306 B. Einzige Zivilgerichtsinstanz. I. Materiellrechfliche
Entscheidungen.

Aufzählung aller von Privaten am Seegebiet geltend gemachten Ansprüche,
insbesondere auch der von den Gebr. Scherer undden Gebr. Muggli an dem
heutigen streitigen Seegebiet beansspruchten Rechte.

Trotzdem dieser Anspruch im erwähnten Bericht (S. 63 s. und 85 f)
kathegorisch bestritten wurde, sahen sich weder die Gebr. Scherer noch
die Gebr. Muggli zu Gegenerklärungen veranlasst.

Im Jahre f1879 sodann war, im Anschluss an eine Nettoermessuug der
Seeuser, im Kantonsblatt zur allgemeinen Kenntnis gebracht worden,
dass allsällige Einsprüche gegen die Grenzbereinigung innert Frist
schriftlich einzureichen seien und dass von nun an gemäss §§ 2 und 6
des Gesetzes über Wasser-rechte vom 2. März 1875 an den betreffenden
Seeusern ohne spezielle Bewilligung des Regierungsrates keine Veränderung
vorgenommen wer-den dürfe. Auch bei dieser Gelegenheit erfolgte seitens
der Rechtsvorgänger des Veklagten keinerlei Einsprache

Endlich hat der Staat nach einem bei den Akten liegenden Verzeichnis seit
1879 und bis in die neueste Zeit sein ausschliessliches Recht, über das
Seegebiet zu verfügen, durch den Bezug zahlreicher Rekognitionsgebühren
für Aussiillung von Seegrund, Erstellung von Schisshütten. Wehrhacken
usw. dokumentiert, ohne dass vor dem Jahre 1908 irgendwann und von irgend
einer Seite dagegen protestiert worden wäre. Dabei ist zu beachten,
dass wenigstens einzelne jener Rekognitionsgebühren sich nachweisbar
auf das heute im Streite liegende Seegebiet bezogen.

Auch das Verhalten der Beteiligten, speziell dasjenige der Rechtsvorgänger
und der Nachbarn des Beklagten, beweist somit deutlich, dass bis zu den
Vorgängen, welche den heutigen Prozess veranlassten, unter dem Recht aus
ein Stück See allseitig stets ein blosses Fischereirecht verstanden wurde.

Hieran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass bei Übertragung
solcher Stücke See" oft die Form des Kaufbriefes mit Fertigung gewählt
wurde, trotzdem nach einer Entscheidung des Obergerichts vom 5. November
1874 (Maximen Nr. 91) die Übertragung von Fischenzen dieser Form
nicht bedarf. Die Auffassung des Obergerichts über diesen Punkt war
(vgl. Winiker, a. a. O. S. 136) weder unbestritten noch allgemein be-
i. Streitigkeiten zwischen Kantonen u. Korporationen oder Privaten. N°
51. 307

Emmi, und es ist daher durchaus begreiflich, dass von den betreffenden
Gemeindebeamten im Zweifel, nach dem Grundsatz: superian non nocent,
die für die Ubertragung von Liegenschasten übliche Form gewählt wurde;
dies umso mehr, als ja die Übertragung eines Stückes Sees in der grossen
Mehrzahl der Fälle un Anschluss an die Ubertragung von Grundeigentum
erfolgte, der Abschluss eines Kaufvertrages mit Fertigung also so wie
so erforderlich war. Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

1. Zn Gutheissuug der Klage und in Abweisung der Widerklage wird
festgestellt, dass dem Beklagten an dem Stück See vom Bächlein zwischen
der Naumatt und dein Unternaumättli bis zum grossen Geissbergerstein
östlich dem Diesselbach bei der Lochweid in der Gemeinde Meggen, vom Ufer
bis zu den Ruthen und 180 m weiter hinaus, kein Eigentum und überhaupt
kein anderes Recht, als eine Fischereigerechtigkeit, zusteht.

2. Demgemäss wird das im luzernischen Kantonsblatt Nr. 40 vom 1. Oktober
1908, Seite 943, publizierte Verbot, soweit darin Eigentumsansprüche
auf das hievor bezeichnete Stück See geltend gemacht werden, aufgehoben.

