242 A. Oberste Zivilgex'ichtsinsianz. I. Materiellrechtliche
Entscheidungen,

3. Haftpflicht der Eisenbahnund Dampfschifi'ahrtsunternehmungen und der
Postss Responsabilîté civile des entreprises de chemins

de fer et de bateaux à vapeur et des postes.

40. Zweit vom 15. cHipril 1910 in Sachen

Girotto, Kl. u. Ber.-KI., gegen Grossh. Yadisthe Eisenbahn--

vez-warburg, Bekl. u. Ber.-Bekl., u. galfi. gang & Demnon Litisdenunziaten
des Bekl.

Unzu-ldss éghett der Einnahme eines Azagenscheins durch die
Beweise-einsinstanz, wie auch einer van der Berufungsinstanz direkt
(m;-,zuordnendm Expertise (Art. 80 u . 82 OG). Unfall beim Betriebe einer
Werkbahn (Geleiseveròindwig nach einer beim Bahnbau benutten Kiesgruòy)
nie Bannbau-Unfall im Sinne des Art. i EHG. Dessen

Abgrenzung vom Unfall beim Eisenbalmbetrieb und vom Unfall

bei Hi!/sarbeite-n, mit denen die besondere Gefahr des Eismòalmbe-triebes
reist-einzlen ist . Unter den Begriff des Eisenbahnbaues féilt jede
Arbeit, die dem Zwecke der Erstetäzmg der Geleisrantage oder der
zugehörigen Hoc/zbauten dient und auf dem. im Bau begzssifisspnen
Bahnhörper selbst oder irr-feinere damit 111 òrlééchem Z usammfflhange
stehenden Gebiete sich abspiett (z. B. {lie zlîaifZJ-iaibesc/zaffung aus.
einem Steinbruclze oder einer KiNg-ruby mii Verbindungsgeleise für
sog. Rallwagen Vac/i dem Bahnstracée), mag die betr. Arbeit am der

ss Bahnmtternehmng selbst ode-r von einem dritte-n Bauunternehmer
besorgt werden.

A. Durch Urteil vom 21. Januar 1910 hat das Obergericht des Kantons
Schaffhausen über die Rechtsfrage:

Ist die beklagte Partei gerichtlich anzuhalten, an den Kläger

aus Eisenbahnhaftpflicht die Summe von 25,250 Fr. 50 Ets. samt Zins
zu 5% vom 15. Juni 1907 an, eventuell eine nach richterlichem Ermessen
festzusetzende Kapitalfumme in Verbindung mit einer Rente, zu bezahlen?
' erkannt:

Der Kläger ist mit feiner Klage abgewiesen-

B. Gegen dieses Urteil hat der Kläger rechtzeitig und form-ss
Berufung-Su. Kassationsinstanz : 3. Hafèpfl. a. Bets. d. Eisenb. etc,
N° 40. 243

richtig die Berufung an das Bundesgericht ergriffen mit dem Antrag auf
Aufhebung des Urteils und Gutheissung der Klage.

G. In der heutigen Verhandlung hat der Vertreter des Klägers Gutheissung,
der Vertreter der Beklagten und derjenige der Litisdenunziaten Abweifung
der Berufung beantragt. Beide Hauptparteien beantragten ausserdem
eventuell die Vornahine eines bundesgerichtlichen Augenscheins Und die
Anordnung einer Expertise über die örtlichen Verhältnisse der Unfallftelle

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Die Beklagte hat im Jahre 1907 auf der Strecke Schaffhausen-Singen
ein zweites Geleise erstellen lassen und die Ausführung der betreffenden
Arbeiten den Litisdenunziaten Alb. Buss sc Asprion, Vauunternehmern in
Basel, übertragen. Zur Herbeischafsung des erforderlichen Kieer bedienten
sich diese einer Rollbahn, die sie zu dem genannten Zwecke von einer in
der Nähe der Station Herblingen am sog. Solenberg gelegenen Kiesgrube nach
dem Gekeife der badischen Bahn hatten erstellen lassen. Der Bedienung
der Materialzüge lag neben anderen auch der heutige Kläger ob, der
speziell als Bremfer angestellt war. Bei Ausübung dieser Funktion erlitt
er am 15. Juni 1907 dadurch einen Unfall, dass beim Zurückschieben eines
leeren Materialzuges auf das Abstellgeleife in der Kiesgrube der Kasten
des Wagens, aus dem er stand, infolge einer Entgleisung des betreffenden
Wagens umkippte und auf ihn stürzte, wobei der Kläger eine Verletzung
der linken Hüfte erlitt, die seine vollkommene Erwerbsunfähigkeit zur
Folge hatte.

