Verletzung der Bundesverfassung keine andern Bestimmungen bestehen
als für diejenigen wegen Verletzung der kantonalen Verfassung, so
ist nicht einzusehen, warum nicht auch bei der ersteren in der Regel
die vorgängige Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges verlangt
werden sollte. Immerhin ist heute nur die Frage zu lösen, ob bei
Beschwerden wegen Verletzung der Pressfreiheit die Erschöpfung des
kantonalen Jnstanzenzuges erforderlich fei. Gerade hier darf in der
Regel dem Rekurreuten gewiss zugemutet werden, dass er sein Recht
zuerst bei der zuständigen kantonalen Oberinstanz suche, und nur
ausnahmsweise wird von dieser Regel abzugehen sein, so z. B. dann,
wenn der Rekurrent die örtliche Kompetenz der betreffenden kantonalen
Behörden bestreitet. Dabei hat es freilich die Meinung, dass nur die
ordentlichen kantonalen Rechtsmittel vor der Anrufung des Bundesgerichtes
ergriffen werden 1nüssen, nicht auch die ausserordentlichen Rechtsmittel
(wie z. B. die Anrusung des Landrates nach urnerischem Rechte), da ein
solcher prozessualer Aufwand mit dem Zwecke, welchem das Erfordernis der
vorgängigen Erschöpfung des kautenalen Jnstanzenzuges dienen soll, in
keinem richtigen Verhältnisse stünde. In der bisherigen Rechtsprechung
ist nun freilich in Bezug auf die staatsrechtlichen Beschwerden wegen
Verletzung der Bundesverfassung wiederholt ausgeführt worden, dass hier
die vorgängige Erschöpfung des kantonalen Jnstanzenzuges nicht nötig sei,
weil das Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege ein
solches Erfordernis nicht aufstelle (siehe z. B. BGE 10 S. 187 f.), und
es ist speziell bei Beschwerden wegen Verletzung der Pressfreiheit das
betreffende Erfordernis abgelehnt worden (vergl. BGE 15 S. 60 Erw. 2;
18 S. 636 Erw. 2 und das Urteil vom 9. Februar 1910 i. S. Dr. Sidler
gegen Karl Villiger *). Jndessen handelte es sich dabei im ersten und
dritten der eben erwähnten Fälle um die Anfechtung obergerichtlicher
Urteile. Im zweiten Falle aber war Gegenstand der Anfechtung eine
prozessuale Auflage der ersten Instanz (die Vorlegung des Manuskriptes
des eingeklagten Artikels). Es handelte sich also um einen Nachteil,
der nicht mehr hätte gehoben werden
* AS 36 l Nr. 5. (Anm. d. Red.f. Publ.)V. Derogatorische Kraft des
eidgenössischen Rechts. N° 70. 383
können, auch wenn nach Ausfällung des Haupturteils und nach Erschöpfung
des kantonalen Jnstanzenzuges der Prozess zu Gunsten des Rekurrenten
entschieden worden wäre; gerade in diesem Falle war eine ausnahmsweise
Zulassung des staatsrechtlichen Rekurses vor der Erschöpfung des
kantonalen Jnstanzenzuges nicht ungerechtfertigt, derart, dass auch
von der im gegenwärtigen Urteil vertretenen Rechtsauffassung aus nicht
anders hätte entschieden werden müssen. Die bisherige Gerichtspraxis kann
daher nicht dazu führen, Von der als richtig erkannten Rechtsauffassung
abzuweichen, und es ist demnach im vorliegenden Falle, in welchem nach
der Sachdarstellung beider Parteien eine Weiterziehung ans Obergericht
offen gestanden hätte, auf den Rekurs nicht einzutreten.
2· (Ausführung, dass der Rekurs eventuell materiell unbegründet wäre.)
Demnach hat das Bundesgericht erkannt: Auf den Rekurs wird nicht
eingetreten.
V. Derog-atorische Kraft des eidgenössischen Rechts. Force dérogatoire
du droit fédéral.
