82 A. Oberste Zivilgeriehtsinstaqz l. Materienreedfliche Entscheidungen.

mais uniquement des art. 2, 9 et 32 de la. loi fédérale sur les droits
civila des Suisses étabiis ou en séjour du 25 juin 1891 et de l'art. 9
du Tit. fin. du CCS. En prenant cette decision, le Tribunal fédéral
se fonde exclusivement sur Page et le sexe de l'enfant et le faitssque
dame Benedetti a été reconnue apte à lui donner les soins qui lui sont
actuellement nécessaires, tandis que le père parait l'ètre à un degré
moindre. L'article 157 CGS réserve du reste à ce dernier 1a faculté
de provoquer en tout temps une nouvelie décisio'n par les tribunaux,
dans le cas où la Situation viendrait à se modifier-

Par ces motifs, le Tribunal fédéral

prononce: Le recours est écarté.

7. Zweit der II. Divitabteilimg vom 30. W 1912 in Sachen Yam,
Kl. u. Ber.-Kl., gegen Hure-, Veil. u. Ber.-Bekl.

Erw. i : Intertempmules Recht in Kinderzzzteilungsste'eitigkez'tm.
Erw. 3 und 4: Art. 157 ZGB. Die blosse Tatsache, dass durch den Wegzug
desjenigen Ekegatien, dem die elterliche Gewalt zugesprochen wurde,
die Ausübung des dem andere; Teil zustehenden Besuchsreckts erschwert
oder verunmöglieht werden ken-n, gen-age nick-t zu einer Abänderung
des Kinderzateilungsdispositivs. Ein Vorbein ist dagegen fù'r den Fall
zu machen, dass der Wegzug des einen Elternteile in der unverkmnbaren
Absicht erfolgt, den andere Teil seines Besucàsrecàtes zu berauben-

A. Durch Urteil des Amtsgerichts Nidau vom 2. Dezember 1905 wurde die im
Jahre 1904 abgeschlossene Ehe der heutigen Litiganten geschieden. Das aus
der Ehe hervorgegangene Kind, Ernst Gen.-er, geb. den 29. August 1905,
wurde der Beklagten zur Erziehung und Verpflegung zugesprochen, wogegen
der Kläger verpflichtet wurde; bis zum zurückgelegten 18. Altersjahr
des Kindes einen Beitrag von 75 {gr. per Halbjahr an die Kosten seines
Unterhaltes zu entrichten.e. Ismene-wehe no 7. 33

Die Zuteilung des Kindes an die Beklagte ' wurde im Urteil folgendermassen
begründet : , '

. Was nun den Zuspruch des Kindes anbelangt, so ist dasselbe mit
Rücksicht auf sein jugendliches Alter der Mutter zuzusprechen, ba keine
Gründe vorliegen, dies nicht zu tun. Die natürliche Mutterliebe wird
bei Frau Surer doch wohl stark genug sein zur richtigen Verpflegung
und Auferziehung. Dieser Zuspruch erfolgt aber unter der Bedingung,
dass Frau Saper das Kind richtig halte.

Nach der Scheidung lebte die Beklagte mit dem Kinde zunächst mehrere
Jahre bei ihrer Mutter, Frau Zenger-Säuberlin, in Biel, woselbst
sie den für sich und das Kind nötigen Unierhalt durch Arbeit lzu
verdienen suchte. Während dieser Zeit kam es zwischen dem Kläger
einerseits und der Beklagten sowie ihrer Familie anderseits öfters zu
Meinungsverschiedenheiten wegen der Ausübung des vom Kläger beanspruchten
Rechtes, das Kind alle 14 Tage zu sehen. Im Herbst 1910 wanderte die
Beklagte, unter Zurücklassung des Kindes bei ihrer Mutter, nach Canton
(Ohio) aus, und zwar aus ihren bei den Akten liegenden, sehr ausführlichen
Brieer an ihre Mutter zu schliessen zu dem Zwecke, um dort mehr Geld zu
verdienen. In den Monaten Dezember 1910 bis Mai 1911 sandte sie unter
acht Malen von ihrem Verdienst als Fabrikarbeiterin Beträge von insgesamt
563 Fr. (wovon 250 Fr. Rückerstattung des Reisegeldes) an ihre Mutter. Jn
ihren Brieer sprach sie jeweilen in warmen Worten von ihrem Ernesili.