51. guten vom 15. Juni 1910 in Sachen gt. gliksauseu-gîmdetscbast,
Kl gegen Jst-kmdes senktenYidwaldem Bekl.

Reontsstreit zwischen einem Kanton und einem Privaten abe-r ein
Frschereirecht am òffentîichen Gewässer (Entsclzddigungsforderung des
Private wegen Beeinträchtigung dieses Rechts din-ck die Stantsgewalt), als
zivilrechtliche streitig-text im Sinne des Art. 48 Ziff. 4 OG. Bemessung
des Stasseitwer'ts nach. dem Betrage der Ent-schdéégunggforderung
(Ae-'t. 53 Abs. i OG). Passiviegitimaiion des Kantons mit Bezug auf
angeblich schcîdigende Akte der kant. Staatsanwalt. Verjährung des K
lageaflspz'ufihs? Unzulässigkeit neuerAnbrmgen in der Bepi ik {Art. 45
SR 273 Bundesgesetz vom 4. Dezember 1947 über den Bundeszivilprozess
BZP Art. 45
1    Jeder Zeuge wird in Abwesenheit der später abzuhörenden einvernommen. Bei Widerspruch der Aussagen kann er andern Zeugen gegenübergestellt werden.
2    Der Zeuge soll gegebenenfalls auf das Recht der Zeugnisverweigerung aufmerksam gemacht werden; er soll zur wahrheitsgemässen Aussage ermahnt und auf die strafrechtlichen Folgen des falschen Zeugnisses gemäss Artikel 307 des Strafgesetzbuches23 hingewiesen werden.

BZP). Haftung des Kantons für die Schadensfoigen rechfmàssiger Akte
der Staats-

308 B. Einzige Zivilgerichtsinstanz [. Materiellrechtliche Entscheidungen.

gewalt, jedenfalls beschränkt auf Akte der kantonafen (im Gegen-

satze Zee-r Bundes ) Gewalt. Erfordernis gesetzesmässiger Normierung _
soicher Schadenersatzpflicht. Mangel dieser Voraussetzung Ver-

letzung der Eigentumsgarantie? Mangemder Schadensnachweis.

A. Die klägerische Genossenschaft, St. Mklausen-Bruderschast, ist seit
Jahrhunderten im Besitze einer Fischenz, b. h. (vergl. Urteil des
Bundesgerichts vom 18. Mai 1910 i. S. Luzern gegen Bähler, Erw. B*)
eines grundsätzlich ausschliesslichen Fischereirechts, vom Lopperberg
(gegenüber Stansstad) bis zur Hin-hienbucht (nordösilich von Stansiiad)
und von da in den Furen (vom Ufer bis zu den Muten" oder Angebinden)
und in den Zügen (von den Ruten 180 m in den See hinaus) bis zur
Kamonsgrenze nördlich vom Bürgenstock. Dieses Fischereirecht betrifft
namentlich die Weisssische (Albeli) und die VeilchenDer Weissfischfang
wurde auf der ganzen Strecke und das ganze Jahr mit den engmaschigen
Zugnetzen ausgeübt, der Balchenfang nur zwischen der Harissenbucht und
der Kantonsgrenze und nur vom 15. November bis zum 14. Dezember.

Nachdem anlässlich der Franzoseninvasion vom Jahre 1798 das Dorf
Stansstad bis auf vier Häuser abgebrannt war, wobei nach der Behauptung
der Klägerin alle auf ihre Forderung bezüglichen alten Urkunden zu Grunde
gegangen waren, wurde der Klägerin mittels Pergamenturkunde und Sigill
vom 28. November 1810 ihr Fischereirecht von Landammann und Rat bestätigt.

