448 A. Oberste Zivilgerichtsinstanz. I. Materielirechffiche
Entscheidungen.

2. Haftpflicht der Eisenbahnund Dampfschifl-'ahrtsunternehmungen und
der Post. Responsabilité civile des entreprises de chemins

de fer et de bateaux à vapeur et des postes.

66. guten vom 12. Juli 1911 in Sachen Etektrtlrhe Hirnizeubahn
Dittichsgdöngg Bekl. u. Ber.-Kl., gegen Wink-Ich Kl. u. Ver-Beil

Art. 3 EHG. Haftpflichtanspruch aus Körperverletzung. Mangel eines
Versckeeldens sowohl des Verletzten, als auch. der Balma-uter-nehmung :
Verbindlichkeit der kan t. Beweisweîrdz'gung fe'/Lr den Berufungsrlchter
(As-t. 81 OG}. Nichtanwendbarkeit des Art.8 EHG. Bestimmung des
Schadens zufolge dauernder Verminderung der Arbeitsfähigkeit in ko
nkeeter Weise, nach den speziellen Berufsund Erwereseerhältetssen des
Verletzten: Berücksichtigung. einerseéts der oil-ne den Unfall in
Zukunft voraussichtlich eingetretenen Etnkommeeserhöhung, mede-rseiès
elften zwar, teilweise wenig-- stens, zur Zeit noch nicht verwirklichen,
allein zukünftig möglichen Verschlechterung der Erwee'bsoerhdltmsse
zufolge des Unfalls. -Das Foetkommen erschwerende Verstümmelung (Art. 3
i . f. EHG)? -- Entschädigung für vorübergehenden Verdienstausfall und
für die Heilungsund Verpflegungskosten : Beim Bestehen le o n ku r est
ere-ndesir Haftpflichtaeesp Miche des Geschädigten (hier angeòlich
noch gegeeeitber der Postverweltung, neben der Beklagten) befreit
die vom eine-n Haftpflichtschuldner zur Tilgung seiner eigenen Schuld
geleistete Zahlung auch den a n d er n H aftpflichtigen (Art. 166
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 166 - Bestimmen Gesetz oder richterliches Urteil, dass eine Forderung auf einen andern übergeht, so ist der Übergang Dritten gegenüber wirksam, ohne dass es einer besondern Form oder auch nur einer Willenserklärung des bisherigen Gläubigers bedarf.
Abs. :(
OR ). Nicktzutsireffen dieser Voraussetzung mit Bezug auf die von der
Posteerwaltlmg mee vorschzessweise bezahlten H e il im g su n d Ve r p fl
eg u n g s ko ste n. Für den Berufu-ngsrichter verbindliche Feststellung
der Natur dieser Zahlung (Art. 81
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 166 - Bestimmen Gesetz oder richterliches Urteil, dass eine Forderung auf einen andern übergeht, so ist der Übergang Dritten gegenüber wirksam, ohne dass es einer besondern Form oder auch nur einer Willenserklärung des bisherigen Gläubigers bedarf.
OG). M neiget eines eore'èb ergebenden
l'erdtenstausfalls des Klägers während der Heilengszeil, abgesehen vom
Nebenverdienst, wege?! der forldauerndee eorbehaltlesen Bezahlung seines
Gehalts seitens de? Postvet'eealtng. _

A. Der Kläger ist Posthalter in Höngg bei Bin-ich. Am 23. September 1906
hatte der Postplanton einer in Höngg kantonietten Guiden-Kompagnie die
für diese Kompagnie bestimmtenB. Berusungsinstanz : î. Haftpflicht aus
Betrieb der Eisenbahnen, etc. N° 68. 4-49

Postsachen im Poftbureau abzuholen. Zu diesem Behufe hatte er em
Haudwägelchen mitgebracht und vor der Post zwischen dem Tramgeleife der
Beklagten und dem Sockel der Gartenmauer des Postgebäudes aufgestellt,
so zwar, dass sich zwischen dem äussersten Teil der Brücke des
Handwagens und dem vom Tramwagen u durchfahrenden Luftraum noch ein
freier Zwischenraum von 24 cîn befand. Um die Abholung der Postsachen
zu beschleunigen half der Kläger dem Planton beim Hinaustragen der
Pakete. Alé nun der Kläger damit beschäftigt war, eine Anzahl Pakete
auf den Handwagen aufzuladen, kam dieser aus unaufgeklärter Ursache
m Bewegung In demselben Augenblicke fuhr der Tramwagen vorbei, und es
erfolgte ein Zusammenstoss, wobei der Kläger zwischenqden Handwagen und
den Gartensockel eingeklemmt wurde. Die Folgen des Unfalles bestehen für
den Kläger in einer bleibenden Verkürzung des linken Beine-Z um 41,·,
cm in einer fast bollständigeu Steifheit des linken Kniegelenkes in einer
Deformterung des Beine-Z an der Bruchstelle Und in der Schwächung seiner
Gesundheit infolge einer während des Heilungsprozesses eingetretenen
Brustfellentzündung Ausserdem war der Kkäger 22 Monate vollkommen
arbeitsunfähig Zur Zeit des Unfalls hatte der Kläger folgendes Einkommen
aus Arbeit-: Gehalt als Postverwalter. . . . . . . . Entschädigung
als Telegraphist . . . . . . . Fr. Ligg Honorar als Einnehmer der
Sparkasse Limmattal 453 als Verwartee des Elektkizitätswerkes Höugg
s 400 als Jnspektor der schweizerischen Hagelver, sichemngsgesellschaft
. . . . . zirka 200 zu ammen irka qr. 371 Der Kläger hat jedoch in der
Klège das Ton ihmdvor bensi unfall bezogene Einkommen selber nur auf 3500
Fr. beziffert. Jnfolge des Unfalles hat der Kläger die Jnfpektorstelle bei
der schweizerischen Hagelversicherungsgesellschaft aufgeben müssen. Die
Verwalterstelle beim Elektrizitätswerk Höngg ist seither aus Gründen,
dre mit dem Unfall nichts zu tun haben, aufgehoben worden. Bach einem bei
den Akten liegenden Atteft der schweiz. Hagelverstcherungsgesellschaft
würde der Kläger vom Jahre 1906 an bei