Das Qbergericht des Kantons Schaffhausen ist zur Abweisung der Klage
einzig auf Grund der Erwägung gelangt, dass sich der Unfall weder beim
Bau der Eisenbahn, noch beim Betrieb derselben, noch bei Hülfsarbeiten,
mit denen die besondere Gefahr des Eifenbahnbetriebes verbunden ist
zugetragen habe, wie Art. 1 EHG voraus-setze und dass daher der Beklagte
grundsätzlich nicht für die Folgen des Unfalls in Anspruch genommen
werden könne. Die Übrigen Streitfragen, insbesondere auch die von der
]. Instanz abgewiesene Einrede aus angeblichem Verschulden Dritter,
wurden infolgedessen von der Vorinftanz nicht behandelt

2. Was zunächst den in der heutigen Verhandlung von

244 A. Oberste Zivilgerichisinstanz. I. Materiellrechtliche
Entscheidungen.

beiden Hauptparteien gestellten Antrag auf Einnahme eines
bundesgerichtlichen Augenscheins und Anordnung einer Expertise über die
örtlichen Verhältnisse der Unsallstelle betrifft, so ist diesem Antrage
schon mit Rücksicht auf Art. 80 und 81 OG keine Folge zu geben. Wenn der
Tatbestand in dieser Beziehung wirklich einer Vervollständigung bedürfte,
so könnte es sich für das Bundesgericht einzig darum handeln, durch
Rückweisung der Sache gemäss Art. 82 Abs. 2 die Vorinstanz zur Ergänzung
der Akten anzuhalten Indessen ist im vorliegenden Falle auch dies nicht
erforderlich, da die Akten zur Entscheidung der Frage, ob der dem Kläger
zugestossene Unfall unter Art. 1 EHG falle, vollkommen spruchreif sind.

3. In der Sache selbst ist der Borinstanz darin beizupflichten, dass
kein Eisenbahnbetriebsunfall im Sinne des Art. 1 EHG vorliegt. Der
dem Kläger zugestossene Unfall hat sich nicht beim Betriebe der
Grossh. bad. Staatseisenbahnen, sondern beim Betriebe einer von der
Bausirma Alb. Buss & Asprion angelegten Werkbahn ereignet. Derartige,
lediglich zu vorübergehenden Zwecken bestimmte Werkbahnen sind
aber nicht als Eisenbahnen im Sinne der Haftpflichtgesetzgebung zu
betrachten Vielmehr erscheinen als solche nur die konzessionierten
Eisenbahnunternehinungen, sowie die Schweizerischen Bundesbahnen, wie denn
auch das EHG von 1875 ausdrücklich nur die konzessionierte Unternehmung-
haftbar erklärt hatte. Wenn das Wort konzessionierten im Texte des neuen
(SHE, nachdem es im Entwurfe des Bundesrates

(B. Bl. 1901 I S. 890) enthalten gewesen war, gestrichen wurde

so geschah dies lediglich deshalb, weil es sonst einer besonderen
Bestimmung betreffend Unterstellung der Bandes-bahnen unter das Gesetz
bedurft hatte. Vgl. Stenogr. Bulletin 1902 S. 389 (Votum Sulzer), S. 393
(Absticnmung); 1903 S. 378 (Votum Loretan), S. 379 (Vota Sulzer und
Brenner), S. 404 (Votum Sulzer), S. 412 (Bemerkung des Präsidenten zur
Abstimmung). Vgl. ferner-, betreffend einen Antrag, nach welchem der
Begriff der Eisenbahn auch aus die Werkbahnen anzuwenden gewesen wäre:
1902 S. 385 (Votum Bühlmann), 1903 S. 402 (Votu1n Bühlmann), S. 410
(Votum Bühlmann), S. 412 (Abstimmung).

