IV Inhaltsverzeichnis.

III. Personenregister. Registre des parties. A. Staatsrechtliche
Entscheidungen.si Arrétsde

': droit public] . . . . . . . . . p. B. Strafrechtliche
Entscheidungen. Arréts de droit pénal . . . . . . . . . p.

C. Entscheidungen der Schuldhetreibungsund Konkurskammer. Arrèts de
la Chambre,

des poursuites et faillites . . . . . p.

Anhang. Annexe.

I. 4 Verzeichnis der nicht publizierten Entscheide. .

Table des arréts non publiés . . . p.

II. Zusammenstellung der Entscheide nach den drei
Nationalsprachen. -Statistiquedes arréts d'après les trois langues
nationales p.

Corrigenda.............p.

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920 921--A. STAATSRECHTLI'GHE ENTSGHEIDUNGEN ARRÈTS DE DROIT PUBLICErster
Abschnitt. Première section.

Bundesverfassung. Constitution fédérale.I. R'echtsverweigerungund
Verletzung der Gleichheit vor dem Gesetze. Déni de justice et violation
de l'ég-alité devant la loi.

1. guten vom 3. Februar 1910 in Sachen Hchweizerisckjer Yanfivexeùr
gegen Yppenzetl gnsigth.

Angebliche Willkür durch Besteuerung einer Ahtiengesellschaft
für ihr ganzes Vermögen, während die einschlägige Bestimmung des
kantonalen Steuergesetzes eine Besteuerung des gesamten Vermögens
nur bei den physischen Personen (bei den im Kanton wohnhaften
Bürgern oder Nichtbu'rgern ) corsehe, die juristischen Personen aber
nur zur Versteuerung ihrer Liegenschaften, sowie des Reservefonds
heranziehe. Angeblich ungleiche Handhabung des Steuergesetzes. Angebliche
Willkür durch Besteuerung des Dotationsoder mutmasslichen Betriebskapitals
einer Bankfiliale. Grundsätze für die Berech.nung des als eigenes
Vermögen der Aktiengesellschaft zu betrachtenden Teils eines solchen
Dotationshapitals.

A. Von 1866 bis 1909 bestand in Herisau die Aktiengesesb schaft Bank
für Appenzell A.-Rh. mit einem zuletzt 11/2 MilAS 36 1 _ 1910 1

2 A. Staatsrechlliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

lionen Franken betragenden Aktienkapital, sowie zwei Reservefonds
von zusammen 231,000 Fr. Diese Bank scheint als Vermögen stets nur
die Reservefonds sowie das steuerrechtlich auf 75,000 Fr. geschätzte
Bankgebäude versteuert zu haben.

Auf 1. Januar 1909 übernahm der Rekurrent Aktiven und Passiven der Bank
für Appenzell A.-Rh., wobei 5 Aktien dieser Bank gegen 3 Aktien des
Rekurrenten umgetauscht wurden. Die Geschäfte der Bank für Appenzell
A.-Rh. wurden vom Re-

kurrenten im bisherigen Bankgebäude unter der Firma Schweiz. _

Bankverein, Agentur Herifau fortgeführt. Die neugeschaffene Agentur
wurde der Filiale St. Gallen angegliedert und ist tatsächlich in ihren
Entschliessungen von dieser letztern abhängig.

Anfangs 1909 deklarierte der Rekurrent bezw. dessen Agentur in Herisau:

Steuerbares Vermögen: 20,000 Fr. (gleich dem Überschuss des Wertes der
Liegenschaft über die Höhe der Hypotheken).

Steuerbares Einkommen: 20,000 Fr. (=100,000 Bruttoeinkommen abzüglich
80,000 Fr. Zins à 40/0 von dem Dotationskapital, das 2 Millionen betragen
werde).

Es steht fest, dass seither die auf der Liegenschaft lastendenv

Hypotheken im Betrage von 56,000 Fr. abgelöft worden find, weshalb der
Rekurrent ein steuerpflichtiges Vermögen von 76,000 Fr. anerkennt.

