240 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. 1. Abschnitt. Bundesverfassung.

recourant aux frais d'enquéte. Cette condamnation ne serait justifiée
que si la Chambre d'accusation parvenait à démontrer que Dupasquier a
provoque par sa propre faute l'enquète dirigée contre lui.

Par ces motifs

le Tribunal federal prononce:

Le recours est admis dans le sens des considérants et l'arrèt de la
Chambre d'accusation du canton de Fribourg est annulé pour autant qu'il
met à la charge du recourant les frais de l'enquéte pénale dirigée
contre lui.

II. Niederlassungsfreiheit. Liberté d'établissement.

51. Alt-teil vom 12. April 1911 in Sachen Fressebuch (genannt
Hasòeiss'smlj) gegen Yume-montando Emmishofen und Regierungsrat des
geantwThat-gern

Das Recht auf Ausstellung eines Heimatscheines als Ausfluss der
Niederlassungsfreiheit (Art. 45
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 45 Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes - 1 Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
1    Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend über seine Vorhaben; er holt ihre Stellungnahmen ein, wenn ihre Interessen betroffen sind.
BV), wie auch des Grundsatzes, dass
heinKanton seine Angehörigen ihres Bürgerrechtes eerlustig erklären
darf (Art. 44
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 44 Grundsätze - 1 Bund und Kantone unterstützen einander in der Erfüllung ihrer Aufgaben und arbeiten zusammen.
1    Bund und Kantone unterstützen einander in der Erfüllung ihrer Aufgaben und arbeiten zusammen.
2    Sie schulden einander Rücksicht und Beistand. Sie leisten einander Amts- und Rechtshilfe.
3    Streitigkeiten zwischen Kantonen oder zwischen Kantonen und dem Bund werden nach Möglichkeit durch Verhandlung und Vermittlung beigelegt.
BV); endlich als Voraussetzung der Ausübung überhaupt
fast aller verfassungsmässigen Rechte, u. a. z. B. des Rechtes
zur Ehe (Art. 54
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 54 Auswärtige Angelegenheiten - 1 Die auswärtigen Angelegenheiten sind Sache des Bundes.
1    Die auswärtigen Angelegenheiten sind Sache des Bundes.
2    Der Bund setzt sich ein für die Wahrung der Unabhängigkeit der Schweiz und für ihre Wohlfahrt; er trägt namentlich bei zur Linderung von Not und Armut in der Welt, zur Achtung der Menschenrechte und zur Förderung der Demokratie, zu einem friedlichen Zusammenleben der Völker sowie zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen.
3    Er nimmt Rücksicht auf die Zuständigkeiten der Kantone und wahrt ihre Interessen.
BV). Kompetenz des Bundesgerichts, anlässlich
der Behandlung eines Bekurses wegen Verweigerung der Ausstellung
eines Heimatscheines die Frage zu entscheiden, ob der Rehurrent das
Schweizerbitrgerrecht besitze oder nicht (immerhin nur in den Erwägungen,
als Vorträge). Bürgerrechtseerhältnisse einer Person, die als unehelich
geborenes Kind einer Schweizerin ursprünglich unbe--

strittenerrnassen das Schweizerbitrgerrecht besass, dieses aber infolge

seiner Legitimation durch einen Ausländer verloren haben soll. Beweislast
hinsichtlich dieses Verlustes. Der Erwerb der ausländischenSlants-
ungehärigkeit als absolute Voraussetzung des Verlustes des
Schweizerbärgerrechts. Untersuchung der Frage, ob in casu ein Erwerb
der betreffenden ausländischen Staatsangehörigheit stattgefunden habe.
Verneinung dieser Frage sowohl auf Grund diplomatischer Informationen,
als auch auf Grund einer selbständigen Auslegung der in Betracht kommenden
ausländischen Gesetzgebung.II. Niederlassungssreiheit. N" 51. 241