B. Mit der vorliegenden, am 1. März 1911 beim Amtsgericht Nidau
eingereichten Klage stellte der Ehemann Sara-, der sich unterdessen mit
einer Jda Buches-, Uhrenarbeiterin in Madretsch, wiederverheiratet hatte,
das Rechtsbegehrent Es sei in Abänderung des Urteils vom 2. Dezember
1905 der Knabe Ernst ihm, dem Vater, zur weitern Pflege und Erziehung
zuzusprechen.

Die Begründungs dieser Kiage ist aus der Erwägung 2 hie-nach ersichtlich.

Während der Pendenz des Prozesses vor I. Instanz (am 16. September 1911)
liess die Beklagte den Knaben Ernst zu sich nach Canton kommen. Beide
kantonalen Jnstanzen haben dieses Novum berücksichtigt die II. Instanz
mit folgender Begründung:

AS es " .. 1912 3

34 A. Chante listige-richtein l. Ist-Wirkliche Witw-

Es steht auch ausser Zweifel, dass in diesem Verfahren, wo öffentliche
Interessen mitspielen und es sich darum handelt, zum Vorteile des Kindes
eine den obwaltenden Verhältnissen möglichst Nechnung tragende Anordnung
betreffend seine Bersorgung zu

treffen, solche nova berücksichtigt werden müssen-

C Nachdem das Amtsgericht Nidau durch Urteil vom 11. November 1911 die
Klage gutgeheissen hatte, erkannte am 14 März 1912, infolge Appellation
der Beklagten, der Appellationshof des Kantons Bern:

Der Kläger ist mit seinem Klagebegehren abgewiesen-

D. Gegen dieses Urteil hat derKläger rechtzeitig und formrichtig
die Berufung an das Bundesgericht ergriffen mit dem Antrag: Es sei
in Abänderung. des angefochtenen Urteils und in Bestätigung des
Urteils des Amtsgerichts von Nidau vom 11. November 1911 das aus der
Ehe derLitiganten entsprossene Kind Ernst dem Vater zur Pflege und
Auferstehung zuzusprechen.

E. 'Jn der heutigen Verhandlung vor Bundesgericht hat der Kläger
Gutheissnng, die Beklagte Abweisung der Berufung und Bestätigung des
angefochtenen Urteils beantragen lassen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Da nach Art. 12 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 12 - Wer handlungsfähig ist, hat die Fähigkeit, durch seine Handlungen Rechte und Pflichten zu begründen.
der Anwendungss und Einführungsbestimmungen des
ZGB das Eltern-s und Kindesrecht (wie übrigens nach Art. 8 Abs. 1 auch
das EhescheidungsrechtJ sofort mit dem Inkrafttreten des ZGB von diesem
beherrscht wird, und da der Appellationshof im vorliegenden Falle nicht
etwa Kassationsinstanz, sondern zweitinstanzlicher S achrichter war, so
hatte er seinem Urteile, wie er es denn auch getan hat, die einschlägige
Bestimmung des ZGB (Art. 157) und nicht das frühere kantonale Recht zu
Grunde zu legen, unter dessen Herrschaft allerdings die Litispendenz
eingetreten und sogar das erfänstanzliche Urteil ergangen war. Alsdann
aber hat auch die Uberpriisung des zweitinstanzlichen Urteils seitetw
des Bundesgerichts auf Grund des neuen Rechts zu erfolgen. Bergl. Urteil
des Bundesgerichts vom 22. Februar 1912 i. S. Studhalter gegen

-Studhalter, Erw. 1 (Praxis I S. 261 f.).