B.Am 13. April 1909 teilte die Landessteuerkommission dem Rekurrenten
mit, dass seine Agentur in Herisau pro 1909 gemäss § 14 Ziff. 2
und 3 des Steuergesetzes in das Steuerregister der Gemeinde Herisau
ausgenommen worden sei. Der Ansatz im Vermögen entspreche der Summe
des vom Rekurrenten in seinem Selbsitaxationsformular angegebenen
Geschäfts(Dotations-) kapitals, zuzüglich Wert des Bankgebäudes ohne Abzug
der Hypotheken. Eine vom Rekurrenten gegen diese Einschätzuug gerichtete
Beschwerde wurde vom Regierungsrat laut Mitteilung der Kantonskanzlei
vom 24. Juli 1909 auf Grund folgender Erwägungen abgewiesen-

1. Es sei zu konstatieren, dass die Rechtsvorgängerin des Rekurrenten,
die Bank für Appenzell A.-Rh., soweit deren Aktienkapital in Frage komme,
infolge eines Versehens bedauerlicher[. Rechtsverweigerung und Gleichheit
vor dem Gesetze. N° 1. 3

Weise steuerfrei ausgegangen sei. Dieses Versehen schaffe aber kein
Präjudizz gegenteils sei die Berichtigung Pflicht und Recht der
Steuerbehörde.

2. Die Ansetzung des Dotationskapitals mit 2,000,000 Fr. sei im Hinblick
auf die Selbsttaxation des Rekurrenten im Einkommen (woselbst er 40/0
Zins von 2,000,000 Fr. mit 80,000 Fr. vom Bruttoeinkommen abziehe)
korrekt und unanfechtbar. Ohne ein Betriebskapital in dieser Höhe könne
ein solches Geschäft gar nicht bestehen; ob man das nun Betriebskapital
oder Dotationskapital nenne, sei irrelevant.

3. Bezüglich des Bankgebäudes erscheine ein Entgegenkommen auf 85,000
Fr. (die faktische Höhe der frühern Bewertung der Liegenschaft) aus
Billigkeitsgründen angezeigt.

4. Die Ausführungen der Rekursschrift, wonach im Kanton Appenzell
A.-Rh. keine Aktiengesellschaft das Aktienkapital oder anderes
Betriebskapital versteuere, weshalb die beanstandete Steuerveranlagung
eine Verletzung der Rechtsgleichheit und einen Willkürakt bedeute,
seien nicht zutreffend.

C. Gegen diesen Entscheid richtet sich der vorliegende, rechtzeitig
und formrichtig ergriffene staatsrechtliche Rekurs mit dem Antrag auf
Aufhebung desselben. si

Die Begründung des Rekurfes ist aus den nachfolgenden Erwägungen
ersichtlich.

D.Namens des Regierungsrates des Kantous Appenzell A.-Rh. wurde
Abweisung des Rekurses beantragt, wobei über die Besteuerung der
wichtigsten im Kanton domizilierten oder durch eine Filiale vertretenen
Aktiengesellschaften genauer Aufschluss erteilt wurde.

E. Die massgebende Bestimmung (§ 14) des Steuergesetzes für den Kanton
Appenzell A.-Rh. vom 25. April 1897 lautet:

Der Vermögenssteuer ist unterworfen:

1. Alles inund ausserhalb des Kantons befindliche bewegliche und
unbewegliche, nach Abzug der Schulden bleibende Vermögen eines im Kanton
wohnhaften Bürgers oder Nichtbürgers, der im Kanton Wohnsitz genommen hat
(EUR 3 des Bundesgesetzes über die zivilrechtlichen Verhältnisse der
Niedergelassenen und Aufenthalter), sofern nicht der Beweis geleistet
wird, dass das ausserhalb des Kantons liegende unbewegliche Vermögen
anderswo versteuert wird;

4 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

2. das einem Nichteinwohner des Kantons gehörende, aber im Kanton gelegene
unbewegliche Vermögen, ohne Abzug der darauf lastenden Hypothekarschnlden;

3. das einem Nichteinwohner des Kantons gehörende Vermögen an
Geschäftskapital-, Handels-, Fabrikund Gewerbefonds, soweit dasselbe
in einem im Kanton etablierten Geschäfte oder in hiesigen Ablagen und
Filialen arbeitet und beteiligt ist;