Gegenwärtig ist die Fischenz sowohl im Güterschatzungsprotokoll von
Nidwalden, mit 2500 Fr., als im Grundbuch von Statissiad eingetragen. Die
Klägerin berechnet jedoch den Werder Albelifischenz allein auf 3000
Fr. und den Wert des Balchensees aus 5000 Fr. Nun sei aber, führt
sie aus diese Fischenz durch folgende Erlasse fast gänzlich entwertet
worden, Bundesgesetz über die Fischerei vom 2LDezember 1888; Kantonale
Vollziehungsverordnung vom 3. Dezember 1908; . Fischereitonkordat der
fünf Userkantonez . Konkordatsbeschluss vom 1. Dezember 1906.

theoon

* Nr. 50 dieses Bandes, S. 303
ff. oben. (Anm. d. Red. f. Publ.)1. Streitigkeiten zwischen Kantonen
u. Korporationen oder Privaten. N° 51. 309

Diese Schädigung soll, was den Albelifang betrifft, hauptsächlich
auf dem Verbot der bis dahin gebräuchlichen engmaschigen fog.
Zugnetze oder grossen Garne und, was den Balchensang betrifftauf der
Reduktion der Fangzeit um 14 Tage beruhen. Allerdings seien zur Zeit die
sog. Weisssischnetze mit einer Maschenweite von 23 bis 28 mm gestattet,
allein ausschliesslich als Grundnetze zum Fang der Weissfische ausserhalb
der Haiden oder Furen in einer Tiefe von wenigstens 20 m.

Da der Albelifang Ende der 1880er Jahre nur eine geringe Rendite
abgeworfen habe, sei klägerischerseits beim Inkrafttreten des
Bundesgesetzes nicht energisch genug Einspruch erhoben worden.
Jn neuerer Zeitsei jedoch der Fischbesiand bedeutend grösser geworben.
Speziell seit Erlass der kantonalen Vollziehungsverordnung und seit dem
Konkordatsbeschiuss vom 1. Dezember 1906 sei der ADSM: fang wieder sehr
ertragreich, ja selbst der Haupterwerb der Fischer von Stansstad. Ebenso
seien die Fischpreise gestiegen, sodass sich die Klägerin in ihren
wohlerworbenen Privatrechten verletzt fühle und genötigt sei,
bundesgerichtlichen Schutz anzurufen Endlich sei zu konstatieren,
dass der Staat Nidwalden in jüngster Zeit Staatspatente auszugeben
pflege, worin die Privatfischenzrechte in keiner Weise ausgeschlossen
seien. Vielmehr werde seither von den patentierten Fischern bis ans
Ufer ohne Respektierung der Nägerischen Fischereirechte gesischt. Auch
diesbezüglich verlange man Reinedur.

Gesiützt aus diese Darlegung des ihr angeblich erwachsenen Schadens
stellt die Klägerin in ihrer am 15. Februar 1910 eingereichten Klage
gegenden Fiskus des Kantons Nidwalden folgende Rechtsbegehren :

1. Der Beklagte sei rechtlich zu verhalten, der Klägerin gegen Abtretung
ihrer sämtlichen Fischereirechtsamen zu bezahlen:

a) für die Albelifischenz . , . . . . . . Fr. 3000

b) für die Vaichmsätze . . . . . . . . 5000

somit total Fr. 8000

nebst Zins à 50/0 seit 15. Februar 1910. 2. Eventuell
habe der Beklagte für Minderwert der beiden Fischenzen die
Klägerin angemessen zu entschädigen, wobei die310 B. Einzige
Zivilgerichtsinslanz. l. Materieilrechfliche Entscheidungen.

Ausmittelung der Entschädigungssnmme dem richterlichen Ermessen Überlassen
wird.

Die Kompetenz des Bundesgerichts wird auf Art. 48
SR 273 Bundesgesetz vom 4. Dezember 1947 über den Bundeszivilprozess
BZP Art. 45
1    Jeder Zeuge wird in Abwesenheit der später abzuhörenden einvernommen. Bei Widerspruch der Aussagen kann er andern Zeugen gegenübergestellt werden.
2    Der Zeuge soll gegebenenfalls auf das Recht der Zeugnisverweigerung aufmerksam gemacht werden; er soll zur wahrheitsgemässen Aussage ermahnt und auf die strafrechtlichen Folgen des falschen Zeugnisses gemäss Artikel 307 des Strafgesetzbuches23 hingewiesen werden.
Biff. 4 OG gegründet. si

B. In seiner Rechtsantwort hat der Beklagte unter vorsorglicher Verkündung
des Streites an den Bundesrat und die fünf Kantonsregierungen der
Uferkrmtone in erster Linie die Kompetenz des Bundesgerichts bestritten
und sodann Abweisung der Klage beantragt. Er führt aus:

1. Die in der Klage beanspruchte Fischenz werde weder anerkannt noch
bestritten; sie stehe jedenfalls auf schwachen Füssen

2. Die Passiolegitimation des Beklagten sei nicht gegeben. Der
Regierungsrat könne nicht als Fiskus in obwaltender Rechtsfrage auf dem
Zivilwege belangt werden; denn der See sei nicht Staatsgut.