450 A. Oberste Zivilgerichtsiastanz. ]. Materiellrechtliche
Entscheidungen.

dieser Gesellschaft vermehrte Verwendung alsExperte, namentlich für
Hagelschäden in der französischen Schweiz, gefunden haben.

Die Heilungsund Verpslegungskosien im Betrage von 2880 Fr. 40 W. sind von
der Postverwaltung bezahlt worden, sswobet sich diese vom Kläger jeweilen
eine Vorschussquittnng ansstellen lsstesz. Der Gehalt als Posthalter und
als Telegraphist wurde dem Klager nach dem Unfall auch während der Dauer
seiner Arbeitsunfähigkeit weiter ausbezahlt Der Kläger behauptet jedoch,
die Postverwaltung verrechne ihm die Kosten seiner Stellvertretung mit
3215 Fr. 15 Ets.

Der der fahrlässigen Körperverletzung angeklagte Tramwageusührer
Vollrat ist durch Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich
(IH. Appellationskammer) vom 30. September 1909 von Schuld und Strafe
freigesprochen worden.

B. Durch Urteil vom 8· April 1911 hat die I. Appellationskammer des
Obergerichts des Kantons Zürich über die vom Kläger gestellte Rechtsfrage:

1. Jst die Beklagte verpflichtet, dem Kläger 6095 Fr. 55 (Stà.
Heilungsund Verpflegungskosten, sowie Verdienstausfall während der
dauernden Erwerbsunfähigkeit zu bezahlen ? .

2. Hat die Beklagte im weitern dem Kläger eine Entschädigung von 25,00()
Fr. samt Zins zu 50/0 seit 23. September 1906 zu bezahlen?

erkannt:

1. Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger 6095 Fr. 55 Cis-.
HeilungsUnd Verpflegungskosten, sowie Verdienstausfall während der Dauer
der gänzlichen Erwerbsunfähigkeit zu bezahlen.

2. Im weitern ist die Beklagte verpflichtet, dem Kläger eine Entschädigung
von 10,500 Fr. nebst 5 00 Zins seit 15. Juli 1908 zu bezahlen. -

Der in Dispositiv 1 zugesprochene Betrag von 6095 Fr55 Cis. setzt sich
zusammen aus:

Heilungsund Verpslegungskosten Fr. 2880 40 Stellvertretungskosten
. . . . . . . . 3215 15

zusammen Fr. 6095 55 ZU dem in Dis-positiv 2 zugesprochenen Betrage
von 10,500 Fr. ist die Vorinstanz auf Grund folgender Rechnung
gelangt:B. Berufungsinstanz : 2. Haftpflicht aus Betrieb der Eisenbahnen,
etc. N° 66. 451

Durchschnittlicher, zukünftiger Erwerb des Klägers, wenn der Unsall
nicht eingetreten wäre: 3700 Fr. Durchschnittliche Verminderung der
Erwerbsfähigkeit (laut medizinischer Erpertise 20 25 oX,): 20 "i-f =
740 Fr. Alter des Klägers zur Zeit der Wiederaufnahme seiner Tätigkeit
33 Jahre; erforderliche-Z Kapital, um in diesem Alter eine Rente von 740
Fr. zu erwerben, nach Soldans Tab. III Fr. 13,14O Abzug für die Vorteile
der Kapitalabfindung, womit sich der Kläger ausdrücklich einverstanden

erklärte, 20 % 2628

verbleiben Fr. 10,512 oder rund 10,500

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Fragt es sich zunächst, ob der einen oder andern Partei ein für den
Unfall kausales Verschulden zur Last falle, so ist davon auszugehen,
dass nach den Feststellungen der Vorinstanz das Handwägelchen, dessen
Zusammenstoss mit dem Tramwagen den Unfall verursacht hat, ursprünglich
unmittelbar am Geländersockel gestanden hatte, sodass zwischen dem
Tramwagen und dem Handwägelchen ein freier Raum von 2 1/2 dm verblieb und
der Triumwagen somit reichlich Platz zur freien Durchfahrt gehabt hatte,
dass dann aber im letzten Augenblick das Handwägelchen aus unerklärter
Ursache in Bewegung kam und infolgedessen im kritischen Moment um zirka
3 cm in den vom Tramwagen zu durchsichrenden Luftraum hineinragte,
was den Zusammenstosz bewirkte.

