220 A. Oberste Zivilgerichtsinshnz. ]. Materiellrechtliche Entscheidungen.

zugleich auch zu Ungunsten des andern Haftpflichtigen hinsichtlich seiner
Haftpflichtschuld bewirken. Es wäre dies übrigens zum vornherein in dem
Falle unmöglich, wo die Verjährung des Anspmchs gegen die Eisenbahn erst
im zweiten Jahre nach seiner Entstehung unterbrochen wird; denn alsdann
wäre der Gewerbehaftpflichtanspruch bereits verjàhrt. Keiner Widerlegung
bedarf endlich der weitere Standpunkt des Klägers, der Art. 155aOR treffe
auch deshalb zu, weil die Beklagte als Mitschuldnerin einer unteilbaren
Leistung im Sinne dieses Artikels zu gelten habe. Hieran ist denn auch
heute nicht mehr festgehalten worden.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Kantonsgerichts des
Kantons St, Gallen vom 7. März 1912 in allen Teilen bestätigt

36. zuteil der II. Divilabteitnnq vom 6. Juni 1912 in Sachen am,
Kl. u. 1. Ber.-Kl., gegen Mwetzerilebe Hunde-bahnen Seen. u. 2. Ber.=Kl.

Eisenbahnhaftpflioht. Verschulden; Das Ums-eilen einer Weiche durch
einen Privaten ohne Avis-iemng des Babnpersonals begründet ein schweres
Verschulden.

Die Unterlassung des Siatiemvorstandes, sich vor einer Zugseinfahrt
über die richtige Stellung der. Weichen zu vergewissern, ist der Bahn
als Verschulden anzm'echnen.

Die Bahn kann sich nicht auf das Hitversehulden eines Britten berufen,
um Herabsetzung der Entschädigung zu verlangen. Das Verschulden Dritter
ram nur in Betracht, wenn es die alleinige Ursache des Unfalls: ist
{Art. 1 EEG).

Genugtuungsanspruoh. Die Bah-n haftet nach Art. 8 grundsätzlich auch dann,
wenn ihr Verschulden kein grobes ist und ein Dritter ein Miiverschulden am
Uafall trägt, sofern die besonderen Umsiände des Falles eine Genugtuung
rechtfertigen, worüber der Richter nach freiem Ermessen zu entscheiden
hat.

Bektiflkations vorbehalt. Ausnahmechamkter. Nichlaufnahme bei
trau-matischer Neurose. 5. Haftpflicht aus Betrieb der Eisenbahnen,
etc. N° 36. 221

Das Bundesgericht hat aus Grund folgender Prozesslage:

A. Mit Urteil vom 14. Februar 1912 hat die I. Appellationskammer des
Obergerichts des Kantons Zürich über die Streitfrage:

Ist die Bellagte verpflichtet, an den Kläger 40,000 Fr. nebst Zins à 5
0/o seit 16. März 1909 zu bezahlen und ihm Arztund Spitalkosten ec. zu
ersegen?

erkannt: 1. Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger 5200 Fr. zu bezahlen
nebst 5 % Zins von 1560 Fr. seit 16. September 1909, 1040 16° :: 1910
1040 16. 1911, und von 1560 14. Februar 1912. Die Mehrforderung
wird abgewiesen- B. Gegen dieses den Parteien am 28. Februar 1912 zu-

"

gestellte Urteil hat sowohl der Kläger als die Beklagte rechtzeitig

und formrichtig die Berufung an das Bundesgericht erklärt.

Der Kläger beantragt, es sei das angefochtene Urteil in der Weise
abzuändern:

1. dass das Bundesgericht vom 16. März 1909 an bis am 16. März 1912
totale Arbeitsunfähigkeit; vom 16. März 1912 bis am 16. März 1914 zwei
Drittel Arbeitsunfähig,Eeit und vom 16. März 1914 bis am 16. März 1916
ein Drittel Arbeitsunfähigkeit annimmt und dass die dem Kläger zukommende
Entschädigung entsprechend erhöht wird;

2. dass dem Kläger ein Zuschlag von 2000 Fr. gemäss Art.8 "des
Eisenbahnhaftpflichtgesetzes zugesprochen werde;

3. dass dem Kläger im Urteil das Recht gewahrt wird, eine Abänderung des
Urteils zu verlangen, wenn die in am. 10 des Eisenbahnhaftpflichtgesetzes
vorgesehenen Bedingungen eintreten sollten.

