766 C. Entscheidungen der Schuldbetreibungs-

128. Entscheid vom 26. Yorember 1910 in Sachen chmidlü

Art. 242 und 260 SchKG: Vindikation und Massarechtsabtretung

.. im Konkurs. Konkursforderung oder 'Aussonderungsanspruch? Vindikation
gestohlener Banknoten durch die Konkursmasse des Bestohlenen im Konkurs
des Die/ws. Irrtumléch von den Beteiligten als Vergleich bezeichnete
Abmaclmng der Konkm'smassen, wonach auf den Aussonderungsanspruch
zum Teil verzichtet und der übrige Teil anerkannt wird. Bestimmung
der Parteirollen in dem von der Masse oder einem Abtretungsgldubiger
geführten Vindilcationsprozess.

A. Dem Raubmörder Mathias Musf von Ruswil wurde bei seiner Verhaftung
ein Betrag von 1814 Fr. 75 Ets. abgenommen. Darunter befanden sich, auch
Banknoten, welche laut dem Ergebnis der Strafuntersuchung wenigstens zum
Teil vom Raub beim Viehhändler Bisang herrührten. Sowohl der Nachlass
des hingerichteten Musf als derjenige des ermordeten Bisang werden
konkursamtlich liquidiert.

Zwischen beiden Konkursverwaltungen fanden nun Verhandlungen Über die
gegenseitigen Ansprüche auf die dem Mörder abgenommene Summe statt. Dabei
machte dessen Konkursmasse geltend, dass Muss kurz vor seiner Verhaftung
bei der Volksbank Wolhusen 1500 Fr. ab seinem Guthaben an die Bank erhoben
und daraufhin für 655 Fr. Zahlungen effektuiert habe. Mit Bekanntmachung
vom 15. April 1910 teilte die Konkursverwaltung Muff den Gläubigern mit,
die Konkursmasse Bisang erhebe auf einen Teil der Summe von 1814 Fr. 75
Cts. Anspruch. Die bezüglichen Vergleichsverhandlungen seien noch nicht
abgeschlossen und es werde eine Verfügung nach Art. 242
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 242 - 1 Die Konkursverwaltung trifft eine Verfügung über die Herausgabe von Sachen, welche von einem Dritten beansprucht werden.
1    Die Konkursverwaltung trifft eine Verfügung über die Herausgabe von Sachen, welche von einem Dritten beansprucht werden.
2    Hält die Konkursverwaltung den Anspruch für unbegründet, so setzt sie dem Dritten eine Frist von 20 Tagen, innert der er beim Richter am Konkursort Klage einreichen kann. Hält er diese Frist nicht ein, so ist der Anspruch verwirkt.
3    Beansprucht die Masse bewegliche Sachen, die sich im Gewahrsam oder Mitgewahrsam eines Dritten befinden, oder Grundstücke, die im Grundbuch auf den Namen eines Dritten eingetragen sind, als Eigentum des Schuldners, so muss sie gegen den Dritten klagen.
SchKG für später
vorbehalten.

Am 10. Juni erliessen sodann beide Konkursverwaltungen ein gemeinsames
Zirkular an die Gläubiger in beiden Konkursen, des Inhalts, dass gestützt
auf die Ergebnisse der Strafuntersuchung, wonach von obgenannter Summe 845
Fr. von einem bei der Volksbank Wolhusen erhobenen Darleihen herrühren,
während derund Konkurskammer. N° 128. ' 767"