· A. Der Rekurrent wurde am 7. Oktober 1854 als unehelicher Sohn der
in Emmishofen heimatberechtigten Maria Anna Josefa Kressebuch geboren
und Tags darauf als solcher getauft und im Taufregister der Gemeinde
Emmishofen eingetragen. Am 1. Oktober 1857 verehelichte sich seine Mutter
mit dem badischen Staatsangehörigen Dominik Haberstroh Am 28. April 1858
erklärte dieser, den Rekurrenten als seinen Sohn anzuerkennen, wovon im
Eheregister der Gemeinde Tangendorf (Baden) Vormerk genommen wurde-

Jn der Folge scheint der Nekurrent zugleich einen Heimatschein der
Gemeinde Emmishofen (an den Namen Kressebuch lautend) und einen solchen
der badischen Gemeinde Hecklingen (an den Namen Haberstroh lautend)
besessen zu haben. Der von der Gemeinde Emmishofeu ausgestellte
ursprüngliche Heimatschein soll jedoch verloren gegangen sein.

Nachdem der Rekurrent zweimal unter dem Namen Haberstroh verheiratet
gewesen und geschieden worden war, verlangte er am 5. April 1908 von der
Gemeinde Emmishofen, bezw. von der Staatskanzlei des Kantons Thurgau,
behufs Eingebung einer dritten Ehe, einen neuen Heimatschein. Dieser
wurde ihm verabfolgtz da jedoch der Rekurrent darin als ledig bezeichnet
war, und er behufs Eingehung der dritten Ehe um Ausstellung eines die
beiden frühern Ehen erwähnenden Heimatscheines ersuchte, erhielten die
thurgauischen Behörden nunmehr von der im Jahre 1858 erfolgten Anerkennung
des Rekurrenten durch Dominik Haberstroh Kenntnis Infolgedessen weigerte
sich die Gemeinde Emmishofen, den Rekurrenten weiterhin als ihren Bürger
anzuerkennen und ihm den verlangten Heimatschein auszustellen.

Auf einen gegen diese Weigerung gerichteten Rekurs beschlossder
Regierungsrat des Kantons Thurgau am 26. Februar 1910:

Aus die Beschwerde wird wegen Jnkompetenz des Regierungsrates nicht
eingetreten.

Dieser Beschluss wurde in Gutheissung des Standpunktes der Bürgergemeinde
Emmishofen folgendermassen motiviert:

Der Entscheid über das Begehren betreffend Ausftellung eines
Heimatscheines sei vom Entscheid über die streitige Bürgerrechtsfrage
abhängig. Nun beanspruche der Rekurrent das Gemeinde-

242 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

bürgerrecht von Emmishofen nicht auf Grund eines von ihm oder seinen
Rechtsvorfahren bewerkstelligten Einkaufes, sondern auf Grund seiner
Abstammung, als unehelicher Sohn der Maria Anna Josefa Kresfebuch von
Emmishofen· In diesem Falle habe nach § 1, Abs. 3. des Gesetzes über die
Administrativstreitigkeiten, vom 14. März 1866 (alte Gesetzessainmlung
Bd. III, S. 77) über den Bestand des angesprochenen Gemeindebürgerrechts
nicht der Regierungsrat als Administrativbehörde, sondern der Zwilrichter
zu entscheiden.

Durch Vermittlung des eidgenössischen Justizund Polizeidepartementes
fanden darauf nochmals Unterhandlungen zwischen den Beteiligten
statt. Eine Anfrage bei den deutschen Behörden über die Anerkennung des
Rekurrenten als badischen Staatsbürgers wurde vom Auswärtigen Amt des
deutschen Reiches folgendermassen beantwortet: Die Frage, ob der Rekurrent
durch seine Legitimation die Standesrechte seines Vaters erworben habe,
bestimme sich nach dein vormaligen badischen Landrechte. Dieses lasse
nach Art. 331 die Legitimation durch nachfolgende Ehe nur dann zu, wenn
die Anerkennung spätestens bei der Eheschliessung erfolgt fei. Da diese
Voraussetzung hier nicht zutreffe, habe die Legitimation im vorliegenden
Falle keine Änderung der Standesrechte bewirkt; vielmehr habe der
Rekurrent nur das Recht erlangt, den Familiennamen seines Vaters zu
führen, sowie gewisse Unterhaltsund Erbanspriiche gegen diesen geltend
zu machen.