Z. Der gesetzliche Streitwert von 3000 Fr. sei nicht gegeben; denn die
Fischenz sei höchstens 1000 Fr. wert, Und ein Schaden sei der Klägerin
gar nicht entstanden.

4. Was die behaupteten Übergriffe anderer Fischer betreffe, so wisse die
Regierung nichts davon, dass je gegen derartige Eingriffe in die Rechte
der Klägerschaft eine Beschwerde eingegangen wäre.

:"). Die Klagesorderung sei eventuell verjährt.

C. Die Replik enthält folgende neue Behauptung: die Klägerin habe
an den Regierungsrat das Gesuch gestellt, man möchte ihr gestatten,
den Weissstschsang, anstatt mit dem Zuggarn, welches nun nicht mehr in
Betracht kommen könne, mit den zur Zeit und als Ersatz für das Zuggarn
gestatteten Weisssischnetzen auszuüben. Den Wegfall des Zuggarns würde
die Klägerin durchaus nicht bedauern, wenn sie statt dessen sich
des erlaubten Weissfischnetzes bedienen dürfte, wie die vom Kanten
patentierten Fischer-. Die Klägerin sei somit schlechter gestellt als
diese. Hierin liege eine Rechtsungleichheit. Die Tatsache, dasz andere
vom Kanton patentierte Fischer den Furen nach, wo die Klägerin das
Weisssischsang-recht allein besitze, ihre Netze auszuwerfen pflegen,
wobei die Regierung keinewegs irgendwie einzuschreiten pflege,
werde durch Zeugenoerhör bewiesen werden. Die Klägerin könne zum
min-'I. Streitigkeiten zwischen Kantonen u. Korporationen oder Privaten,
N° Si. 311

desten Gleichstellung mit den übrigen Fischern verlangen, welche mit
Weisssischnetzen selbst im Privatsischenzgebiet fischen dürfen, ohne
dass der Staat dagegen bis anhin irgendwie eingeschritten wäre.

