einhaltung des Bundesrechts - 1 Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
1    Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
2    Der Bund wacht über die Einhaltung des Bundesrechts durch die Kantone.
BV zu tun. -

D. Der Regierungsrat des Kantons Zürich und die Sekundarschulpslege
Uster haben auf Abweisung des Rekurses angetragen; -

in Erwägung:

1. Die Rekurrenten berufen sich gegenüber dem angefochtenen Beschlüsse
der Sekundarschulkreisgemeinde Uster auf die durch die Bundesverfassung
gewährleistete Glaubensund Gewissensfreiheit, insbesondere auf Abs. 6 des
Art. 49
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 49 Vorrang und Einhaltung des Bundesrechts - 1 Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
1    Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
2    Der Bund wacht über die Einhaltung des Bundesrechts durch die Kantone.
BV, der bestimmt, dass niemand gehalten sei, Steuern zu bezahlen,
die speziell für eigentliche Kultuszwecke einer Religionsgenossenschast,
der er nicht angehört, auferlegt werden. Das von der Verfassung für die
nähere Ausführung dieses Grundsatzes postulierte Bundesgesetz ist bis
heute nicht erlassen worden. Es steht aber fest, dass der Grundsatz,
der ja nur einen Ausfluss des allgemeinen Prinzips der Glaubensund
Gewissenssreiheit bildet, trotz des Fehlens bundesgesetzlicher
Ausführungsbestimmungen, ohne weiteres anwendbar und für die kantonalen
Behörden verbindlich ist.

2. Wenn sich die angefochtene Steuer überhaupt als Kul-

.... Glaubensund Gewissensfreiheit. N° 4. 31

tussteuer im Sinne von Art. 49 Abs. 6
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 49 Vorrang und Einhaltung des Bundesrechts - 1 Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
1    Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
2    Der Bund wacht über die Einhaltung des Bundesrechts durch die Kantone.
BV darstellt, so kann es nur
der Kultus der zürcherischen evangelischen Landeskirche oder der
evangelischen Kirchgemeinde Uster sein, dem sie dient. Die Rekurrenten
gehören feststehendermassen keinem dieser Verbände an. Das Requisit
der Nichtzugehörigkeit zur betreffenden Religionsgenossenschaft ist
somit gegeben. Fraglich bleibt, ob auch die weiteren Erfordernisse,
die die Verfassung mit den Worten speziell und eigentlicher Kultuszweck
umschreibt, erfüllt seien.

3. Durch die Ausnahme des Ausdruckes speziell in den Art. 4.9 Abs. 6
sollte, wie allgemein anerkannt ist, auf alle Fälle verhütet werden,
dass die allgemeine kantonale Staatssteuer von Dissidenten in einem
Umfange angefochten werden könnte, der dem für kirchliche Bedürfnisse
verwendeten Teile des Steuerertrages entspricht. Der Wortlaut
der Verfassung würde es nicht ausschliessen, weiter zu gehen und
denselben Grundsatz auch auf andere allgemeine Steuern, Gemeindesteuern
oder Steuern besonderer Zweckverbände, wie dies die zürcherischen
Sekundarschulkreisgemeinden sind, anzuwenden. Das Bundesgericht hat
indessen stets den Standpunkt eingenommen, das; die durch das Wort
speziell bezeichnete Einschränkung des verfassungsmässigen Verbotes nur
auf die Staatsund nicht auf die Gemeindesteuern bezogen werden dürfe und
daher jeder Gemeindeeimvohner berechtigt sei, Befreiung von demjenigen
Bruchteile der Gemeindesteuer zu verlangen, der für eigentliche
Kultuszwecke einer Re- ligionsgemeinschaft, der er nicht angehört,
verwendet wird (vergl. A. S. 5 S. 430, 10 S. 320 u. 370, 13 S. 374,
14 S. 159). An dieser Praxis, die sich auf die Entstehungsgeschichte
der Vorschrift stützt und auch dem bundesrätlichen Entwurfe zu einem
Gesetze betr. Steuern zu Kultuszwecken von 1875 (abgedruckt bei Salis,
Bundesrecht III S. 78 ff.) zu Grunde liegt, ist festzuhalten. Der Umstand,
dass die von der Sekundarschulkreisgemeinde Uster bezogene Steuer nicht
nur zur Deckung der Kosten des Religionsunterrichts, sondern der gesamten
Kosten der Sekundarschule, soweit sie nicht vom Staate bestritten werden,
dienenfoll, steht somit dem Begehren der Rekurrenten auf verhältnismassige
Steuerbefreiung nicht entgegen. Ebensowenig kann etwas darauf ankommen,
dass die Steuer nicht von der Religionsgenossenschaft

32 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. l. Abschnitt. Bundesverfassung.

selbst, sondern von einer bürgerlichen Korporation erhoben wird.