4. der Reservefonds der Aktiengesellschaften,
Kommanditaktiengesellschaften und Kreditgenossenschaften, sowie das
bewegliche Ver- mögen der übrigen Genossenschaften, sofern bei denselben
nicht der Charakter der Gemeinnützigkeit und Wohltätigkeit vorherrscht.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Der Reknrrent erblickt zunächst eine willkürliche Interpretation von §
14 des kantonalen Steuergesetzes darin, dass er als Aktiengesellschaft für
den Betrag des angeblichen Vermögens seiner Herisauer Agentur besteuert
werde, während nach der angeführten Gesetzesbestimmung eine Besteuerung
der Aktiengesellschaften nur für ihren Reservefonds, sowie für ihre im
Kanton befindlichen Liegenschaften zulässig sei. § 14 des Steuergesetzes
enthalte nämlich zweierlei Kategorien von Vorschristen: einerseits (in
Ziff. 1 bis 3) solche über die Besteuerung der natürlichen Personen;
anderseits (in Biff. 4) solche über die Besteuerung der juristischen
Personen. Auf die Aktiengesellschaften seien aber selbstverständlich
nur die Vorschriften der letzteren Art anwendbar.

Zur Begründung dieser von ihm gemachten Unterscheidung be-, ruft sich der
Rekurrent sowohl aus den Text des Gesetzes, als auf dessen historische
Grundlage. In letzterer Beziehung ist nun aber zu beachten, dass das
gegenwärtige Steuergesetz, von der Einführung der Einkommenssteuer ganz
abgesehen, insofern neues Recht geschaffen hat, als nach § 14 Ziff. 3
die Nichteinwohner des Kantons nun auch ihr in kantonalen Betrieben
investiertes Geschäftskapital versteuern müssen, während sie früher
nur zur Versteuerung der im Kanton gelegenen Immobilien herangezogen
wurden. Gerade auf § 14 Ziff. 3 stützt sich aber die Besteuerung des
Rekurrenten für das auf 2 Millionen angesetzte Dotationskapital seiner
Agentur in Herisau. Der historischen Grundlage des Gesetzes kann somit
in Bezug aufI. Rechtsverweigerung und Gleichheit vor dem Gesetze. N° 1. 5

die Frage, ob eine willkürliche Interpretation vorliege, keine
entscheidende Bedeutung zuerkannt werden.

Was den Text des § 14 betrifft, so ist unbestreitbar, dass derselbe
redaktionell nicht wenig zu wünschen übrig lässt und dass es daher
schwer sein mag, unter den verschiedenen möglichen Interpretationen
eine Auswahl zu treffen. Dies zu tun, ist jedoch nicht die Aufgabe des
Bundesgerichts, sondern es fragt sich hier einzig und allein, ob der
von den appenzellischen Behörden im vorliegenden Falle eingenommene
Standpunkt ein willkürlicher sei.

Für die Auffassung des Rekurrenten, wonach § 14 in seinen Ziffern 1
bis 3 nur die physischen Personen behandelt, die juristischen Personen
aber erst in Ziff. 4, scheinen a priori allerdings die in Ziff. 1 bis
3 gebrauchten Ausdrücke Bürger oder Nichtbürger und Nichteinwohner zu
sprechen; ebenso die besondere Behandlung der Aktiengesellschaften,
Kommanditaktiengesellschaften, Kreditund übrigen Genossenschaften- in
Biff. 4, weshalb auf den ersten Blick angenommen werden könnte, Ziff. 4
enthalte alles, was sich auf die Besteuerung der juristischen Personen
beziehe. Indessen spricht gegen diese Auffassung zunächst die Einteilung
des Paragraphen in 4 Unterabschnitte; denn, wenn der Gesetzgeber zwei
Hauptkategorien hätte machen wollen (natürliche Personen einerseits,
juristische Personen anderseits), so hätte die Einteilung des Paragraphen
in zwei Abschnitte näher gelegen, als diejenige in vier Abschnitte. Sodann
ergibt sich aberauch aus den Ausdrücken Bürger oder Nichtbürger und
Nichteinwohner" nicht mit absoluter Notwendigkeit, dass die Ziff. 1 bis
3, in welchen diese Ausdrücke figurieren, nur auf natürliche Personen
anwendbar seien. Hauptzweck von Biff. 1 war offenbar die Aufstellung des
Grundsatzes, dass es bei der Besteuerung auf das Domizil des betreffenden
Rechtssubjektes ankomme, während die Biff. 2 und 3 zwei Ausnahmen von
diesem Grundsatze sanktionieren sollten. Hierbei trat aber die Frage, ob
es sich um physische oder juristische Personen handle, naturgemäss in den
Hintergrund, sodass es erklärlich ist, wenn bei der Festsetzung der an das
inneroder ausserkantonale Domizil zu knüpfenden steuerrechtlichen Folgen
Ausdrücke gebraucht wurden, welche in erster Linie auf die physischen
Personen zugeschnitten sind. Es mag hier daran errinnert werden,