Diese tatsächlichen Feststellungen sind heute von der Beklagten nicht
angefochten, sondern im Gegenteil als richtig bezeichnet worden; der
Kläger aber hat sie zwar angefochten, jedoch keineswegs dargetan,
inwiefern sie aktenwidrig sein oder bundesgesetzliche Bestimmungen
über die Würdigung des Beweisergebnisses verletzen sollen. Von
einer Aktenwidrigkeit oder von einer Missachtung bundesrechtlicher
Beweisvorschriften kann denn auch offenbar hier keine Rede sein. Jene
Feststellungen beruhen einerseits auf den genauen Massangaben eines bei
den Akten liegenden Berichtes der Bezirksanwaltschaft, anderseits auf
den übereinstimmenden Aussagen des

452 A. Oberste Zivilgerichtsiustanz. [. Materiellrechtliche
Entscheidungen.

Postplantons Lambelet und des Tramwagenführers Vollrat und insofern auch
auf der eigenen Aussage des Klägers, als dieser in der Strafuntersuchung
gegen Vollrat erklärt hatte, Lambelet habe den Handwagen neben das
Tramgeleise auf Strasse und Strassenschale gestellt, sodass derselbe
am Randstein auf der Seite gegen die Post anstand. Allerdings hatte
der Kläger damals-, im Gegensatz zu Lambelet und Vollrat, zugleich
behauptet, das Wägelchen habe immer still gestanden-A Allein, wenn die
Vorinstanz in diesem letztern Punkte mehr auf die Aussagen Lambelets
und Vollrats abgestellt hat, als auf diejenigen des Klägers, so hat sie
damit lediglich eine Frage der Beweiswürdigung gelöst, bezüglich dererdem
Bundesgerichte kein Überprüfungsrecht zusteht. Von einer Aktenwidrigkeit
kann hier ebensowenig gesprochen werden, als in jedem andern Falle,
in welchem sich der Richter vor die Notwendigkeit gesetzt sieht,
zwischen widersprechenden Zengenaussagen zu wählen. Und wenn nun auch
im vorliegenden Falle der Tram: wagenführer Vollrat nicht als Zeuge,
sondern als Angeschuldigter einvernommen worden war, und der Zeuge
Lambelet seinerseits vielleicht ebenfalls ein gewisses Interesse daran
haben mochte, den Hergang im gleichen Sinne darzustellen, wie Vollrat,
so konnte doch anderseits auch der Kläger nicht als völlig unbeteiligt
geltenund es lag somit gewiss nahe, in Ermangelung absolut klassischer
Zeugen auf die Darstellung Vollrats und Lambelets abzustellen, mit der
sich zudem die bereits erwähnte Erklärung des Klägers deckte, dass der
Handwagen, als Lambelet ihn neben das Tramgeleise stellte, am Randstein
auf der Seite gegen die Post

anstand. Jst aber demnach als in unanfechtbarer Weise festgestellt

zu betrachten, dass das Wägelchen erst im letzten Augenblick aus
unaufgeklärter Ursache in Bewegung gekommen und erst dadurch in den vom
Tramwagen zu durchfahrenden Luftraum hineingeraten ist, so kann nun gewiss
der Zusammenstoss weder dem Tramwagenführer Vollrat, noch dem Kläger zum
Verschulden angerechnet werden. Was speziell den Wagenführer betrifft,
so lag für ihn selbstverständlich und übrigens auch nach dem Wortlaute
von § 35 seines Dienstreglementes ein Anlass zu besonders langsamer
Fahrt und zum Läuten mit der Alarmglocke nur dann vor, wenn das

Handwägelchen wirklich in den Luftraum des Tramwagens
hin-B. Berufungsînstanz : 2. Haftpflicht aus Betrieb der Eisenbahnen,
etc. N° 66. 453

ragte; dies war aber eben nach der unanfechtbaren
tatsächlicherFeststellung des kantonalen Richters erst der Fall, als
es zum Lauten zu spät war und auch dies Fahrgeschwindigteit nicht mehr
genügend vermindert werden konnte.

Mit der Verneinung der Frage nach einem Verschulden des Tramwagenführers
Vollrat ist selbstverständlich der Standpunkt des Klägers, dass bei
der Beklagten culpa in eligendo vorliege, gleichfalls entkräftet. Denn
das Verschulden Vollrats ist hier nicht etwa deswegen verneint worden,
weil er die nötige Erfahrung nicht besessen habe, sondern deshalb, weil
nicht dargetan ist, dass irgend ein anderer Wagenführer an seiner Stelle
den Zusammenstoss hätte vermeiden können.

2. Fällt somit keiner Partei ein für den Unfall kausales Verschulden
zur Last, so ergibt sich daraus einerseits-, dass die Beklagte den
Kläger für den ihm entstandenen Vermögensschaden voll zu entschädigen
hat; anderseits-, dass vom Zuspruch eines Schmerzensgeldes im Sinne von
Art. 8 EHG Umgang zu nehmen ist.