Unter Berufung aus diese Auskunft ersuchte nun das eidgenössische
Justizund Polizeidepartement den Regierungsrat des Kantons Thurgau, die
Angelegenheit nochmals in Erwägung zu ziehen und die Gemeinde Emmishosen
zu verhalten, ihrem Bürger den verlangten Heimatschein auszuhändigen. '

Hieran beschloss der Regierungsrat des Kantons Thurgau am 12. November
1910, auf Grund einer nochmaligen Vernehmlassung der Bürgerverwaltung
Emmishofen, worin sich diese definitiv weigerte, dem Gesuch des
Rekurrenten nachzukommen:

Es sei das Schreiben des eidgenössischen Justizund
Polizeidepartements gemäss Missiv zu beantworten und dabei
die Vernehmlassung der Bürgerverwaltung Emmishosen im Original
beizulegen.II. Niederlassungsfreiheit. N° 51. 243

Dieser Beschluss wurde dem eidgenössischen Justizund Polizeidepartement
am gleichen Tage, und sodann am 16. November durch diese Behörde dem
Rekurrenten mitgeteilt, wobei das Departement bemerkte, es stehe dem
Rekurrenten frei gegen den Entscheid des Regierungsrates, bezw. der
Bürgergemeinde Emmishofen, den staatsrechtlichen Rekurs an das
Bundesgericht zu ergreifen.

"B. Am 11. Januar 1911 hat Kressebuch den staatsrechtlichen Rekurs an
das Bundesgericht ergriffen mit dem Antrag:

Der Entscheid der Gemeindebehörden Emmishofen, wonach der Rekurrent das
Bürgerl-echt dieser Gemeinde durch Legitimation verloren haben soll,
sei als verfassungswidrig aufzuheben. Es sei die Gemeinde Einmishofen
anzuhalten, den Rekurrenten als ihren Burger anzuerkennen, sie sei
anzuhalten, die nötigen Schriften fHeimatschein u. dergl.) an diesen
herauszugeben, Überhaupt ihn in alle Rechte eintreten zu lassen, die
ihm als Bürger der Gemeinde Emmishofen zukoinmen; und mit der Bemerkung,
eventuell richte sich der Rekurs gegen den Kanton Thurgau, soweit dessen
Oberaufsichtsund Verfügungsrecht in Betracht fällt, und soweit es sich
um die Verweigerung des Kantonsbürgerrechts handelt. ·

"C. Der Regierungsrat des Kantons Thurgau und die Biirgergemeiude
Emmishofen haben Abweisung des Rekurses begutragt Sie stellen sich auf
den Standpunkt, dass zum Entscheid uber die streitige Bürgerrechtsfrage
nur der Zivilrichter kompetent set, und dass es Sache des Rekurrenten
gewesen wäre, den erforderlichen Zivilprozess anhängig zu machen, um die
Existenz des von Ihm beanspruchten Bürgerrechts richterlich feststellen
zu lassen. Solange er dies nicht getan habe, könne er nicht als Bürger der
Gemeinde Einmishofen, bzw. als Angehöriger des Kantons Thurgauv anerkennt
werden. Ubrigens habe der Rekurrent infolge seiner Legitimation durch
Dominik Haberstroh tatsächlich das thurgauische Burgerrecht verloren
und die badische Staatsangehörigkeiterworben.

D. Aus dem Privatrechtlichen Gesetzbuch des Kantons Thurgau sind zu
zitieren:

§ 138 Abs. 1: Die unehelichen Kinder erwerben durch die nachfolgende
Ehe ihrer Eltern die Rechte ehelicher Kinder und

A8 37 I 1911 is

'244 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I; Abschnitt. Bundesverfassung.

kommen, sofern sie dannzumal noch minderjährig sind, ebenfalls unter
die väterliche Vormundschaft.

§ 204: Die übrigen ausserehelichen Kinder (der vorhergehende § handelt
von den Brautkindern) tragen den Geschlechtsnamen der Mutter und gehören
der Heimatgemeinde dieser als Bürger an.