70. Arie-it vom magma 1910 in Sachen Meiner gegen Yppellattonshok des
{Mentions 33cm.
Berechtigung und Verpflichtung des zweitinstanzliehen Konkursriehters,
zu prüfen, ob die Voraussetzungen der Konkurseröffnung im Momente
des erstinstanzlichen Entscheides _erfülllt waren, und daher das
Konkursbegehren abzuweisen, falls sich ergibt, dass eine vom Schuldner
zwar erst vor zweiter Instanz erhobene Einrede (in casu diejenige der
Stundung) schon im Momente des erstinstanzlichen Entscheides begründet
war. Verletzung dieses im SchKG implicite enthaltenen Rechtssatzes durch
einen Entscheid, in welchem auf Grund des kantonalen Prozessrechtes die
nachträgliche Erhebung jener Einrede als unzulässig erklärt wurde. Dadurch
begangene Verletzung des Grundsatzes der derogatorisehen Kraft des
eidgenössischen gegenüber dem kantonalen Recht.
384 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. l. Abschnitt. Bundesverfassung.
A. Der Rekurrent schuldete einer Emma Käfer 245 FrFür diesen Betrag
stellte die Gläubigerin am 9. März 1910 beim Richteramt Aarwangen das
Konkursbegehren. Nachdem die Parteien auf den 15. März zur Verhandlung
über das Klagbegehren vorgeladen worden waren, übersandte der Rekurrent
dem Vertreter der Gläubigerin am 14. März eine Abschlagszahlung von
100 Fr., mit dem Ersuchen, es möchte ihm für den RestStundung erteilt
werden, sodass das Klagbegehren dahinfalle. Der Vertreter der Gläubigerin
war mit der Stundung einverstanden, unterliess es jedoch aus Versehen,
das Klagbegehren rechtzeitig zurückzuziehen, bezw. dem Richter von der
Stundung Kenntnis zu geben. Infolgedessen wurde im Termin vom 15. März,
an welchem keine Partei vertreten war, über den Rekurrenten der Konkurs
eröffnet.
Gegen dieses Erkenntnis ergriff der Rekurrent rechtzeitig die in
Art. 174
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 174 - 1 Der Entscheid des Konkursgerichtes kann innert zehn Tagen mit Beschwerde nach der ZPO344 angefochten werden. Die Parteien können dabei neue Tatsachen geltend machen, wenn diese vor dem erstinstanzlichen Entscheid eingetreten sind. |
|
1 | Der Entscheid des Konkursgerichtes kann innert zehn Tagen mit Beschwerde nach der ZPO344 angefochten werden. Die Parteien können dabei neue Tatsachen geltend machen, wenn diese vor dem erstinstanzlichen Entscheid eingetreten sind. |
2 | Die Rechtsmittelinstanz kann die Konkurseröffnung aufheben, wenn der Schuldner seine Zahlungsfähigkeit glaubhaft macht und durch Urkunden beweist, dass inzwischen: |
1 | die Schuld, einschliesslich der Zinsen und Kosten, getilgt ist; |
2 | der geschuldete Betrag beim oberen Gericht zuhanden des Gläubigers hinterlegt ist; oder |
3 | der Gläubiger auf die Durchführung des Konkurses verzichtet. |
3 | Gewährt sie der Beschwerde aufschiebende Wirkung, so trifft sie gleichzeitig die zum Schutz der Gläubiger notwendigen vorsorglichen Massnahmen. |
Appellation, indem er sich darauf berief, dass wegen der ihm erteilten
Stundung die Voraussetzungen der Konkurseröffnung am 15. März objektiv
nicht vorhanden gewesen seien und dass übrigens die Schuld seither
gänzlich getilgt worden sei, weshalb die Gläubigerin mit der Aufhebung
des Konkurserkenntniffes einverstanden sei. Letztere beiden Behauptungen
(betr. gänzliche Tilgung der Schuld in der Zeit zwischen dem erstund
dem zweitinstanzlichen Entscheid und betr. Einverständnis der Emma Käfer
mit der Aufhebung des Konkurfes) entsprachen der Wirklichkeit
Trotzdem erkannte am 16. April 1910 der Appellationshof des -
Kantons Bern:
1. Dem Konkursbegehren der Emma Käfer wird, in Bestätigung des
erftinstanzlichen Urteils, entsprochen und über den Rekurrenten Steiner
der Konkurs eröffnet, mit Datum vom 15. März 1910, vormittags 11 Uhr.