Die Beklagte stellt das Begehren: es sei die dem Kläger zu.gesprochene
Entschädigung wegen verbrecherischer Handlung eines .Dritten (Brändli)
als eigentlicher Ursache des Unsalles angemesfen zu reduzieren-i

222 A. Oberste Zivilgericbtsinstanz. I. Materiellrechtliche
Entscheidungen.

C. In der Verhandlung vor Bundesgericbt haben die Parteivertreter diese
Anträge erneuert und begründet und je auf Abweisung der Berufung der
Gegenpartei angetragen; --

in Erwägung:

1. Am 16. März 1909 ereignete sich auf der Station An der lintsufrigen
Zürichseelinie ein Eisenbahnunglück. Die Station Au besitzt zwei Gekeife,
die für die Durchfahrt der Züge bestimmt sind: das Hauptgeleise I
und das Ausweichgeleife II auf der Seeseite. Ein drittes Geleise,
das sog. Schuppengeleise, führt aus der Bergseite vom Hauptgeleise
zum Güterschuppen Dieses Geleis ist auf der Seite gegen Wädenswil
durch die zwischen Aufnahmsgebäude und Güterschuppen liegende, zitta
20 m von der Mitte des Aufnahmsgebäudes entfernte Weiche 4 an das
Hauptgeleise angeschlossen. Der Ständer der Weiche 4 befand sich zur
Zeit des Unglücks Ungefähr 8 m seitwärts des Geleises und war vom
Zentralapparat aus der vor dem Aufnahmsgebäude aufgestellt ist -gut
sichtbar. Die Weiche 4 war nicht in den Zentralapparat einbezogen, da
sie erst nach dessen Erstellung eingelegt wurde. Sie musste also an Ort
und Stelle umgestellt werden und war nur mit einer in den Drahtzug des
Einfahrtsignals Seite Wädenswil einbezogenen sog. Linealverriegelnng
versehen, welche bei geöffnetem Einfahrtsignal die Weiche 4 in gerader
Richtung verschloss. Das Verriegelungsliueal _Eam aber erst bei ungefähr
Dreivierteldrehung der Signalkurbel zum Anschlag. Wenn daher die Weiche
4 auf Ablenkung (in das SchnppengeleiseJ stand, war es nicht mòglich,
die Signalkurbet vollständig einzukliuken Die Weiche 4 ist ausserdem
mit einem Hemmschuh gekuppelt, der bei Stellung der Weiche auf gerade
Fahrt auf dem Schuppengeleise ciuffi-agi und verhindert, dass Wagen aus
diesem Gekeife auf das Hauptgeletse gelangen können.

Arn Morgen des Unglückstages standen auf dem Schuppengeleife drei
Güterwagen, wovon einer eben durch einen Güterng zugeführt worden war. Zu
diesem Behufe hatte der Güterarbeiter Marti die Weiche 4 geöffnet und
wieder geschlossen, worauf er sich in den Güterschuppen zurückbegeben
hatte. Der zuletzt angekommene Güterwagen enthielt u. a. eine
Zahnmaschine für Hausmann & Cie., Werkzeugfabrik in der Au. Bald nach
der Ankunft5. Hapfiicht aus Betrieb der Eisenbahnen, etc. fisists 223

des Wagens kamen Joh. Vapt. Nabholz, Angestellter von Hausmann &
Eie. und August Brant-li, Landwirt und Fuhrhalter auf der Apfelmatte in
Wädenswil, mit seinem 7jährigen Knaben Ernstund feinem Knecht Walter
Kleiner mit einem Brückenwagen auf die Station, um die Zahnmaschine
abzuholen Während Nabholz

