248 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

des Auswärtigen Amts des deutschen Reichs nicht anzunehmen. Denn darnach
hätte die in Betracht kommende Anerkennung entweder vor der Heirat oder
doch in der Heiratsurkunde selbst stattfinden müssen. Dies ist jedoch
feststehendermassen nicht geschehen. Hat aber unter diesen Umständen der
Rekurrent mit seiner Anerkennung durch Dominik Haberstroh die badische
Staatsangehörigkeit nicht erworben, so hat er nach dem Gesagten auch
das Schweizerbürgerrecht nicht verloren.

4. Im gleichen Sinne müsste der Entscheid auf Grund der Bundesverfassung
von 1848 ausfallen. Denn da diese Verfassung, im Gegensatz zur derjenigen
von 1874, über die Rechtsverhältnisse der unehelichen Kinder keine
Vorschriften enthielt, käme § 138 Abs. 1 des thurg. privatrechtlichen
Gesetzbuches zur Anwendung, wonach die unehelichen Kinder durch die
nachfolgende Ehe ihrer Eltern die Rechte ehelicher Kinder erwerben-A
Nun ist aber. ohne weiteres klar, dass diese Bestimmung eines kantonalen
Gesetzbuches in Bezug auf den Verlust des Schweizerbürgerrechts infolge
der Legitimation seitens eines Ausländers keine weitergehenden Wirkungen
haben konnte, als nunmehr Art. 54 Abs. 5 der Bundesversassung· Auch nach
Massgabe der zitterten Gefetzesbestimmung hätte daher der Ness kukrent
mit seiner Legitimation durch Dominik Haberstroh das Burgerrecht der
schweizerischen Gemeinde Emmishofen nur dann verloren, wenn er infolge
desselben Rechtsaktes die badische Staatsangehörigkeit erworben hätte,
was aber eben, wie dargetan, tatsächlich nicht zutrifft.

5. Zu keinem andern Resultate würde endlich auch die Anwendung von ä 204
des thurg. privatrechtlichen Gesetzbuches führen. Denn darnach gehören
die unehelichen Kinder grundsätzlich der Heimatgemeinde ihrer Mutter an,
und es ist von diesem Prinzip eine Ausnahme nur dann zu machen, wenn der
Vater ein Kantonsfremder ist, und dem betreffenden Kinde in dessen Heimat
(d. h. in der Heimat des Vaters) das Bürgerrecht ausgemittelt werden kann,
was jedoch wiederum im vorliegenden Falle nicht zutrifft ·

Auch von diesem Gesichtspunkte aus hat daher der Rekurrent mit feiner
Anerkennung durch Dominik Haberstroh das Bürgerrecht der schweizerischen
Gemeinde Einmishofen aus demlll. Doppelbestcuerung. N° 52. 249

Grunde nicht verloren, weil er die betreffende ausländische
Staatsangehörigkeit nicht erworben hat-

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Der Rekurs wird im Sinne der Erwägungen gutgeheissen, und demgemäss unter
Aufhebung des angefochtenen Entscheides der Regierungsrat des Kantons
Thurgau eingeladen, dafür besorgt zu sein, dass dem Rekurrenten ein
Heimatschein ausgestellt werde, in welchem er als Bürger der Gemeinde
Emmishofen und als thategauischer Kantonsbürger anerkannt wird.

III. Doppelbesteuerung'. Double imposibion,

52. Zweit vom 12. april 1911 in Sachen ...gli-niet, en.-o. sitt augewaudte
Esekttizitut, gegen àiitics), eventuell (Blumau,

Bei einem Geschäftsbetrieb, der sich als ein einheitlicher Organismus auf
das Gebiet zweier oder mehrerer Kantone erstreckt,ist ein Steuerdomizil in
allen denjenigen Kantonen anzunehmen, in denen das betreffende Geschäft
ständige, körperliche Anlagen oder Einrichtungen besitzt, mittelst
deren sich daselbst ein qualitativ und quantitativ wesentlicher Teil
seines technischen oder kommerziellen Betriebes oollzwht. Dabei ist kein
entscheidendes Gewicht darauf zu legen, ob die in Betracht kommenden
Anlagen oder Einrichtungen unter einer besondern, selbständigen
oder relativ selbständigen Leitung stehen, bezw. ob ihr Betrieb ohne
wesentliche Veränderung com Hauptbetrieb losgelb'st und mit rechtlicher
Selbständigkeil ausgestattet werden könnte. Vielmehr hat eine Teilung
der Steuerhoheit u. a. gerade auch dann einzutreten, wenn es sich um
einen einheitlichen Betrieb handelt, bei dem der Geschäftsgewinn durch
das Zusammenwirken der in den verschiedenen Kantonen lokalisierten
Betriebsfaktoren erzielt wird, und also von einer Selbständigkeit
der betreffenden Anlagen oder Einrichtungen nicht wohl gesprochen
werden kann. Anwendung dieses Grundsatzes auf ein Elektrizitätswerk,
dessen Stromoerteilungsnetz sich auf das Gebiet mehrerer Kantone
erstreckt. Andeutungen über die Berechnung des in jedem einzelnen Kanton
zu oersteuernden Einkommensbetrages.