2. Ja der Sache selbst ist vorerst zu konstatieren, dass beide kantonalen
Jnstanzen die am 16. September 1911, also während-

2, Yamflienrecht. N° ?. 35

der Rechtshäugigkeit stattgefundene Verbringung des Knaben Surer

nach Amerika als ein vom Richter zu berücksichtigendes No-

vum behandelt haben. Mit dieser prozessrechtlichen Entscheidung an
welche das Bundesgericht gebunden ist (da dabei keiner der in Art. 158
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 12 - Wer handlungsfähig ist, hat die Fähigkeit, durch seine Handlungen Rechte und Pflichten zu begründen.

ZGB aufgestellten Grundsätze in Frage steht), ist das eine der beiden
ursprünglichenKlagfundamente (dass nämlich die Beklagte die Erziehung
ihres Kindes Drittpersonen überlasse) dahing-fallen

Was die beiden andern, der Veklagten schon in der Klageschrift
gemachten Vorwürfe betrifft (angebliche Äusserung der Beklagten,
sie könne das Kind gar nicht gern haben-C und angebliche Schmälerung
des Besuchsrechts des Klägers seitens der Verwandten der Beklagten),
so erledigen sie sich mit der keineswegs aktenwidris gen tatsächlichen
Feststellung des kantonalen Richters, dass für die in dieser Hinsicht vom
Kläger aufgestellten Behauptungen kein rechtsgenüglicher Beweis erbracht
sei. Übrigens war der erste der beiden Vorwürfe, weil er sich auf die Zeit
vor dem Scheidung-surteil und sogar vor Einreichung der Scheidungsklage
bezog es handelte sich um eine von der Beklagten angeblich während des
Wochenbettes im Jahre 1905 getane Äusserung zur Begründung einer Klage
im Sinne von am. 157 ZGB von vornherein ungeeignet

Nicht bewiesen ist sodann auch die, in der Replik aufgestellte Behauptung
(welche von der Vorinstanz als rechtzeitig erhoben betrachtet wird), dass
der Knabe Surer bei der Mutter der Beklagten, Frau Zenger-Säuberlin in
Bies, schlecht versorgt und ungenügend beaufsichtigt gewesen sei. Übrigens
kommt, wie der Appellationshos mit Recht bemerkt, heute, nachdem das Kind
nach Amerika verbracht worden ist, nichts mehr daraus an, ob es im Falle
seines Verbleibens in der Schweiz richtig erzogen worden ware oder nicht.

3 Zuzugeben ist, dass durch die Berbringnng des Knaben Saper nach Amerika
die Ausübung des dem Kläger zustehenden Besuchsrechtesin einer Weise
erschwert wird, die bei den bescheidenen Vermbgmsverhältnissen beider
Eltern einer Verunmöglichung nahezu gleichkommt Es fragt sich daher,
ob hierin ein Grund liegt. das Kinderzuteiluugsdispositiv vom Jahre
1905 abzuändern.

36 L. Oberste Zivilgerichtsinstanz. l. Materiellrechtliche Entscheidungen.

Nach Art. 156 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 12 - Wer handlungsfähig ist, hat die Fähigkeit, durch seine Handlungen Rechte und Pflichten zu begründen.
ZGB besitzt der Ehegatte, dem die Kinder nicht
zugesprochen wurden, ein Recht auf angemessenen persönlichen Verkehr
mit ihnen. Es könnte deshalb auch mit Rücksicht auf die Ableitung
dieses Rechts ans dem natürlichen Elternund Kindesverhältnis naheliegend
erscheinen, das genannte Recht als ein absolutes, unter allen Umständen
unentziehbares und unbeschränkbares zu betrachten, und daher gegenüber
jeder Erschwerung seiner Ausübung den Art. 157 zur Anwendung zu
Bringen. Indessen spricht hiegegen vor allem die Erwägung, dass die
tatsächliche Unmöglichkeit der Ausübung jenes Rechts sehr wohl schon im
Zeitpunkte der Scheidung vorhanden sein kann, wenn nämlich die Ehegatten
schon in diesem Zeitpunkt verschiedene Weltteile bewohnen und beide
unbemittelt find. In einem solchen Falle kann demjenigen ElternteiL dem
die Kinder nicht zugesprochen werden, die Ausübung des Besuchsrechtes
trotz Art. 156 Abs. 3 nicht gewährleistet werden. Enthält aber darnach
schon Art. 156 keine absolute Garantie der Ausübung des Besuchsrechts,
so kann eine solche a fortiori auch aus Art. 157 nicht abgeleitet
werden; denn der letztgenannte Artikel will ja nur die Kontinuität in
der Anwendung der dem Art. 156 zu Grunde liegenden Prinzipien fiem-