auf dein Stationsbnreau den Frachtbrief löste, liess sich Brändli

durch Marti den Wagen zeigen, in dem sich die Maschine befand. Die
Stellung des Wagens vor der Güterrampe passte Brändli und Nabholz nicht,
da sie die Maschine direkt auf den Brückenwagen verladen wollten. Der
Verschiebung des Wagens in der Richtung gegen die Weiche 4 stand aber
der Hemmschuh entgegen, der infolge Norinalstellung der Weiche 4 auf
dem Schuppengeleise auflag. Bräudli gab daher seinem Knecht Kleiner den
Befehl, die Weiche 4 umzustellen Kleiner führte den Befehl aus, woran
Bräudli und Nabholz den Wagen von der Rampe weg bis zum Polizeipfahl
der Weiche 4 ichoben. Die Weiche wurde aber nicht in die Normalstellung
zurückgebracht, sondern blieb auf Ablenkung stehen. Brändli und Rabholz
bestiegen sodann den (Biiterwagen, um die Maschine auszuladen, und
der Knabe Ernst Brändli folgte ihnen nach. Zur nämlichen Zeit waren im
zweiten Güterwagen Landwirt Leuthold aus Wädenswil und sein Knecht Josef
Maria Schatt mit dem Einladen von Mostfässern beschäftigt

Der Dienst auf der Station Au wurde an jenem-Tage vom ambulanten
Statiousgehülfen Etter besorgt. Als um 10.06 Uhr von Wädenswil die
Abfahrt des Schnellzuges Nr. 2076 Sargans-Zürich gemeldet wurde,
schickte sich Eiter an, vom Zentralapparat aus die nötigen Weichen-. und
Signalsiellungen auszuführen, um dem Zug freie Bahn über das Hauptgeleise
zu verschaffen. Es zeigte sich aber im Apparat ein Widerstand. Eiter
teilte das dem Stationsvorstand Rasch mit, der, obschon dienstfrei,
sich zufällig auf dem Stationsbnreau befand. Es gelang nun dem Rnsch
unter Kraftanwendung, die Knebel des Einfahrtsignals soweit zu drehen,
dass das Kontrolltäfelchen freie Fahrt zeigte.

Rasch erkundigte sich noch telephonisch bei dem in der Nähe des
Signales stationierten Bahnwärter, ob es auf offen stehe und erhielt
bejahende Antwort. Wie aus der Aussage dieses Wärters hervorgeht, war
die Signalscheibe allerdings gedreht, aber ent-

224 A. Oberste Zivilgerichtsinstanz. [. Materieitrechtliche Entscheidungen

sprechend der Stellung der Kurbel am Stellwerk nicht vollständig.
Die Disserenz war indessen für das Lokomotivpersonal nicht wohl
erkennbar. Weder Etter noch Rasch kam auf den Gebunten, einen Blick
auf die Weiche 4 zu werfen. Der Schnellzug, der keinen Aufenthalt auf
der Station Au hatte und mit einer Geschwindigkeit von 60 km per Stunde
heranfuhr, wurde auf das Schuppengeleise abgelenkt und fuhr auf die drei
Güterwagen auf, wobei Vater Bräudli und Nabholz augenblicklich getötet,
Ernst Bräudli schwer und Schatt leichter verletzt wurden. Leuthold
konnte sich auf das Rotsignal des Lokomotivführers durch einen Sprung
aus dem Wagen retten. Schatt erlitt Quetschungen und Risswunden. Nach
einigen Wochen stellten sich ferner Kopfund Rückenschmerzen sowie
Schwindel ein. Er wurde daher zur genauen Untersuchung nach Zürich in das
Kantonsspital geschickt. Die von den Ärzten vermutete Gehirnverletzung
.tonnte indessen nicht konstatiert werden.

Mit der vorliegenden Klage machte Schalk seine Zivtlanspriiche gegen
die Schweiz. Bundesbahnen geltend. Die Zürcher Gerichte ordneten
über die Folgen seiner Verletzungen eine Experttse durch Dr. Lüning
und Dr. Ulrich in Zürich an. Diese stellten fest, dass Schatt an
einer traumatischen Neurose leide und dass er von Jugend auf geistig
beschränkt gewesen fei. Die Klage wurde von den kantonalen Jnstanzen
teilweise geschützt. Inzwischen war gegen Exter, Rusrh und Kleiner
ein Strafprozess wegen fahrlässiger Eisenbahngefährdung durchgeführt
worden. Das Bezirksgericht Hoi-gen sprach die drei Angeklagteu frei;
das zürcher.Obergericht verurteilte den Eiter zu zwei Wochen Gefängnis
und 100 Fr. Busse und es wurde dieses Urteil Vom Kassationshof des
Bundesgerichts am 10. Mai 1910 bestätigt.