250 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

A. Der Rekurrent war bis 1907 Eigentümer des heute den Kraftwerken
Beznau-Löntsch gehörenden Elektrizitätswerkes an der Beznau im Kanton
Aargau. Von der in diesem Elektrizitätswerk erzeugten elektrischen Energie
lieferte er einen Teil in den Kanton Zürich Die Primärleitung führte von
Baden nach Seebach und überschritt bei Qtelfingen die Kantonsgrenzez der
Strom wurde unter einer Spannung von zirka 25,000 Volt eingeführt. Jn
Seebach befand sich auf einem Grundstück, das dein Rekurrenten gehörte,
die Primärverteilungsstation mit mehreren Transformatoren. Von dieser
Station aus wurde der Strom (immer noch unter Hochspannung) in zwei
Hauptleitungen nach den entfernteren Gegenden des Kantons Zürich
geführt. Die eine Hauptleitung ging über Opfikon, Klolen, Bassersdorf,
Brütten und Töss nach Seen, Elfau, Wiesendangen und Bertschikon, die
andere über Wallisellen, Dübendorf, Uster, Grüningen und Bubifon nach Rüti
(Zürich). Nebenleitungen, die den Strom teils unter 25,000, teils unter
8000 Volt Spannung übermittelten, zweigten sowohl von der Unterzentrale
Seebach, als auch von den beiden Hauptleitungen ab. Eine solche
Primärnebenleitung führte von Seebach nach der Transformatorenstation der
Stadt Zürich (Guggach), wo der Motor in einem der Stadt gehörigen Gebäude
den elektrischen Strom auf eine Spannung von 6000 Volt transformierte
Jn dieser Form wurde er an die Stadt Zürich abgegeben. Eine weitere,
von der Unterzentrale direkt abzweigende Primärnebenleitung führte über
Affoltern (bei Zürich) und Regensdorf nach Höngg und Schlieren.

Die Primärnebenleitungen gehörten meist dem Rekurrenten, der sich von der
Mehrzahl der Grundeigentümer gegen eine feste Entschädigung das dingliche
Recht erkauft hatte, elektrische Leitungen über ihre Liegeuschaften
zu führen. Die Transformatorenstationen gehörten teils gänzlich dem
Rekurrenten, teils war, wie in Zürich (Guggach), das Gebäude Eigentum
des Stromabnehmers, während die Transformatoren dem Motor gehörten. Die
primären und sekundären Leitungsnetze innerhalb der einzelnen Gemeinden
gehörten bald dem Motor, bald dem Energieabnehmer.

Die Bedienung der Unterzentralen in Seebach und Seen
erfolgte durch ständige Angestellte des Rekurrenten, in
GrüningenHI. Doppelbesteuerung-. N° 52. 251

durch solche der WetzikomMeilen-Strassenbahn (gegen Entschädigung). Jn
den Kreis der Obliegenheiten dieser Organe gehörte _ insbesondere die
Überwachung des Ganges der Maschinen und Kontrollvorrichtungen, sowie
die Feststellung und Reparatur von Schäden an den Leitung-en

Ausser elektrischer Energie lieferte der Motor seinen Kunden, die
zumeist bindende Verpflichtungen über die Abnahme solcher Gegenstände
einzugehen hatten, das notwendige Material für die Ausrüftung der
Transsormatorenstationen und Sekundärleitungen, entweder direkt oder
durch Vermittlung einer von ihm bezeichneten Fabrik.

Durch Beschluss vom 3. August 1905 erklärte der Regierungsrat den Motor
für den Schätzungswert seiner auf zürcherischem Gebiete gelegenen
Grundstücke, Leitungsanlagen und Transformationseinrichtungen für
das Jahr 1904 vermögenssteuerpflichtig Gleichzeitig statuierte er
grundsätzlich die Einkommensteuerpflicht der Gesellschaft für den
Ertrag ihres innerkantonalen Geschäftsbetriebes". Ein vom Motor gegen die
regierungsrätliche Entscheidung eingelegter staatsrechtlicher Rekurs wurde
vom Bundesgericht laut Beschluss vom 30. November 1905 wegen Verspätung
nicht mehr angenommen.