D. Die Duplik enthält nichts neues.

E. Mit Rücksicht aus die Liquidität des Falles ist von der Anordnung
eines Beweisverfahrens Umgang genommen werden.

F. In der heutigen Verhandlung haben die Parteien ihre Anträge wiederholt
und in mündlichem Vortrage begründet

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. In Bezug auf die Kompetenz des Bundesgerichts ist zu bemerken,
dass nach der zur Zeit noch herrschenden, jedenfalls aber nach der den
Art. 110
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 110 * - 1 Der Bund kann Vorschriften erlassen über:
1    Der Bund kann Vorschriften erlassen über:
a  den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer;
b  das Verhältnis zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite, insbesondere über die gemeinsame Regelung betrieblicher und beruflicher Angelegenheiten;
c  die Arbeitsvermittlung;
d  die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen.
2    Gesamtarbeitsverträge dürfen nur allgemeinverbindlich erklärt werden, wenn sie begründeten Minderheitsinteressen und regionalen Verschiedenheiten angemessen Rechnung tragen und die Rechtsgleichheit sowie die Koalitionsfreiheit nicht beeinträchtigen.
3    Der 1. August ist Bundesfeiertag. Er ist arbeitsrechtlich den Sonntagen gleichgestellt und bezahlt.
BV und 48 OG seiner Zeit zu Grunde gelegenen Rechtsaufsassung
die vorliegende Klage sich zweifellos als eine zivilrechtliche
qualifiziert. Es sind denn auch (vergl. aus neuester Zeit AS 35 I S. 712
Erw. 2) derartige Klagen stets als nach den genannten Artikeln in die
Kompetenz des Bundesgerichts fallend betrachtet werden. Die Kompetenz des
Bundesgerichts zur Anhandnahme der vorliegenden Klage ist somit, da die
Klägerin die Beurteilung durch das Bundesgericht verlangt, gegeben, sofern
der Streitgegenstand einen Hauptwert von 3000 Franken hat. Letzteres
ist aber (vergl. Art. 58 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 110 * - 1 Der Bund kann Vorschriften erlassen über:
1    Der Bund kann Vorschriften erlassen über:
a  den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer;
b  das Verhältnis zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite, insbesondere über die gemeinsame Regelung betrieblicher und beruflicher Angelegenheiten;
c  die Arbeitsvermittlung;
d  die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen.
2    Gesamtarbeitsverträge dürfen nur allgemeinverbindlich erklärt werden, wenn sie begründeten Minderheitsinteressen und regionalen Verschiedenheiten angemessen Rechnung tragen und die Rechtsgleichheit sowie die Koalitionsfreiheit nicht beeinträchtigen.
3    Der 1. August ist Bundesfeiertag. Er ist arbeitsrechtlich den Sonntagen gleichgestellt und bezahlt.
OG) schon deshalb der Fall, weil die
Klägerin einen Betrag von 8000 Fr. fordert. Ob die Fischenz wirklich
soviel wert sei, oder ob deren Wert sogar unter 3000 Fr. bleibe, wie der
Beklagte behauptet, bezw. ob der Klägerin wirklich ein Schaden in der
Höhe von 8000 oder auch nur von 3000 Fr. erwachsen sei, was der Beilagte
bestreitet, ist dagegen für die Bemessung des Streitwertes irrelevant

2. Die Parteiund Prozesssähigkeit der klägerischen Genossenschaft ist
derselben mit Recht nicht bestritten worden.

Die Passivlegitimation des Beklagten, welche dieser bestritten hat, ist
insofern vorhanden, als es sich fragt, ob der Staat auf Grund gewisser
Akte der Staatsgewalt schadenersatzpflichtig geworden sei. Diese Frage
aber deckt sich mit der materiell zu entscheidenden Streitfrage, wobei
immerhin schon hier zu bemerken ist, dass der Kanton selbstverständlich
nicht für Akte der Bundesgesetzgebung derantwortlich gemacht werden Yann.

312 B. Einzige Zivilgerichtsinstanz. I. Materiellrechtliche
Entscheidungen.

3. Was die vom Beklagten erhobene Verjährungseinrede betrifft, so
könnte die Begriiudetheit derselben zweifelhaft erscheinen, wenn es
sich um einen Anspruch aus ein. 50 OR handeln würde. Da jedoch die
Klage keineswegs im Sinne einer Deliktsklage substanziiert worden ist
und eine Schadenersatzpflicht des Beklagten aus unerlaubter Handlung im
vorliegenden Falle auch tatsächlich nicht konstruiert werden kann (wie
in Erwägung 4 hiernach ausgeführt werden wird), so ist dieMbglichkeit
einer einjährigen Verjährung auf Grund des Art. 69
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 69 - 1 Der Gläubiger braucht eine Teilzahlung nicht anzunehmen, wenn die gesamte Schuld feststeht und fällig ist.
1    Der Gläubiger braucht eine Teilzahlung nicht anzunehmen, wenn die gesamte Schuld feststeht und fällig ist.
2    Will der Gläubiger eine Teilzahlung annehmen, so kann der Schuldner die Zahlung des von ihm anerkannten Teiles der Schuld nicht verweigern.
OR von vornherein
als ausgeschlossen zu betrachten. Alsdann könnte es sich aber höchstens
um eine Verjährung auf Grund des kantonalen Rechtes handeln, wobei es
jedoch Sache des Beklagten gewesen ware, das bezügliche kantonale Recht
anzuführen Übrigens ist auch keineswegs erstellt, wann die Klägerin von
der ihrer Behauptung nach schädlichen Wirkung der in Betracht kommenden
Erlafse Kenntnis-erhalten hat