2. Mit der Vorinstanz und der Beklagten ist zu sagen, dass die Grund:
und Hauptursache des Unglücks in der Handlungsweise des August Bräudli
zu erblicken ist. Es steht fest, dass Bräudli in Missachtung von Art. 5
des Vahnpolizeigesetzes vom 18. Februar 1878 seinem Knecht Kleiner
zur eigenmächtigen Handhabung der Welche 4 Befehl erteilt hat. Durch
diesen unverantwortlichen Eingriff in den Bahnbetrieb hat er den
vorschriftsmässige-i Zustand des Geleises, bei welchem die Durchfahrt
5. Haftpflicht aus Betrieb der Eisenbahnen. etc. Dis-) Jò. 225

des Schnellzuges anstandslos stattfinden konnte, in strafbarer Weise
verändert. Und es hat Brändli von der getroffenen Änderung nicht
einmal das Bahnpersonal avisiert und auch nicht selber nach erfolgter
Verschiebung des Wagens den frühem Zustand wiederhergestellt. Bräudli
durfte sich zum Umstellen der Welche auch dann nicht ohne weiteres als
ermächtigt betrachten, wenn derartige Eingriffe von Privatpersonen auf
der Station Au von den Bahnorganen tatsächlich geduldet wurden, was vom
Kläger behauptet wird, aber in keiner Weise nachgewiesen ist.

Mit dem schweren Verschulden des Bräudli konkurriert ein leichteres
Verschulden des Stationsgehülfen (i-iter, das die Beklagte
zu vertreten hat. Eiter hat entgegen Art. 47 Biff. i und 2 des
allgemeinen Fahrdienstreglements, sowie entgegen den Vorschriften der
Kreisdirektion III der SBB für die Handhabung der zentraien Weichenund
Signaleinrichiungen unterlassen, sich über die Stellung der Weiche
4 zu ver-gewissem trotzdem er durch den Widerstand im Zentraiapparat
daran aufmerksam gemacht wurde, dass etwas nicht in Ordnung sei, und
Kraftanstrengnngen bei der Bedienung des Stellwerkes untersagt sind. Das
Verhalten des Eiter erscheint indessen als erklärlich, wenn es auch nicht
entschuldbar ist: er wusste, dass die Weichenstellung nach Durchsahrt
des Güterzuges wieder in Ordnung gebracht worden war; er konnte den
inzwischen ersolgteu, unbefugten Eingriff des Brändli nicht voraussehen;
der Zentralapparat hatte schon in der Morgenfrühe nicht anstandslos
funktioniert; die telephonische Anfrage beim Bahnwärter ergab, dass das
Einsahrtsignal auf offen stehe. Die andern, vom Kläger der Bahn zum
Verschulden angerechneten Momente (mangelhafte Anlage der Station Au
im allgemeinen und des Stellwerks im besondern, Mangel an BahnpersonaL
gleichzeitige Beurlaubung des Stationsvorstandes und des Weichenwärters,
Anstellung eines unerfahren-en Stationsgehülfen als Ver- treters, des
Stationsvorstandes) sind zurückzuweisen Die Sicherheit des Bahnbetriebes
war bei richtiger Bedienung der Stationsanlagen mit dem vorhandenen
Personal gewährleistet und die Stellvertretung der Stationsvorstände
durch ambnlante Stationsgehülfen ist in der Organisation des Bahndienstes
begründet.

3. Jst demnach der Unfall aus das konkurrierende Verschul-

AS esn 1932 ' is-

226 A. Oberste Zivilgerichtsinstanz. I. Materieflrechfliche
Entscheidungen.

den des Eiter bezw. der Bahn und eines Dritten zurückzuführen, so fragt
sich, ob die Bahn sich auf das Mitverschulden des Dritten berufen thiene,
um die Herabsetzung der Entschädigung zu verlangen. Die Bahn welche ihre
Haftpflicht grundsätzlich anerkennt stellt in der Tat das Begehren, es sei
die dem Kläger von der Borinstanz zugesprochene Entschädigung wegen des