4. Nicht anwendbar ist sodann im vorliegenden
Falle auchB. Berufungsu. Kassatinusinstanz :
3. Haflpfl. &. Bett-. d. Eisenb. etc. N° 40, 245

die weitere Bestimmung des Art. 1 EHG, wonach die Eisenbahnunternehmung
haftet, wenn bei Hilfsarbeiten, mit denen die besondere Gefahr des
Eisenbahnbetriebesverbunden ist-, ein Mensch getötet oder verletzt
wird. Denn diese Kategorie von Arbeiten umfasst, wie dem Wortlaute
sowohl, als der Entstehungsgeschichte der Bestimmung zu entnehmen ist,
einzig solche Hilf-Zarbeiten, welche mit dem Betrieb e der Eisenbahn im
Zusammenhang stehen also nicht die Hilfsarbeiten beim Bau. Der Entwurf des
Bundesrates hatte der Eisenbahnhaftpflicht ausdrücklich nur diejenigen
Hilssarbeiten unterstellt, welche mit dem Betriebe im Zusammenhang
stehen. Wenn dann von der Kommission des Nationalrates die Fassung
mit denen die besondere Gefahr des Eisenbahnbetriebes verbunden ist-,
vorgeschlagen wurde, so sollte damit (ng. Stenogr. Bulletin 1902 S. 363
oben links) die Haftpflicht gegenüber der vom Bundesrate vorgeschlagenen
Fassung nicht erweitert, sondern eher eingeschränkt werden. Ein Antrag
aber, wonach nur diejenigen Bauarbeiten (bezw. Eisenbahnbauarbeiten),
mit denen die besondere Gefahr des Eisenbahnbetrieb es verbunden ist-,
haftpslichtig erklärt worden wären (Antrag Bühlmann-Amsler-Müri, mit
Variante Brosi), wurde ausdrücklich verworfen Vgl. Stenogr. Bulletin 1904
S. 320, 2. Spalte i. d. M., S. 336 (Votum Brosi) und S. 337 (Abstimmung);
ferner AS 35 II S; 408.

5. Jst nach den bisherigen Ausführungen auf den vorliegenden Fall weder
die Bestimmung betreffend die eigentlichen Eisenbahnbetriebsunfälle,
noch diejenige betreffend die Unfälle bei Hilssarbeiten, mit welchen
die besondere Gefahr des Eisenbahnbetriebes verbunden ist, anwendbar,
so bleibt einzig zu untersuchen, ob sich der dem Kläger zugestossene
Unfall beim Bau einer Eisenbahn- ereignet habe.

Bei der Prüfung dieser Frage ist davon auszugehen, dass der Begriff des
Eisenbahnbaues schon vor Erlass des gegenwärtigen EHG ein gegebener
war, da ja Bestimmungen über die Haftpflicht bei Bauunsällen bereits
im EHG von 1875 und im Ausdehnungsgesetz von 1887 enthalten waren. Die
Bestimmung des neuen EHG, wonach für Eisenbahnbauunfälle, neben dem gemäs;
Ausdehnungsgesetz haftpflichtigen Bauunternehmen auch die

246 A. Oberste Ziwlgerichtsinstzmzsi l Materieiirechtliche Entscheidungen.

Eis en bahnunternehmung haftet (und zwar ganz unabhängig davon,
ob ihr ein Verschulden zur Last fällt oder nicht), stellt sich ihrer
Entstehungsgeschichte nach einfach als eine Erweiterung der Bestimmung
des früheren (&ng dar, wonach bei Eisenbahnunfällen die Eisenbahn haftete,
sofern eine Verschuldung.der flanges: sionierten Unternehmung vorlag. Es
ist deshalb, wenigstens vom Standpunkte der Entstehungsgeschichte des
Gesetzes aus, kein Ckrund vorhanden, bei der Anwendung des neuen EHG den
Ausdruck Bau einer Eisenbahn anders zu interpretieren, als dies bei der
Anwendung des EHG von 1875, wie auch des Ausdehnungsgesetzes von 1887,
geschehen war. . .?