4. In der Sache selbst erscheint zwar die Existenz des von der
Klägerin beanspruchten Fischereirechtes, das der Beklagte weder
bestreitet noch anerkennt, als durch die Urkunde vom 28. November 1810
in Verbindung mit der bisher unangefochtenen Ausübung dieses Rechts
genügend ausgewiefen. Indessen ist vor allem zu konstatieren, dass,
wie bereits angedeutet, eine Verpflichtng des Beklagten aus unerlaubter
Handlung hier nicht in Frage kommen kann und übrigens auch seitens
der Klagepartei, wenigstens in der Klage, nicht behauptet wurde, da
die Klage imGegenteil auf der Behauptung Bericht, es sei der Klägerin
durch an sich rechtmässige Akte der Staatsgewalt der eingeklagte Schaden
zugefügt worden. Es sind denn auch diese Akte der Staatsgewalt, wie sie
in der Klage einzeln angeführt wurden (Bundesgesetz über die Fischerei;
kantonale Vollziehungsverordnung dazu; Konkordat der fünf Uferkantone und
Konkordatsbeschluss vom 1. Dezember 1906), zweifellos alle auf durchaus
gesetzliche Weise zu Standegekommen.

Allerdings enthält nun die Replik eine Bemerkung, wonach der Klägerin
innerhalb der Grenzen ihrer Fischenz beim Albelifang nicht einmal
die Benutzung der konkordatsmässigen Weissfischnetze gestattet würde,
während doch draussen im See jeder mit einem Patent versehene Fischer
diese Netze benutzen dürfe. Darnach1. Streitigkeiten Zwischen Kantonen
u. Korporationen oder Privaten: N° 51. 313

würde also nach der Behauptung der Kiägerin in diesem speziellen
Punkte ein ungesetzlicher, konkordatswidriger Eingriff in ihre Rechte
dorliegety womit freilich in einem gewissen Widerspruch zu stehen
scheint, dass die Klägerin selber anführt, schon das Konkordat lasse
die sog. Weissfischnetze nur ausserhalb der Hulden oder Furen, in einer
Tiefe von wenigstens 20 m zu. Wie dem jedoch sei, jedenfalls ist, wie
bemerkt, jene Behauptung (betreffend Schlechterstellung der Klägerin
gegenüber andern Fischer-O erst in der Neplik aufgestellt und auch
da nicht gehörig substanziiert worden. Auf diesen Punkt ist daher im
gegenwärtigen Verfahren nicht einzutreten

Ahnlich verhält es sich mit der allerdings schon in der Klage
aufgestellten Behauptung, es werde von patentierten Fischern, statt nur
draussen auf dem See, auch auf dem Gebiete der klägerischeu Fischenz
gefischt. Für diese Behauptung wurden zwar schon in der Klage bestimmte
Zeugen angerufen; es ist jedoch erst in der Replik behauptet worden, dass
die Regierung gegen diesen Ubergriff keineswegs irgendwie einzuschreiten
pflege, und zum Beweis dieser letztern Behauptung beruft sich die Klägerin
einfach allgemein auf Zeugenverhör. Es müsste aber, damit auf diesen
Punkt eingetreten werden könnte, zum mindesten rechtzeitig behauptet
und dafür ein spezieller Beweis angetragen fein, dass und gegenüber
welchen Fischern die Behörden absichtlich oder fahrlässigerweise nicht
eingeschritten seien.

5. Könnte es sich demnach nur um die Frage handeln, ob der Beklagte
auf Grund rechtmässige-: Akte der Staatsgewalt schadenerfatzpflichtig
geworden sei, so ist vor allem zu konstatieren, dass es sich hier in
erster Linie um einen Akt der Bundesgewalt bezw. um die Ausführung einer
Bestimmung der Bundesverfassung (Art. Lö) durch Erlass des Bundesgefetzes
über die Fischerei handelt, wofür, wie bereits in Erin. 2 bemerkt,
selbstverständlich ein Kanton nicht verantwortlich gemacht werden
kann, und dass ferner auch diejenigen Akte der Staatsgewalt, als deren
Urheber bezw. Miturheber der Kanton Nidwalden erscheint (Kantonale
Vollziehungsverordnung, Konkordat der Uferkantone, Konkordatsbeschluss
vom 1. Dezember 1906), nur die Ausführung der Vorschriften des
Bundesgesetzgebers find, da nicht etwa behauptet wurde, der Kanton
Nidwalden bezw. die fünf Uferkantone