2. Dem Rekurrenten Steiner werden die 14 Fr. 20 Cis. betragenden
Gerichtskosten auferlegt.
Dieser Entscheid wird damit begründet, dass zur Zeit der erstinstanzlichen
Beurteilung dem Richter keine Tatsachen zur Kenntnis gebracht
waren, welche die Begründetheit des Konkursbegehrens hätten in Frage
stellen fönnen. Neue Tatsachen aber dürfeV. Derogatorische Kraft des
eidgenössischen Rechts. N° 70. 385
der Appellationshof nach konstanter Praxis (vergl. Zeitschr. d.
Bern. Jur.-Ver. 28 S. 426, 29 S. 393, 37 S. 160, 43 S. 353, M S. 401)
nicht berücksichtigen
B. Gegen diesen Entscheid richtet sich der vorliegende, rechtzeitig und
formrichtig ergriffene staatsrechtliche Rekurs mit den Rechtsbegehren :
Es sei der Entscheid des Appellationshofes des Kantons Bern vom 16. April
1910, wodurch dem Konkursbegehren der Emma Käfer entsprochen, über den
Rekurrenten Steiner der Konkurs eröffnet und ihm die Gerichts-kosten
auferlegt wurden, zu kafsieren.
Der Rekurs wird damit begründet, dass eine Verletzung der Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 64 Forschung - 1 Der Bund fördert die wissenschaftliche Forschung und die Innovation.30 |
|
1 | Der Bund fördert die wissenschaftliche Forschung und die Innovation.30 |
2 | Er kann die Förderung insbesondere davon abhängig machen, dass die Qualitätssicherung und die Koordination sichergestellt sind.31 |
3 | Er kann Forschungsstätten errichten, übernehmen oder betreiben. |
BV und des Art. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 2 Zweck - 1 Die Schweizerische Eidgenossenschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes und wahrt die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes. |
|
1 | Die Schweizerische Eidgenossenschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes und wahrt die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes. |
2 | Sie fördert die gemeinsame Wohlfahrt, die nachhaltige Entwicklung, den inneren Zusammenhalt und die kulturelle Vielfalt des Landes. |
3 | Sie sorgt für eine möglichst grosse Chancengleichheit unter den Bürgerinnen und Bürgern. |
4 | Sie setzt sich ein für die dauerhafte Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und für eine friedliche und gerechte internationale Ordnung. |
C. In feiner Vernehmlasfung auf den Rekurs hat der Appellationshof des
Kantons Bern bemerkt: Die praktische Folge der Ansicht des Rekurrenten
wäre die, dass der Schuldner bis zur oberinftanzlichen Beurteilung immer
neue Tatsachen und zwar fakzefsive anbringen könnte, womit offensichtlich
der Trölerei im Konkursverfahren Tür und Tor geöffnet würde. Die
erftinstanzliche Beurteilung hätte dann wenig oder gar keinen Sinn mehr.
Der Vertreter der Emma Käfer hat vom Rekurfe Kenntnis genommen und auf
Gegenbemerkungen zu verzichten erklärt.
D. Über das Konkurseröffnungsverfahren enthält das bernische
Einführungsgesetz folgende Bestimmungen:
§ 31. Der Gerichtspräsident ist der zuständige Richter in allen Fällen,
bezüglich welcher das Bundesgefetz den Gerichten eine Entscheidung
oder Verfügung zuweist, sofern nicht durch dieses Gesetz etwas Anderes
bestimmt ist.