4. Das Schicksal des Rekurses hängt somit davon ab, ob der
Religionsunterricht an der zürcherischen Sekundarschule als eigentlicher
Kultuszweck, der dafür bestimmte Teil der Steuer Daher als Steuer
zu eigentlichen Kultuszwecken anzusehen sei. Was die Verfassung
unter eigentlichen Kultuszwecken verstehe, ist streitig. Während das
Bundesgericht in ständiger Praxis davon ausgegangen ist, dass eine
Steuer zu einem eigentlichen Kultuszweck nur dann vorliege, wenn die
durch die Steuer gedeckte Ausgabe ausschliesslich kirchlich-religiösen
Zwecken diene, und demgemäss die Anwendbarkeit des Art. 49 Abs. 6
verneint hat, sobald dadurch, wenn auch nur nebenbei, auch bürgerliche
Bedürfnisse und Aufgaben erfüllt werden (vergl. den zusammenfassenden
Entscheid A. S. 24 I S. 630 Erw. 2), bekämpfen Reding (zur Frage der
Kultussteuern S. 59 ff.) und Burckhardt (Kommentar zur BV. S.· 503/4)
diese Auslegung als zu restriktiv und erachten es als genügend, dass
der kirchliche Zweck der Ausgabe ihrerwiegt, also die Veranlassung oder
doch Hauptbetanlassung der Ausgabe ist, Eine nähere Erörterung dieser
Streitfrage erweist sich indessen deshalb als überflüssig, weil man
auch vom Boden der letzteren Auffassung zur Abweisung des vorliegenden
Rekurses gelangt-. Nach den oben unter A angeführten Bestimmungen des
Volksschulgesetzes und desLehrplans kann kein Zweifel darüber bestehen,
dass der Religionsunterricht an der zürcherischen Volksschule im
Allgemeinen und an der Sekundarschule im Besonderen einen organischen,
integrierenden Bestandteil des Schulunterrichts Bilder. Die Schüler, die
daran teilnehmen, sind in der Schule; der Unterrichtende, auch wenn es der
protestantische Geistliche ist, hat dabei die Eigenschaft eines Lehrers,
wie er ja auch von der Schulgemeinde dafür besoldet wird; Unterricht und
Lehrer unterstehen der Kontrolle der Schulbehörden. Zu diesem äusserlich
organisatorischen Zusammenhang tritt aber auch ein innerlicher. Die
Aufnahme des Religionsunterrichts in das Schulprogramm geschah zweifellos
nicht in der Meinungdass der Staat damit eine Aufgabe übernehme, die
eigentlich der Kirche obliege, dagegen spricht schon der Umstand, dass
die Kirchenordnung neben dem in der Schule zu erteilenden Religions-

lll. Glaubensund Gewissenssreiheit. N° 4. 33

unterricht noch eine besondere kirchliche Unterweisung vorsieht sondern
der Staat betrachtet den Religionsunterricht als eine in den Aufgabenkreis
der Schule fallende Sache, indem er dessen Gegenstand, biblischer
Geschichte und Sittenlehre, einen allgemein pädagogischen Wert beimisst
und ihn mit als ein Mittel ansieht, um die der Schule obliegende Erziehung
der Schüler-, die Bildung des Gemütes, Charakters und Verstandes!, zu
vervollständigen. Der Unterricht soll, wie der Regierungsrat zutreffend
aussührt, mithelfen, eine der wichtigsten Aufgaben der Schule, die Leitung
der psychischen Entwicklung der Schüler, zu verwirklichen. Insofern
hat der Religionsunterricht durchaus bürgerlichen Charakter und bildet
eine Einrichtung derbiirgerlichen Schule. Auf der andern Seite ist
aber auch ein gewisser Zusammenhang mit der Landeskirche vorhanden. Der
protestanlische Geistliche erteilt den Unterricht; wenn er dabei auch in
erster Linie als Lehrer handelt, so erfüllt er doch zugleich auch eine
nach kirchlicher Ordnung ihm obliegende Pflicht. Jener Zusammenhang
zeigt sich auch darin, dass Lehrplan und Lehrmittel vom Kirchenrat
begutachtet werden. Jnsofern kommt somit dem Religionsunterricht an der
Sekundarschule unverkennbar auch ein kirchlicher und konsessioneller
Charakter zu, wie dies denn auch der Regierungsrat nicht in Abrede
stellt. Aber dieses kirchlich-konfessionelle Moment ist doch nicht
das ihrerwiegende. In äusserlich organisatorischer Hinsicht ist der
Zusammenhang mit der Schule unvergleichlich stärker als derjenige mit
der Kirche Aber auch was die innere Seite, den Zweck und die Aufgabe
des Unterrichts anbelangt, geht das allgemein pädagogisch-didaktische,
somit bürgerliche Moment vor. Höchstens könnte gesagt werden, dass sich
beide Momente die Wage halten. Von einem eigentlichen Kultuszweck nach
Art. 49 Abs. 6
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 49 Vorrang und Einhaltung des Bundesrechts - 1 Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
1    Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
2    Der Bund wacht über die Einhaltung des Bundesrechts durch die Kantone.
BV könnte somit auch dann nicht die Rede sein, wenn man den
Boden der bisherigen Praxis als zu eng verlassen und sich dem erwähnten
weiteren Standpunkte anschliessen wollte. An dieser Auffassung ändert der
von den Rekurrenten hervorgehobene fakultative Charakter des Unterrichts
nichts. Das Fakultativum macht den Religionsunterricht noch nicht zu
einer kirchlich-konfessionellen Ein- richtung. Für die Schüler, die am
Unterricht teilnehmen, bleibt er nichtsdestoweniger Schulausbildung. Und
aus dem Umstande, AS 39 l _ 1913 3