übrige Betrag als geraubtes Geld sich darstelle, die Konkursverwaltungen
in dem Sinn einen Vergleich getroffen hätten, dass 845 Fr. in die
Konkursmasse Muff und 969 Fr. 75 Cis. in die Masse Bisang fallen. Dieser
Vergleich werde den Gläubigern beider Massen zur Kenntnis gebracht,
mit der Verfügung, dass, sofern einzelne Gläubiger ihm nicht zustimmen
wollen, sie innert zehn Tagen beim Konkursamt Ruswil Abtretung der
Massarechte nach Art. 260
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 260 - 1 Jeder Gläubiger ist berechtigt, die Abtretung derjenigen Rechtsansprüche der Masse zu verlangen, auf deren Geltendmachung die Gesamtheit der Gläubiger verzichtet.
1    Jeder Gläubiger ist berechtigt, die Abtretung derjenigen Rechtsansprüche der Masse zu verlangen, auf deren Geltendmachung die Gesamtheit der Gläubiger verzichtet.
2    Das Ergebnis dient nach Abzug der Kosten zur Deckung der Forderungen derjenigen Gläubiger, an welche die Abtretung stattgefunden hat, nach dem unter ihnen bestehenden Range. Der Überschuss ist an die Masse abzuliefern.
3    Verzichtet die Gesamtheit der Gläubiger auf die Geltendmachung und verlangt auch kein Gläubiger die Abtretung, so können solche Ansprüche nach Artikel 256 verwertet werden.457
SchKG verlangen können, wobei sich jedoch die
beiden Konkursverwaltungen ihren Gläubigern gegenüber das Recht auf die
ihnen laut obigem Vergleich zukommenden Beträge wahren-

Jnnert Frist hat der Rekurrent Anton Schmidli, in Ziswil bei Ruswil, als
Rechtsnachfolger der Volksbank Wolhusen die Abtretung der Rechtsansprüche
der Masse Muff verlangt, insoweit die Konkursmasse auf den streitigen
Barbetrag verzichte, um in dem von der Konkursmasse Bisang oder von
einzelnen Gläubigern dieser Masse gegen ihn anzuhebenden Prozesse
legitimiert zu fein.

Am 5. Juli 1910 wurde dem Rekurrenten von der Konkursverwaltung Musf
eine Bescheinigung über die Abtretung der Massarechte, soweit gemäss
dem zitierten Vergleich 969 Fr. 75 Cts. in die Masse Bisang fallen,
ausgestellt, unter Ansetzung einer perenttorischen Frist von einem Monat
zur gerichtlichen Verfolgung seiner Ansprüche

B. Hierüber beschwerte sich Schmidli bei den luzernischen
Aufsichtsbehörden, weil die Konkursverwaltung Mufs zu Unrecht ihm und
nicht der Konkursmasse Bisang eine Klagefrist angesetzt habe. Die
Beschwerdebegehren lauten dahin, die angefochtene Verfügung sei
aufzuheben, soweit darin dem Beschwerdeführer eine Klagefrist gesetzt
worden sei, und es habe das Konkursamt allfälligen Drittansprechern
eine Frist von zehn Tagen zur Einklagung ihrer Eigentumsansprüche am
restanzlichen Depotguthaben anzusetzen.

Die untere Aufsichtsbehörde hat die Beschwerde von der Erwägung aus
abgewiesen, dass die Konkursmasse Muff am streitigen Betrage gar nicht
Besitz und Gewahrsam habe. Dieser Betrag sei seiner Zeit durch die
Untersuchungsbehörden bei der Kantonalbankfiliale Sursee, d. h. bei
einem Dritten, deponiert worden. Es liege denn auch gar kein Streit nach
Art. 242
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 242 - 1 Die Konkursverwaltung trifft eine Verfügung über die Herausgabe von Sachen, welche von einem Dritten beansprucht werden.
1    Die Konkursverwaltung trifft eine Verfügung über die Herausgabe von Sachen, welche von einem Dritten beansprucht werden.
2    Hält die Konkursverwaltung den Anspruch für unbegründet, so setzt sie dem Dritten eine Frist von 20 Tagen, innert der er beim Richter am Konkursort Klage einreichen kann. Hält er diese Frist nicht ein, so ist der Anspruch verwirkt.
3    Beansprucht die Masse bewegliche Sachen, die sich im Gewahrsam oder Mitgewahrsam eines Dritten befinden, oder Grundstücke, die im Grundbuch auf den Namen eines Dritten eingetragen sind, als Eigentum des Schuldners, so muss sie gegen den Dritten klagen.
SchKG vor, sondern

768 C. Entscheidungen der Schuldbeireibungs-

eine gerichtliche Anfechtung des perfekten Vergleiches Dass nun die
Klägerrolle demjenigen zufalle, welcher als Anfechtender austrete,
sei selbstverständlich