Wird nun die frühere Praxis durchgangen, so ergibt sich, dass zwar die
Herbeischaffung von Baumaterial auf dem bereits in Betrieb befindlichen
definitiven Bahngeleise vorzugsweise (ng. einerseits AS 9 S. 528 Erw. 6;
10 S. 520 Erw. 2; 18 S. 364 Erw. Z; anderseits 12 S. 589 Erw. 2) als
Betriebs-handlng aufgefasst, dass dagegen die Herbeischaffung von
Baumaterial (insbesondere Beschotterungsmaterial) auf einer eigens
zu diesem Zwecke erstellten, nachher wieder abzutragenden Rollbahn
(Werkbahn) stets als zum Eisenbahnbau gehörig betrachtet wurde (vgl. AS
8 S. 99 Erw. 4; IO S. 128 Erw. 2; 23 S. 1049 Erw. 1).

An dieser Auffassung ist, zumal was die Herbeischafsung von Baumaterial
auf besonderen Werkbahnen betrifft, auch unter der Herrschaft des
neuen EHG festzuhalten. Wenn nämlich inder heutigen Verhandlung seitens
der Litisdenunziaten als Begriffsmerkmal des Eisenbahnbaus bezeichnet
wurde, dass die Tätigkeit des einzelnen Arbeiters unmittelbar in der
Herstellng eines Teils der definitiven Geleiseanlage bestehen müsse,
so kann dies nicht als richtig anerkannt werden. Denn alsdann wären
eine grosse Anzahl allgemein zum Eisenbahubau gerechneter Arbeiten (wie
z. B. die Erstellung eines Gerästes zum Bau einer Eisenbahnbrücke)
vom Begriffe des Eisenbahnbaus auszuschliessen Es muss vielmehr
in technischer Beziehung als genügend betrachtet werden, wenn die
betreffende Tätigkeit dein Zwecke der Herstellung eines Teils der
Geleiseanlage (Unteroder Sheehan) bezw. der erforderlichen HochBauten
dient. Dies ist aber bei der Herbeischaffung von Baumesterial
unbestreitbar der Fall.B. Berufungsu. Kassatîonsinstanz : 3. Haftij
a. Beh-. ci. Eisenb. etc. N° 40. 247

Ausser dieser technischen Beziehung ist nun freilich auch noch
eine gewisse örtliche Beziehung zur Baustelle erforderlich Denn die
Eisenbahnunternehmung muss doch wenigstens einigermassen in sder Lage
sein, den Umfang ihrer Haftpflicht zu überblicken, um die zur Verminderung
der Unfälie geeigneten Sicherheitsniassregeln entweder selber zu
ergreifen oder den betreffenden Bauunternehinern vorzuschreiben und über
ihre Durchsiihrung zu wachen. Ein solcher Ueberblick bezw. eine solche
Kontrolle der zu treffenden Sicherheitsmassregeln würde aber vollkommen
unmöglich sein, wenn sich die Haftpflicht der Eisenbahnunternehmung ohne
jede örtliche Beschränkung auf sämtliche der Herstellung eines Teils
der Geleiseaulage dienenden Arbeiten erstrecken würde, da alsdann die
Eisenbahnunternehmung ja z. B. für Unfälle haften würde, welche sich,
weitab von der Baustelle, in einer Fabrik eiserner Brückenbestandteile
ereignet haben können, während doch in der Regel jede Ein- wirkung
der Eisenbahnunternehmung auf die in solchen Fabriken zu treffenden
Sicherheitsmassregeln ausgeschlossen ist. Es würde dadurch auch das
eigentümliche Resultat herbeigeführt werden, dass in einer und derselben
Fabrik ein Unsall ausser der Haftpflicht des Fabrikinhabers noch diejenige
einer Eisenbahngesellschaft aus-lösen oder nicht auslösen würde, je
nachdem z. B. der betreffende Brückenbesiandteil gerade für eine Eis
enbahnbrücke, oder aber für eine Strassenbrücke bestimmt war.