Verschuldens des Vaters Brändli angemessen zu reduzieren. Es-

handelt sich hier um eine grundsätzliche Frage, die vom Bundesgericht
noch. nie entschieden wurde. Für die Auffassung der Beklagten ist dem
Wortlaut des Gesetzes nichts zu entnehmen. Ausdrücklich erwähnt ist
das Verschulden Dritter nur in Art. i. Diese Bestimmung ist aber nach
feststehender Praxis dahin auszulegen, dass das Verschuan Dritter die
Haftpflicht der Bahn nur dann ausschliesst, wenn es im Rechtssinn die
alteinig e Ursache des Unfalles ist, m. a. W. wenn ausschliessliches
Verschulden eines Drittenvorliegt (der-gl. BGE 3311 501 ff.). Eine dem
Art. 5 analoge Bestimmung über das blosse Mitverschulden des Dritten
enthält das Gesetz nicht. Die Auffassung der Beklaglen findet auch im
System des Gesetzes keine Stütze. Der Haftpflichtanspruch ist nach dem THG
vom Verschulden der Bahn grundsätzlich unabhängig: es besteht Kausalund
nicht Verschuldenshaftung. Die Bahn trägt das Risiko des Schadens,.
der beim Bahnbetrieb durch Verletzung oder Tötung von Menschen entsteht,
und haftet dafür, sofern keine der in Art. i erschöpfend aufgezählten
Ausnahmen vorliegt. Dass nun ein solcher Befreiungsgrund in casu gegeben
sei, behauptet die Beklagte selber nicht. Und für die Einrede des blossen
Mitverschuldens eines Dritten bleibt nach dem Gesagten kein Raum. Zur
nämlichen Lösung würde das gemeine Recht führen. Nach Art-. 50 OR
haften die- jenigen, die einen Schaden gemeinsam verschuldet haben, dem
Geschädigten solidarisch Ob und in wie weit sie gegeneinander Rückgriff
haben, wird durch richterliches Ermessen bestimmt. Die Sachewürde sich
auch dann in eine Regressfrage auflösen, wenn man auf OR 51 abstellen
wollte, von der Erwägung aus, dass die Bahn aus Gesetzesvorschrift und
Brändli aus unerlaubter Handlung haftet. Die Regresssrage ist aber in
casa durch Art. 18 @@@ gelöst, wonach der Bahn der Rückgriff gegenüber
Personen5. Haftpflicht aus Betrieb der Eisenbahnen, etc. N° 36. 227

vorbehalten ist, die durch ihr Verschulden den Unfall verursacht
haben. Durch eine Ermässigung der Entschädigung würden die
regresspflichtigen Dritten in unzulässiger Weise entlastet. Denn der
Haftpflichtkläger hätte ihnen gegenüber keinen Regress, da er zu ihnen in
keiner aus dem Haftpflicht-rechte sich ergebenden rechtlichen Beziehung
steht. Der Anspruch der Beklagten auf Herabsetzung der Entschädigung
wegen konkurrierenden Verschuldens des Bräudli ist also zurückzuweisen.,

4. Gegen die Bemessung der dem Kläger zukommenden Rente durch die
Vorinstanz ist in rechtlicher Beziehung nichts einzuwenden. Die Frage,
in welchem Masse die Erwerbsfähigleit des Kläger? durch den Unfall
herabgesetzt wurde, ist von der Vorinstanz gestützt auf das sehr
sorgfältige Gutachten der Experten auf eine Art und Weise beantwortet
worden, welche die Jnterdention des Bundesgerichts ausschliesst. Das
Bundesgericht könnte nach Art. 81 OG nur dann einschreiten, wenn die
Feststellungen der Vorinstanz sich als aktenwidrig erweisen oder
auf einer blindesrechtliche Bestimmungen verletzenden Würdigung
des Beweisergebnisses beruhen wurden. Das trifft durchaus nicht
zu. Den Exper-ten sind vom Obergericht auch die vom Kläger eingeholten
Privatgutachten vorgelegt worden und e-3 haben die Experten nach Einsicht
dieser Gutachten ihren Befund aufrecht gehalten. Der Lohn des Klägers
steht fest und ist mit 1560 Fr. per Jahr für einen Landarbeiter mit
angeborenem Schwachsinn reichlich bemessen. Die Ansätze der Vorinstanz
sind daher zu bestätigen.