Eine Ausnahme findet statt, wenn der Vater ein Kantonsfremder ist und
dem Kinde in dessen Heimat das Bürgerrecht ausgemittelt werden farm.

Art. 331 des Badischeu Landrechts (der bis zum Jnkrafttreten des
Bürgerlichen Gesetzbuches Geltung hatte) lautete: Uneheliche Kinder,
die nicht aus einer Blutschande oder einem Ehebruch gezeugt sind,
werden durch eine nachgesolgte Ehre ihrer Eltern ehelich gemacht, wenn
beide zusammen vor der Heirat sie anerkannt haben, oder sie in der
Heiratsurkunde selbst anerkennen

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Da der Regierungsrat des Kantons Thurgau am 12. November 1910
nicht etwa aus formellen Gründen ein Zurückkommen auf seinen Beschluss
vom 26. Februar 1910 verweigert, sondern die Frage, ob die Gemeinde
Emmishofen zur Ausstellung eines Heimatscheines an den Rekurrenten
verpflichtet sei, nochmals nach materiellen Gesichtspunkten entschieden
hat, so erscheint der vorliegende, innert 60 Tagen von der Mitteilung
dieses zweiten Entscheides an eingereichte staatsrechtliche Rekurs als
rechtzeitig ergriffen.

Was die Kompetenz des Bundesgerichts zur Anhandnahme des Rekurses
betrifft, so ist zwar in der Rekursschrift kein bestimmtes
verfassungsmässiges Recht als verletzt bezeichnet worden. Indessen
hat das Bundesgericht schon wiederholt festgestellt (vergl. AS 36 I
S. 221 Erw. 4 und die dortigen Zitate), dass das Recht auf Ausstellung
eines Heimatscheines ein Ausfluss der durch Art. 45
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 45 Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes - 1 Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
1    Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend über seine Vorhaben; er holt ihre Stellungnahmen ein, wenn ihre Interessen betroffen sind.
BV garantierten
Niederlassungsfreiheit ist, und dass daher durch vie unberechtigte
Verweigerung eines Heimatscheines zugleich das verfassungsmässige Recht
auf freie Niederlassung verletzt wird. Ausserdem ist der Anspruch
auf Ausstellung eines Heimatscheines auch schon (vergl. AS 21 S. 9,
36 I S. 219 ff. Erw. 3) aus Art. 44
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 44 Grundsätze - 1 Bund und Kantone unterstützen einander in der Erfüllung ihrer Aufgaben und arbeiten zusammen.
1    Bund und Kantone unterstützen einander in der Erfüllung ihrer Aufgaben und arbeiten zusammen.
2    Sie schulden einander Rücksicht und Beistand. Sie leisten einander Amts- und Rechtshilfe.
3    Streitigkeiten zwischen Kantonen oder zwischen Kantonen und dem Bund werden nach Möglichkeit durch Verhandlung und Vermittlung beigelegt.
BV abgeleitet worden; und endlich
zeigt gerade ber vorliegende Fall, dass durch die Verweigerung der
AnsstellungIl. Niederlassungsfreiheit. N° 51. 245