314 B Einzige Zivilgerichtsinstanz. [. Materiellrechtliche Entscheidungen.

seien hiebei über das im Bniidesgesetz vorgesehene bezw. gestattete Ma"
inans e angen.

gegen abgesehen, ist zubeachten, dass (vergl. z. B. AS 4 S. 47l Erw. 4;
M S. 293; 2211S.509f;ferner Biirckjhardh Kommentar zur BB, S. 861
i. d.M.; Botschaft des Bundesrates über die Absinihinitiative sBBl
190? VI S. 341 ff] und Botschaft betreffend Ausführung von Art. 32ter
BVnsBBl 1910 III S. 537]) ein eidgeiibssischer Rechtssatz, month eine
Schadens ersatzpflicht des Bandes oder der Kantone sur reä)tswasig:Atte
der Staatsgewalt allgemein begründet ware, nicht existiert. amg _und
inwiefern aber das kantonale Recht einen Rechtssatz dieses Jnhaiis
aufweise, hätte von der Klagpartei nachgewiesen werden müssen und ergibt
sich jedenfalls nicht schon aus der in lder Kantonsverfassung enthaltenen
Eigentumsgarantie, da von neiner Verletzung dieser Garantie bekanntlich
(vergl. z. B. AS 5 S. o9b f Erw. 4; 35 IssS. 119 Erw. Z) in denjenigen
{gaflelsi nicht gesprochen werden kann, in denen einfach, wie hier,
der Jnhalt des Eigentums bezw. eines eigentiimähnlichendinglichen
nRechtes durch Normen des objektiven Rechts in einer für alle Burger
verbindlichen Weise eingeschränkt, die Substanz des Rechts dagegen nicht
betroffen wird. ·

Wollte aber auch ohne einen bezüglichen Nachweis angenommen werden, das
Recht des Kantons Nidwalden stehe in Bezug auf die Schadenerfatzpflicht
des Staates auf demjenigen Standpunkt, den im Anschluss an die
französische Praxis namentlich Otto Mayer in seinem Verwaltungsrecht
II gg 53 und 04, S. 134, 135 und 353 einnimmt, wonach der Staat
jedesmal dann ersatzpflichtig ist, wenn einein Privaten im Interesse
der Allgemeinheit ein besonderes Opfer auferlegt wird (vergl. auch
Qtto Mayer, Entschädigungspslicht des Staates nach Billigkeit; Anschutz
Erfatzanspruch aus Vermögensbeschädigungen durch rechtmassige Handhabung
der Staatsgewalt; ;ischer, Haftbarkeit des Staates und der Gemeinden für
Schädigungen Privater durch legislatorische und administrative Erlasse
[im Zentralblatt für Staatsund Gemeindeverivaltung I S 17"7, 185, 198];
Blume, Recht der Anlieger an öffentlichen Strassen), so könnte doch von
einer Gutheissung der Klage im vorliegenden Fall keine Rede sein. Einmal
bedarf es auch der modernen Rechtsauffassung zur Be-i ,Streitigkeiten
zwischen Kantonen n. Korporationen oder Privaten. N° 51. 315

gründung der betreffenden Entschädigungsansprüche eines dieselben
anerkennenden Gesetzes-. Sodann aber ist zu beachten, dass das Opfer,
welches der klägerischen Genossenschaft vielleicht mo.nientan auferlegt
wird (weil unter der Herrschaft der gegenwärtig geltenden strengen
Vorschriften über Maschenweite, Schonzeit usw. der Fischfang zur Zeit
weniger ausgiebig sein mag, als îrihrer), ihr in ihrem eigenen Interesse
auferlegt wird, da niemand mehr, als die Besitzer von Fischenzen, an der
Hebung der Fischzucht interessiert ist, und da, was der Klägerin infolge
dieser strengen Vorschriften vielleicht momentan an Ertrag abgeht, durch
die Vermehrung des Fischbestandes und durch die damit verbundene Erhöhung
des Kapitalwertes ihrer Fischenz ( infolge Vermehrung des zukünftigen
Ertrages-) offenbar mehr als aufgewogen wird. Die Klägerin hat denn
auch selber in ihren Rechtsschriften anerkannt, dass seit Abschluss
des Konkordates der Albelifang wieder sehr ertrag-reich geworden ist
und auch die Fischpreise gestiegen sindwas beides zweifellos mit der
grössten Schonung der Fische in einem Klausalzusammenhang steht.