Die obere kantonale Aufsichtsbehörde führt in ihrem Entscheid vom
12. September aus, es handle sich in casu nicht um einen eigentlichen
Verzicht auf Ansprüche der Masse, sondern um einen Vergleich. Somit
habe die Konkursverwaltung zu Unrecht das Verfahren des Art. 260
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 260 - 1 Jeder Gläubiger ist berechtigt, die Abtretung derjenigen Rechtsansprüche der Masse zu verlangen, auf deren Geltendmachung die Gesamtheit der Gläubiger verzichtet.
1    Jeder Gläubiger ist berechtigt, die Abtretung derjenigen Rechtsansprüche der Masse zu verlangen, auf deren Geltendmachung die Gesamtheit der Gläubiger verzichtet.
2    Das Ergebnis dient nach Abzug der Kosten zur Deckung der Forderungen derjenigen Gläubiger, an welche die Abtretung stattgefunden hat, nach dem unter ihnen bestehenden Range. Der Überschuss ist an die Masse abzuliefern.
3    Verzichtet die Gesamtheit der Gläubiger auf die Geltendmachung und verlangt auch kein Gläubiger die Abtretung, so können solche Ansprüche nach Artikel 256 verwertet werden.457
SchKG
zur Anwendung gebracht. Ein solcher Vergleich hätte überhaupt nur unter
Zustimmung der Gläubigerversammlung rechtswirksam abgeschlossen werden
können. Diese Zustimmung sei im vorliegenden Fall nicht eingeholt worden
und der Vergleich sei daher gar nicht gültig zustande gekommen. Damit
falle sowohl die angefochtene Klagefristansetzung als das Rekursbegehren,
dass vom Konkursamt nach Art. 242 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 260
vorgegangen werde, dahin.

C. Gegen diesen Entscheid hat Schmidli unter Erneuerung seiner Begehren
und Festhaltuug an seiner Auffassung den Rekurs ans Bundesgericht
ergriffen.

Die Vorinstanz hat von Gegenbemerkungen zum Rekurs abgesehen; die
Konkursverwaltung Muff hat beantragt, der Rekurs sei als verspätet
zu erklären, eventuell als unbegründet abzuweisen. Zur Unterstützung
dieses letztern Begehrens hat sie nachträglich eine Bescheinigung des
Konkursamts Ruswil eingelegt, wonach der Vergleich vom 10. Juni 1910 von
den am 11. November abgehaltenen beschlussfähigen Gläubigerversammlungen
in Sachen Musf und Bisang ausdrücklich genehmigt worden ist.

Die Schuldbetreibungs und Konkurskammer zieht in Erwägung:

1. Abzuweisen ist zunächst die von der Rekursgegnerin erhobene
Verspätungseinrede. Entgegen der Behauptung der Rekursgegnerin ist der
angefochtene Entscheid am 19. Oktober in den Besitz des Rekurrenten
gelangt und der Rekurs am 29. Oktober der Post übergeben worden. Somit
wurde der Rekurs innert der gesetzlichen Frist beim Bundesgericht
eingereicht.

2. In der Sache selbst fragt es sich vorab, ob der Anspruch ider
Konkursmasse Bisang auf einen Teil des streitigen Betrages von 1814 Fr. 75
Ets. sich als Konkursforderung oder alsund Konkurskammer. N° 128. ' 769

Aussonderungsanspruch qualifiziere. Diese Frage ist von bei-

den Konkursmassen im letztern Sinn entschieden worden, ohne dass
dagegen Widerspruch erhoben worden wäre. Das ergibt sich aus dem
gemeinsamen Zirkular an die Gläubiger und auch aus dem ubrigen Verfahren
unzweideutig. Wäre der Anspruch in Wirklichkeit als Konkursforderung
angesehen worden, so hätte er ja in den Kollokationsplan aufgenommen
werden sollen und wäre eine vergleichsweise Erledigung ausserhalb des
Konkursverfahrens ausgeschlossen gewesen.