feyme'ä Heimatscheines indirekt auch das in Art. 54
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 54 Auswärtige Angelegenheiten - 1 Die auswärtigen Angelegenheiten sind Sache des Bundes.
1    Die auswärtigen Angelegenheiten sind Sache des Bundes.
2    Der Bund setzt sich ein für die Wahrung der Unabhängigkeit der Schweiz und für ihre Wohlfahrt; er trägt namentlich bei zur Linderung von Not und Armut in der Welt, zur Achtung der Menschenrechte und zur Förderung der Demokratie, zu einem friedlichen Zusammenleben der Völker sowie zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen.
3    Er nimmt Rücksicht auf die Zuständigkeiten der Kantone und wahrt ihre Interessen.
BV garantierte
djieecäslklsznigr Ehe·beeinträchtigtwerden kann, wie denn überhaupt N'
"u uug fast aller. verfassungsmässigen Rechte durch den . Ichtbesitz
eines Heimatschemes u. u. wesentich erschwert wird guy den Rekurs ist
somit einzutreten. agegen kann es sich für das Bandes eri t e nur darum
handeln, die Behörden des JKaiciliongs gäbhexxxauFalrk Ausstellung
des verlangten Heimatscheines anzuhalten ivozbei die {Stage, ob der
Rekurrent das Bürger-recht der Gemeinde Grämxshofen besitze, lediglich
als Präjudizialpunkt vom Bundesgmdchngepruft werden kann· Vergl. BGB 36
l S. 218 f. Erw. 1 2. In der Sache selbst ist unbestritten, dass der
Rekurrent als unehelich geborener Sohn einer Bürgerin von Emmishofen
das Burgerrecht dieser Gemeinde seiner Zeit erworben hat Streitig ist
bloss, ob er es in der Folge durch Legitimation seitens eines Ausländers
-verloren habe. Nach einem allgemeinen Nechtsgründsatze ist nun aber von
demjenigen, der ein Recht beansprucht, nur darzutun, dass dieses Recht
zur Entstehung gelangt ist, während der Untergang eines anerkanntermassen
s.'Zt. zur Entstehung gelangten Rechtes von demjenigen nachzuweisen ist,
der den Fortbestand dieses Rechtes negiert. Im vorliegenden Falle war
es daher Sache der Gemeinde Eininishofen bezw. des Kantons Thurgau,
diejenigen Tatsachen zu behaupten und zu beweisen, aus denen sich
der nachträgliche Untergang des vom Rekurrenten feststehendermassen
mit der Geburt erworbenen Bür errechts der Gemeinde Emmishofen ergeben
soll. 9 Nun ist zwar in dieser Hinsicht behauptet worden, der Recurrent
habe durch Legitimation seitens eines Ausländers sein ursprungliches
Biirgerrecht verloren; und es steht auch in tattachltcher Beziehung fest,
dass im Jahre 1858 der Badenser Haberstroh, der Inzwischen die Mutter des
Rekurrenten geheiratet hatte diesen als seinen Sohn anzuerkennen erklärt
hat. Über die recht-, hehe Wtrkung dieser Erklärung herrscht jedoch
Streit und es tifellen sich sowohl die Gemeinde Emmishofen, als auch,
der Regierungsrat des Kantons Thurgau ausdrücklich auf den Standpunkt,
dass hierüber nur der Zivilrichter, und zwar der kan-

246 A. Scaatsrechtliche Entscheidungen. l. Abschnitt. Bundesverfassung.

tonale Zivilrichter, zu urteilen kompetent sei. Bedürfte es aber
darnach, wenigstens nach der Auffassung der rekursbeklagten Behörden,
zum Entscheide über die streitige Bürgerrechtsfrage der Einleitung eines
Zivilprozefses, und ist ein solcher Zivilprozess von derjenigen Partei,
die nach dem angeführten Beweisgrundsatze dazu verpflichtet wäre, bis zur
Stunde nicht eingeleitet worden, so folgt daraus ohne weiteres, dass die
Behörden des Kantons Thurgau gegenwärtig, und solange dem Rekurrenten
das Bürgerrecht der Gemeinde Emmishofen nicht abgesprochen sein wird,
verpflichtet sind, ihn als ihren Bürger zu behandeln und ihm also einen
Heimatschein auszustellen. Die dem Rekurrenten von der Gemeinde Emmishofen
und vom Regierungsrate des Kantons Thurgau gemachte Zumutung, dass er
behufs Feststellung seines Bürgerrechts einen Zivilprozess anstrenge,
läuft praktisch darauf hinaus, ihm den Beweis des Nichtverlustes seines
Bürgerrechtes zu überbinden, während es, wie ausgeführt, Sache der
Reknrsbeklagten wäre, den Verlust dieses Bürgerrechts darzutun und also
die zur Feststellung dieses Verlustes geeigneten Schritte zu unternehmen.

3. Aber auch wenn von diesem formellen Standpunkte abgesehen wird
trotzdem es die rekursbeklagten Behörden selber sind, die die Einleitung
eines Zivilprozesses für nötig erklären , muss der vorliegende Rekurs
gutgeheissen werden.

