236 Oberste Zivilgericlltsiuslunz. I. Matericilz'eclltliclm
Entscheidungen.

zur Folge haben, dass Schlumpf von dem vollen Betriebsstrom ('750-9()0
Volt) durchstossen wurde, statt nur von einem Teil dieses Stromes. Dagegen
wurde dadurch nichts an dem Umstande geändert, dass der Betriebsstrom
bei der Beklagten doch nur 750 900 Volk beträgt, also bedeutend weniger-,
als in zahlreichen andern elektrischen Betrieben.

6. War darnach die Hülfsarbeit, bei der Schlnmpf verunglückt ist,
keineswegs gefährlicher, als die Arbeit in irgend einem andern Betrieb,
in welchem Elektrizität hoher Spannung verwendet wird, und war sie
speziell auch nicht etwa deshalb gefährlicher, weil es sich um einen
zu Lokomotionszwecken dienenden Strom handelte, oder weil dabei die
spezifische Eile des Eisenbahnbetriebs eine Rolle gespielt hatte,
so kann sie nicht unter diejenigen Hlfsarbeiteu subsumiert werden,
mit denen die besondere Gefahr des Eisenbahnbetriebs verbunden ist.

Ein Haftpflichtanspruch war somit im vorliegenden Falle nur auf Grund des
Fabrikhaftpflichtgesetzes bezw. des Ausdehnungsgesetzes von 1887 gegeben,
und es ist deshalb, da die Veklagte das zweitinstanzliche Urteil nicht
angefochter ihrerseits aber die Klagpartei, übrigens mit Recht, den
bereits sehr geringen Zufallsabzug von 200 Fr. nicht beanstandet hat,
das vorliegende Urteil des bernischen Appellationshoses ohne weiteres
zu bestätigen; --

erkannt:

Die Berufung wird abgewiesen und damit das Urteil der IL Zivilkammer
des Appellationshoses des Kantons Bern vom 10. März 1911 in allen Teilen
bestätigtBeruf'ungsinstanz : 2. Haftpflicht aus Betrieb der Eisenbahnen,
etc. N° 35. 237

35. Zwei! vom ?. Juni 1911 in Sachen gini-eaux, Kl. u. Ber.-Kl., gegen
Schweiz. Yuudesfiahuen, Bekl. u. Ber.-Bekl.

Arti EHG. Ausschluss der Haftpflicht für einen Unfashder durch das
Verschulden eines Dritten verursacht werden ist. (Verletzung eines
Reisenden deeavch die Explszse'on einer Beinahe einer mit Explosivstofi
gefùééten Flasche , die von einer nicht zur Bahn-verwaltnng gehörenden
Person in einen Personenwagen gelegt werden war und beim Versuche des
Reisenden, sie daran.; zn entfernen, in seiner Hand explodierte. ) Begriff
der Unfallsnrsnehe im Rechtssimw; Ve'rneinnng eines rechtlich relevanten
Kausalznsammenhnngs des hie?" gegebenen Unfalls mit dem Bahnbeiriebe.

A. Durch Urteil vom 7. Dezember 1910 hat der Appellationshof des Kantons
Bern Über die Klage:

1. Die Beklagtschast sei zu ver-urteilen, dem Kläger Schadenersatz zu
leisten, im Sinne der Art. 1 und 3 des Bandes-gesetzes nem 28. März 1905
betreffend die Haftpflicht der Eisenbahnmtb Dampsschiffahrtunternehmungen,
für die Folgen des Unsalls mm 8. Oktober 1907.

2. Es sei diese Entschädigung durch das Gericht festzusetzen, verzinsbar
zu 50,-a vom Tage des Unsalls an gerechnet- --

erkannt:

Der Kläger wird, in Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils, mit seiner
Klage abgewiesen.

B. Gegen dieses Urteil hat der Kläger rechtzeitig die Berufung an das
Bundesgericht ergriffen und beantragt, es sei die Klage gutzuheissen,
eventuell die Sache zur Abnahme der anerbotenen Beweise und zu neuer
Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen

C. In der heutigen Verhandlung hat der Vertreter des Klägers diesen
Antrag erneuert. Der Vertreter der Beklagten beantragt die Abweisung der
Berufung, eventuell die Rückweisung an die Vorinstanz in dem Sinne, dass
ihr der Gegenbeweis gemäss der vor den kantonalen Justanzen gestellten
Veweisanträge abgenommen werde. -