Die Behandlung des Anspruchs der Konkursmasse Bisang als
Aussonderungsanspruch entspricht aber auch durchaus der Sachlage.
Gestohlene Banknoten können laut Art. 207
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 207 - 1 Die Wandelung kann auch dann begehrt werden, wenn die Sache infolge ihrer Mängel oder durch Zufall untergegangen ist.
1    Die Wandelung kann auch dann begehrt werden, wenn die Sache infolge ihrer Mängel oder durch Zufall untergegangen ist.
2    Der Käufer hat in diesem Falle nur das zurückzugeben, was ihm von der Sache verblieben ist.
3    Ist die Sache durch Verschulden des Käufers untergegangen, oder von diesem weiter veräussert oder umgestaltet worden, so kann er nur Ersatz des Minderwertes verlangen.
und 208
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 208 - 1 Wird der Kauf rückgängig gemacht, so muss der Käufer die Sache nebst dem inzwischen bezogenen Nutzen dem Verkäufer zurückgeben.
1    Wird der Kauf rückgängig gemacht, so muss der Käufer die Sache nebst dem inzwischen bezogenen Nutzen dem Verkäufer zurückgeben.
2    Der Verkäufer hat den gezahlten Verkaufspreis samt Zinsen zurückzuerstatten und überdies, entsprechend den Vorschriften über die vollständige Entwehrung, die Prozesskosten, die Verwendungen und den Schaden zu ersetzen, der dem Käufer durch die Lieferung fehlerhafter Ware unmittelbar verursacht worden ist.
3    Der Verkäufer ist verpflichtet, den weitern Schaden zu ersetzen, sofern er nicht beweist, dass ihm keinerlei Verschulden zur Last falle.
OR vom bösgläubigen
Erwerber als körperliche Sachen vindiziert werden und die Konkursmasse
Bisang hat nur, soweit vom Raub an Bisang herrührende Banknoten in
Betracht kommen, einen Anspruch gegenüber der Konkursmasse Musf geltend
gemacht.

3. Bei der Unsicherheit, wie viel von dem bei der Verhaftung des Muff
auf ihm vorgefundenen Gelde vom Raub Bisang herrühre, hatte sich nun
die Konkursmasse Bisang darüber schlüssig zu machen, welchen Betrag
von der ganzen dem Musf abgenommenen Summe sie für sich vindizieren
wolle, und es musste sich daraufhin die Konkursmasse Muff ihrerseits
entschliessen, ob sie den Aussonderungsanspruch anerkennen wolle oder
nicht. Die beiden Konkursmassen haben diese beiden Amtshandlungen im
gegenseitigen Einverständnis zu gleicher Zeit vorgenommen. Wenn dabei
eme Einigung in dem Sinne zustande kam, dass die Konkursmasse Muff die
von der Konkursmasse Bisang schliesslich erhobenen Ansprüche anerkannte,
so lag darin entgegen der Auffassung der Vorinstanz ein Verzicht der
Konkursmasse Muff, mehr als diesen Betrag von. dem auf Muff vorgefundenen
Gelde für sich zu beanspruchen.

Von einem Vergleich über einen der Konkursmasse Muff zustehenden Anspruch
kann dagegen keine Rede sein, wenn auch die Parteien ihre gegenseitigen
Amtshandlungen so bezeichneten. Ein Vergleich im technischen Sinn
setzt voraus, dass ein streitiger Anspruch gegen Zugeständnisse der
Gegenpartei zum Teil aufgegeben wird, mit der Wirkung, dass dadurch der
Streit endgültig beseitigt