6 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

dass auch die Steuergesetze anderer Kantone in dieser Beziehung eine
nicht ganz scharfe Terminologie aufweisen (vergl. z. B. Art. 2 litt. c
des soloth. Steuergesetzes vom 17. März 1895), ja dass sogar in einzelnen
Bundesgesetzen und Staatsverträgen, sowie in gewissen Bestimmungen der
Bundesverfassung, der Ausdruck Bürger oder Schweizer" in einem auch auf
juristische Personen anwendbaren Sinn gebraucht wird (vergl. Art.4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
und
113
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 113 * - 1 Der Bund erlässt Vorschriften über die berufliche Vorsorge.
1    Der Bund erlässt Vorschriften über die berufliche Vorsorge.
2    Er beachtet dabei folgende Grundsätze:
a  Die berufliche Vorsorge ermöglicht zusammen mit der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise.
b  Die berufliche Vorsorge ist für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer obligatorisch; das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen.
c  Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber versichern ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei einer Vorsorgeeinrichtung; soweit erforderlich, ermöglicht ihnen der Bund, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einer eidgenössischen Vorsorgeeinrichtung zu versichern.
d  Selbstständigerwerbende können sich freiwillig bei einer Vorsorgeeinrichtung versichern.
e  Für bestimmte Gruppen von Selbstständigerwerbenden kann der Bund die berufliche Vorsorge allgemein oder für einzelne Risiken obligatorisch erklären.
3    Die berufliche Vorsorge wird durch die Beiträge der Versicherten finanziert, wobei die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mindestens die Hälfte der Beiträge ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bezahlen.
4    Vorsorgeeinrichtungen müssen den bundesrechtlichen Mindestanforderungen genügen; der Bund kann für die Lösung besonderer Aufgaben gesamtschweizerische Massnahmen vorsehen.
Biff?) BV, Art. 175 Ziff. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 113 * - 1 Der Bund erlässt Vorschriften über die berufliche Vorsorge.
1    Der Bund erlässt Vorschriften über die berufliche Vorsorge.
2    Er beachtet dabei folgende Grundsätze:
a  Die berufliche Vorsorge ermöglicht zusammen mit der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise.
b  Die berufliche Vorsorge ist für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer obligatorisch; das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen.
c  Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber versichern ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei einer Vorsorgeeinrichtung; soweit erforderlich, ermöglicht ihnen der Bund, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einer eidgenössischen Vorsorgeeinrichtung zu versichern.
d  Selbstständigerwerbende können sich freiwillig bei einer Vorsorgeeinrichtung versichern.
e  Für bestimmte Gruppen von Selbstständigerwerbenden kann der Bund die berufliche Vorsorge allgemein oder für einzelne Risiken obligatorisch erklären.
3    Die berufliche Vorsorge wird durch die Beiträge der Versicherten finanziert, wobei die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mindestens die Hälfte der Beiträge ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bezahlen.
4    Vorsorgeeinrichtungen müssen den bundesrechtlichen Mindestanforderungen genügen; der Bund kann für die Lösung besonderer Aufgaben gesamtschweizerische Massnahmen vorsehen.
OG, Art. 1 des Gerichtsstandsvertrages
mit Frankreich usw.).