Dies ist zunächst ohne weiteres klar, wenn (vergl. Burckhardt, Kommentar
S. 554 sub Art. 54 i. f.) die streitige Bürgerrechtsfrage auf Grund der
Bundesverfassung von 1874 beurteilt wird. Art. 54 Abs. 5 bestimmt zwar,
dass durch die nachfolgende Ehe der Eltern die vorehelich geborenen
Kinder derselben legitimiert werden, und es liegt gewiss nahe, daraus
zu schliessen, dass die betreffenden vorehelichen Kinder zugleich auch
das Bürgerrecht des Vaters erwerben und dasjenige der Mutter verlieren.
Allein einmal liesse sich immerhin die Frage aufwerfen, ob die zitierte
Verfassungsbestimmung überhaupt auf Bürgerrechtsfragen anwendbar sei,
oder ob sich ihre Wirkung nicht vielmehr auf die familienrechtliche
Seite der Legitimation beschränke, was insbesondere daraus geschlossen
werden könnte, dass hier (im Gegensatz zu Art. 54 Abf. 4) nicht von
einem Er-II. Niederlassungsfreiheit. N° 51. 247

werb des Heimatrechtes, sondern bloss von Legitimation die Rede
ist. Sodann kann sich Art. 54 Abs. 5, selbst wenn er dahin ausgelegt
wird, dass das legitimierte Kind mit dem Namen seines Vaters zugleich
dessen Bürgerrecht erwerbe, doch jedenfalls nur auf die Anerkennung
durch einen schweizerischen Vater beziehen, da es ja nicht in der Macht
der Eidgenossenschaft steht, irgend jemand ein ausländisches Bürgerrecht
zuzusichern. Entsprechend dieser Beschränkung der direkten und positiven
Wirkung der Legitimation ist aber alsdann auch die allfällig daraus
abzuleitende indirekte und negative Wirkung eines Be rlustes des
bisherigen Bürgerrechtes (nämlich des Bürgerrechts der unehelichen
Mutter) auf die Fälle der Legitimation durch einen schtveizerischezn
Vater zu beschränken.

Wird indessen auch noch weiter gegangen und unabhängig von Art. 54 Abs. 5
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 54 Auswärtige Angelegenheiten - 1 Die auswärtigen Angelegenheiten sind Sache des Bundes.
1    Die auswärtigen Angelegenheiten sind Sache des Bundes.
2    Der Bund setzt sich ein für die Wahrung der Unabhängigkeit der Schweiz und für ihre Wohlfahrt; er trägt namentlich bei zur Linderung von Not und Armut in der Welt, zur Achtung der Menschenrechte und zur Förderung der Demokratie, zu einem friedlichen Zusammenleben der Völker sowie zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen.
3    Er nimmt Rücksicht auf die Zuständigkeiten der Kantone und wahrt ihre Interessen.

BV der Satz aufgestellt (vergl. BGE 4 S.B41 f, VBL 1894 2 II S. 25,
szowie Sieber, Staatsbürgerrecht S. 443 f), dass das uneheliche Kind
einer Schweizerin und eines Ausländers, welches durch Legitimation das
Heimatrecht des Vaters erwirbt, damit zugleich das Schweizerbürgerrecht
verlieregleixhwie unabhängig von Art. 54 Abs. 4 die Praxis den Satz
aufgestellt hat, dass für die Frau der Erwerb einer ausländischen
Staatsaugehörigkeit durch Eheabschluss zugleich den Verlust des
Schweizerbürgerrechts zur Folge habe (vergl. BGE 36 I S. 224) , so kann
doch mit Rücksicht auf Art. 44
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 44 Grundsätze - 1 Bund und Kantone unterstützen einander in der Erfüllung ihrer Aufgaben und arbeiten zusammen.
1    Bund und Kantone unterstützen einander in der Erfüllung ihrer Aufgaben und arbeiten zusammen.
2    Sie schulden einander Rücksicht und Beistand. Sie leisten einander Amts- und Rechtshilfe.
3    Streitigkeiten zwischen Kantonen oder zwischen Kantonen und dem Bund werden nach Möglichkeit durch Verhandlung und Vermittlung beigelegt.
BV und angesichts der ausgesprochenen
Tendenz der Bundesgesetzgebung des ganzen vorigen Jahrhunderts-,
keine neuen Fälle von Heimatlosigkeit zu schaffen, der Verlust des
Schweizerbürgerrechts im Falle des Art. 54 Abs. 5 -wiederum analog
demjenigen des Art. 54 Abs. 4 (vergl. a. a. O. S. 224) immerhin nur
unter der Bedingung angenommen werden, dass das betreffende uneheliche
Kind infolge der Legitimation auch wirklich die in Betracht kommende
ausländische Staatsangehörigkeit erwo rb en habe.