Ferner ist mit der Vorinstanz von der Anwendung des Art. 8 EHG Umgang
zu nehmen. Freilich haftet die Bahn grundsätzlich auch dann für die
nichtökonomischen Nachteile aus dem Unfall, wenn ihr Verschulden kein
grobes isf, sofern die besondern Umstände des Falles den Zuspruch einer
Genugtuungssumme rechtfertigen, worüber der Richter nach freiem Ermessen
zu entscheiden hat (vergl. BGE 35 II Nr. 'ZO Erw. 7). Im vorliegenden
Fall liegen aber besondere Umstände im Sinne des Gesetzes nicht vor.

Endlich verlangt der Kläger die Aufnahme eines Rektifikationsvorbehaltes
gemäss Art. 10
SR 946.51 Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über die technischen Handelshemmnisse (THG)
THG Art. 10
1    Der Bundesrat schafft unter Berücksichtigung international festgelegter Anforderungen ein schweizerisches System zur Akkreditierung von Stellen, welche Produkte prüfen oder deren Konformität bewerten oder gleichartige Tätigkeiten hinsichtlich Personen, Dienstleistungen oder Verfahren wahrnehmen.
2    Er bestimmt insbesondere:
a  die Behörde, welche für die Erteilung von Akkreditierungen zuständig ist;
b  die Anforderungen und das Verfahren der Akkreditierung;
c  die Rechtsstellung akkreditierter Stellen und die Rechtswirkungen ihrer Tätigkeit.
3    Im Hinblick auf die Erarbeitung von Richtlinien und Empfehlungen zur Gewährleistung eines international koordinierten Vollzugs im Bereich der Akkreditierung und Konformitätsbewertung kann der Bundesrat oder eine von ihm bezeichnete Behörde:
a  beschliessen, dass sich die Schweiz finanziell oder auf andere Weise an Aufträgen beteiligt, die internationalen Akkreditierungsgremien oder mit ihnen zusammenarbeitenden Gremien erteilt werden;
b  die für die Erteilung von Akkreditierungen zuständige Stelle beauftragen, die schweizerischen Interessen in den internationalen Akkreditierungsgremien wahrzunehmen.22
THG. Auch diesem Begehren kann nicht entsprochen werden. Da
es sich um eine traumatische Neu-

228 A. Oberste Zivilgerichtsinstanz. l. Materieilrechtliche
Entscheidungen.

rose handelt, ist möglichst rasche endgültige Erledigung des Prozesses
im eigenen Interesse des Klägers geboten und von der Anwendung der
Auinahmebeimmung des am. 10 EHG abzusehen; erkannt:

Beide Berufungen werden abgewiesen und es wird das Urteil der
I. Appellationskammer des Obergerichts des Kantons Zürich vom 14. Februar
1912 in allen Teilen bestätigt

37 . Arràt de le II° Section civile da 20 juin 1912 dans la came Compagnie
des Chemins de far de Paris è. Lyon et à la. mediterranee, de'/'. et rec.,
contre Garaly, dem. et int.

L. keep. ch. fer. Influence d'une blessure antérieure. Silence de la
loi. L'existence d'une lésion antérieure ne sera en conséquence prise
en oonsidération que si elle se préseme comme une des causes principales
de l'incapacité oonstatée après le second accident.

A. Le demandeur Cai-aly a été victime d'un accident le 15 avril
1907, alors qu'il était en activité de service à le gare de
Genève-Cornavin. -Caraly était à ce moment chauffeur de II° classe
àla Compagnie du Paris-Lyon-Méditerranée, et ponvait, à teueur des
règlements remplir les fonctions de mécanicien pour les mauoeuvres de
gare. Ce jour-là, il remplissait les fonctions de chaufieur sur une
locomotive effectée au service de le gare, et qui était dirigée par le
sieur Vaguoux, également chanfleur de II° classe, mais plus ancien en
grade que Caraly. -Colui ci fit ebserver à sen supérieur que la vapeur
s'échappant de le locomotive empéchait de percevoir les signaux. Vagnoux
répondit en recommandant à Caraly d'aller serrer les garnitures du
regulateur errière, quand il en aurait le temps. C'est en procédant à
ce travail, à un moment où Vagnoux avait arrèté la machine et prenait
quelque nourriture que le demandeur perdit l'équilibre, et, dans sa chute,
se fracture. le radius5. Haftpflicht aus Betrieb der Eisenbahnen, etc. N°
37. 229

gauche et se fit des écorchures aux régions temporales et frontales
gauches.