Was die Höhe des vom Kläger erwachsenen Schadens und insbesondere
dessen Erwerbsverhältnisse betrifftso ist die Vorinstanz in ebenfalls
unanfechtbarer Weise von einem mittleren zukünftigen Verdienst des
Klagers im Betrage von 3700 Fr. ausgegangen. Zwar hatte der Kläger sein
Einkommen ursprünglich selber nur auf 3500 Fr. veranschlagt Allein im
Laufe des Prozesses hatte er zuverlässige und übrigens von der Beklagten
nicht speziell angefochtene Belege ins Recht gelegt, aus denen sich für
das Jahr 1905 ein Gesamteinkommen von 3718 Fr. ergab. Ausserdem war
seit Beginn des Prozesses die Besoldung des Klägers bereits zweimal
erhöht worden; und endlich hatte der Klager auch eine Erklärung der
schweiz. Hagelversicherungsgesellschaft produziert, wonach sein Verdienst
bei dieser Gesellschaft infolge ver- mehrter Verwendung als Experte,
namentlich für Hagelschäden in der französischen Schweiz-C voraussichtlich
noch zugenommen haben würde. Es war nun eine Frage des kantonalen
Prozessrechtes, ob diese Tatsachen bezw Belege noch berücksichtigt werden
könnten, und ass daher das durchschnittliche Einkommen höher veranschlagt
werden dürfe, als der Kläger es ursprünglich selber angegeben hatte. Dazu
femmt, dass nach einem feststehenden Grundsatze des eidgen. Haft-

.ss454 A. Oberste Zivilgerichtsîusianz. [. Materielh'echfliche
Entscheidungen.

pflichtrechtes bei der Berechnung der Entschädigung für zukünftige
Erwerbseiubusse von einem höheren als dem bisherigen Erwerb ausgegangen
werden durfte, sofern als wahrscheinlich zu betrachten war, dass ohne
den Unfall in absehbarer Zeit eine Erhöhung des Einkommens eingetreten
ware. Letzteres konnte aber im vorliegenden Falle umso eher angenommen
werden, als der Kläger ja schon bisher in der Ausübung seiner zahlreichen
Nebenbeschäftigungeu eine bemerkenswerte Energie an den Tag gelegt hatte.

Bei dieser Sachlage kann auch dem Umstande, dass die vorn Kläger
ursprünglich bekleidete Stelle eines Verwalters des Elektrizitätswerkes
Höngg in der Folge aufgehoben worden ist, nicht dieihm von der Beklagten
beigelegte Bedeutung zuerkannt werden Durch die Aufhebung dieser Stelle
wurde ein Teil der Arbeitskraft des Klägers frei, und es ist bei dessen
bereits erwähnter Energie nicht anzunehmen, dass er es nicht verstanden
haben würde, ihn anderweitig nutzbringend zu verwenden.

Der Berechnung der zukünftigen Erwerbseinbusse ist daher in der Tat der
von der Vorinstanz angenommene Durchschnitts-verdienst von 3700 Fr. zu
Grunde zu legen.

3. Was nun die auf dieser Basis vorzunehmende Schadensberechnung
betrifft, so ist im Gegensatz zu den bezüglichen Ausführungen der
Beklagteu festzustellen, dass der gerichtliche Experte, und mit ihm die
Vor-instanz, keineswegs von einem unrichtigen Begriff des ersatzfähigen
Schadens ausgegangen find.

Der Schaden war allerdings, wie überhaupt im Haftpflichtrecht und auch
bei Anwendung des em. 53 OR, im Gegensatz z. B. zur Unfallversicherung
soweit sie nicht Haftpflichtversicherung ist (vergl. betr. Haftpflicht:
AS 18 S. 557; 19 S. 782 Erw. T27 II S.' 434 Erw. 8, 28 II S. 4 1, 32 II
S. 599, 35 II

S. 31 (em. 5, S. 551 f.; Bett. Art. 53
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 53 - 1 Bei der Beurteilung der Schuld oder Nichtschuld, Urteilsfähigkeit oder Urteilsunfähigkeit ist der Richter an die Bestimmungen über strafrechtliche Zurechnungsfähigkeit oder an eine Freisprechung durch das Strafgericht nicht gebunden.
1    Bei der Beurteilung der Schuld oder Nichtschuld, Urteilsfähigkeit oder Urteilsunfähigkeit ist der Richter an die Bestimmungen über strafrechtliche Zurechnungsfähigkeit oder an eine Freisprechung durch das Strafgericht nicht gebunden.
2    Ebenso ist das strafgerichtliche Erkenntnis mit Bezug auf die Beurteilung der Schuld und die Bestimmung des Schadens für den Zivilrichter nicht verbindlich.
OR: 34 II S. 271 f. ,

Erw. 6; betr. Unfallversicherung: 32 II S. 660, 36 II S. 335 Erw. s)
konkret zu berechnen. Allein dies haben der gerichtliche Erperte
und die Vorinstanz in hohem Masse getan, indem sie die speziellen
Berufsund Erwerbsverhältnisse des Klägers und insbesondere die
Tatsache beriicksichtigten, dass der Kläger trotz dein Unfall
seine Posthalterstelle weiter bekleiden und auch fernerhin gewissen
Nebenbeschäftigungen nachgehen farm. Mag es vielleichtB. Berufungsinstauz
: %. Haftpflicht aus Betrieb der Eisenbahnen, etc. N° 66. 455