Pro 1905 und 1906 wurde der Rekurrent nunmehr auf Grund des
Regierungsentscheides vom Z. August 1905 in einer grossen Anzahl
zürcherischer Gemeinden zur Vermögenssteuer und ausserdem vom Staat und
den Gemeinden Zürich und Winterthur zur Einkommenssteuer herangezogen,
wobei das im Kanton Zürich zu verfteuernde Einkommen folgendermassen
festgesetzt wurde:

für den Staat . . . . . Fr. 125,000 für die Stadt Zürich . . . 50,000

für die Stadt Winterthur (aus den Akten nicht ersichtlich).

Das im Kamen Zürich steuerpflichtige Vermögen würde nach den betreffenden
Taxationen wahrscheinlich (genaues ist ans den Akten nicht ersichtlich)
gegen 2 Millionen betragen haben.

Gegenüber diesen Einschätzungen vertrat der Rekurrent den
Standpunkt, dass er im Kanton Zürich nur für einen Betrag von 24,200
Fr. vermögenssteuerpflichtig und überhaupt nicht einkommensfteuerpflichtig
sei. Eventuell focht er auch die Taration des Einkommens an.

252 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. l. Abschnitt. Bundesverfassung.

Durch Verfügung vom 31. Dezember 1907 erklärte die Finanzdirektion den
Rekurrenten für sein ganzes im Kanton Zürich befindliches, bewegliches und
unbewegliches Vermögen staatsund gemeindesteuerpflichtigz ferner erklärte
sie ihn für die Jahre 1905 und 1906 auch einkommensteuerpflichtig,
und zwar sowohl gegenüber dem Fiskus als gegenüber den Städten Zürich
und Winterthur.

Jn Bezug auf die Einkommensteuerpflicht wurde dieser Entscheid damit
begründet, dass der Motor auf dem Gebiet des Kantons Zürich ständige,
unter relativ selbständiger Leitung stehende Einrichtungen und
Anlagen besitze, mittels deren sich daselbst ein wesentlicher Teil
des Geschäftsbetriebes vollziehe, und die zur Not auch als rechtlich
selbständige Unternehmung für Stromverteilung und -verkauf organisiert
werden könnten. Was die Grundsätze der Einkommensberechnung betreffe, so
habe zunächst der Rekurrent Über die Bruttoeinnahmen aus der Stromabgabe,
aus der Lieferung elektrischer Apparate, aus den Hausinstallationen
ec., sowie Über die Betriebsausgaben unter getrennter Ausführung der
auf die zürcherische Betriebstätigkeit entfallenden Summen neben den
Gesamtbeträgen des Jahresergebnisses, die nötigen Angaben zu machen;
ferner über den Anteil der zürcherischen Anlagen und denjenigen der
Kraftgewinnungszentrale im Beznau am Bilanz-Konto der eigenen Anlagen-A
Es werde davon auszugehen sein, dass der auf die Kraftgewinnungsanlage
entsallende Teil des Reingewinns unter Rücksichtnahme auf das Verhältnis
der Anlagekosten einerseits und den Umstand, dass Produktion des Stromes
und Stromverkauf gemeinsam an der Erzielung des Reingewinns-, soweit
er aus der Stromabgabe herrührt, partizipieren, anderseits zu ermitteln
und vorweg abzu' ziehen ist. Für die Repartition des übrigen Teils des
Reingewinns auf die zürcherische Betriebstätigkeit werde mau, neben der
Ausdehnung des Netzes, die im Kanton Zürich abgegebenen Strommengen und
die dadurch erzielten Strompreise, ferner die anderweitigen Lieferungen
und Hausinstallationen in Betracht zu ziehen haben. Weiter sei zu
beachten, dass der Strom an die Stadt Zürich zum Preise von 3,95 Cis
pro Kilowattstunde geliefert werde und der "Motor hieraus vorerst einen
entsprechenden