Dazu kommt, dass in einem Falle, wie dem vorliegenden, demjenigen
Ehegatten, dem die Kinder durch das Scheidungsnrteil nicht zugesprochen
wurden, die Ausübung des Rechtes auf persönlichen Verkehr mit den Kindern
nur durch eine Umkehrung des Kinderzuteilnngsdispositivs gesichert
werden könnte, wodurch dann aber dem andern Elternteil die Ausübung
dieses nämlichen Rechtes verunmöglicht würde, was gewiss nicht im Sinne
des Gesetzes liegt.

Die blosse Tatsache, dass durch den Wegng desjenigen Ehegatten, dem die
elterliche Gewalt zugesprochen wurde, die Ausübung des dem andern Teil
zustehenden Besuchsrechts erschwert oder verunmöglicht werden kann,
genügt somit nicht zu einer Abänderung des Kinderzuteilungsdispositivs.

Ein Vorbehalt ist dagegen allerdings für den Fall zu machen, dass der
Wegng des einen Elternteils in der unverkennbaren Absicht erfolgt,
den andern Teil seines Besuchsrechtes zu berauben;

2. Familienrecht. N° 'I. 37

denn alsdann handelt es sich um einen offenbaren Rechtsmissbrauch im Sinne
des Art. 2 36523. Dass jedoch dieser Fall bei der Beklagten vorliege, ist
nicht dargetanz vielmehr deuten die Umstände eher darauf 'hin, dass sie zu
dem Zwecke ausgewandert ist,. um das für ihren und ihres Kindes Unter-halt
nötige Geld zu verdienen, was um so begreiflicher ist, als der dem Kläger
auferlegte Alimentationsbeitrag nur 150 Fr. per Jahr beträgt. Tatsächlich
hat sie denn auch den Knaben erst zehn Monate später nach Amerika
kommen lassen, nachdem die vorliegende Klage bereits angestrengt war,
und als der Kläger die Zurücklasfnng des Kindes als ein Argument für die
Übertragung der elterlichen Gewalt an ihn, den Kläger, verwendete-. Es
hat also, soviel aus den Akten ersichtlich ist, die Auswanderung der
Beklagten nicht zum Zwecke der Entfernung des Kindes aus der Schweiz
stattgefunden, sondern es erweist sich umgekehrt die Verbringung des
Kindes nach Amerika als eine, übrigens erst durch das gerichtliche
Vorgehen des Klägers ausgelöste sekundäre Folge der Auswanderung.

4. Bildet somit die ans der Verbringung des Knaben Sarer nach Amerika
resultierende Erschwerung der Ausübung des dem Kläger zustehenden
Besuchsrechtes an sich keinen genügenden Grund zu einer Abänderung des
Kinderzuteilnngsdispositivs, so fragt es sich dagegen, ob eine solche
Abänderung im Interesse des Kindes geboten sei. Denn, gleichwie Art. 156
(ng. Gattin-, Anm. 10 zu Art. 156), so hat auch Art. 157 in aller-erster
Linie das Interesse der Kinder im Auge, während die Rücksichten auf die
Gefühle der Eltern wenn sie auch entgegen der Auffassung der Vorinstanz
keineswegs ausser Acht zu lassen sind grundsätzlich erst in zweiter
Linie kommen.