auf den ersten Blick etwas stossend erscheinen, dass nichtsdestoweniger
20 Ooige Verminderung der Erwerbsfähigkeit angenommen wurde, so findet
diese Annahme bei näherer Prüfung doch, und zwar gerade in den konkreten
Umständen des vorliegenden Falles, ihre volle Rechtfertigung Denn
einerseits ist es bei jener unbestrittenen Energie und Intelligenz des
Klägers und bei feinem, wie die Vorinstanz konstatiert, ausgesprochenen
Erwerbssinn gewiss nicht als ausgeschlossen zu betrachten, dass der
Kläger, wenn er den Unfall nicht erlitten hätte, früher oder später seine
Posihalterstelle gegen irgend eine einträglichere, wenn auch vielleicht
anstrengendere Tätigkeit vertauscht, oder sonstwie, z. B. durch Gründung
eines selbständigen Geschäftes, sich einen höheren Erwerb verschafft
haben würde was ihm jetzt selbstverständlich durch seine körperliche
Invalidität und durch die damit verbundene raschere Ermüdung bei jeder
Arbeit bedeutend erschwert wird. Anderseits aber muss doch auch mit
der Möglichkeit gerechnet werden, dass der Kläger, der nun infolge des
Unfalles mehr als früher auf seine gegenwärtige Stelle angewiesen ist, aus
irgend einem Grunde einmal genötigt sein könnte, diese Stelle aufzugeben,
worauf er dann, gerade wegen seiner körperlichen Invalidität, sogar
Mühe haben würde, einen pekuniär gleichwertigen Posten zu finden. Jst
nun auch zuzugeben, dass sich dieses Risiko einer Verschlechterung der
wirtschaft- lichen Lage des Klägers infolge des Unfalls, eben weil es
sich dabei blos um ein Risiko handelt, voraus-sichtlich nicht in Form
einer Jahr für Jahr zu konstatierenden, gieichmässigen Erwerbseinbusse
äussern wird, so ist doch anderseits klar, dass es bei der Berechnung der
Haftpflichtentschädigung abgeschätzt werden muss, und dass dies am besten
in Prozenten der Erwerbsfähigkeit geschieht. Es ist denn auch in der
Haftpflichtpraris, zumal wenn die Entschädigung vin Form eines Kapitals
zugesprochen wird, allgemein üblich, derartige Risiken in Prozenten
auszudrücken, gleich wie umgekehrt allfällige schadenvermindernde
Eventualitäten (wie z. B. bei der Witwe eines Vernuglückten die
Möglichkeit der Wiederverheiratung) in Form von prozentualen Abzügen
zum Ausdrucke kommen. Dabei muss selbstverständlich wenn es sich um die
Abschätzung des Risikos einer ungewissen, zukünftigen Erwerbseinbusse
handelt, der Umstand berücksichtigt werben; dass der Schaden sehr
wahrscheinlich nicht

456 À. Oberste Zivilgerichtsinstanz. l. Materiellrechtliche
Entscheidungen.

sofort eintreten wird, bezw. in dem Zeitpunkt, bis zu welchem

nach Massgabe des Prozessrechts neue Tatsachen noch berücksichtigt -

werden durften, tatsächlich noch nicht eingetreten war; desgleichen
die Möglichkeit, dass die befürchtete Erwerbseinbusse in Wirklichkeit
vielleicht überhaupt nie eintreten wird.

Im vorliegenden Falle ist nun der Schaden allerdings insofern noch nicht
eingetreten, als der Kläger seine Posthalterstelle tatsächlich noch inne
hat, und auch nicht ersichtlich ist dass ihm infolge des Unfalls bereits
eine einträglichere Hauptbeschäftignng entgangen sei. Dagegen ist ein
Schaden insofern schon jetzt zu konstatieren, als die vom Kläger vor
dem Unfall bekleidete Stelle eines Verwalters des Elektrizitätswerkes
Höngg seither, wenn auch aus Gründen, die mit dem Unsall nichts zu tun
haben, aufgehoben worden isf, der Kläger aber zweifellos infolge seiner
körperlichen Invalidität eine anderweitige passende Verwendung des dadurch
frei gewordenen Teils seiner Arbeitskraft (vergl. oben Crw. 2) weniger
leicht finden wird, als wenn er in der Wahl seiner Nebenbeschäftigungen
vollkommen frei ware. Dazu kommt, als ferneres, in noch höherem Grade
bereits verwirklichtes Schadensmoment der Umstand, dass der Kläger seine
Stelle als Inspektor der schweiz. Hagelversicherungsgesellschaft, die
ihm bisher 200 Frper Jahr einbrachte und in Zukunft, infolge vermehrter
Inanspruchnahme für Expertisen in der französischen Schweiz, noch mehr
eingetragen haben würde, seit dem Unfall selbstverständlich nicht mehr
bekleiden konnte. Hat aber der Kläger hienach schon gegenwärtig infolge
von Umständen, deren einer direkt auf den Unfall

zurückzuführen ist, und deren anderer immerhin in einem gewissen

Zusammenhang damit steht, eine Erwerbseinbusse von 600 800 Fr. per Jahr
erlitten, so erscheint die Annahme einer durchschnittlichen zukünftigen
Erwerbseinbusse von 20 jo = 740 Fr., wenn auch noch die Möglichkeit
des Verlustes anderer Nebenverdienste oder gar der Posthalterstelle in
Berücksichtigung gezogen wird, gewiss nicht übersetzt Es ist daher jener
Ansatz von 20 % gutzuheissen und dem Kläger für dauernde Verminderung
seiner Crwerbssähigkeit das von der Vorinstanz auf dieser Grundlage
ausgerechnete Kapital von 10,500 Fr. zuzusprechen.