Aber nicht nur findet die Auffassung des Rekurrenten weder in der
Entstehungsgeschichte, noch im Texte des Gesetzes eine unumstössliche
Stütze, sondern es erweist sich dieselbe, wenn die aus ihr abzuleitenden
praktischen Konsequenzen ins Auge gefasst werden, als geradezu
unhaltbar. Denn darnach hätten die juristischen Personen im Kanton
Appenzell A.-'Rh. weder ihr Geschäftskapital als solches, noch auch nur
ihre im Kanton gelegenen Immobilien zu versteuern, da ja die Versteuerung
dieser Vermögensobjekte in § 14 Ziff. 4 nicht vorgeschrieben ist; und
auswärtige Aktiengesellschaften mit innerkantonalen Filialen hätten
im Kanton sogar überhaupt nichts zu versteuern, weil sie im Kanton
keinen Reservefonds besitzen. Es liegt auf der Hand, dass die Ablehnung
einer Interpretation, die zu einer solchen Privilegierung der anonymen
Erwerbsgesellschaften führen würde, nicht als willkürlich bezeichnet
werden fami. '

2. In zweiter Linie beschwert sich der Rekurrent über eine angebliche
ungleiche Handhabung des § 14: Bis jetzt, führt er aus, sei stets
daran festgehalten worden, dass die Aktiengesellschaften nur für ihren
Reservefonds, sowie für ihren im Kanton gelegenen Jmmobiliarbesitz
zu besteuern seien; deshalb habe auch die Rechtsvorgängerin des
Rekurrenten, die Bank für Appenzell A. Rh., stets nur den Betrag
ihres Reservefonds (250,000 Fr.), sowie ihr in Herisau gelegenes
Bankgebäude versteuern müssen, und desgleichen verhalte es sich noch
heute grundsätzlich mit allen innerhalb oder ausserhalb des Kantons
domizilierten Aktiengesellschaften; es werde behauptet und zum Beweise
verstellt, dass im ganzen Kanton keine einzige Aktiengesellschaft ihr
gesamtes Vermögen verftenere. Darin, dass zu Ungunsten des Rekurrenten
von[. Rechtsverweigerung und Gleichheit vor dem Gesetze. N° 1. 7

der bezüglichen Praxis abgegangen werde, liege wiederum eine Willkür
und zugleich eine Verletzung der Rechtsgleichheit im engern Sinne.

Demgegenüber wäre zunächst zu bemerken, dass die steuerrechtlichen
Verhältnisse des Rekurrenten grundsätzlich nur mit denjenigen anderer
ausserhalb des Kantons domizilierter Aktiengesellschaften verglichen
werden können, und zwar, genau genommen, nur mit solchen ausserkantonalen
Aktiengesellschaften, welche im Kanton Appenzell A.-Rh., nicht eine
Filiale, sondern eine Agentur besitzen. Eine solche Aktiengesellschaft
ist jedoch vom Rekurrenten nicht benannt worden.

Wollte aber auch der Vergleich mit andern Aktiengesellschaften,
tnsbesondere mit solchen, die ihren Sitz im Kanton haben, zugelassen
werden (von der Erwägung ausgehend, eine ausserhalb des Kantons
domizilierte Aktiengesellschaft dürfe jedenfalls nicht höher besteuert
werden, als eine innerkantonale), so würde sich aus einem solchen
Vergleiche doch nicht ergeben, dass zu Ungunsten des Rekurrenten eine
Verletzung der Rechtsgleichheit begangen worden sei. Denn an Hand der
Vernehmlafsung der rekursbeklagten Behörde, sowie der bezüglichen Belege,
ist zu konstatieren, dass die verschiedenen in Betracht kommenden
Aktiengesellschaften grundsätzlich keineswegs etwa nur für ihren
Reservefonds und ihre im Kanton gelegenen Immobilien, sondern für ihr
ganzes Vermögen besteuert werden. Wenn nun auch in einzelnen Fällen die
Ausführung dieses Grundsatzes noch zu wünschen übrig lässt, so ist dies
weder der Ausfluss einer entgegenstehenden Praxis, noch sdie Folge einer
ungehörigen Begünstigung der betreffenden Aktiengesellschaften, sondern
es ist jener Umstand einfach auf die Erfahrungstatsache zurückzuführen,
dass die Klarlegung der in Betracht kommenden tatsächlichen und
rechnerischen Verhältnisse in der Praxis sehr oft auf unüberwindliche
Schwierigkeiten stösst. Abgesehen davon ergibt sich, dass verschiedenen
jener Aktiengesellschaften, mit Rücksicht auf ihren mehr oder weniger
gemeinnützigen Zweckoder wegen ihrer prekären Lage, die in § 15 Biff. 4
des Steuergesetzes ausdrücklich vorgesehene Steuerbefreiung bewilligt
worden ist. Was aber die Akt und Weise betrifft, wie die Rechtsvorgängerin
des Rekurrenten, die Bank für Appenzell A-Rhs-