Aus dieser Erwägung ergibt sich übrigens zugleich, dass auch das
Vorhandensein eines auf jene strengeren Vorschriften zurückzuführenden
dauernden Schadens der Klägerin, falls zur Anordnung einer bezüglichen
Expertise Anlass vorgelegen hatte, aller Wahrscheinlichkeit nach
verneint worden wäre. Zur Anordnung einer Expertise und zur eigentlichen
Entscheidung der Frageof) ein Schaden vorliegt-, war aber ein Anlass
deshalb nicht vorhanden, weil, wie bereits dargetan, die Klage schon
an dein Fehlen bezw. dem Nichtnachweis eines Satzes des eidgenössischen
oder kantonalen Rechtes über die Entschädigungspflicht des Staates für
Schädigungen durch rechtmässige Akte der Staatsgewalt scheitert, und weil,
wie ebenfalls ausgeführt wurde, der Kanton Nidwalden selbstverständlich
nicht für die Folgen eines Bund esgesetzes, sowie solcher Erlasse
verantwortlich gemacht werden kann, welche sich nur als die Ausführung
dieses Bandes-gesetzes darstellen

Demnach hat das Bundesgericht erkannt: Die Klage wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 36 II 307
Datum : 15. Juni 1910
Publiziert : 31. Dezember 1910
Quelle : Bundesgericht
Status : 36 II 307
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 306 B. Einzige Zivilgerichtsinstanz. I. Materiellrechfliche Entscheidungen. Aufzählung


Gesetzesregister
BV: 110
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 110 * - 1 Der Bund kann Vorschriften erlassen über:
1    Der Bund kann Vorschriften erlassen über:
a  den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer;
b  das Verhältnis zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite, insbesondere über die gemeinsame Regelung betrieblicher und beruflicher Angelegenheiten;
c  die Arbeitsvermittlung;
d  die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen.
2    Gesamtarbeitsverträge dürfen nur allgemeinverbindlich erklärt werden, wenn sie begründeten Minderheitsinteressen und regionalen Verschiedenheiten angemessen Rechnung tragen und die Rechtsgleichheit sowie die Koalitionsfreiheit nicht beeinträchtigen.
3    Der 1. August ist Bundesfeiertag. Er ist arbeitsrechtlich den Sonntagen gleichgestellt und bezahlt.
BZP: 45
SR 273 Bundesgesetz vom 4. Dezember 1947 über den Bundeszivilprozess
BZP Art. 45
1    Jeder Zeuge wird in Abwesenheit der später abzuhörenden einvernommen. Bei Widerspruch der Aussagen kann er andern Zeugen gegenübergestellt werden.
2    Der Zeuge soll gegebenenfalls auf das Recht der Zeugnisverweigerung aufmerksam gemacht werden; er soll zur wahrheitsgemässen Aussage ermahnt und auf die strafrechtlichen Folgen des falschen Zeugnisses gemäss Artikel 307 des Strafgesetzbuches23 hingewiesen werden.
OG: 48  58
OR: 69
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 69 - 1 Der Gläubiger braucht eine Teilzahlung nicht anzunehmen, wenn die gesamte Schuld feststeht und fällig ist.
1    Der Gläubiger braucht eine Teilzahlung nicht anzunehmen, wenn die gesamte Schuld feststeht und fällig ist.
2    Will der Gläubiger eine Teilzahlung annehmen, so kann der Schuldner die Zahlung des von ihm anerkannten Teiles der Schuld nicht verweigern.
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • bundesgericht • see • schaden • nidwalden • kantonales recht • weiler • wert • regierungsrat • replik • frage • genossenschaft • ufer • kenntnis • opfer • fischerei • gemeinde • benutzung • streitwert • eigentum
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