lll. Doppelbesteuerung N° 52. 2-53-

Teil der Betriebsauslagen, darunter auch die durch Überleitung des
Stromes nach Zürich, durch Transformierung, Überwachung und Abnutzung
der Einrichtungen entstehenden, zu decken habe um alsdann im Nettobetrag
den entsprechenden Teil des Reingewinnes für das Gesamtgeschäft zu
finden. Demnach seien die den Preis der Stromlieferung an die Stadt
Zürich übersteigenden Mehrbeträge aus der Stromlieferung an die
übrigen zürcherischen Abonnenten, welchen für Lichtstrom bis auf das
Mehrfache und für Motorenbetriebsstrom ebenfalls erheblich mehr als
der Stadt Zürich berechnet werde, ganz als Produkt des zürcherischen
Betriebes zu betrachten und daher, unter Abng der darauf speziell noch
treffenden Betriebskostenquote, ausschliesslich dem im Kanton Zürich
steuerpflichtigen Einkommensteil zuzurechnen. Von dem so ermittelten
Reingewinn aus dem zürcherischen Betriebe sei in Anwendung von Art. 9 der
Tarationsanleitung vom Jahre 1906 die 41/2 0oige Verzinsung derjenigen
Quote des Aktienkapitals und der Reserven abzuziehen, welche sich aus
dem Verhältnis des im Kanton Zürich steuerpflichtigen Teils der Anlagen
zu den gesamten Betriebsanlagen des Motor ergebe. Sollten allsällig
bei der definitiven Festsetzung des steuerpflichtigen Einkommens
durch die Taxationsorgane noch in anderweitigen Beziehungen Anstände
grundsätzlicher Natur zu Tage treteu, so behalte sich die Finanzdirektion
neue Weisungen vor (è 10 des Steuergesetzes). Demgemäss wurde in Bezug
auf die Einkommenssteuer verfügt :ss

.Der Motor . . . . ist im Sinne vorstehender Erwägungen Im Kanton
Zürich ....... für das Einkommen aus dem hiesigen Geschäftsbetrieb
staatssteuerpflichtig und an die Städte Zürich und Winterthur
für das durch die Stromlieferung an sie erzielte Einkommen
gemeindesteuerpslichtig.

B. Gegen diese Verfügung ergriff der Motor die Beschwerde an den
Regierungsrat, mit dem Antrag auf gänzliche Befreiung von jeglicher
Vermögensund Einkommensteuerpflicht im Kanton Zürich

Durch Entscheid vom 25. März 1909 beschloss hierauf der Regierungsrat :

Der Rekurs des Motor A.-G. wird abgewiesen und die Verfügung der
Finanzdirektion vom 31. Dezember 1907 be: stätigt.

254 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

Die Begründung dieses Entscheides wird vom Regierungsrat selber wie
folgt zusammengefasst: Die früher dem Motor gehörigen interkantonalen
elektrischen Anlagen seien als Bestandteile einer im Kanton Zürich ein
Spezialsteuerdomizil begründenden Betriebsstelle" anzusehen und daher
zur Vermögenssteuer heranzuziehen Mit der Bejahung der Frage nach dem
Vorhandensein einer steuerpflichtigen Zweigniederlassung sei auch die
Einkommensteuerpflicht für den aus dem zürcherischen Betrieb fliessenden,
nach § 7 des Steuergesetzes zu berechnenden Gewinn gegenüber dem Fiskus,
sowie den Städten Zürich und Winterthur gegeben (Urteil des Bundesgerichts
in Sachen Sarasin, Stähelin & Eie. gegen Basellandz AS 23 S. 505).
Immerhin sei von den als bewegliches Vermögen zu betrachtenden Objekten
(Vorräte an Leitungsdraht, Jsolatoren, Stangen ze.) ein verhältnismässiger
Schuldenabzug im Sinne des § 6 des Staatssteuergesetzes zu gestatten.

C. Gegen diesen Entscheid richtet sich der vorliegende, rechtzeitig und
sormrichtig ergriffene staatsrechtliche Rekurs mit dem Antrag:

Der Entscheid des zürcherischen Regierungsrates und derjenige der
Finanzdirektion seien als verfassungswidrig aufzuheben, soweit sie eine
Besteuerung des Rekurrenten im Kanton Zürich für bewegliches Vermögen
(Transformatoren, Apparate usw. inbegriffen) und für Einkommen verfügen.

Jn Bezug auf die Einkommensteuerpflicht lässt sich die Rekursbegründung
folgendermassen zufammenfassen: Eine Steuerpflicht für Einkommen
könnte nur in Frage kommen, wenn im Kanton Zürich eine wirkliche
Zweigniederlassung bestünde. Dies fei nun aber nicht der Fall
. . . . (wird näher ausgeführt). Die im Kanton Zürich stattfindende
Transformation des Hochspannungsstromes in Niederspannungsstrom sei ein
ganz nebensächlicher, nicht als Betrieb" zu qualifizierender Vorgang. Der
ganze Fabrikationsprozess spiele sich im Kanton Aargau ab, wo sich auch
die ganze technische und kommerzielle Leitung befinde. Übrigens habe die
Stromabgabe, jedenfalls diejenige des Beznauwerkes, in den Jahren 1905 und
1906 überhaupt keinen Reingewinn ergeben; denn, wenn auch aus der Bilanz
(nach Abzug der Zinsen des Aktien-III. Doppelbesteuerung. N° 52. 255

kapitals) ein Gesamtreingewinn von 159,375 Fr. zu resultieren scheine,
so sei eben dieses Resultat, ausser auf den Betrieb des Beznauwerkes,
noch auf denjenigen der Elektrizitätswerke Grindelwald und Bingen,
sowie namentlich auf den Effektenbestand zurückzuführen, sodass sich,
nach Vornahme der erforderlichen Amortisationen, für die Stromabgabe
aus dem Beznauwerk in Wirklichkeit überhaupt kein Reingewinn ergebe.