8 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. 1. Abschnitt. Bundesverfassung.

besteuert worden war, so ist zu bemerken, dass durch Aufhebung eines
als ungesetzlich erkannten Zustandes grundsätzlich keine Verletzung der
Rechtsgleichheit begangen werden kann, selbst wenn diese Aufhebung,
wie hier, anlässlich eines Besitzwechsels stattfindet. Der Rekurrent
behauptet Übrigens selber nicht, dass die von ihtn hervorgehobene
Verschiedenheit der Behandlung seiner nunmehrigen Herisauer Filiale
einerseits und der frühem Bank für Appenzell A.-Rh. anderseits auf eine
absichtliche Begünstigung jener innerkantonalen Bank zurückzuführen
sei, bezw., dass in übler Treuerechtsund gesetzwidrig gehandelt worden
sei. Vielmehr erklärt er ausdrücklich, nicht daran zu zweifeln, dass die
Behörden suchten, den Verhältnissen, soweit sie ihnen bekannt waren,
gerecht zu; werden, wobei aber eben der Boden des Gesetzes verlassen
worden sei. Es läuft somit auch hier alles auf die Frage hinaus, welches
die richtige Interpretation des Gesetzes sei, bezw. ob dasselbe ohne
Willkür so interpretiert werden könne, wie es seitensder appenzeller
Behörden geschehen ist. Diese Frage ist aber bereits beantwortet.

Z. Der Rekurrent behauptet sodann und verstellt zum Beweise, dass seine
Agentur in Herisau das Dotationskapital, welches als ihr Vermögen
betrachtet werden wolle, tatsächlich nie erhalten habe. Wie es sich
nun aber auch hiemit verhalten mag für die Richtigkeit der Annahme der
appeuzeller Behörden würde ein der Rekursantwort beigelegtes Schreiben
des Finanzdepartementes des Kantons St. Gallen sprechen, wonach die
St. Galler Filiale des Rekurrenten auf Grund der Behauptung, sie müsse
derAgentur in Herisau eine Dotation von 2 Millionen überweisen, für
diesen Betrag in St. Gallen ans der Steuerpflicht entlassen worden ist so
kann es doch jedenfalls nicht als ein Akt der Willkür betrachtet werden,
wenn die appenzeller Steuerbehördem in Ermangelung anderer Anhaltspunkte,
die anlässlich der Selbsttaxation ihnen gegenüber abgegebene Erklärung
des Refunrenten, dass das Dotationskapital 2 Millionen betragen werde,
zur tatsächlichen Grundlage ihres Entscheides gemacht haben. Es durfte
übrigens auch sonst angenommen werden, dass die Herisauer Agentur des
Rekurrenten als Rechtsnachfolgerin der Bank für Appenzell A. Rh, deren
Betriebskapital sich ausI. Rechtsverweigerung und Gleichheit vor dem
Gesetze. N° 1. 9