34 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. 1. Abschnitt. Bundesverfassung.

dass die Kinder von Disfidenten nicht zur Teilnahme am Unterricht
gezwungen werden könnten, folgt noch nicht, dass diese dafür auch
keine Steuern zu bezahlen hätten. Zur Anwendung des Art. 49 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 49 Vorrang und Einhaltung des Bundesrechts - 1 Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
1    Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
2    Der Bund wacht über die Einhaltung des Bundesrechts durch die Kantone.

BV genügt es eben ganz zweifellos, dass der Unterricht überhaupt
kirchlich-konfessionelle Elemente aufweist, mögen sie auch vor den
allgemein bürgerlichen zurücktreten. Art. 49 Abs. 6 zieht aber für
die Besteuerung nicht alle Konsequenzen, die sich folgerichtig aus dem
allgemeinen Prinzip der Glaubensund Gewissensfreiheit ergäben, sondern
verlangt u. a., dass die Steuer für eigentliche Kultuszwecke erhoben
werde. Hier reicht es also nicht aus, dass der Unterricht auch einen
konfessionellen Zweck verfolgt, sondern dieser konfessionelle Zweck
und Charakter müsste entweder der ausschliessliche fein oder doch zum
mindesten gegenüber dem allgemein bürgerlichen vorwiegen, was nach dem
Gesagten nicht der Fall ist.

5. Hbchstens könnte sich, sofern man von jener weiten Definition
des eigentlichen Kultuszweckes ausgehen wollte, fragen, ob nicht die
Rekurrenten von dem für die Kosten des Religion-Zunterrichts erhobenen
Steuerbetrage mit Rücksicht auf den kirchlich-konfessionellen Einschlag
des Unterrichts teilweise zu befreien seien. Jndessen muss auch eine
solche Teilung, ganz abgesehen davon, ob sie nach der Verfassung
überhaupt zulässig wäre, abgelehnt werden. Denn es handelt sich hier
nicht um eine Einrichtung, bei der kirchlicher und bürgerlicher Nutzen,
wie etwa beim sukzessiven Gebrauche einer Sache für den einen und den
anderen Zweck, prozentual auseinandergehalten werden könnten. Vielmehr hat
die ganze Einrichtung insgesamt den einen und den anderen Charakter und
vom Standpunkte der Schule aus ist der Religion-Zunterricht in seiner
Gesamtheit notwendig Und nützlich. Der Gedanke einer quantitativen
Teilung ist also ausgeschlossen; --

er f a n nt : Der Rekurs wird abgewiesen.

IV. Schuldverhafl. N° 5. 35

IV. Schuldverhaft. Contrainte par corps.

5. guten vom 24. Januar 1913 ins Sachen Zwitter gegen Meroni-ht gm.

