40. gwen vom 30. Juni 1910 in Sachen Hinweis Gesellschaft für
nordametikanische gliene, Qt.-®., gegen gefiel giebt.
Angeblich willkürliche Gesetzesunwendung durch Besteuerung desjenigen
Teils des von einer Aktiengesellschaft erzielten Juhresertmges,
welcher zur Deckung eines im Vorjahre gemachten Verlustes verwendet
wurde. Zulässigkeit der Aufstellung eines vom buchführungstechnischen
Begriff des Beingewiuns verschiedenen steuerrechtlichen Begri/fs des
Juliresertruges .
A. Nach dem baselstädtischen Gesetz betreffend Besteuerung der anonymen
Erwerbsgesellschaften vom 14. Oktober 1889 (mit Nachträgen vom 13. März
1902 und 26. März 1908) unterliegen die Aktiengesellschaften einer
Kapitals und einer Ertragssteuer (è 1). Die Kapitalsteuer wird auf dem
emittierten Aktienkapital berechnet und beträgt für das einbezahlte
Kapital 14/20/0 und für das nicht einbezahlte Kapital 3X80X0; in die
Kapitalstener von 11% 0/0 werden auch die Reservefonds und die andern
Rückstellungen, welche eigenes Kapital der Gesellschaft darstellen,
einbezogen (§ 2). Die Ertragssteuer wird auf dem jährlichen Reingewinn
einschliesslich allfälliger Zuweisungen an Reserveoder Amortisationsfonds
berechnet; Anteile am Reingewinne, welche statutenoder vertragsgemäss den
Leitern, Angestellten oder Arbeitern der Gesellschaft zukommen, fallen
bei dieser Steuer ausser Berechnung. Die Steuer beträgt 14/2 vom Hundert
des Reingewinns und ist jährlich auf den 30. November zu entrichten, auf
Grund der dem Steuertermine vorausgehenden letzten Jahresrechnung (è 3).
B. Die Rekurrentin, die Schweiz. Gesellschaft für nordamerikanische
Werte, A.-G., in Basel, hatte im Geschäftsjahr 1906/07 einen Verlust
von 427,640 Fr. 70 Cts. und im Geschäftsjahr 1907/08 einen solchen von
450,788 Fr. 65 Cts. Nach Aufzehrung der bisherigen Reserven und des
frühem Saldovortrages ergab sich für das erstgenannte Geschäftsjahr ein
Verlustsaldo von 145,511 Fr. 15 Cts. und für das letztgenannte ein solcher
von 596,299 Fr. 80 Cts. Die Rechnung fürll. Doppelbesteuerung. N° 40. 211
das Geschäftsjahr 1908/09 erzeigte einen Betriebs-ertrag von 830,185
Fr. 10 Cts.; nach Vergleichung des Verlustsaldos der vorhergehenden
Rechnung verblieben 233,885 Fr. und nach Abzug von 14,219 Fr. Tantieme
an die Mitglieder des Verwaltungsrats 219,666 Fr. 20 Cts.
Zwischen den Steuerbehörden von Basel-Stadt und der Rekurrentin ergab
sich ein Konflikt Über die Höhe des steuerpflichtigen Reingewinns pro
1909. Die Rekurrentin wurde verhalten, den gesamten Betriebsertrag,
abzüglich der Tantieme, nämlich 815,966 Fr., als Reingewinn zu versteuern,
während sie den zur Begleichung der früheren Verluste verwendeten Betrag
von 596,299 Fr. 80 Ets. in Abzug bringen wollte. Sie machte geltend:
Der Reingewinn, welchen § 3 des Gesetzes betreffend Besteuerung der
anonymen Erwerbsgesellschaften mit der Ertragssteuer treffen wolle,
sei nichts anderes als der Reingewinn, den auch das Zivilrecht als
solchen bezeichne. Es gebe keinen besonderen steuerrechtlichen Begriff
des Reingewinns. Als Gewinn einer Aktiengesellschaft aber erscheine nach
den in Theorie und Praxis feststehenden Grundsätzen des Aktienrechts
keineswegs der Betriebsgewinn eines Jahres, sondern lediglich derjenige
Betrag, welcher nach Deckung allfälliger früherer Verluste auf dem
Grundkapital übrig bleibe. Es ergebe sich dies aus der gesetzlichen Ver-
pflichtung einer Aktiengesellschaft, ihr Grundkapital intakt zu erhalten
. ...