einem Aktienkapital von 14/2 Millionen Franken nebst einem ebenfalls
nicht unbeträchtlichen Obligationenkapital zusammengesetzt hatte,
ihrerseits ein entsprechendes Betriebskapital benötige. Dabei konnte
es in Bezug auf die Frage der Besteuerung als gleichgültig betrachtet
werden, ob ihr dieses Betriebskapital in Form-einverDotation direkt
zugewiesen, oder ob ihr nur ein Kredit in dieser Höhe eröffnet,
oder welch anderer kaufmännischer Ausdruek für die hier in Betracht
kommende Operation gewählt worden set. Allerdings sieht § 14 Ziff. 3
des Steuergesetzes von Appenzell A.-Rh. nur die Besteuerung von eigenem
Geschäftskapital des betreffenden Steuerpflichtigen vor, während bei
einer blossen Agentur kaum von eigenem Vermögen gesprochen werden
kann. Allein es ist klar, dass bei der Frage, ob es sich um eigenes
Kapital handle, die Verhältnisse des Steuerpflichtigen selber, nicht
bloss diejenigen seiner im Kanton befindlichen Agentur, ins Auge
zu fassen sind. Darnach wäre im vorliegenden Falle grundsätzlich zu
untersuchen gewesen, in welchem Verhältnis beim Rekurrenten überhaupt
(d. h. wenn dessen sämtliche Geschäftsniederlassungen berücksichtigt
werden) die Höhe des eigenen Kapitalszur Höhe des offenbar aus eigenem
und fremdem Kapital zusammengesetzten Betriebskapitals stehe, und im
gleichen Verhaltms wäre alsdann sei es vom Standpunkte des Verbots
der interkantonalen Doppelbesteuerung, sei es vom Standpunkte einer
rationellen Anwendung des Steuergesetzes Von Appenzell A.-Rh. das der
Agentur Herisau zugewiesene Betriebskapital, behufs Berechnung des im
Kauton Appenzell A.-Rh. steuerpflichtigen Vermögens, zu reduzieren
gewesen. Allein der Rekurrent hat sichselber nicht auf diesen Boden
gestellt, sondern sich in der Hauptsache darauf beschränkt, die Höhe
des zur Besteuerung herangezogenen Betriebskapitals, sowie dessen Natur
als eines eigenen Kapitals, zu bestreiten und Beweis dafür anzutragen,
dass die angenommene Dotation gar nicht erfolgt bezw. dass die Bank mit
einem viel geringern Betriebskapital arbeite. Ausserdem wird freilich
behauptet und zum Beweise verstellt, dass das Diebstfaldo der Herisauer
Agentur gegenüber der St. Galler Filiale während der Monate März bis
September 1909 durchschnittlich 850,000 Fr. betragen habe. Allein diese
Behauptung schhesst

10 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

keineswegs die Möglichkeit aus, dass noch andere Betriebsmittel vorhanden
seien. Es kann daher in der Tat nicht als willkürlich bezeichnet werden,
wenn die appenzeller Behörden bei der Festsetzung des fteuerpflichtigen
Vermögens die einzige ihnen gegebene Handhabe benutzten und also
ihrer Taxation jenen vom Rekurrenten selbst angegebenen Betrag von 2
Millionen zu Grunde legten. Dies war umso weniger willkürlich, als ja
anderseits bei der Berechnung der Einkommenssteuer gemäss dem Verlangen
des Rekurrenten die Zinsen dieses gleichen Betrages von 2 Millionen in
Abzug gebracht wurden.

4.Endlich beschwert sich der Rekurrent über die von ihm als zu hoch
bezeichnete Taration des in Herisau befindlichen Bankgebäudes. Nun ist
aber von vorneherein klar, dass das Bundesgericht als Staatsgerichtshof
auf eine Überprüfung dieser Taxation nicht eintreten kann. Es ergibt sich
übrigens aus den Akten, dass hier offenbar keine übertriebene Taxation
vorliegt. Ganz abgesehen davon, dass der Direktor der St. Galler Filiale
anlasslich einer Vesprechung mit den appenzellischen Steuerbehorden
einen Verkehrswert des Bankgebäudes im Betrage von ungefähr 100,000
Fr. anerkannt haben soll, mag darauf hingewiesen werden, dass die
Brandassekuranz des betreffenden Gebäudes, welche 7/8 des wirklichen
Wertes nicht übersteigen darf, 65,000 Fr. betragt, und dass darin der
Wert von Grund und Boden nicht Inbegrifer lit. Von Willkür kann daher
auch in diesem Punkte nicht gesprochen werden.

Demnach hat {das Bundesgericht erkannt: Der Rekurs wird abgewiesen.

Vergl. noch, betr. materielle Rechtsverweigerung (Willkür): Nr. 6
Erw. 2.[I. Doppelbesteuerung. N° 2. ]1

II. Doppelbesteuerung'. Double imposition.

2. genen vom 2. Februar 1910 in Sachen Industriegesetkschaft für Mmmm,
erst-Jgegen Yom und Yale-Mads.