§ 32. Der Gerichtspräsident erledigt insbesondere die Begehren und
Anträge betreffend:
4. Die Erkennung des Konkurses nach durchgeführter ordentlicher Betreibung
(Art. 168 BG) oder ohne vorgängige Betretbung (Art. 190, 191, 192 und
309 BG);
§ 35. In den Fällen des § 32, mit Ausnahme der unter Ziffer 4 angeführten,
findet gegen das erstinftanzliche Erkenntnis eine Appellation nicht statt.
386 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.
Die Appellation gegen Erkenntnisse über die in § 32 Ziff. 4 angeführten
Konkursbegehren, sowie gegen Verfügungen des Gerichtspräsidenten in
Nachlasssachen muss binnen der Frist von 10 Tagen durch Einreichung
der Rekursschrift beim Letztern stattfinden. Die Rekursschrift soll die
Gründe der Weiterziehung und die Anträge enthalten, und es sind ihr die
in den Händen des Rekurrenten liegenden, als Beweismittel angerufenen
Urkunden beizulegen. s
Der Gerichtspräsident fordert den Gegner des Rekurrenten auf, binnen 10
Tagen seine Antwort und schriftlichen Beweismittel einzureichen. Nach
Ablauf dieser Frist sendet er die Akten mit seinem Bericht an den
Appellationsund Kassationshof als obere Instanz ein. Diese Behörde kann
über bestrittene Tatsachen weitere Erhebungen anordnen. Sie entscheidet
ohne Parteivorträge und teilt das Urteil dem Gerichtspräsidenten zur
Kenntnisnahme und Eröffnung an die Parteien mit.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Von einer willkürlichen Anwendung, sei es des kantonalen, sei es
des eidgenössischen Rechtes, kann im vorliegenden Falle keine Rede
sein. Weder das SchKG noch das kantonale Einführungsgesetz enthalten
über die Zulässigkeit von Noven im Verfahren vor dem zweitinstanzlichen
Konkursrichter eine ausdrückliche Bestimmung. Es erscheint daher
jedenfalls nicht als willkürlich, wenn der Appellationshof übrigens im
Einklang mit seiner bisherigen Praxis jene in der Literatur bestrittene
Frage (vergl. Weber-Brüstlein-Reichel, Anm. 2 zu Art. 171, Anm. 4 zu
Art. 174; Jaeger, Anm. 7 zu Art. 174;. Leemann, Die Konkursgründe nach
dem SchKG, S. 34) im Sinne des Ausschlusses aller Noven entschieden
hat; dies umso weniger, als nach den für den ordentlichen Zivilprozess
geltenden Normen des bernischen Prozessrechtes die Anbringung von Noven
in der obern Instanz in der Tat ausgeschlossen ist.
2. Eine andere Frage ist es, ob nicht der Grundsatz der derogatorischen
Kraft des eidgenössischen gegenüber dem kantonalen Recht verletzt sei.
Das SchKG enthält zwar, wie bereits bemerkt, über die Frage
der Zulässigkeit von Noven im Konkurseröffnungsverfahren
keineV. Derogatorische Kraft des eidgenössischen Rechts. N° 70. 387
ausdrückliche Bestimmung, und es lässt sich auch aus dem in Art. 174
gebrauchten Ausdruck Berufung (sranzösisch: peut étre déférée;
italienisch: si può ricorrere) weder in der einen noch in der andern
Richtung ein zwingender Schluss ziehen. Es könnte daher naheliegend
erscheinen, die Entscheidung dieser Frage als dem kantonalen Recht
überlassen zu betrachten; dies umso mehr, als ja das Bundesgesetz
in Art. 25 die Regelung des summar.ischen Prozessverfahrens
betreffend.. Konkursbegehren ausdrücklich den Kantonen anheimstellt.