Dass nun im vorliegenden Falle die Legitimation seitens des ausländischen
Vaters (Haberstroh) für den Rekurrenten den Erwerb der ausländischen
(badischen) Staatsangehörigkeit zur Folge gehabt habe, ist auf Grund von
Art. 331 des badischen Landrechts in Verbindung mit der bei den Akten
liegenden Erklärung

248 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

des Auswärtigen Amts des deutschen Reichs nicht anzunehmen Denn darnach
hätte die in Betracht kommende Anerkennung ent; weder vor der Heirat oder
doch in der Heiratsurkunde selbst stattfinden müssen. Dies ist jedoch
feststehendermassen nicht geschehen. Hat aber unter diesen Umständen der
Rekurrent mit seiner Anerkennung durch Dominik Haberstroh die badische
Staatsangehörigkeit nicht erworben, so hat er nach dem Gesagten auch
das Schweizerbürgerrecht nicht verloren.

4. Im gleichen Sinne müsste der Entscheid auf Grund der Bundesverfassung
von 1848 ausfallen. Denn da diese Verfassung, im Gegensatz zur derjenigen
von 1874, über die Rechtsverhältnisse der unehelichen Kinder keine
Vorschriften enthielt, käme § 138 Abs. 1 des thurg. privatrechtlichen
Gesetzbuches zur Anwendung, wonach die unehelichen Kinder durch die
nachfolgende (dî-he ihrer Eltern die Rechte ehelicher Kinder erwerben-A
Nun ist aber. ohne weiteres klar, dass diese Bestimmung eines kgutonalen
Gesetzbuches in Bezug auf den Verlust des Schweizerbürgerrechts infolge
der Legitimation seitens eines Ausländers keine weitergehenden Wirkungen
haben konnte, als nunmehr Art. 54 Abs. 5 der Bundesverfassung. Auch nach
Massgabe der zitierten Gesetzesbestimmung hätte daher der Rekukrent
mit seiner Legitimation durch Dominik Haberstroh das Burgerrecht der
schweizerischen Gemeinde Emmishofen nur dann ikrlorem wenn er infolge
desselben Rechtsaktes die badische Staatsangehörigkeit erworben hätte,
was aber eben, wie dargetan, tatsächlich nicht zutrifft.

5. 31! keinem andern Resultate würde endlich auch die Anwendung von §·
204 des thurg privatrechtlichen Gesetzbuches führen. Denn darnach gehören
die unehelichen Kinder grundsätzlich· der Heimatgemeinde ihrer Mutter an,
und es ist von diesem Prinzip eine Ausnahme nur dann zu machen, wenn der
Vater einKantonsfremder ist, und dem betreffenden Kinde in dessen Heimat
(d. h. in der Heimat des Vaters) das Bürgerrecht ausgemittelt werden farm,
was jedoch wiederum im vorliegenden Falle nicht zutrifft.

Auch von diesem Gesichtspunkte aus hat daher der Rekurrent mit seiner
Anerkennung durch Dominik Haberstroh das Bürgerrecht der schweizerischen
Gemeinde Einmishofen aus demIII. Doppelbesteuerung. N° 52. 249

Grunde nicht verloren, weil er die betreffende ausländische

Staatsangehörigkeit nicht erworben hat. Demnach hat das Bundesgericht
erkannt:

Der Rekurs wird im Sinne der Erwägungen gutgeheissen, und demgemäss unter
Aufhebung des angefochtenen Entscheides deiRegierungsrat des Kantons
Thurgau eingeladen, dafür besorgt zu sein, dass dem Rekurrenten ein
Heimatschein ausgestellt werde, in welchem er als Bürger der Gemeinde
Emmishofen und als thürgauischer Kantonsbürger anerkannt wird. '

III. Doppelbesteuerung-. Double imposition.

52. giant vom 12. Drin-il 1911 in Sachen "gunter, aeg. für augewandte
Elektrizität, gegen giuria), eventuell gmargau.