Jst demnach zur Annahme eines Eisenbahnbauunfalles eine gess wisse
Etiliche Beziehung zur Baustelle unumgänglich nötig, so ist anderseits
nicht erforderlich, dass der Unfall sich geradezu auf dem zukünftigen
Bahnkörper ereignet habe. Erfahrungsgemäss wird beim Eisenbahnbau stets
eine mehr oder minder breite Terrainzone in Mitleidenschaft gezogen,
weshalb denn auch für die Inanspruchnahme von Terrain, welches nicht
zur Bildung des Bahnkörpers selber bestimmt ist, wohl aber anläleich
des Baues seinem bisherigen Zwecke dauernd oder vorübergehend entfremdet
werden muss, in der Regel das Expropriationsrecht erteilt wird. Zu diesem
Terrain gehört nun aber, ausser dem durch das häufige Betreten seitens
der Arbeiter, sowie durch das Ablager-n von Baumaterial momentan zu
Kulturzwecken unbrauchbar werdenden Gelände, insbesondere auch dasjenige
in der Nähe der Bahn befindliche und mit derselben

248 A. Oberste Zivilgerichtsinstanz. !. Materieflrechtliche
Entscheidungen.

durch eine Rollbahn verbundene Terrain, aus welchem das erforderliche
Baumaterial, z. B. gerade der zur Einbettung der Schwellen bestimmte
Schotter, gewonnen wird; und ebenso gehört dazu selbstverständlich das
zur Herstellung der besonderen Materialefahrtswege erforderliche, also
speziell das zur Aulegung einer Werk-

bahn benutzte Terrain. Konsequenterweise werden deshalb auch die-

eigens zum Zwecke des Bahnbaues ausgebeuteten, mit dem Bahnkörper durch
besondere Werkbahnen verbundenen Steinbriiche und Kiesgruben, und a
foetiorj diese Werkbahnen selber, durchweg als zur Bauftelle (chantier)
der Eisenbahn gehörig angesehen, Und zwar unabhängig davon, ob die
Herbeischaffung des in Betracht kommenden Baumaterials (und infolgedessen
der Betrieb der Werkbahn) von der Eisenbahngesellschaft selber, oder aber
von einem ihrer Akkordanten besorgt wird. Ebenso wie die unmittelbare Her-

stellung des Bahnkörvers, statt von der Eisenbahngesellschast selber-

ausgeführt zu werden, einem Bauunternehmer übertragen werden kann
und in der Regel übertragen wird, ohne dass dadurch der Charakter der
betreffenden Arbeiten verändert würde, so ist es auch für die Subsumtion
der Materialgewinnungsund Materialherbeiführungsarbeiten unter den
Begriff der Bauarbeiten durchaus unerheblich, ob dieselben von der
Bahngesellschaft selber oder von einem ihrer Akkordauten ausgeführt
"werden, sofern nur der nötige technische und örtliche Zusammenhang
mit dem Bahnbau vorhanden ist. Gerade der vorliegende Fall zeigt,
dass auch bei der Vergebung aller zum Bahnbau gehörenden Arbeiten die
Eisenbahnunternehmung den Uberblick über dieselben nicht verliert und
infolgedessen sich genau darüber Rechenschaft geben kann, wie weit ihre
Haftpflicht reicht. Denn in dem von dem Beklagten mit den Linsdenunziaten
abgeschlossenen Baudertrage, von welchem ein Exemplar bei den Akten liegt,
war die Werkbahn, auf welcher sich der Unfall ereignet hat, ausdrücklich
vorgesehen, indem bestimmt wurde, sämtliche Materialtransporte seien vom
Unternehmer auf eigener ss Rollbahn auszuführen, da das Betriebsgeleise
Bei den verfügbaren kurzen Zugspausenti hiefür nicht benutzt werden
könne; es

werde deshalb erforderlich werden, auf der ganzen zum zweiglei_

sigen Ausbau vorgesehenen Strecke von Schasfhausen bis Singen
eine Rollbahn zu verlegen.B. Berufungsu. Kassationsinstanz :
3. Haflpfl. a. Betr. d. Eisenh. etc. No 40. 249