As 37 n 1911 16

238 Oberste Zivilgerichtsinstanz. [. Materielirechtliche Entscheidungen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Der Kläger fuhr am 8. Oktober 1907 von Lausanne nach Sitten. Der Zug,
den er benützte, kam mit fünf Minuten Verspätung in Sitten an. Schon
während der Fahrt fiel den Reisenden in der Wagenabteilung, wo der
Kläger sass, ein sonderbarer Rauchgeruch auf. Als dann der Zug in Sitten
anhielt, entwickelte sich ein ziemlich starker Rauch. Der Kläger forschte
nach dessen Ursache und entdeckte unter einer Bank am Boden eine in
Packleinwand eingewickelte Flasche, an der eine rauchende Zikadschnur
befestigt war. Er war sich sofort darüber klar, dass es sich um eine
gefährliche Bombe handelte, und nahm daher die Flasche weg, um sie an
einen Ort zu bringen, wo die Erplosion nichts schaden konnte. Sie zum
Fenster hinauszuwerfen, getraute er sich nicht, weil er fürchtete, es
könnten dadurch Menschen und Sachen gefährdet werden Da auf dem Perron
eine Anzahl von Personen waren, entschloss er sich, auf der diesem
entgegengesetzten Seite auszufieigen Dabei soll nach seiner Behauptung
die Wagentüre nur mit Mühe aufgegangen sei, so dass er mit dem Ossnen
Zeit verlor. Als er aber den Wagen verlassen hatte, fuhr auf dem

daneben liegenden Geleise eben ein langer Güterng daher. Der =

Kläger entledigte sich daher der Flasche noch nicht. Er fragte
einen Bremser,. was er damit machen solle, worauf dieser-, indem
er auf den absahrenden Güterng aufsprang, rief: Je ne sais pas,
lancez-la. Zugleich bemerkte ein KondukteUr, es sei nicht gestattet,
à contre-voie auszusteigen. Als der Kläger darauf den Kopf drehte,
um zu antworten, platzte die Bombe und riss ihm die linke Hand meg. Jn
der Strafuntersuchung, die über diesen Fall geführt wurde, konnte nicht
ausfindig gemacht werden, wer die Bombe in den Wagen gelegt hatte-E

2. Da im Klagbegehren ausdrücklich nur ein Anspruch aus dem EHG geltend
gemacht und in der Berufungserklärung ausdrücklich Gutheissung des
Klagbegehrens, wie es ursprünglich gestellt war, beantragt worden
ist, so ist die Frage, ob der KlagerAnsprüche ans dem allgemeinen
Obligationenrechte, wie z. B. aus mb das denselben Unfallstatbestand
betreffende Urteil des

Bundesgerichts v. 5. Juni 4909 i. S. Gindraux c. La Préservatrice
: AS 35 HNr. 50 S. 382 H. (Anm. d. Red. f. Publ.)Berufungsinstanz:
2. Haftpflicht aus Betrieb der Eisenbahnen, etc. N° 35. 239

Geschäftsführung ohne Auftrag, gegen die Beklagte herleiten könne,
nicht zu untersuchen.

3. Um zu prüfen, ob der Kläger auf Grund des EHG einen
Schadenersatzanspruch gegen die Beklagte hat, empfiehlt es sich, zunächst
gemäss Art. 1 EHG festzustellen, auf welche recht-

liche Ursache der Unfall zurückzuführen ist und inwieweit dabei ein

schuldhaftes Verhalten vorliegt. Zn erster Linie ist jedenfalls das Legen
der Bombe in den Wagen Ursache im Rechtssinne. Wer sie hingelegt hat,
konnte von der Vorinstanz nicht festgestellt werden. Auf die Person des
Täters kommt es aber nicht an. Sicher bleibt, dass ein Dritter die mit
Erplosivstoff gefüllte Flasche in verbrecherischer Absicht in den Wagen
gebracht hat. Somit ist der Unfall vor allem auf das Verschulden eines
Dritten zurückzuführen Die Annahme, dass ein Bahnangestellter die Bombe
gelegt habe-, erscheint ausgeschlossen

4. Jst somit der Unfall durch das Verschulden eines Dritten verursacht,
so ist die Beklagte nur dann haftpflichtig wenn die besondere Gefahr des
Eisenbahnbetriebes rechtlich als Mitursache erscheint (AS 33 H S. 500
ff. Erw. 4 ff.). Nun mag allerdings ein Umstand, der in der Eigenart des
Bahnbetriebes liegt, zur Herbeiführung des Unfalles mitgewirkt haben,
nämlich die Ansammlung von Menschen und Zügen im Bahnhof, die den Kläger
verhinderte, kurzerhand die Flasche nach der einen oder andern Seite
wegzuwerfen. Als Ursache im Rechtssinn kann aber dieser Umstand nicht
angesehen werden. Wie das Bundesgericht im Falle Hüser gegen Birsigtalbahn
(AS 33 H S. 22 ff.) ausgeführt hat, schliesst ein durchaus regelwidriges,
nach der Erfahrung des Lebens nicht voranssehbares Verhalten der Getöteten
oder Verletzten, das auch abgesehen vom Eifenbahnbetriebe geeignet ist,
schädigend zu wirken, den Kausalzusammenhang zwischen dem Betriebe und dem
Unfall ans. Dasselbe gilt analog mit Bezug auf das kausale Verhalten eines
Dritten (vergl. den erwähnten Entscheid AS 33 II S. 500 ff. Erw. 4). Das
Hinlegen einer Bombe zur Herbeiführung einer Explosion ist nun ein ganz
ausserordentliche-s Ereignis-, mit dem beim Eisenbahnbetriebe nicht
gerechnet werden kann.