Die Steuerbehörden, in letzter Linie der Regierungsrat, vertraten dagegen
den Standpunkt: Der Begriff des steuerbaren Reingewinns im Sinne des
Gesetzes betreffend die Besteuerung der anonymen Erwerbsgesellschaften
falle mit dem zivilrechtlichen Begriffe des Reingewinns, wie ihn die
Rekurrentin entwickle, nicht zusammen. Reingewinn im Sinne des genannten
Gesetzes sei vielmehr der Vermögenswert, der durch den Geschäftsbetrieb
jedes Geschäftsjahres der Gesellschaft zufliesse, ohne Rücksicht auf
dessen Verwendung .....
Durch Urteil vom 9. April 1910 entschied das Appellationsgericht
Basel-Stadt als Verwaltungsgericht den Konflikt zu Gunsten der Auffassung
der Steuerbehörden, indem es ausführte: Der Reingewinn im Sinne des §
3 des Gesetzes betreffend die
212 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.
Besteuerung der anonymen Erwerbsgesellschaften brauche keineswegs mit
dem aktienrechtlichen Begriff des Reingewinns identisch zu sein. Durch
das erwähnte Gesetz sei die früher den Erwerbsgesellschaften
aufliegende Patentgebühr durch eine Kapitalund eine Ertragssteuer
ersetzt worden. Zu der Ertragssteuer bemerke der Ratschlag des
Regierungsrates: Die Rendite soll bei der Ertragssteuer ihren
Ausdruck finden,. der aller Ertrag unter-liegen soll, gleichviel, ob
er ausgezahlt oder dem Gesellschaftsvermögen zugeschrieben wird. Mit
dieser Steuer werden die Gesellschaften nur soweit getroffen, als
sie mit Nutzen gearbeitet haben. Zu § 3 des Gesetzes werde gesagt:
Dem bereits Gesagten ist beizufügen, dass der Gesamtreingewinn, soweit
er nicht der Verwaltung oder den Angestellten als Entschädigung für
Miihewalt zufällt, der Ertragssteuer unterliegen soll; namentlich
sollen Zuweisungen an Reserveund Armortisationsfonds ebenfalls
steuerpflichtig sein, sofern sie aus dem Reingewinn genommen werden,
während selbstverständlich Abschreibungen und Vorträge, welche durch die
Grundsätze einer vorsichtigen Geschäftsführnng gefordert werden, nicht
als Reingewinn können betrachtet werden Aus diesen Ausführungen ergebe
sich deutlich dass das Gesetz den jährlichen Betriebsgewinn der anonymen
Erwerbsgesellschaften besteuern wolle, gleichviel, ob er an die Aktionäre
gelange, oder zur Deckung früherer Verluste auf dem Gesellschaftskapital
verwendet werde. Denn ein nutzbringendes Geschäftsjahr, eine Rendite,
welche von der Steuer getroffen werden solle, liege zweifellos immer vor,
sobald Überhaupt die Jahresrechnung einen Betriebsüberschuss erzeige, auch
wenn dieser Überschuss nach gesetzlicher Vorschrift zur Deckung früherer
Verluste auf dem Grundkapital verwendet werden müsse. Es würde auch nicht
verständlich sein, dass Zuweisuugen an die Reserven, die vornehmlich zur
Deckung künftiger Verluste bestimmt seien, der Steuer unterliegen sollten,
Verwendungen zur Deckung früherer Verluste dagegen nicht. Übrigens führe
auch der Wortlaut des § 8 leg. cit. zum gleichen Schluss. Denn wenn das
Gesetz den jährlichen Reingewinn- der Steuer unterwerfe, so könne es
damit nur auf das Ergebnis eines Jahres abstellen wollen; würden auch
die Verluste früherer Jahre in Rechnung gezogen, so würde in Wahrheit
nicht mehr eineII. Doppelhesteuerung. N° 40. 213
Besteuerung des Jahresgewinns, sondern die Besteuerung des in einer
längern Rechnungperiode erzielten Gesamtgewinns vorliegen.