Als unbegründet erscheint dagegen der Anspruch des
KlägersB. Berusungsinstanz: 2. Haftpflicht aus Betrieb der Eisenbahnen,
etc. N° 66. 457

auf eine besondere Entschädigung für Erschwerung des Fortkommens infolge
von Verstümmelung, wie sie Art. 3 EHG vorsieht. Denn im konkreten Falle
besteht die Erschwerung des Fortkommens des Ver-letzten nach der eigenen
Darstellung des Klägers in nichts anderem, als in einer Beeinträchtigung
seiner Erwerbsfähigkeit; hiefür aber ist Winkler durch jenes Kapitat
von 10,500 Fr. bereits voll entschädigt. Ubrigens ist der vom Kläger in
der Anschlussberufung gestellte Antrag auf Erhöhung der Entschädigung
ausdrücklich nur mit Art. 8 , nicht auch mit Art. 3 EHG, begründet worden,
sodass ein Antrag auf Zuspruch einer Entschädigung im Sinne des Art. 3,
genau genommen, überhaupt nicht mehr vorliegt.

4. Bei der weitern Frage, ob dem Kläger für die Dauer seiner
vorübergehenden gänzlichen Arbeitsunfähigkeit (2,2 Monate) als
Entschädigung für Verdienstausfall und Heilungskosten der von ihm
geforderte Betrag von 6095 Fr. 55 Cts. zuzusprechen sei, ist zwischen
den Heilungsund Verpflegungskosten einerseits und dem Verdienstausfall
anderseits zu unterscheiden, da das Rechtsverhältnis des Klägers
zur eidgen. Postverwaltung in Bezug auf diese beiden Posten der
Schadensberechnung ein verschiedenes ist.

Was zunächst die Heilungsund Verpflegungskosten betrifft, so ist
nicht bestritten, dass dem Kläger infolge des Unfalls solche Kosten im
effektiven Betrage von 2880 Fr. 40 Cts. erwachsen sind, und dass die
Beklagte nach Art. 3 EHG grundsätzlich zu deren Ersatz verpflichtet
war, streitig ist nur, ob diese Verpflichtung der Beklagten deshalb
dahingejfalleu fei, weil der Kläger, wie die Beklagte behauptet von
einem Solidarschuldner der Beklagten, nämlich von der eidgenössischen
Postverwaltung, für seinen Anspruch befriedigt worden sei.

Nun ist allerdings aktenmässig festgestellt, dass die Post-dermaltung
den Betrag der Heilungsund Verpflegungskosien tatsächlich bezahlt hat
Ebenso ist richtig, dass nach den Grundsätzen des Obligationenrechts, im
Falle solidarischer Haftung zweier Schuldner für eine und dieselbe Schuld,
mit der Tilgung dieser Schuld durch den einen der beiden Solidarschuldner
zugleich auch der Anspruch des Gläubigers gegenüber dem andern Schuldner
dahinfällt; und

458 A. Oberste Zivilgerichtsinstanz. _ l. Materiellrechtliche
Entscheidungen.

endlich ist es gewiss nicht zu beanstanden (vergl. übrigens AS 36 II
S. 98 Erw. 6), Mn der u· ll. aus einem und demselben Unfall abzuleitende
SchadeMsajILnspruch eines Vernngliickten gegenüber zwei, MTM gleichen,
sei es einer-verschiedenartigen Haftpflicht unterstehenden Unternehmern
nach den öbligationenrechtfschen GrunokcnzTu über-Solidarovnganonen
Zehnudelkwitd wobei es eine rein theoretiEe StreiRage ist, ob
dieses Verhältnis als Îchte, oder als unechte Solidaritat zu %ng die
Postverwaltung neben der heutigenWlagten für die Folgen des dem Kläger
zugestossenen Unfalls aufzukommen hatte, oder doch aufkommen zu müssen
glaubte, und dass sie die Heilungsund Verpflegungskosten zum Zwecke der
Tilgung ihrer eigenen Haftpflichtschuld bezahlte, so wäre der Kläger
in der Tat nicht berechtigt, jene Kosten nachträglich auch noch von der
Beklagten zurückzufordern .

Nun ist aber zunächst sehr fraglich, ob die eidgen. Postverwaltung
bezw. der Bund im vorliegenden Falle wirklich haftpflichtig war, d,
h. ob gesagt werden könnte, der Kläger sei im Sinne von Art. 18 des
Postregalgesetzes vom :). April 1894 (vergl. Art. 95 des Postgesetzes
vom 5. April 1910) beim Postbetrieb verletzt worden. Schon mit Rücksicht
hierauf ist es gewiss sehr unwahrscheinlich, dass die Postverwaltung, als
sie von sich aus die dem Kläger erwachsenen Heilungsund Verpflegungskosten
bezahlte, dies im Sinne der Tilgang einer ihr, der Postverwaltung
bezwder Gdgenossenschast, obliegenden Verpflichtung tat. Ebensowenig ist
anzunehmen, dass sie damit dem Kläger ein Geschenk machen wollte; denn
hier lag umso weniger Veranlassung vor, als Winkler ja jedenfalls gegen
die Beklagte vorgehen konnte und, sofern nicht etwa Selbstverschulden
angenommen wurde,sowieso eine Entschädigung erhalten musste. Hat aber
die Postver--