5. Da also der Unfall im Sinne des Art. 1 EHG durch das Verschulden
eines Dritten verursacht war, so ist die Beklagte

240 Oberste Zivilgcrichtsinstanz. I, Materiellrechtliche Entscheidungen.

dem Kläger gegenüber auf Grund des EHG nicht schadenersatzpflichtig. Es
ist dabei nicht nötig, festzustellen, ob titan e? zu tun habe mit einem
Unfalk beim Betriebe oder bei Hülssarbettem rmx: denen die besondere
Gefahr des Eisenbahnbetriebes verbunden tst.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt: Die Berufung wird abgewiesen
Und das Urteil des Appellationshofes des Kantons Bern vom 7. Dezember
1910 bestätigt

3. Haftpflicht für den Fabrikund. Gewerbebetrieb. Responsabilité civile
des fabricants.

36. Arrèt du 26 mai 1911 dans la came Pothier, dem. et rec., contre
La. Zürich, def. et int.

La dispositîon de Part. 9 LP (111 26 avril 1887 s'applique non seulement
aux transactions intervenues entres l'ouvner lese et son patron
responsable, mais aussi à celles conclues entre l'orrvrier et un tiers,
notamment la Société d'assurance engagee a oouvrir la responsabilité du
patron. Annulation d'un arrangement semblable. Fixation de l'indemnité
due.

A. Le 2 aoùt 1909, Joseph Pothier, an service de la Société franco-snisse
(l'electro-chimie à, Vernier, a été victime d'un accident professionnel
à l'index de la main gauche. La Société franco-snisssie était assnrée
anprès de la Cie la Zürich par un contrat d'assurance collective et
de responsabilité civile. L'art. 28 de la police d'assnrance (lispose
ce qui suit: -

Lorsque dans un cas d'accident professionnel convert par l'assurance
d'après ces conditions (art. 1 à 3} la responsabilité civile dn preneur
d'assurance est enconrue conformément à. la loi sur la responsabilité
civile des fabricants du 25 juin 1881 on a la loi sur i'extension de la
responsabilîté civile du 26 avril 1887, la Cie paie, en remplecement
desBemfungsinstanz: 3. Haftpflicht aus Fabrikund Gewerbebetrieb. N°
36. 24!Indemnités prévues aux art. 22 a 27 des présentes conditions,
la totalité des indemnités fixées par entente àl'amiable on par sentence
judjciaire, ainsi que les frais de procès éventuel.

Par lettre du 15 octobre 1909 la Société france-suisse d'électro-chimie
& declare qu'elle considérait que ses ouvriers et employés ont le droit
de se prévaloir directement contre le Zürich de l'assurance conclne,
qu'on tant. que de besoin elle les mettait et les snbrogeait dans tous
ses droits contre la 05°, Joseph Pothier étant au bénéfice de cette
dé-claratîon. '

B. Le 28 octobre 1909 Pothier a, ouvert action à la Zürich en paiement
de 4000 fr. avec intérèts dès le jour de l'accident.

Le 2 novembre 1909 il & signé la, quittanee suivante:

Le soussigné Joseph Pothier à Mont-Fleury declare avoir reca la somme de
435 fr. saleires, 28 fr. 40 courses Verney-Genève, 58 fr. 35 indemnité,
nous disons 519 fr. 75, constituant l'indemnité totale et definitive en
capital, intéréts et frais pour l'accident désigné ci-contre. Moyennant
ce paiement il donne quittance et décharge pleine et entière tant à la
Société franco-suisse (l'electro-chimie à Vernier qu'àsi la Zürich ,
declarant renoncer à toutes autres revendications du chef du dit accident
quelles qu'en puissent etre les conséquences present-es ou futures,
prévues ou imprévnes.

Cette quittance est établie sur un kormulaire imprime dont l'une des
faces est destinée à recevoir la quittance délivrée par le preneur
d'assurance à la Cie, et l'autre la quittance donnée par l'ouvrier;
seule cette dernière a été signée.

La Zürich a conclu à liberation des conclusions de la demande, en
invoquant le regu pour soide délivré par Pothier. Colui-ci en a alors
contesté la validite' en invoquant l'art. 9 de la loi sur l'extension
de la responsabilité civile.

Les experts médicaux commis per le Tribunal ont concln à une diminution
permanente de la capacité de travail de Pothier et l'ont évaluée à
10 Oio. Sur le vu du rapport (l'exportise, le demand eur a réduit ses
conclusions à 2450 fr.
Informazioni decisione   •   DEFRITEN
Documento : 37 II 237
Data : 10. marzo 1911
Pubblicato : 31. dicembre 1911
Sorgente : Tribunale federale
Stato : 37 II 237
Ramo giuridico : DTF - Diritto civile
Oggetto : 236 Oberste Zivilgericlltsiuslunz. I. Matericilz'eclltliclm Entscheidungen. zur


Registro di legislazione
LRespC: 1
Parole chiave
Elenca secondo la frequenza o in ordine alfabetico
lrespc • convenuto • tribunale federale • costume • casale • comportamento • autorità inferiore • danno • ferrovia • pericolo • decisione • munizione • automobile • inchiesta penale • esaminatore • autorizzazione o approvazione • giorno • risarcimento del danno • quesito • fumo
... Tutti