770 C. Entscheidungen der Schuldhctreibungs-

wird. Im vorliegenden Fall ist dem sog. Vergleich diese Bedeutung
von keiner Seite beigelegt worden Dass die Konkursverwaltungen die
Frage, ob die Konkursmasse Muff nun wirklich auf einen Teil des bei
Muff vorgefundenen Betrages und die Konkursmasse Bisang ihrerseits aus
einen höheren Aussonderungsanspruch zu verzichten habe, noch nicht als
definitiv erledigt betrachteten, geht schon daraus hervor, dass sie den
Gläubigern des Muff das Recht vorbehalten haben, bezüglich desjenigen
Betrages, aus welchen die Konkursmasse Muff zu Gunsten der Masse Bisang
Verzicht leistete, die Abtretung der Massarechte zu verlangen, und
umgekehrt den Gläubigern des Bisang das Recht wahrten,v die Konkursmasse
Muff nach Art. 260
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 260 - 1 Jeder Gläubiger ist berechtigt, die Abtretung derjenigen Rechtsansprüche der Masse zu verlangen, auf deren Geltendmachung die Gesamtheit der Gläubiger verzichtet.
1    Jeder Gläubiger ist berechtigt, die Abtretung derjenigen Rechtsansprüche der Masse zu verlangen, auf deren Geltendmachung die Gesamtheit der Gläubiger verzichtet.
2    Das Ergebnis dient nach Abzug der Kosten zur Deckung der Forderungen derjenigen Gläubiger, an welche die Abtretung stattgefunden hat, nach dem unter ihnen bestehenden Range. Der Überschuss ist an die Masse abzuliefern.
3    Verzichtet die Gesamtheit der Gläubiger auf die Geltendmachung und verlangt auch kein Gläubiger die Abtretung, so können solche Ansprüche nach Artikel 256 verwertet werden.457
SchKG aus Herausgabe eines höheren als des von der
Konkursverwaltung Bisang herausverlangten Betrages einzuklagen. Beide
Teile haben also die ganze Abmachung wissentlich und willentlich als
eine bloss vorläufige getroffen und sie von der Stellung der einzelnen
Gläubiger abhängen lasfen, welche sie in ihrer Totalität wieder in Frage
stellen konnten.

Die Rechtslage wäre dagegen eine grundverschiedene, wenn die
Konkursverwaltung namens der Gläubiger einen Prozess angehoben und diesen
dann wieder namens der Masse durch einen Vergleich erledigt hätte, ohne
die Ratifikation durch die Gläubigerversammlung vorzubehalten. Nur dann
könnte von einem wohlerworbenen Recht der Gegenpartei gesprochen werden,
dass dieser Vergleich, welcher an die Stelle eines rechtskräftigen Urteils
tritt, nicht mehr in Frage gestellt werde. In casu ist aber gerade das
Gegenteil ausdrücklich vereinbart worden Wenn also die Vorinstanz die
Grundsätze Über die vergleichsweise Erledigung eines gegen die Masse
oder von ihr angestrengten Prozesses herbeigezogen hat, so ist das
rechtsirrtümlich und ihr Entscheid daher aufzuheben.

Unter diesen Umständen ist es vollständig irrelevant und kann natürlich
das ausdrücklich vorbehaltene Recht der einzelnen Gläubiger nach
Art. 260
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 260 - 1 Jeder Gläubiger ist berechtigt, die Abtretung derjenigen Rechtsansprüche der Masse zu verlangen, auf deren Geltendmachung die Gesamtheit der Gläubiger verzichtet.
1    Jeder Gläubiger ist berechtigt, die Abtretung derjenigen Rechtsansprüche der Masse zu verlangen, auf deren Geltendmachung die Gesamtheit der Gläubiger verzichtet.
2    Das Ergebnis dient nach Abzug der Kosten zur Deckung der Forderungen derjenigen Gläubiger, an welche die Abtretung stattgefunden hat, nach dem unter ihnen bestehenden Range. Der Überschuss ist an die Masse abzuliefern.
3    Verzichtet die Gesamtheit der Gläubiger auf die Geltendmachung und verlangt auch kein Gläubiger die Abtretung, so können solche Ansprüche nach Artikel 256 verwertet werden.457
SchKG nicht alterieren, dass die Gläubigerversammlungen
vom 11. November den Vergleich vom 10. Juni nachträglich ausdrücklich
genehmigt haben. Hierauf könnte übrigens als unzulässiges Novum bei der
Beurteilung des vorliegenden Rekurses sowieso keine Rücksicht genommen
werden. und Konkurskammer. N° 128..si ' 771