waltung jene Heilungsund Verpflegungskosten weder im Sinne der Tilgung
einer eigenen Schuld, noch im Sinne eines dem Kläger zu machenden
Geschenkes, und noch weniger selbstverständlich zum Zwecke der Liberierung
der Beklagten bezahlt, so bleibt nur die eine Erklärung übrig: dass
sie damit dem Kläger, der die nötigen Barmittel vielleicht nicht besass
oder doch nicht gerade zur Verfügung hatte, momentan aushelfen wollte
und also die Zahlung8. Bemfungsînstanz : 2. Haftpflicht aus Betrieb der
Eisenbahnen, etc. N° 66. 459

für seine, des Klägers Rechnung leistete, gerade wie dies ein Verwandter
oder Freund des Klägers hätte tun können. Mag nun das dieser Zahlung
zu Grunde liegende Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der
Postverwaltung als Darlehen, als Mandat oder als Geschäftsführung
bezeichnet werden, auf alle Fälle ist nach dem Gesagten nicht anzunehmen,
dass jene Zahlung im Sinne der Tilgung einer dem Kläger gegenüber
bestehenden Schuld der Postverwaltung stattgefunden babe.

Wären aber in dieser Beziehung noch Zweifel möglich, so würden sie durch
die Feststellung der Vorinstanz beseitigt, dass die Postverwaltung die
Zahlung vorschussweise effektuiert babe. Denn insoweit diese Feststellung
tatsächlicher Natur ist, d. h. insoweit sie sich auf die s. Bt. von
der Postverwaltung abgegebene Erklärung, nur vorschussweise bezahlen
zu wollen, bezieht, isi sie jedenfalls nicht aftenwidrig, da von einer
bei den Akten liegenden nachträglichen Erklärung der Postverwaltung
selber ganz abgesehen die bezügliche Behauptung vom Klager in der
Replik aufgestellt und von der Beklagten in der Duplik, soviel aus dem
Verhandlungsprotokoll ersichtlich ist, nicht bestritten wurde; insoweit
es sich aber um die rechtliche Würdigung der betreffenden Erklärung
handelt, kann von einem Rechtsirrtum aus dem Grunde keine Rede sein,
weil im gewöhnlichen Sprachgebrauch unter Vorschusstfik in der Tat meist
entweder (in gewissem Sinne euphemis stisch) ein Darlehen, oder aber
eine vom Beauftragten für Rechnung des Auftraggebers gemachte Auslage
(Verwendung), oder endlich (was freilich hier nicht in Betracht kommt)
eine allfällige Vorleistung des Auftraggebers verstanden wird, während zur
Bezeichnung einer Teilzahlung auf Rechnung einer Schuld des Zahlenden die
viel näher liegenden Ausdrücke Anzahlung und Abschlagszahlung gebraucht
zu werden pflegen. '

Jst darnach als feststehend zu betrachten, dass die
eidgen. Postverwaltung, als sie die Heilungsund Verpflegungskosien
des Klägers bezahlte, dies nicht imSinne der Tilgung einer ihr selber
obliegenden Schuldpflicht tat, sondern dass sie damit für Rechnung des
Klägers handelte, so ist klar, dass Winkler für seinen Anspruch aus
Ersatz der Heilungskosten nicht befriedigt worden und dass also die
bezügliche Verpflichtung der Beklagten nicht unter-gegangen ist.

460 A. Oberste Zivilgerichtsinstanz, I. Maieriellrechiliche
Entscheidungen.

5. Anders verhält es sich mit dem Anspruch des Klägers auf Ersatz des
entgangenen Verdienstes Jasofern es sich nämlich hiebei um Nebenverdienst
handelt, hat die Beklagte von vornherein nicht behauptet, dass der Kläger
von der eidgen. Postverwaltung entschädigt worden sei; insofern es sich
aber um den Gehalt handelt, steht fest, dass er dem Kläger auch während
der Zeit seiner gänzlichen Arbeitsunfähigkeit unverkürzt ausbezahlt
worden ist, und es hat weder der Kläger noch die Postverwaltung
die Behauptung aufgestellt, auch diese Gehaltsauszahlung habe nur
vorschussweise stattgefunden. Nun ist allerdings nicht anzunehmen,
dass dieselbe Postverwaltung, welche die Heilungskosten ausdrücklich nur
vorschussweise bezahlte, den Gehalt im Sinne einer von ihr geschuldeten
Entschädigung für Verdienstausfall entrichtet habe, sodass der Kläger in
dieser Beziehung für seinen Haftpflichtanspruch befriedigt worden wäre;
denn auch in Bezug auf den Verdienstausfall hatte die Posiverwaltung
gewiss keine Veranlassung, die Beklagte von einer Schuld zu befreien. Wohl
aber ist zu sagen, dass infolge der Weiterzahlung des Gehalts dem

' Kläger in dieser Richtung überhaupt kein Verdienstausfall entstanden
ist. Mochte die Post-verwaltung sich kraft öffentlichen Rechtes zur
ununterbrochenen Auszahlung des Gehaltes für verpflichtet halten, oder
glaubte sie, sich gegenüber dem leäger als einem gewissenhaften und
tüchtigen Beamten kulant erweisen zu sollen, oder wurden die Zahlungen
einfach automatisch weitergeleistet, ohne dass sich die in Betracht
kommenden Organe die Frage vorlegten, ob dies prinzipiell gerechtfertigt
sei Tatsache ist, dass der Kläger seine Besoldung weiterbezogen hat,
und dass er somit in Wirklichkeit, soweit es sich um den Gehalt handelt,
gar keinen Verdienstausfall erlitten hat.