Die Herbeischaffung von Baumaterial auf einer solchen, mit dem zu
erstellenden Bahnkörper in Verbindung stehenden Werkbahn vom Eisenbahnbau
auszunehmen, liegt übrigens um so weniger Veranlassung vor, als bei
der Beratung des Gesetzes in der Bundesversammlung, insbesondere im
Nationalrate, gerade die auf solchen Werkbahnen vorkommenden Unfälle
stets als typische Eisenbahnbauunfälle hingestellt wurden, und zwar
sowohl von den Anhängern, als auch von den Gegnern der Ausdehnung der
Eisenbahnhaftpflicht auf die Eisenbahnbauunfälle. Was speziell die Gegner
dieser Neuerung betrifft, so ergibt sich deutlich aus dem von ihnen in der
Schlussverhandlung des Nationalrates gestellten, bereits oben inErwägung 4
erwähnten Vermittlungsantrage Biihlmann-Anisler-Müri-Brosi, es möchten der
Eisenbahuhaftpflicht nur diejenigen Bauarbeiten unterstellt werden, mit
welchen die besondere Gefahr des Eisenbahnbetriebes verbunden sei; denn
als wichtigster Anwendungsfall dieser Sonderbestimmung wurde von ihnen
gerade der Betrieb von Werk-bahnen bezeichnet Vgl. Stenogr. Bulletin 1904
S. 326 (Votum Bühlmann), S. 830 (.Votum Mitri). Was aber die Mehrheit
des Nationalrates betrifft, so hat dieselbe durch Verwerfung jenes
Vermittlungsantrages nicht etwa den Willen bekundet, die anlässlich
des Eisenbahnbaus beim Betrieb von Wertbahnen vorkommenden Unfälle
von der Eisebahnhaftpflicht auszuschliessen, sondern es wurden
diese Unfälle von ihr einfach unter den allgemeinen Begriff der
Eisenbahnbauunfälle subsumiert, wie denn auch zur Begründung der
Ausdehnung der Eisenbahnhaftvflicht aus alle Eisenbahnbauunfälle
u. a. gerade auf die besondere Gefährlichkeit des Betriebes jener
Werkbahnen hingewiesen worden war.

Zum Schlusse mag noch bemerkt werden, dass sich eine von den
vorstehenden Ausführungen abweichende Interpretation des Begriffes
Eisenbahnbau auch nicht etwa aus dem von der Bot-instanz zitterten
Urteile des bundesgerichtlichen Kassationshofes vom 14. Juli 1908
i. S. Schweiz. Bundesbahnen g. Aarg. Staatsanwaltschaft * ergibt. Wenn
in diesem Urteile bemerkt wurde, zum Bahnbau gehöre nur der eigentliche
Bahnbau, d. h. die Ersiellung des Schienenweges, sowie die zum Zwecke
der Erhaltung

* in der AS nicht publiziert, (Anm. d. Red.). Paéi.)

250 A. Oberste Zivilgerichtsinstanz.I. Materiellrechlliche Entscheidungen.

der Bahnlinie vorgenommenen grösseren Reparaturen, so lag dabei
der Nachdruck nicht auf dem Worte Schienenweg, wie die Voriustanz
anzunehmen scheint, sondern auf dem Worte Erstellung. Es wollte
damit, speziell im Hinblick auf den damaligen Fall (Auswechseln von
Lascheubolzen an Schienen) betont werden, dass nicht schon jede im
Verlaufe des Betriebes periodisch wiederkehrende Auswechslung gewisser
Bestandteile des Schienenweges zum Eisenbahn-Sau gehöre, sondern
zunächst nur die erstmalige Erstellung des Schienenweges (bezw. der
erforderlichen Hochbauten), und sodann die den Erstellungsarbeiten
ähnlichen Hauptreparaturen Welch e Arbeiten aber unter den Begriff
der Erstellung des Schienenweges zu subsumieren seien, ob insbesondere
auch die Herbeischaffung des erforderlichen Baumaterials dazu gehöre,
darüber hat sich der Kassatioushof in jenem Urteil nicht ausgesprochen,
wie er denn auch keine Veranlassung hatte, sich darüber auszusprechen