Erfordernis der Ersch öpfu ng d es k antona le n Ins tan z enznges
bei Beschwerden wegen Verletzung der Rechts gleiehhec't .(A rt. 4 BV):
Stellung des nrnerischen Landrates als K ass ationsinstanz, im Sinne
des Art. 34 der landrdtliohen Verordnung vom 30. März 1886, gegenüber
obergeriehtlich en Stra fu rteil en, gemäss der auf Art. 59 lit/2,11
urn. KV gestützten Praxis. Keine Verletzung des Grundsatzes nulld
poena sine lege ; dessen Anwendung bei mangelnder Kodifikation des
Strafrechtes im betreffenden Kanton (Uri). Abschaffung des Schuldverhafts
(Art. 59 Abs. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 59 Militär- und Ersatzdienst - 1 Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
1    Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
2    Für Schweizerinnen ist der Militärdienst freiwillig.
3    Schweizer, die weder Militär- noch Ersatzdienst leisten, schulden eine Abgabe. Diese wird vom Bund erhoben und von den Kantonen veranlagt und eingezogen.
4    Der Bund erlässt Vorschriften über den angemessenen Ersatz des Erwerbsausfalls.
5    Personen, die Militär- oder Ersatzdienst leisten und dabei gesundheitlichen Schaden erleiden oder ihr Leben verlieren, haben für sich oder ihre Angehörigen Anspruch auf angemessene Unterstützung des Bundes.
BV). Die Erschöpfung des kantonalen Instanzenznges ist bei
Anrufung dieser Verfassungsbestimmnng nicht erforderlich. Das Verbot des
Schnldverhafts gilt auch für Ford erungen öffentlich rechtlicher Natur,
insbesondere von Prozesskosten ; es steht der nrteilsmässigen Auflage
von S traf pro-

, zesskosten als Busse entgegen.

D as Bundesgericht hat auf Grund folgender Aktenlage:

A. Durch Urteil vom 11. Mai 1912 hat das Obergericht des Kantons
Uri, in Bestätigung der Auffassung des Kriminalgerichts, den
Rekurrenten Dr. jur. Alban Müller der Unterschlagung, des Betrügs,
der Pfandunterschlagung und des leichtsinnigen Schuldenmachens schuldig
befunden und erkannt:

Dr. Alban Müller wird verurteilt:

1. Zu einer Zuchthausstrafe von 3 Jahren unter Abzug

.der ganzen Untersuchungs-hast (seit 21. Januar 1911).

2. Zur Ehrentsetzung auf die Dauer von 5 Jahren.

3. Zur Bezahlung sämtlicher Gerichts(799 Fr.),v Atzungs(keine)
und Untersuchungskosten (637 Fr. 20), als Busse zu bezahlen oder
abzuverdienen.

.-6 ..... .

Den Tatbestand der Unterschlagung, die von Amtes wegen zu verfolgen sei,
haben die beiden Jnsianzen darin erblickt, dass
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 39 I 26
Datum : 14. Januar 1913
Publiziert : 31. Dezember 1914
Quelle : Bundesgericht
Status : 39 I 26
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 26 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. l. Abschnitt. Bundesverfassung. gestatten


Gesetzesregister
BV: 49 
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 49 Vorrang und Einhaltung des Bundesrechts - 1 Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
1    Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
2    Der Bund wacht über die Einhaltung des Bundesrechts durch die Kantone.
55 
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 55 Mitwirkung der Kantone an aussenpolitischen Entscheiden - 1 Die Kantone wirken an der Vorbereitung aussenpolitischer Entscheide mit, die ihre Zuständigkeiten oder ihre wesentlichen Interessen betreffen.
1    Die Kantone wirken an der Vorbereitung aussenpolitischer Entscheide mit, die ihre Zuständigkeiten oder ihre wesentlichen Interessen betreffen.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend und holt ihre Stellungnahmen ein.
3    Den Stellungnahmen der Kantone kommt besonderes Gewicht zu, wenn sie in ihren Zuständigkeiten betroffen sind. In diesen Fällen wirken die Kantone in geeigneter Weise an internationalen Verhandlungen mit.
59
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 59 Militär- und Ersatzdienst - 1 Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
1    Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
2    Für Schweizerinnen ist der Militärdienst freiwillig.
3    Schweizer, die weder Militär- noch Ersatzdienst leisten, schulden eine Abgabe. Diese wird vom Bund erhoben und von den Kantonen veranlagt und eingezogen.
4    Der Bund erlässt Vorschriften über den angemessenen Ersatz des Erwerbsausfalls.
5    Personen, die Militär- oder Ersatzdienst leisten und dabei gesundheitlichen Schaden erleiden oder ihr Leben verlieren, haben für sich oder ihre Angehörigen Anspruch auf angemessene Unterstützung des Bundes.
OG: 178
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
religionsunterricht • charakter • geschichte • geistlicher • lehrplan • bundesverfassung • bundesgericht • verfassung • regierungsrat • deckung • volksschule • gemeinde • kirchenrat • bestandteil • lehrmittel • schulgemeinde • obliegenheit • evangelisch reformierte kirche • uri • frage
... Alle anzeigen