Für die Entscheidung der Frage sodann, welche Lösung im Jnteresse
der Kinder liege, hat das ZGB, im Gegensatz zu den bisherigen
Gesetzgebungen verschiedener Kantone, in Art. 156 keine allgemeinen
Regeln aufgestellt, wie z. sa, dass die Knaben vorzugsweise dem Vater,
die Mädchen vorzugsweise der Mtten oder dass die Kinder ohne Rücksicht
auf ihr Geschlecht bis zu einem bestimmten Alter der Mutter und von da an
dein Vater zuzusprechen seien, sondern es wird einfach dem Ermessen des
Richters anheimgestellt, in jedem einzelnen Falle die durch die konkreten

38 A. Oberste Zivilgerichtsinstanz. [. laterielkecbfliche Entscheidungen.

Verhältnisse gebotene Entscheidung zu treffen. Dementsprechend enthält
auch Art. 157 nicht etwa eine für den Richter verbindliche Aufzählung
der Fälle, in dwen das Kinderzuteilungsurteil abzuändern ist, sondern
es werden bloss eremplifikativ einzelne Tat- fachen genannt, die unter
Umständen eine Abänderung rechtfertigen können. Der Entscheid hat deshalb
auch hier wieder auf Grund der konkreten Verhältnisse des einzelnen
Falles zu erfolgen immerhin unter Festhaltung an dem Grundsatze, dass
sowohl im Interesse der Eltern (vergl. Graun Anni. 8 zu am. 157), als
auch namentlich im Interesse der Kinder, für die ein

öfterer Wechsel der Erziehungsmethode sehr schädlich sein kann-.

eine Abänderung des Kinderzuteilungsdispositivs nur beim Vorliegen
erheblicher und gewichtiger Gründe stattfinden soll.

Was nun in dieser Hinsicht (Jntetesse des Kindes) zunächst den Umstand
betrifft, dass der Knabe Sarer gegenwärtig im 7. Lebensjahre steht und
daher der mütterlichen Pflege vielleicht eher entbehren kömcte, als
zur Zeit des frühem Urteils, da er kaum erst drei Monate alt war, so
genügt dieser Umstand jedMalls für sich allein genommen noch keineswegs
zur Gutheissung der vorliegenden Klage; denn sonst könnte überhaupt
kein Urteil, durch welches die Obhut eines kleinen Kindes der Mutter
anvertraut wurde, von Bestand sein.

Aber auch die Motivierung des im konkreten Falle in Betracht kommenden
Urteils durch den damaligen Richter (das Kind sei mit Rücksicht auf
sein zartes Alter der Mutter zuzusprechen) zwingt nicht zu einer andern
Regelung. Die Motive des früheren Entscheides können hier schon deshalb
nicht ausschlaggebend sein, weil dieser Entscheid ja auf Grund des, damals
anwendbaren, kantonalen Rechts ergangen war, während heute (vergl. oben
E).-w. i) das ZGB anzuwenden ist. Sodann aber hat im Falle des am. 157
der Richter auch abgesehen hievon, d. h. auch dannwenn das frühere
Urteil bereits auf Grund des ZGB gefällt worden ist, nicht einfach darauf
abzustellen, wie wohl der frühere Richter unter den nunmehrigen Umständen
entschieden haben würde, sondern er hat die Frage, ob die neuen Tatsachen
eine Abänderung des früheren Urteils rechtfertigen, aus Grund eigener
Prüfung des Falles, nach seinem eigenen Ermessen und Gewissen zu ent-

scheiden.