6. Erscheint nach allen bisherigen Ausführungen der dem Kläger
zugestossene Unfall als ein Eisenbahnbauunfall, so ist das Urteil der
Vorinstanz, durch welches die Klage wegen Nichtvorhandenseins eines
Eisenbahnbauunfalles abgewiesen wurde, aufzuheben und die Sache zur
Behandlung aller übrigen Streitfragen an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt :

Das Urteils des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom
21. Januar 1910 wird aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung im Sinne der vorstehenden Erwägungen an dieses
Gericht zurückgewiesen.B. Berufungsu. Kassatiansinstanz: 4. Fabrikund
Handelsmarken. N° 41. 251

4. Fabrikund. Handelsmarken, etc.

Marques de fabrique, etc.

44. Arten vom 22. game 1910 in Sachen Chese'brough Manufacturing Co
Gcnsoîidated, Bekl· u. Beim-KLgegen Danks gm; & Cie., Kl. u. Ver-Bett

Eine Marke ist als Gemeingut (Art. 3 Abs. 2 MSGhG) anzusehen,
sabach sie in der Schweiz zur allgemeinen Sachbezeiclmung der (lam-it
bezeichneten War-322117; gewerden ist (so die Worinaarke c Vasezîine
einer untersten-riechen Firma). Mögäéchkeit, die Umwandlung ein-es
Ware-n-Individualzeichms in. ein Gemelngutzeichen zu verhindern. -Klage
am Löschung einer nicht schutzfähigen Marke : Legitimazion jedes
interessanter}.

A. Durch Urteil vom 11. Juni 1909 hat das Handelsgericht des Kantons
Zürich in Vorliegender Rechtsstreitsache erkannt:

Die schweizerische Marke Vaseline (Nr. 24,354) wird als unMgültig erklärt.

B. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte rechtzeitig die Berufung an das
Bundesgericht ergriffen mit dem Antrage, die Klage in vollem Umsange
abzuweisen

C. Eine Nichtigkeitsbeschwerde, die gegen das fUrteil beim zürcherischen
Kassationsgericht eingereicht worden war, ist von diesem am 14. März
1910 abgewiesen worden.

D. In der heutigen Verhandlung hat der Vertreter der Beklagten den
gestellten Berufungsantrag erneuert und eventuell noch Aktenergänzung
beantragt. Der Vertreter der Klägerin hat auf Abweisung der Berufung
geschlossen

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Die Beklagte, Chesebrough Manufacturing C° Consolidated, in New-York,
hat am 25. September 1908 beim eidnabössischen Amt für geistiges Eigentum
in Bern für ein stufweichungsmittel und Heilpräparat für äusserlichen
und innerlichen Gebrauch- unter der Nr. 24,354 die Wortmarke Vaseltne
femtragen lassen. Mit der vorliegenden Klage hat nunmehr die Firma
Informazioni decisione   •   DEFRITEN
Documento : 36 II 242
Data : 15. gennaio 1910
Pubblicato : 31. dicembre 1910
Sorgente : Tribunale federale
Stato : 36 II 242
Ramo giuridico : DTF - Diritto civile
Oggetto : 242 A. Oberste Zivilgex'ichtsinsianz. I. Materiellrechtliche Entscheidungen, 3.


Registro di legislazione
LRespC: 1
OG: 80  80u  81
Parole chiave
Elenca secondo la frequenza o in ordine alfabetico
lrespc • tribunale federale • convenuto • terreno • consiglio nazionale • consiglio federale • fabbrica • autorità inferiore • lavori di costruzione • sopralluogo • esattezza • lavoro accessorio • multa • quesito • azienda • aumento • estensione • protezione dei marchi • decisione • tribunale cantonale
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