Nun behauptet der Kläger allerdings-, die Posiverwaltung verrechne ihm die
Kosten der Stellvertretung-C und es hat denn auch die Postverwaltung in
einer Zuschrift an den Klager, in einer solchen an die Bezirksanwaltschast
und endlich in einer solchen an die I. Appellationskammer des
Obergerichts ihrerseits den Standpunkt vertreten, der Kläger sei ihr
zur Riickerstattnng der Stellvertretmigskosten verpflichtet. Allein,
nachdem die Verwaltung

die Stellvertretungskosten seinerzeit ebenso vorbehaltlos bezahlt
hat,B. Berufungsinslanz : L. Haftpflicht aus Betrieb der Eisenbahnen,
etc. N° 66. 46}

wie den Gehalt des Klägers selber, könnte eine Rückzahlungspflicht
oder genauer eine Schadenerfatzpflicht des Klägers gegenüber der
Eidgenossenschaft in dieser Beziehung nur dann m Betracht kommen, wenn
sich eine solche Schadenersatzpflicht aus dem Anstellungsverhältnis des
Klägers ergeben würde; dass aber dies der Fall sei, wurde weder vom
Kläger noch von der Poftverwaltnng dargetan oder auch nur behauptet;
vielmehr wurde einfach und ohne irgendwelche Begründung stets nur
erklärt, die Postverwaltnng ggedenke die Stellvertretungskosten vom
Kläger zurückzufordern, bezw. sie verrechne sie ihm. . .

Jst somit anzunehmen, dass der Kläger, soweit sein Gehalt in Frage kommt,
weder direkt einen Verdienstausfall, noch indirekt durch Belastung mit
Stellvertretungskosten eine entsprechende Vermögensverminderung erlitten
hat, so erweist sich sein Anspruch auf Ersatz der Stellvertretungskoften
bezw. des Ausfalles an Gehalt als unbegrfindet, und es ist ihm daher unter
dem Titel des Verdienstausfalls bloss der ihm tatsächlich entgangene
Nebenverdienst zu ersetzen. Auf Grund der Angaben des Klägers, wonach
sein Gesamtverdienst zur Zeit des Unfalles 3500 Fr. betrug (wovon 2665
Fr. Gehalt und 835 Fr. Nebenverdienst) ergibt sich somit, stir 22 Monate
vorübergehender Arbeitsunfähigkeit, als Verdienstausfall ein Betrag von
1529 Fr. In diesem Sinne ist das angefochtene Urteil abzuändern

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Zn teilweiser Gutheissung der Hauptberufung und in Abweisung der
Anschlussberufung werden die dem Kläger von der Beklagten zu bezahlenden
Beträge, wie folgt festgesetzt:

Heilungsund Verpflegungskosten . · . Fr. 2s80 40

Entschädigung für vorübergehende Erwerbsembusse 1029 " ' "r dauernde
Verminderung der

Entschadigung fu . . . 10,500 _

Erwerbsfähigkeitzusammen Fr.14,909 40 nebst 5 % Zins seit 15. Juli 1908
ab 10,500 Fr.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 37 II 448
Datum : 12. Juli 1911
Publiziert : 31. Dezember 1911
Quelle : Bundesgericht
Status : 37 II 448
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 448 A. Oberste Zivilgerichtsinstanz. I. Materielirechffiche Entscheidungen. 2. Haftpflicht


Gesetzesregister
EHG: 3  3i  8
OG: 81
OR: 53 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 53 - 1 Bei der Beurteilung der Schuld oder Nichtschuld, Urteilsfähigkeit oder Urteilsunfähigkeit ist der Richter an die Bestimmungen über strafrechtliche Zurechnungsfähigkeit oder an eine Freisprechung durch das Strafgericht nicht gebunden.
1    Bei der Beurteilung der Schuld oder Nichtschuld, Urteilsfähigkeit oder Urteilsunfähigkeit ist der Richter an die Bestimmungen über strafrechtliche Zurechnungsfähigkeit oder an eine Freisprechung durch das Strafgericht nicht gebunden.
2    Ebenso ist das strafgerichtliche Erkenntnis mit Bezug auf die Beurteilung der Schuld und die Bestimmung des Schadens für den Zivilrichter nicht verbindlich.
166
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 166 - Bestimmen Gesetz oder richterliches Urteil, dass eine Forderung auf einen andern übergeht, so ist der Übergang Dritten gegenüber wirksam, ohne dass es einer besondern Form oder auch nur einer Willenserklärung des bisherigen Gläubigers bedarf.
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • vorinstanz • schaden • stelle • ehg • frage • weiler • die post • dauer • zins • monat • erwachsener • bundesgericht • zeuge • richtigkeit • paket • darlehen • obliegenheit • schuldner • unternehmung
... Alle anzeigen