é. Hatte somit die Konkursverwaltung Muff richtigerweise nach Art. 242
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 242 - 1 Die Konkursverwaltung trifft eine Verfügung über die Herausgabe von Sachen, welche von einem Dritten beansprucht werden.
1    Die Konkursverwaltung trifft eine Verfügung über die Herausgabe von Sachen, welche von einem Dritten beansprucht werden.
2    Hält die Konkursverwaltung den Anspruch für unbegründet, so setzt sie dem Dritten eine Frist von 20 Tagen, innert der er beim Richter am Konkursort Klage einreichen kann. Hält er diese Frist nicht ein, so ist der Anspruch verwirkt.
3    Beansprucht die Masse bewegliche Sachen, die sich im Gewahrsam oder Mitgewahrsam eines Dritten befinden, oder Grundstücke, die im Grundbuch auf den Namen eines Dritten eingetragen sind, als Eigentum des Schuldners, so muss sie gegen den Dritten klagen.

in Verbindung mit Art. 260
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 260 - 1 Jeder Gläubiger ist berechtigt, die Abtretung derjenigen Rechtsansprüche der Masse zu verlangen, auf deren Geltendmachung die Gesamtheit der Gläubiger verzichtet.
1    Jeder Gläubiger ist berechtigt, die Abtretung derjenigen Rechtsansprüche der Masse zu verlangen, auf deren Geltendmachung die Gesamtheit der Gläubiger verzichtet.
2    Das Ergebnis dient nach Abzug der Kosten zur Deckung der Forderungen derjenigen Gläubiger, an welche die Abtretung stattgefunden hat, nach dem unter ihnen bestehenden Range. Der Überschuss ist an die Masse abzuliefern.
3    Verzichtet die Gesamtheit der Gläubiger auf die Geltendmachung und verlangt auch kein Gläubiger die Abtretung, so können solche Ansprüche nach Artikel 256 verwertet werden.457
SchKG zu verfahren, so ergibt sich daraus
weiter, dass der Rekurrent mit Recht verlangt, die angefochtene
Klagefristansetzung an ihn sei aufzuheben und das Konkursamt anzuhalten,
der Konkursmasse Bisang als Drittansprecherin eine zehntägige Frist
zur Einklagnng ihrer Eigentumsansprüche am restanzlichen Depotguthaben
anzusetzen. Bei der Frage, ob die Konknrsmasse die Beklagtenrolle für
sich in Anspruch nehmen könne oder umgekehrt selber klagend aufzutreten
habe, kommt es nur auf das rein äusserliche Gewahrsamsverhältnis an und
nicht auf die Eigentumsfrage (vergl. AS Sep.-Ausg. l Nr· 36 S. 134 fis,
2 Nr. 1 S. 4 f.**, 3 Nr. 9 S. 35 f.***, 11 Nr. 15 S. 65 ****). Nun steht
in tatsächlicher Beziehung fest, dass der ganze Betrag von 1814 Fr. 75
Cts. dem Muff bei seiner Verhaftung abgenommen wurde, dass er also
und nicht Bisang im Besitz der Geldstücke und der Banknoten war. Wenn
der gesamte Betrag dann Drittorts deponiert wurde, so wurde der Dritte
Depositar für Muff und hernach für seine Konkursmasse und übte an deren
Statt den Gewahrsam aus, solange nicht ein anderer Berechtigter sich durch
ein gerichtliches Urteil ihm gegenüber als solcher legitimieren konnte.

Kam demnach in der Tat der Konkursmasse Muff die Beklagtenrolle
in einem allfälligen Vindikationsprozess zu, so hat nach konstanter
bundesgerichtlicher Praxis der im Fall der Anerkennung der Vindikation
durch die Masse an ihre Stelle tretende Abtretungsgläubiger auf die
gleiche prozessualische Stellung Anrecht (vergl. AS 29 II Nr. 88 S. 751
f. Erw. 4 und die dortigen Zitate).

Demnach hat die Schuldbetreibungs und Konkurskammer

erkannt:

Der Rekurs wird begründet erklärt. Demgemäss wird der Vorentscheid
aufgehoben und es werden dem Rekurrenten seine Anträge

zugesprochen.