C. Gegen den Entscheid des Appellationsgerichts als Verwaltungsgerichts
hat die Rekurrentin rechtzeitig die staatsrechtliche Beschwerde ans
Bundesgericht ergriffen mit dem Antrag auf Aufhebung. Als -Beschwerdegrund
wird materielle Rechtsverweigerung genannt, und es wird ausgeführt:
Es stehe in der aktienrechtlichen Theorie und Praxis durchaus fest,
dass der zur Ausgleichung eines Verlustsaldos, einer Unterbilanz, nötige
Betrag nicht unter den Begriff des Reingewinns falle, ein solcher vielmehr
erst vorliege, wenn die Unterbilanz gedeckt sei. Es sei Willkür, wenn
dem Ausdruck Reingewinn im Gesetz ein ganz anderer Sinn unterschoben
werde, als derjenige des gewöhnlichenbürgerlichen Rechts, und zwar aus
fiskalischen Gründen. Denn nichts weise darauf hin, dass dieser Ausdruck
des Gesetzes in anderer als der gebräuchlichen Bedeutung zu verstehen
sei. .. . .
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
. . . . Zwar ist der Rekurrentin zuzugeben, dass der handelsrechtlich
e Begriff des Reingewinns einer Aktiengesellschaft sich darstellt als
die Differenz zwischen dem Reinvermögensstand am Ende und am Anfang des
Geschäftsjahres-, wobei das Aktienkapital jeweilen als unveränderliche
Grösse in die Bilanz einzustellen ist, und dass daher Reingewinn in diesem
Sinne nur vorhanden ist, wenn nach Tilgung eines früheren Verlustsaldos
noch ein Vermögenszuwachs verbleibt (vergl. hierüber z. B. Cosack,
Handelsrecht, § 118). Allein mit diesem Begriff des bilanzmässigen
Reingewinns braucht der steuerrechtliche Begriff des Reingewinns einer
Aktiengesellschaft durchaus nicht übereinzustimmen. Es ist an sich
sehr wohl möglich, dass steuerrechtlich unter Berücksichtigung von mehr
wirtschaftlichen Gesichtspunkten der Reingewinn als Betriebsund nicht
als Vermögensstandsgewinn aufgefasst wird, d. h. als Differenz zwischen
Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben. Und wenn nun die Steuerbehörden
und das Verwaltungsgericht von Basel-Stadt den § 3 des zitterten Gesetzes,
der den jährlichen Reingewinn der anonhmen Erwerbsgesellschaften der
Ertragssteuer unterwirft, im letzteren Sinne verstehen, so kann
214 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.
von einer willkürlichen, d. h. gegen absolut klares und unzweideutiges
Recht verstossenden Gesetzeshandhabung keine Rede sein, weil eben
das Gesetz den Begriff des Reingewinns nicht definiert und daher
in dieser Beziehung der Auslegung durch die zuständigen Organe Raum
lässt. Die Argumente, welche die Rekurrentin für ihre Auffassung anführt,
insbesondere das Verhältnis der Ertragsteuer zur Kapitalsteuer nach § 2,
mögen für die Interpretation des Gesetzes beachtenswert sein. Sie sind
aber, auch wenn sie mehr oder weniger zutreffend sein sollten, höchstens
geeignet, den augefochtenen Entscheid als einen irrtümlichen, niemals
aber ihn als einen willkürlichen erscheinen zu lassen, wie denn auch die
Motive des Verwaltungsgerichts, wie auch diejenigen des Regierungsrates,
den Eindruck einer durchaus ernsthaften und objektiven Rechtserörterung
machen, wobei insbesondere als gewichtiges (vom Regierungsrat speziell
hervorgehobenes) Moment der Ausdruck des Gesetzes: Ertragssteuer sich
darstellt, der auf die steuerrechtliche Erfassung des Betriebsgewinns und
nicht des Reingewinns im Sinne des Vermögenszuwachses deutet. Dass das
Verwaltungsgericht irrtümlich angenommen hat, dass die Reserven einer
Aktiengesellschaft der Kapitalsteuer nicht unterliegen, kann dabei
nichts verschlagen, weil der betreffenden Erwägung nach dem ganzen
Zusammenhang keine entscheidende Bedeutung zukommt, indem das Gericht
zweifellos auch ohne den Jrrtum zum selben Schluss gelangt wäre, und weil
eben seine übrigen Argumente vor Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
Vorwurf der Willkür ist hier um so weniger begründet, als dieBesteuerung
der Aktiengesellschaften für den Betriebsund nicht den bilanzmässigen
Reingewinn auch auswärts geltendes Recht ist und auch in der Theorie
als richtiges und angemessenes System vertreten wird (siehe Rehm, die
Bilanzen der Aktiengesellschaften, S. 674 und die dortigen Ausführungen
über preussisches und österreichisches Recht und zwar speziell betreffend
die steuerrechtliche Behandlung des vom Vorfahr übernommenen Verlustes).