2. hmiiienreeht. N° 7. 39

_ Von diesem Gesichtspunkte aus könnte sich imvorliegenden Falle
emeUbänderung desfrüherenUrteils mitRücksicht aufdasnum mehrige Alter
des Knaben Surer nur dann rechtfertng wenn aus den Akten ersichtlich
wäre, dass die Beklagte sich zur Erziehung eines heranwachsenden Knaben,
zumal an ihrem gegenwärtigen Wohlen-ke, nicht eigne, während umgekehrt
die Eignung des Klägers und feiner zweiten Frau dargetau wäre. Über die
Eignnng dieser zweiten Frau des Klägers zur Kindererziehuus. speziell
zur Erziehung eines fremden Kindes, enthalten nun aber die Akten keine
objektiven Anhaltspunkte, sondern es liegt bloss eine Erklärung der Frau
SarersBucher selbst vor, dass sie den Knaben sehr gern aufnehmen würde
eine Erflàrnng, die jedenfalls für sich allein nicht genügt, um eine
Abänderung des frühern Urteils zu rechtfertigen Es ist ja allerdings
möglich, zumal wenn die zweite Ehe des Klägers kinderlos bleiben sollte,
dass dem Knaben von Seiten feiner Stiefmutter eine gute und liebevolle
Pflege zu Teil werden würde; ebenso ist aber, namentlich wenn die Ehe
nicht nudaloa Bleibt, auch das Gegenteil möglich und nach arge-mater
Lebenserfahrung keineswegs ausgeschlossen

Was die Eignung der Beklagten betrifft, den Knaben in Amerika zu
erziehen, so fehlt es zwar auch hier an dem Nachweis solcher Tatsachen,
die dem Richter die vollendete Überzeugung beibringen könnten, dass
und in welchem Masse diese Eignung vorhanden ist. Jnsbesondere mag
es fraglich erscheinen, ob die Schulverhältnisse in dem Staate, den
die Beklagte bewohnt (Ohio), ebenso günstige find, wie in der Schweiz,
und ob die Beklagte als Fabrikarbeiterin genug verdient, um ausser den,
möglicherweise bereits höhern Verpflegungskoften (an die der Kläger ja
nur einen ganz geringere Beitrag zu leisten hat) eventuell auch noch
ein Schulgeld für den Knaben aufbringen zu können. Indessen ergibt sich
aus den Akten doch immerhin soviel, und es wird dies von der Vorinftanz
ausdrücklich festgestellt, dass die Beklagte in den aus Amerika an ihre
Mutter gerichteten Brieer grosse Anhänglichkeit zu ihrem Kinde an den
Tag gelegt, sowie dass sie ihren guten Willen, für sein leibliches Wohl
zu sorgen, durch verhältnismässig ansehnliche Geldsendungen bekundet
hat. Würden nun auch diese Tatsachen vielleicht nicht genügen, um der
Beklagten die elter-

40" A. Oberste Zivilgerichtsinstan'z. I. Hatefiellrechtliehe
Entscheidungen.

liche Gewalt zuzusprechen, falls diese bisher dem Kläger zugestanden
bitte, so kann doch jedenfalls unter den vorliegenden Umstand-en in
dem Wegng der Beklagten und in ihrer Absicht, den Knaben in Amerika zu
erziehen, keine genügende Veranlassung erblickt werden, um sie der ihr
bereits zustehenden elterlichen Gewalt verlustig zu erklären. Vielmehr
hat es im Zweifel, und solange keine gewichtigen Gründe zu Gunsten
einer andern Lösung sprechen, bei der bisherigen Regelung zu verbleiben,
wonach die elterliche Gewalt über den Knaben Surer der Beklagten zusteht.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Urteil des bernischen
Appellationshofes vom 14. März 1912 bestätigt

8. gridi der II. Divilabteilmtg vom 30. Mi 1912 in Sachen EMM,
RI. 11. Ber.-Kl., gegen EMM, Bekl. u. Ver.-Veil.

Erw. 1 : In Ehescheidumgssacàen hat der (I. oder H. imtanzliche)
Icantcmale Sachrichter vom 1. Januar 1912 an d. la. sofem er
sein Urteil nach diesem Zeitpunkt-fällt, also ohne Rücksicht auf
dere Zeitpunkt des Eintrittes dee Litispmdmz stets das neun Recht
anzuwenden. Erw. 2: Würdigung einer, der Berufung beigelegtm Erklärung
des Scheidungsbeklagten, dass er sich der Scheidung nicht mehr
widersetzc. Kan-n auf die Einrede aus Art. ML Abs. 2 verzichtet werden ?