D. Der Regierungsrat des Kantons Zürich hat Abweisung des Rekurses
beantragt. In Bezug auf die Höhe des im Kanton Zürich steuerpflichtigen
Einkommens des Rekurrenten hat er folgende Erklärung abgegeben: Da der
Rekurrent dem Regierungsrate die zur Einschätzung noch erforderlichen
Angaben bis heute nicht geliefert habe, so erscheine es als verfriiht, das
Mass der in der Stadt Zürich erfolgten Taxationen von 50,000 Fr. Einkommen
(für die Stadt) bezw.125,000 Fr. (für den Staat) im staatsrechtlichen
Rekurs als besondern Beschwerdegrund zu behandeln. Immerhin sehe der
Regierungsrat einer grundlegenden Festsetzung auch der für die Taration
selbst massgebenden Faktoren- entgegen.

E. Der Regierungsrat des Kantons Aargau hat sich in allen Teilen der
Auffassung des Rekurrenten angeschlossen.

F. Am 31. Dezember 1910 kam zwischen dem Rekurrenten und dem Regierungsrat
des Kantons Zürich eine Einigung zu Stande, gemäss welcher das im Kanton
Zürich fteuerpflichtige Vermögen des Rekurrenten pro 1905 aus 1,200,000
Fr. und pro 1906 auf 1,350,000 Fr. festgesetzt wurde.

Gr. Am 3. April 1911 hat der Regierungsrat des Kantons Aargau erklärt,
er erhebe gegen diesen Vergleich keinen Einspruch und betrachte die
Angelegenheit auch für den Kanton Aargau als erledigt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

'l. Vor allem ist davon Vormerk zu nehmen, dass zwischen dem Rekurrenten
und dem Regierungsrate des Kantons Zürich eine Einigung über die Höhe
des im Kanton Zürich zu versteuernden Vermögens stattgefunden hat, und
daher der Rekurs, soweit er die Vermögenssteuer betrifft, gegenstandslos
geworden ist.

256 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

Was die Einkommensteuer betrifft, so ist entsprechend dem Gegenstand des
angefochtenen Regierungsratsbeschlusses und der ihm zu Grunde liegenden
Verfügung der Finanzdirektion _ ein Entscheid nur in Bezug auf die
Steuerjahre 1905 und 1906 zu fällen, dagegen auf die Erörterungen der
Parteien über die eventuell pro 1907 und 1908 geschuldeten Steuern
nicht einzutreten.

2 Nach der, nunmehr als feststehend zu betrachtenden neuern Praxis
des Bundesgerichts ist bei einem Geschäftsbetriebe, der sich als ein
einheitlicher Organismus auf das Gebiet zweier oder mehrerer Kantone
erstreckt, ein Steuerdomizil in allen denjenigen Kantonen anzunehmen,
in denen das betreffende Geschäft ständige, körperliche Anlagen oder
Einrichtungen besitzt, mittels deren sich daselbst ein qualitativ und
quantitativ wesentlicher Teil seines technischen oder kouimerziellen
Betriebes vollzieht; Dabei ist (vergl. BGE 31 I S. 77, 33 I S. 54
f. Erw. 1, 311 I S. 681, 35 I S. 331 f. Erw. 3, 36 I S. 207) im Gegensatz
zur Auffassung des Rekurrenten kein entscheidendes Gewicht darauf zu
legen, ob die in Betracht kommenden Anlagen oder Einrichtungen unter einer
besondern, selbständigen oder relativ selbständigen Leitung-· stehen,
Bez-w. ob ihr Betrieb ohne wesentliche Veränderung vom Hauptbetrieb
losgelöst und mit rechtlicher Selbständigkeit ausgestattet iverden
könnte-Ä Vielmehr hat eine Teilung der Steuerhoheit u. a. gerade auch
dann einzutreten, wenn es sich um einen einheitlichen Betrieb handelt, bei
dem der Geschäftsgewinn durch das Zusammenwirken der in den verschiedenen
Kantonen lokalisierten Belriebsfaktoren erzielt wird, und also von einer
Selbständigkeit der betreffenden Anlagen oder Einrichtungen nicht wohl
gesprochen werden könnte.