Indessen ist aus den Art. 168 und 171, sowie überhaupt aus der Natur des
Konkurseröffnungsverfahrens, zu schliessen, dass es sich hier nicht um
einen gewöhnlichen, bloss rascher durchzuführenden Zivilprozess handelt,
sondern dass dieses Verfahren, welches vom Bundesgericht schon in
anderm Zusammenhange als ein vom ordentlichen Zivilprozess abweichendes
Verfahren charakterisiert wurde (vergl. AS 19 S. 758 i. f. Erw. 8), in
höherem Grade, als der ordentliche Zivilprozess, von öffentlichrechtlichen
Grundsätzen und in geringerem Masse, als jener, von der Verhandlungsmaxime
beherrscht wird. Jnsbesondere ergibt sich dies aus der Vorschrift des
Art.171, dass das Gericht auch in Abwesenheit der Parteien zu entscheiden
habe, in Verbindung mit der Bestimmung des Art. 168, dass es den Parteien
freistehe, vor Gericht zu erscheinen oder nicht. Mit diesen Bestimmungen
ist nicht etwa gesagt, dass bei unentschuldigter Abwesenheit einer Partei
die tatsächlichen Anbringen der Gegenpartei als anerkannt zu gelten hätten
ein Satz, welcher sich allerdings in den meisten Zwilprozessordnungen
findet , sondern es wird im Gegenteil dem Konkursrichter zur Pflicht
gemacht, die Voraussetzungen des Konkurses von Amtes wegen zu prüfen
und, sofern sie nicht erfüllt sind, bezw. sofern einer der in den
Artikeln 172 und 173 erwähnten Fälle vorliegt (vergl. Art. 171 Satz 2),
das Konkursbegehren abzuweisen, auch wenn z. B. ein bezüglicher Antrag
in der Verhandlung nicht gestellt wurde oder der Schuldner gewisse ihm
zustehende Einreden, über deren Begründetheit keine Zweifel bestehen
können, zu erheben unterlassen hat. Diese Lösung steht denn auch allein
im Einklang mit der Natur des Konkurses als einer für sämtliche Gläubiger
verbindlichen Universalexekution,
388 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.
deren Durchführung das Tätigwerden zahlreicher staatlicher Organe
erfordert und welche daher nicht von dem zufälligen Umstande abhängig
gemacht werden sollte, ob im Momente der erstinstanzlichen Verhandlung ein
tatsächlich vorhandenes Konkurshindernis dem Richter von den Parteien
mitgeteilt worden war oder nicht. Es besteht in der Tat keinerlei
öffentliches Jnteresse an der Durchführung eines Konkurses, welcher,
wie im vorliegenden Falle, nur infolge eines Missverständnisses eröffnet
wurde.
Nach dem Gesagten ist beim Mangel einer entgegenstehenden Vorschrift des
Bundesgesetzes anzunehmen, dass nicht nur der erstinstanzliche Richter
im Falle des Ausbleibens des Schuldners allfällig ihm sonst bekannte
Konkurshindernisse zu berücksichtigen hat (vergl. Weber-Brüstlein-Reichel,
Anm. 2 zu Art. 171), sondern dass auch der zweitinstanzliche Richter
solche Konkurshindernisse, falls der erstinstanzliche Richter infolge
des Nichterscheinens der Parteien keine Kenntnis davon erhalten hatte,
seinerseits zu berücksichtigen berechtigt Und verpflichtet ist;
m. a. W. es hat der zweitinstanzliche Richter seinen Entscheid nicht
davon abhängig zu machen, ob der erstinstanzliche Entscheid nach den
Angaben, die die Parteien dem Richter gemacht oder nicht gemacht hatten,
subjektiv gerechtfertigt war, sondern er hat zu untersuchen, ob im
Momente der erstinstanzlichen Verhandlung das Konkursbegehren objektiv
begründet war, d. h. ob damals die Voraussetzungen der Konkurseröffnung
tatsächlich erfüllt waren. Nur wenn letzteres der Fall ist, darf ein