A. Durch Urteil vom 23. April 1912 hat das Appellationsgericht des
Kantons Basel-Stadt in Bestätigung eines Urteils des Zioilgerichts
vom 12. März 1912 die voni Ehemann Trösch unter Berufung auf Art. 47,
eventuell 45 ZEG angestrengte Scheidungsklage als unbegründet abgewiesen,
wie von der Beklagten beantragt worden war.

B Gegen dieses Urteil hat der Klager rechtzeitig und form-

richtig die Berufung an das Bundesgericht ergriffen mit den An-

trägen:!; lefl'lonm Ill. N° 8; ' ' " 41

1. Es sei die Ehe der Parteien gänzlich zu scheiden.

2; Die der Ehe der Parteien entsprossenen Kinder Wilhelmine und Wilhelm
seien der Besiegten zur Pflege und Auferziehnng zuzusprechen und es sei im
ùbrigen der Vergleich der Parteien, wo- nach sich Kläger verpflichtet, an
den Unterhalt dieser Kinder bis zu deren zurückgelegtem 18. Lebensjahre,
je 20 Fr. zu bezahlen, richterlich zu bestätigen

Der Berufung liegt folgende, von beiden Parteien unterzeichnete

Erflàrung vom 30 April 1912 Bei:

Der unter-zeichnete Jakob Trösch, Wagenreiniger der SBB, zurzeit wohnhaft
Pfessingerstrasse 101 in Basel, erklärt sich damiteinverstandeii, dass
seine Kinder Wilhelinine, geb. den 4. Mai 1906, und Wilhelm, geb. den 8;
Dezember 1908, seiner Ehefrau Marie Trösch geborene Meter zur Pflege
und Erziehung verbleiben.

Er verpflichtet sich ferner, 1111 die Kosten der Auferziehung

,und des Unterhaltes der beiden Kinder bis zu deren zurückgeleg...

ten achtzehnten Altersjahre einen monatlichen Betrag von je :20
Fr. (zwanzig Franken), zahlbar an die Gemeindekanzlei in Binningm zu
entrichten-

Frau Marie TröschsMeier erklärt dagegen, dass sie mit einer Schrian
ihrer Ehe mit dein erwähnten Jakob Trösch einverstanden isf.

C. ..... (Arnienrecht.)

D. In der heutigen Verhandlung hat der Vertreter des Klägers den
Bernsungsantrag wiederholt und dahin präzisiert, dass die Ehe auf Grund
des Art142 ZGB geschieden werden solle. Der Vertreter der Beklagten hat
erklärt, seine Klientin sei nun in der Tat ebenfalls mit der Scheidung
einverstanden und Bitte, die Scheidung, eventuell eine temporare Trennung,
aus Grund der vorliegenden Vereinbarung auszusprechen; --

Das Bundesgericht zieht in Erwagung: '

1 Mit Recht haben in Anwendung des Art. 8 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet.
Schl T ZGB schon
die kantonalen Instanzender Beurteilung des vorliegenden Falles
die einschlägigen Bestimmungen des Zivilgesetzbuches und nicht des
Zivilstandss undEhegesetzes vom Jahre 1874 zu Grunde gelegt, und es hat
daher auch das Bun-
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 38 II 32
Datum : 30. Januar 1912
Publiziert : 31. Dezember 1913
Quelle : Bundesgericht
Status : 38 II 32
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 82 A. Oberste Zivilgeriehtsinstaqz l. Materienreedfliche Entscheidungen. mais uniquement


Gesetzesregister
ZGB: 8 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet.
12 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 12 - Wer handlungsfähig ist, hat die Fähigkeit, durch seine Handlungen Rechte und Pflichten zu begründen.
156  157  158
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • mutter • bundesgericht • ehe • amerika • ehegatte • elterliche gewalt • monat • richtigkeit • vater • frage • scheidungsklage • wille • treffen • ermessen • gewicht • weiler • persönlicher verkehr • vorinstanz • tag
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