Im vorliegenden Falle handelt es sich nun in der Tat um einen derartigen,
auf das Gebiet mehrerer Kantone übergreifenden, einheitlichen
Geschäftsbetrieb, und es besass auch der Rekurrent während der Jahre
1905 und 1906, bezw. 1904 und 1905, im Kanton Zürich ständige körperliche
Anlagen und Einrichtungen, mittels deren sich daselbst ein qualitativ und
quantitativ wesentlicher Teil seines technischen Betriebs vollzog. Denn
einmal bildetIll. Doppelhesteuerung. N° 52. 257

gewiss die Weiterleitung des in der Zentrale erzeugten elektrischen
Hochspannungsstromes, und eventuell auch dessen Transformation
in elektrische Energie niederer Spannung ilsofern sie nämlich vom
Stromlieferanten selber vorgenommen wird), einen qualitativ wesentlichen
Teil des technischen Betriebs eines jeden Elektrizitätswerkesz sodann
handelt es sich speziell im vorliegenden Falle bei der Lieferung des
Stromes an die Abonnenten im Kanton Zürich um einen auch quantitativ
erheblichen Teil des Gesamtbetriebes; und endlich kam zweifellos den
im Kanton Zürich befindlichen Leitungen und Transformatoren des Motor
der Charakter ständiger körperlicher Anlagen oder Einrichtungen zu,
da ja die Stromabgabe an die zürcherischen Abonnenten naturgemass auf
die Dauer berechnet war. ,

Begründeten demnach, im Zusammenhang mit ihrer Funktion, schon die
Leitungen und Transformatoren, die dervRekurrent im Kanton Zürich besass,
seine Unterweisung unter die Steuerhoheit des genannten Kantons, bezw. ein
Recht dieses Kantons zur Besteuerung eines Teils des vom Rekurrenten
erzielten Geschäftsgewinnes so braucht hier nicht entschieden zu werben,
ob auch das vom "Motor im Kanton Zürich betriebene Jnstallationsgeschäft
für sich allein ein Steuerdomizil begründet haben würde, eine Frage,
zu deren Beantwortung es Übrigens einer Vervollständigung der Akten
bedurft hätte, da aus dem vorliegenden Material nicht ersichtlich
ist, welchen Umfang jenes Jnstallationsgeschäft hatte, in welcher
Beziehung es zum Stromlieserungsgeschäft stand und ob dazu (d. h. zum
Jnstallationsgeschäft) irgendwelche ständige körperliche Anlagen oder
Einrichtungen des Rekurrenten im Gebiete des Kantons Zürich gehörten.

3. Was den Betrag des der Steuerhoheit des Kantons Zürich unterstehenben
Einkommens des Rekurrenten betrifft, so wäre zwar das Bundesgericht nach
der neuern Praxis (ysserglî z. B. Urteil vom 9. Dezember 1909 i. S. Lindt
und Sprunin gegen Bern und Zurich, Dispositiv 1, und vom 12. Oktober
191*0 i. S. Petroleumhandelsgesellschaft gegen Waadt, Dis-positiv 1
.) grundsätzlich zu dessen Festsetzung kompetent, da u. U. gerade die
zu hohe Einschätzung seitens des einen Kantons einen Ubergriff

* AS 361 S. 584.

258 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

dieses Kantons in die Steuerhoheit des oder der andern in Betracht
kommenden Kantone bilden kann. Indessen wäre zur quantitativen
Ausscheidung der Besteuerungsrechte im vorliegenden Falle ein Anlass
doch nur dann gegeben, wenn der Regierungsrat des Kantons Zürich das
in diesem Kanton zu versteuernde Einkommen des Rekurrenteu bereits
ziffermässig festgesetzt hätte. Nun wird aber schon in der Verfügung der
Finanzdirektion vom 31. Dezember 1907 die von den untern Steuerbehörden
vorgenommene Taxation des im Kanton Zürich zu versteuernden Einkommens
des Rekurrenten nur im Tatbestande angeführt, während in den Erwägungen
(an die dann das Dispositiv einfach Bezug nimmt) zunächst bloss die
grundsätzliche Berechtigung des Kantons Zürich zur Besteuerung des
Rekurrenten ausgesprochen und sodann angedeutet wird, in welcher Weise die
Höhe des in diesem Kanton steuerpflichtigen Einkommens nach der Auffassung
der Finanzdirektion zu ermitteln sei, bezw. welche Angaben der Rekurrent
über die in Betracht kommenden tatsächlichen Verhältnisse zu machen
habe. Dementsprechend hat dann auch der Regierungsrat in seinem Entscheide
vom 25. März 1909 hinsichtlich der Einkommensteuer lediglich erklärt,
dass sie gemäss BGE 23 S. 505 für den aus dem zürcherischen Betrieb
fliessenden, nach § 7 des Steuergesetzes zu berechnenden Gewinn gegenüber
dem Fiskus, sowie den Städten Zürich und Winterthur" geschuldet werde.