auf Konkurseröffnung lautendes Erkenntnis des erstinstanzlichen Richters
von der zweiten Instanz bestätigt werden.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der zweitinstanzliche Richter auch
allsällig nach dem erstinstanzlichen Urteile eingetretene, an sich
konkurshindernde Tatsachen im Sinne der Art. 172
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 172 - Das Gericht weist das Konkursbegehren ab: |
|
1 | wenn die Konkursandrohung von der Aufsichtsbehörde aufgehoben ist; |
2 | wenn dem Schuldner die Wiederherstellung einer Frist (Art. 33 Abs. 4) oder ein nachträglicher Rechtsvorschlag (Art. 77) bewilligt worden ist; |
3 | wenn der Schuldner durch Urkunden beweist, dass die Schuld, Zinsen und Kosten inbegriffen, getilgt ist oder dass der Gläubiger ihm Stundung gewährt hat. |
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 173 - 1 Wird von der Aufsichtsbehörde infolge einer Beschwerde oder vom Gericht gemäss Artikel 85 oder 85a Absatz 2 die Einstellung der Betreibung verfügt, so setzt das Gericht den Entscheid über den Konkurs aus.334 |
|
1 | Wird von der Aufsichtsbehörde infolge einer Beschwerde oder vom Gericht gemäss Artikel 85 oder 85a Absatz 2 die Einstellung der Betreibung verfügt, so setzt das Gericht den Entscheid über den Konkurs aus.334 |
2 | Findet das Gericht von sich aus, dass im vorangegangenen Verfahren eine nichtige Verfügung (Art. 22 Abs. 1) erlassen wurde, so setzt es den Entscheid ebenfalls aus und überweist den Fall der Aufsichtsbehörde.335 |
3 | Der Beschluss der Aufsichtsbehörde wird dem Konkursgerichte mitgeteilt. Hierauf erfolgt das gerichtliche Erkenntnis. |
z. B. im vorliegenden Falle die zwischen beiden Entscheiden erfolgte
gänzliche Tilgung der Forderung des betreibenden Glänbigers und das
dadurch bewirkte Einverständnis dieses Gläubigers mit der Aufhebung
des Konkurses, zu berücksichtigen habe und ob vielleicht in dieser
Beziehung ein Unterschied zu machen sei, je nachdem dem erstinstanzlichen
Konkurserkenntnis gemäss Art. 174 Abs. 2 aufschiebende Wirkung erteilt
wurde oder nichtV. Derogatorische Kraft des eidgenössischen Rechts. N°
70. 389
(vergl. darüber Jaeger, Anm. 7 zu Art. 174, speziell S. 296 unten;
Leemann, Konkursgründe, S. 34). Für die Entscheidung des vorliegenden
Falles genügt es vielmehr, festzustellen, dass nach dem Sinn und Geist
des Bundesgesetzes der zweitinstanzliche Richter alle schon im Momente
des erstinstanzlichen Entscheides vorhandenen, aber damals vom Schuldner
infolge eines Versehens nicht geltend gemachten konkurshindernden
Tatsachen zu berücksichtigen hat, sofern sie wenigstens vor zweiter
Instanz geltend gemacht wurden.
Die in der Vernehmlassung des Appellationshofes ausgesprochene
Befürchtung, es möchten durch eine solche Praxis der Trölerei Tür und
Tor geöffnet werden, erscheint nicht als begründet. Wohl pflegt es
vorzukommen, dass schlechtsituierte Schuldner behufs Hinausschiebung
einer ihnen nachteiligen Rechtsfolge, wie z. B. gerade des Konkurses, zu
trölerhaften Mitteln ihre Zuflucht nehmen; dagegen ist kaum anzunehmen,
dass ein Schuldner, welcher unter Aufbietung aller Mittel im letzten
Augenblick eine Stundung erlangt hat, die Tatsache dieser Stundung
absichtlich vor erster Jnstanz nicht geltend machen wird, um auf diese
Weise ein Konkurserkenntnis herbeizuführen, das er dann selber sofort
durch Weiterziehung des Entscheides rückgängig zu machen sucht.