Nähere Ausgestaltung des in konstanter Praxis anerkannten Grundsatzes,
dass der durch Zweigniederlassungen realisierte Geschäfts- gewinn in
denjenigen Kantonen zu eersteuern ist, in welchen sich die betreffenden
Zweigniederlassungen befinden. Berechnung des Ertrags der einzelnen
Geschäftsniederlassungen, wenn die Tätigkeit derselben eine verschiedene
ist, z. B. am Orte der Hauptniederlassung der Ankauf der Bohmaterialien
und der Verkauf der fertigen Produkte stattfindet, in den verschiedenen
Filialen aber die verschiedenen technischen Betriebe lokalisiert
sind. Notwendigkeit, in solchen Fällen die beiden Haupterwerbsfaktoren,
Arbeit und Kapital, grundsätzlich in gleicher Weise zu berücksichtigen und
daher entweder die in dem betreffenden Jahre verwendeten Arbeitskräfte zu
kapitalisieren, oder aber den Zins des in diesem Jahre produktiv gewesenen
Kapitals zu berechnen, wobei dann die in Betracht kommenden Kantone
einfach im Verhältnis der auf die einzelnen Geschäftsniederlassungen
entfallenden Erwerbsfaktoren bezw. Produktionsmittel zur Besteuerung
des Gesamtertrages des Unternehmens berechtigt sind. Spezifikation und
Bemessung der hiebei zu berücksichtigenden Arbeitskräfte, wozu auch
die in den Gehältern und Tantiemen zum Ausdruck kommende Tätigkeit
der Geschäftsinhaber bezw. der Direktoren und Verwaltungsra'te gehört,
sodass also auch derjenige Kanton, auf dessen Gebiet sich lediglich die
Zentralleitung befindet, eerho'tltnismdssig steuerberechligt ist.

A. Die Jndustriegesellschaft für Schappe, A.-G., mit Hauptsitz in Basel,
besitzt Fabriketablissemente in den Kantonen Bern, Baselland und Solothurn
und ausserdem in Frankreich und im Elfass: in Frankreich 3 Kämmeleien
und 4 Spinnereien, in Sulzmatt (Elsass), in Arlesheim (Bafelland) und
in Greilingen (Bern) je eine Spinnerei. Die Fabrikation vollzieht sich
demgemäss nicht etwa so, dass in jedem der verschiedenen Etablissemente
die gleiche Arbeit verrichtet würde. Kämmelei und Spinnerei arbeiten
sich vielmehr in die Hände. Dazu kommen
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 36 I 1
Datum : 03. Februar 1910
Publiziert : 31. Dezember 1910
Quelle : Bundesgericht
Status : 36 I 1
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : IV Inhaltsverzeichnis. III. Personenregister. Registre des parties. A. Staatsrechtliche


Gesetzesregister
BV: 4 
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
113
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 113 * - 1 Der Bund erlässt Vorschriften über die berufliche Vorsorge.
1    Der Bund erlässt Vorschriften über die berufliche Vorsorge.
2    Er beachtet dabei folgende Grundsätze:
a  Die berufliche Vorsorge ermöglicht zusammen mit der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise.
b  Die berufliche Vorsorge ist für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer obligatorisch; das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen.
c  Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber versichern ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei einer Vorsorgeeinrichtung; soweit erforderlich, ermöglicht ihnen der Bund, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einer eidgenössischen Vorsorgeeinrichtung zu versichern.
d  Selbstständigerwerbende können sich freiwillig bei einer Vorsorgeeinrichtung versichern.
e  Für bestimmte Gruppen von Selbstständigerwerbenden kann der Bund die berufliche Vorsorge allgemein oder für einzelne Risiken obligatorisch erklären.
3    Die berufliche Vorsorge wird durch die Beiträge der Versicherten finanziert, wobei die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mindestens die Hälfte der Beiträge ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bezahlen.
4    Vorsorgeeinrichtungen müssen den bundesrechtlichen Mindestanforderungen genügen; der Bund kann für die Lösung besonderer Aufgaben gesamtschweizerische Massnahmen vorsehen.
OG: 175
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
aktiengesellschaft • herisau • reservefonds • juristische person • bundesverfassung • frage • ausserhalb • wert • aktienkapital • bundesgericht • natürliche person • innerkantonal • frankreich • zins • zweigniederlassung • kantonales steuergesetz • unternehmung • unbewegliches vermögen • richtigkeit • verhalten
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