Unter diesen Umständen und da der Rekurrent seinerseits, zwar eventuell
auch die Rechnungsweise der zürcherischen Steuerbehörden bemängelt,
jedoch für den Fall der Bejahung seiner prinzipiellen Steuerpslicht
immerhin keine bestimmten Anträge gestellt hat, ist auch für das
Bundesgericht kein Grund vorhanden, schon anlässlich des vorliegenden
Rekurses einen Entscheid Über die Höhe des vom Rekurrenten im Kanton
Zürich zu versteuernden Einkommens zu fällen. Vielmehr genügt es,
festzustellen, dass der Rekurrent, entgegen der von ihm vertretenen
prinzipiellen Auffassung, in diesem Kanton grundsätzlich für einen Teil
seines Einkommens steuerpflichtig ist Gegenüber dem noch ausstehenden
Entscheide der zürcherischen Behörden über den Betrag des im Kanton Zürich
zu versteuernden Einkommens bleibt dabei dem Motor selbstverständlich
das Rekursrecht gewahrt.III. Doppelbesteuerung. N° 52. 259

Jm Zusammenhang mit der Ausmittlung des im Kanton Zürich steuerpflichtigen
Einkommensbetrages wird seiner Zeit auch die bereits heute erhobene
Einrede zu prüfen sein, wonach der in Betracht kommende Betrieb, bei
Berücksichtigung der Geschäftsresultate sämtlicher Kantone, während
der Jahre 1905 und 1906 überhaupt keinen Reingewinn ergeben habe;
dennentsprechend dem Fallenlassen des Erfordernisses selbständiger
bezw. relativ selbständiger Anlagen oder Einrichtungen (vergl. Erw. 2
hievor) ist nach der neuern Praxis (vergl. ausser den bereits zitterten
Entscheiden: AS 36 I S. 16 und 24, sowie Urteil vom 12. Oktober 1910
i. S. Petroleumhandelsgesellschaft gegen Waadt, Erw. 3 a. EFF) gegenüber
einem sich auf das Gebiet mehrerer Kantone erstreckenden einheitlichen
Betriebe zumal wenn im einen Kanton ausschliesslich oder vorwiegend
produziert wird, im andern ausschliesslich oder vorwiegend die Abgabe des
fertigen Produkts oder im Gegenteil nur eine präparatorische Tätigkeit
stattfindet kein Kanton berechtigt, ein Spezialeinkommen aus den in s
ein em Gebiete befindlichen Einrichtungen und Anlagen zu konstruieren,
sondern es beschlägt die Steuerhoheit eines jeden Kantons grundsätzlich
nur eine Quote des Gefamteinkommens Dabei kann allerdings bei der
Berechnung dieser Quote unter Umständen (vergl. speziell das angeführte
Urteil vom 12. Oktober 1910 i. S. Petroleumhandelsgesellschaft gegen
Waadt, Erw. 4, in Verbindung mit Fakt. CW) von dem Verhältnis der
Bruttoeinnahmen bezw. des Bruttogewinns der verschiedenen Filialen
ausgegangen werden sofern sich nämlich wirklich von Filialen sprechen
lässt. Es sind jedoch, bei

der Mannigfaltigkeit der in Betracht kommenden Geschäftsbetriebe,

noch verschiedene andere Repartitionsmethoden möglich (vergl. z. B.
Fuisting, die direkten Steuern III S. 179, sowie BGE 36 I S. 16),
und gerade bei Elektrizitätswerken wird in der Regel, wenigstens
was das Einkommen aus der Stromabgabe betrifft, nicht ohne weiteres
auf das Verhältnis der Bruttoeinnahmen abgestellt werden dürfen, da
ja dabei die meist ausschliesslich in der Zentrale vor sich gehende
Produktionstätigkeit unberücksichtigt

* a. a. O. S. 582 f. ** a. a. O. S. 583 f. und S. 577 f. AS 37 I -1911 13

2260 A Staatsrechtliche Entscheidungen. [. Abschnitt. Bundesverfassnng.

bleiben würde. Von diesem Gesichtspunkte auserscheinen im vorliegenden
Falle die von der Finanzdirektion aufgestellten und vom Regierungsrat
stillschweigend gebilligten Berechnungsgrundsatze als s im Teil e r anfe
tbar. " ·