3. Jst aus Grund der vorstehenden Ausführungen anzunehmen, dass nach
einem im SchKG implicite enthaltenen Rechtssatz der zweitinstanzliche
Konkursrichter auch solche Tatsachen zu berücksichtigen hat, welche
zwar dem erstinstanzlichen Richter nicht bekannt waren, welche aber
doch schon im Momente des erstinstanzlichen Entscheides existierten,
so muss der vorliegende Entscheid des Appellationshofes wegen Verletzung
des Grundsatzes der derogatorischen Kraft des eidgenössischen gegenüber
dem kantonalen Recht aufgehoben werden. Denn es steht ausser Frage
und ergibt sich u. a. speziell aus den vom Appellationshof in seinem
Entscheide zitierten Präjudizien, dass in diesem Entscheide nicht etwa
das Bundesgesetz (in rechtsirrtümlicher Weise) ausgelegt worden ist
worauf allerdings der staatsrechtliche Rekurs nicht gestützt werden
könnte , sondern dass das kantonale Prozessrecht ausgelegt und angewendet
werden wollte, in der Meinung, das Konkurseröffnungsverfahren unterstehe
hinsichtlich
AS 36 1 _ 1910 26
390 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. [. Abschnitt. Bundesverfassung.
ra e der ulä 'i keit von-Norm ausschliesslich dem tanto: iearleî
diät, mg dexI S?Ippellationîahof habe in feiner Stellung als
Konkurseröffnungsrichter rein nach denv Normen des bermschen
Zivilprozesses zu verfahren. Es ist also m der Tat der Grundsatz der
derogatorischen Kraft des eidgenössischen gegetkuber dem kautenalen
Recht verkannt und dadurch Art. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 2 Zweck - 1 Die Schweizerische Eidgenossenschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes und wahrt die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes. |
|
1 | Die Schweizerische Eidgenossenschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes und wahrt die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes. |
2 | Sie fördert die gemeinsame Wohlfahrt, die nachhaltige Entwicklung, den inneren Zusammenhalt und die kulturelle Vielfalt des Landes. |
3 | Sie sorgt für eine möglichst grosse Chancengleichheit unter den Bürgerinnen und Bürgern. |
4 | Sie setzt sich ein für die dauerhafte Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und für eine friedliche und gerechte internationale Ordnung. |
verletzt worden Demnach hat das Bundesgericht erkannt: Der Rekurs wird
gutgeheissen und demgemäss der Entscheid des Appellationshofes vom
16. April 1910 aufgehoben.Zweiter Abschnitt. Seconde section.
Bundesgesetze. Lois fédérales.I. Zivilstand und Ehe. Etat civil et
mariag'e.
71. Arrèt ciu 14 juillet 1910, dans la cause Debonneville contre
Debonneville.
Interpretation de l'art. 8 LF sur l'état civil et le mariage. Compétence
exclusive des tribunaux du lieu d'origine pour connaître d'une action
ayant trait au droit d'une femme divorcée de porter et d'utiliser dans
l'exploitation d'une pension le nom de famille de son mari divorcé.
A. Par jugement du 8 décembre 1908, le Tribunal de première instance du
canton de Genève a déclaré dissous par le divorce le mariage contracté
le 3 mars 1893, entre John-Samuel Debonneville, originaire de Gimel,
Essertines et Bursinel (Vaud), et Sophie-Henriette Dufréne.
Dame Debonneville était, durant son mariage, domiciliée à Genève, et
depuis le divorce elle a continué à demeurer à Genève. Elle possède un
permis d'établissement pour le canton de Genève, commune de Plainpalais,
délivré le 10 novembre 1909 sous le nom de Mme Debonneville, Sophie,
née Dufréne, tenant pension, originaire de Gimel, Essertines et Bursinel
(Vaud). .
Le 23 avril 1909, le sieur Debonneville a., par acte d'huissier, fait très
expresse défense à Mum Sophie-Henriette Du fréne, sa. femme divorcée,
domiciliée à Plainpalais, d'avoir