* Ges.-Ausg. 241 Nr. 74 S. 1102 f. ** Id. 25 l Nr. 17 S. Mln f. --

*** ld. 261 Nr. 26 S. 147 f. **** Id. 271Nr. 39 S. 235.
(Anm. d. Red. s. Publ.)

___ M
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 36 I 766
Datum : 26. Januar 1910
Publiziert : 31. Dezember 1910
Quelle : Bundesgericht
Status : 36 I 766
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 766 C. Entscheidungen der Schuldbetreibungs- 128. Entscheid vom 26. Yorember 1910


Gesetzesregister
OR: 207 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 207 - 1 Die Wandelung kann auch dann begehrt werden, wenn die Sache infolge ihrer Mängel oder durch Zufall untergegangen ist.
1    Die Wandelung kann auch dann begehrt werden, wenn die Sache infolge ihrer Mängel oder durch Zufall untergegangen ist.
2    Der Käufer hat in diesem Falle nur das zurückzugeben, was ihm von der Sache verblieben ist.
3    Ist die Sache durch Verschulden des Käufers untergegangen, oder von diesem weiter veräussert oder umgestaltet worden, so kann er nur Ersatz des Minderwertes verlangen.
208
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 208 - 1 Wird der Kauf rückgängig gemacht, so muss der Käufer die Sache nebst dem inzwischen bezogenen Nutzen dem Verkäufer zurückgeben.
1    Wird der Kauf rückgängig gemacht, so muss der Käufer die Sache nebst dem inzwischen bezogenen Nutzen dem Verkäufer zurückgeben.
2    Der Verkäufer hat den gezahlten Verkaufspreis samt Zinsen zurückzuerstatten und überdies, entsprechend den Vorschriften über die vollständige Entwehrung, die Prozesskosten, die Verwendungen und den Schaden zu ersetzen, der dem Käufer durch die Lieferung fehlerhafter Ware unmittelbar verursacht worden ist.
3    Der Verkäufer ist verpflichtet, den weitern Schaden zu ersetzen, sofern er nicht beweist, dass ihm keinerlei Verschulden zur Last falle.
SchKG: 242 
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 242 - 1 Die Konkursverwaltung trifft eine Verfügung über die Herausgabe von Sachen, welche von einem Dritten beansprucht werden.
1    Die Konkursverwaltung trifft eine Verfügung über die Herausgabe von Sachen, welche von einem Dritten beansprucht werden.
2    Hält die Konkursverwaltung den Anspruch für unbegründet, so setzt sie dem Dritten eine Frist von 20 Tagen, innert der er beim Richter am Konkursort Klage einreichen kann. Hält er diese Frist nicht ein, so ist der Anspruch verwirkt.
3    Beansprucht die Masse bewegliche Sachen, die sich im Gewahrsam oder Mitgewahrsam eines Dritten befinden, oder Grundstücke, die im Grundbuch auf den Namen eines Dritten eingetragen sind, als Eigentum des Schuldners, so muss sie gegen den Dritten klagen.
260
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 260 - 1 Jeder Gläubiger ist berechtigt, die Abtretung derjenigen Rechtsansprüche der Masse zu verlangen, auf deren Geltendmachung die Gesamtheit der Gläubiger verzichtet.
1    Jeder Gläubiger ist berechtigt, die Abtretung derjenigen Rechtsansprüche der Masse zu verlangen, auf deren Geltendmachung die Gesamtheit der Gläubiger verzichtet.
2    Das Ergebnis dient nach Abzug der Kosten zur Deckung der Forderungen derjenigen Gläubiger, an welche die Abtretung stattgefunden hat, nach dem unter ihnen bestehenden Range. Der Überschuss ist an die Masse abzuliefern.
3    Verzichtet die Gesamtheit der Gläubiger auf die Geltendmachung und verlangt auch kein Gläubiger die Abtretung, so können solche Ansprüche nach Artikel 256 verwertet werden.457
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
konkursmasse • konkursverwaltung • mass • konkursamt • frage • banknote • frist • bundesgericht • vorinstanz • geld • raub • stelle • konkursforderung • bescheinigung • tag • klagefrist • strafuntersuchung • bewilligung oder genehmigung • entscheid • wohlerworbenes recht
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