Gl Einem sspîtern einem ist sodann auch die Lofung der, wie es scheint,
ebenfalls streitigen Frage vorzubehaltem ob bei der Berechnung des im
Kanton Zürich steuerpflichtigen Einkommens von dem Gesamtreingewinn des
Rekurrenten aus EBtromabgabg Installationen und Beteiligung bei andern
Elektrizitatswerken oder Elektrizitätsgesellschaften (Brown,. Boveri
& Cie., Kanderm&d Hagneckwerke, Società elettrica dl Benevenho,
Elektrizitatsgese chaft Baden, Società per le Forzemotncl dell Anza),
oder saber nur von seinem Einkommen aus der Stromabgaabh bezw aus der
Stromabgabe und aus dem Jnstallationsgeschast, auszugehen seiz ferner,
insoweit das Einkommenaus der Satromabgabe in Betracht kommt, ob dabei die
Ergebnisse aller wahrend der Jahre 1904 und 1905 vom Motor betriebenen
Elektrizitätswerke (Beznau, Grindelwald und Vingen), oder aber bloss
diejenigen des Beznauwerkes zu berücksichtigen seien, usw.·

Nur im Sinne des Offenbleibens dieser und aller damit-zusammenhängenden
Fragen ist der vorliegende Rekurs abzuweisen. Demnach hat das
Bundesgericht erkannt:

1. Es wird davon Vormerk genommen, dass zwischen dem wenn renten und
dem Regierungs-rate des Kantons Zürich eine Einigung Über die Höhe
des im Kanton Zürich zu versteuernden. Vermögens stattgefunden hat,
und es wird daher der Rekurs, soweit er die Vermögenssteuer betrifft,
als gegenstandslos ge-

worden abgeschrieben. . . .... , 2. Im übrigen wird der Rekurs im Sinne
der Motive als

unbegründet abgewiesen.HI. Doppelbesteuerung. N° 53. 261

53. guinea vom 8. Juni 1911 in Sachen Efeufabrilt Hursee gl.-@. gegen
Gemeinde Hnrlee und Regierung-rat des Dante-is gnz-eru.

Verteilung der Vermögensslenerhoheit gegenüber einheitlichen
inter/kan-lonalen Gewerbebetrieben. Besondere Behandlung der
Liegenschaften nach der bisherigen Praxis, wonach ein jeder K anlon zur
vollen Besteuerung der in seinem Gebiete befindlichen Liegenschaften
berechtigt ist, selbst wenn diese Liegenschaften mehr als den
cerhdllnismdssigen Anteil des Beingewinns darstellen.

A. Die Rekurrentin ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Snrsee
und Filialen in Zürich, Bern, Basel, Luzern, Lausanne, Genf und
St. Gallen. Sie besitzt in Sursee auf eigenem Grund und Boden eine
Liegenschaft und betreibt daselbst die Fabrikation von Ofen, Kochherden
und sonstigen Heizapparaten. In den Filialen findet lediglich der Verkauf
der fertigen Ware statt. Das Aktienkapital beträgt 650,000 Fr., der
bilanzmässige Reservefonds 110,000 Fr., der Bilanzwert der Liegenschaft
inklusive Maschinenkonto 405,209 Fr. 90 CMS., der Katasterwert dieser
Immobilien 601,450 Fr., die darauf lastenden Gülten 70,450 Fr.

Für das Steuerjahr 1910 wurde das steuerpflichtige Vermögen der
Rekurrentin vom Gemeinderat Sursee auf 601,450 Fr. tariert. Auf Beschwerde
der Rekurrentin wurde dieser Betrag von der Steuerkommission auf 306,000
Fr. reduziert, und diese letztere Schätzung, als die Rekurrentin sich beim
Regierungsrat beschwerte, folgendermassen begründet: Die Katasterschätzung
der Immobilien betrage zwar 601,450 Fr., sodass, nach Abzug der Gülten,
ein Guthaben in Liegendem von 531,000 Fr. verbleiben würde. Da indessen
auch das Aktienkapital und andere Passiven abzuziehen seien, anderseits
sich aber noch anderes Guthaben vorfinde, so seien der Betrag des
Reservefonds von 110,000 Fr. und de Mehrbetrag der Katasterschätzung der
Liegenschaft und Maschinen über den Bilanzwert derselben mit 196,000 Fr.,
zusammen 306,000 Fr., als steuerbares Vermögen taxiert, und dieser Be-
Information de décision   •   DEFRITEN
Document : 37 I 249
Date : 12 avril 1911
Publié : 31 décembre 1911
Source : Tribunal fédéral
Statut : 37 I 249
Domaine : ATF- Droit constitutionnel
Objet : 248 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung. des Auswärtigen


Répertoire ATF
31-I-56 • 36-I-11
Répertoire de mots-clés
Trié par fréquence ou alphabet
conseil d'état • tribunal fédéral • constitution fédérale • commune • souveraineté fiscale • double imposition • question • argovie • capital-actions • livraison • vaud • succursale • entreprise • installation intérieure • décision • production • qualité pour agir et recourir • fonds de réserve • annotation • père
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