B. Caraly fut immédiatement conduit auprès du médecin de la. Compagnie
P. L. M. ; il fut soigné à l'hòpital cantonal, jusqn'au 27 mai 1907,
puis dans un établissement special à Aix-les-Bains, dont il sortit le
17 septembre de la. mème année. Il était alors considéré comme guéri
et epte à reprendre un service léger, sinon sur les lignes, du moins
dans les gar-es et fut invité en conséquence à remplir un poste de
ce genre à Genève-Cornevin. Garan s'y refusa cependant et se porta il
nouveau malade. Considéré par la Compagnie comme absent sans permission
régulière, il fut révoqué le 19 octobre 1907 et recut à titre d'indemnité
de congédiement un mois de traitement calculé snr la période allant
du 16 octobre au 16 novembre 1907. Les experts qui ont examine Cnraly
au cours du preces ont constaté chez lui uno incapacité permanente de
travail de 14 0/0.

C. Le gain mensuel de Caraly au moment de l'accident se composait: 1°
d'un salaire proprement dit de 137 fr. 50; 2° d'une prime (l'économie
de charbon qui peut ètre estimée pour les chauffeurs occupés en gare
5. 17 fr. 50 en moyenne; 3° d'une indemnité de logement de 6 fr.; soit
en totalité un gain mensuel de 161 fr. Depuis le jour de l'accident,
et sauf l'indemnité de congédiement sus-mentionnée, le demandeur n'a
recu aucun salaire. Il a été par contre soigné et a eu son eutretien
complet de la Compagnie, tantà l'hòpital cantone] qu'à Aix-les-Bains
jnsqu'au 17 septembre 1907.

D. Sur le retus de la, Compagnie recourante de lui verser une indemnité
quelconque, Caraly l'a assignée devant les tribunaux genevois en
paiement d'une somme de 10 000fr. La défenderesse a conclu an mal
fonde de la demande, cn invoquant comme moyen libératoire la faute de
la victime, ' qui, d'après elle, était en état d'ivresse au moment de
l'aceident et 8. en autre execute un travail qui ne rentrait pas dans
sa. competence. Elle a enfin conclu subsidiairement à une diminution de
l'indemnité réclamée, Caraly ayant été précédemment victime d'un autre
accident au bras gauche
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 38 II 220
Datum : 07. März 1912
Publiziert : 31. Dezember 1913
Quelle : Bundesgericht
Status : 38 II 220
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 220 A. Oberste Zivilgerichtsinshnz. ]. Materiellrechtliche Entscheidungen. zugleich


Gesetzesregister
EHG: 8
OG: 81
THG: 10
SR 946.51 Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über die technischen Handelshemmnisse (THG)
THG Art. 10
1    Der Bundesrat schafft unter Berücksichtigung international festgelegter Anforderungen ein schweizerisches System zur Akkreditierung von Stellen, welche Produkte prüfen oder deren Konformität bewerten oder gleichartige Tätigkeiten hinsichtlich Personen, Dienstleistungen oder Verfahren wahrnehmen.
2    Er bestimmt insbesondere:
a  die Behörde, welche für die Erteilung von Akkreditierungen zuständig ist;
b  die Anforderungen und das Verfahren der Akkreditierung;
c  die Rechtsstellung akkreditierter Stellen und die Rechtswirkungen ihrer Tätigkeit.
3    Im Hinblick auf die Erarbeitung von Richtlinien und Empfehlungen zur Gewährleistung eines international koordinierten Vollzugs im Bereich der Akkreditierung und Konformitätsbewertung kann der Bundesrat oder eine von ihm bezeichnete Behörde:
a  beschliessen, dass sich die Schweiz finanziell oder auf andere Weise an Aufträgen beteiligt, die internationalen Akkreditierungsgremien oder mit ihnen zusammenarbeitenden Gremien erteilt werden;
b  die für die Erteilung von Akkreditierungen zuständige Stelle beauftragen, die schweizerischen Interessen in den internationalen Akkreditierungsgremien wahrzunehmen.22
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • bundesgericht • vorinstanz • ermessen • schaden • vater • chauffeur • zins • hausmann • frage • schweres verschulden • richtigkeit • ehg • neurose • landwirt • kantonsgericht • regress • lohn • privatperson • eisenbahn
... Alle anzeigen