Bei einem Geschäftsbetrieb, der sich als ein einheitlicher Organismus auf
das Gebiet zweier oder mehrerer Kantone erstreckt,ist ein Steuerdomizil in
allen denjenigen Kantonen anzunehmen, in denen das betreffende Geschäft
ständige, körperliche Anlagen oder Einrichtungen besitzt, mittelst
deren sich daselbst ein qualitativ und quantitativ wesentlicher Teil
seines technischen oder kommerziellen Betriebes Düleleht. Dabei ist kein
entscheidendes Gewicht darauf zu legen, ob die in Betracht kommenden
Anlagen oder Einrichtungen unter einer besondern , selbständigen
oder relativ selbständigen Leitung stehen, bezw. ob ihr Betrieb ohne
wesentliche Veränderung vom Hauptbetrieb losgeläst und mit rechtlicher
Selbständigkeit ausgestattet werden könnte. Vielmehr hat eine Teilung
der Steuerhoheit u. a. gerade auch dann einzutreten, wenn es sich um
einen einheitlichen Betrieb handelt, bei dem der Gesehd'ftsgewinn durch
das Zusammenwirken der in den verschiedenen Kantonen lokalisierten
Betriebsfaktoren erzielt wird, und also von einer Selbständigkeit
der betreffenden Anlagen oder Einrichtungen nicht wohl gesprochen
werden kann. Anwendung dieses Grundsatzes auf ein Elektrizitdtswerk,
dessen Stromeerteilungsnetz sich auf das Gebiet mehrerer Kantone
erstreckt. Andeutungen über die Berechnung des in jedem einzelnen K
anton zu versteuernden Einkommensbetrages.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 37 I 240
Datum : 12. April 1911
Publiziert : 31. Dezember 1911
Quelle : Bundesgericht
Status : 37 I 240
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 240 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. 1. Abschnitt. Bundesverfassung. recourant


Gesetzesregister
BV: 44 
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 44 Grundsätze - 1 Bund und Kantone unterstützen einander in der Erfüllung ihrer Aufgaben und arbeiten zusammen.
1    Bund und Kantone unterstützen einander in der Erfüllung ihrer Aufgaben und arbeiten zusammen.
2    Sie schulden einander Rücksicht und Beistand. Sie leisten einander Amts- und Rechtshilfe.
3    Streitigkeiten zwischen Kantonen oder zwischen Kantonen und dem Bund werden nach Möglichkeit durch Verhandlung und Vermittlung beigelegt.
45 
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 45 Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes - 1 Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
1    Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend über seine Vorhaben; er holt ihre Stellungnahmen ein, wenn ihre Interessen betroffen sind.
54
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 54 Auswärtige Angelegenheiten - 1 Die auswärtigen Angelegenheiten sind Sache des Bundes.
1    Die auswärtigen Angelegenheiten sind Sache des Bundes.
2    Der Bund setzt sich ein für die Wahrung der Unabhängigkeit der Schweiz und für ihre Wohlfahrt; er trägt namentlich bei zur Linderung von Not und Armut in der Welt, zur Achtung der Menschenrechte und zur Förderung der Demokratie, zu einem friedlichen Zusammenleben der Völker sowie zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen.
3    Er nimmt Rücksicht auf die Zuständigkeiten der Kantone und wahrt ihre Interessen.
BGE Register
36-I-215
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
gemeinde • legitimation • heimatschein • thurgau • vater • regierungsrat • bundesverfassung • bundesgericht • niederlassungsfreiheit • mutter • frage • ehe • zivilprozess • tag • unternehmung • aussereheliches kind • heimatrecht • doppelbesteuerung • entscheid • stelle
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