Demnach hat das Bundesgericht erkannt: Der Rekurs wird
abgewiesen.III. Schweizerhürgerrecht. N° 41. 215
III. Schweizerbürg-errecht. Nationalité suisse.
41. guten vom 8. Juni 1910 in Sachen allanon-ff gegen Yom.
Umfang der Kompetenz des Bundesgerichts in Bürgerrechtsstreitigkeiten
(Erw. 1). Kompetenz des Bundesgerichts, gewisse grundsätzlich in einem
andern Verfahren zu entscheidende Fragen als Präjudizialfragen insoweit
zu überprüfen, als es zum Entscheide über die der direkten Beurteilung des
Bundesgerichtes unterstellte Streitfrnge erforderlich ist (Erw. 2). Recht
auf Verabfolgung eines Heimatscheines. Ableitung dieses Rechts a) aus
Art. 44 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 44 Grundsätze - 1 Bund und Kantone unterstützen einander in der Erfüllung ihrer Aufgaben und arbeiten zusammen. |
|
1 | Bund und Kantone unterstützen einander in der Erfüllung ihrer Aufgaben und arbeiten zusammen. |
2 | Sie schulden einander Rücksicht und Beistand. Sie leisten einander Amts- und Rechtshilfe. |
3 | Streitigkeiten zwischen Kantonen oder zwischen Kantonen und dem Bund werden nach Möglichkeit durch Verhandlung und Vermittlung beigelegt. |
wenn der Heimatschein zum Zwecke der Niederlassung im. Ausland verlangt
wird (Erw. 4). Verlustdes Schweizerburgerrechts im Falle der Verheiratung
einer S'chweizerin mit einem Ausländer: nur dann, wenn sie gleichzeitig
dessen ausldndisohes Bürgerrecht erwirbt (Erw. "5)'.' 'Fehlen dieser
Voraussetzung im Falle der blossen Zivilehe zwischen einer Schweizerin
und einem Bulgaren (da Bulgarien nur die nach griechisch-orthodowem
Ritus eingesegneten Ehen anerkennt); infolgedessen Beibehaltung des
Schweizerbürgerrechts dureh die betrefi'ende Ehefrau, trotzdem die Ehe
nach schweizerischem Recht durchaus gültig ist (Erw. 6). Verhältnis
zwischen den Wirkungen des Eheabschlusses auf den Z ioilstand und den
Familiennamen einerseits und auf die Bürgerrechtsoerht'iltnisse anderseits
(Erw. 7).
A. Die damals nnbestrtttenermassen in Erlach (Bern) heimatberechtigte
Rekurrentin ist am 30. Dezember 1902 vom Zwilstandsamt Lausanne mit Jean
Manoloff, von Philippopoli (Bulgarien), getraut worden. Eine Erklärung
der zuständigen auswärtigen Behörde über die Anerkennung der Ehe im
Sinne von Art. 37 Abs. 4 ZEG hatte zwar nicht vorgelegen, wohl aber die
in der angeführten Gesetzesbestimmung vorgesehene Dispensationserklärung
der Regierung des Kantons Waadt bezw. ihres Justizdepartementes Diese
Dispensationserklärung war ihrerseits auf Grund folgender Auskunft der
diplomatischen Agentur Bulgariens in Paris ausgestellt worden:
D'après les lois et contumes bulgares, seul le mariage religieux est
valable en Bulgarie; par conséquent,.le mariage civil, accompli en Suisse,
ne semit pas valable aux