572 A. Entscheidungen des Bundesgerichts als oberster
Zivilgerichîsinstauz.

74. gu-teu vom 29. Oktober 1909 in Sachen Seth., Bekl. u. Ver.-KL,
gegen gta, Kl. u. Ver.-BEH.

Klage eines Ehemannes wegen Ehebruches seinetFrau gegen den dabei
beteiiigten Dritten auf eine Genugtuungszahlung im Sinne des Art. 55
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 55 - 1 Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30
1    Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30
2    Der Geschäftsherr kann auf denjenigen, der den Schaden gestiftet hat, insoweit Rückgriff nehmen, als dieser selbst schadenersatzpflichtig ist.

OR: Anspruch, der Ehefrauwegen Vergewaltigung.Mangeänder Nachweis
dieses Tatbestandes. Anspruch des Ehemannes wegen des widerrechtlichen
Eiflgrifisis in sei-n ehehe-has V erhält/eis. Die Verzeihung des Ehebruchs
gegenüber der Ehefrau schliesst-nicht ohne weiteres auch den Verzicht
auf diesen Anspruch in sich ; em it-briga; hängt dessen Beurteilung
wesehttich von tierikonkreten Umständen ab.

A. Durch Urteil vom 29. Mai 1909 hat das Obergericht des Kantons
Solothurn erkannt:

Der Beklagte ist gehalten, dem Kläger eine Summe von 1000 Fr. samt
Zins zu 5 OJO seit 26. Juni 1908 (Datum der Klaganhebung) zu bezahlen;
im Übrigen ist die Klage abgewiesen.

B. Gegen dieses Urteil hat der Beklagte gültig die Berufung an das
Bundesgericht ergriffen und in seiner Berufungsschrit die Anträge gestellt
und begründet: 1. Es sei die Einrede als begründet zu erklären und der
Kläger abzuweisen, oder 2. Es sei in der Hauptsache das Klagebegehren
des gänzlichen abzuweisen.

C. Die Berufungsbeklagten haben in ihrer Antwort aus die Berufungsschrift
die Anträge gestellt und begründet: Die Berufung sei abzuweisen und das
Urteil des Obergerichts vom 29. Mai 1909 in vollem Umfange zu bestätigen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Die Ehefrau des Klägers W. hatte, einmal im Jahre 1904 und
einmal im Juli 1907, in der Terme des Klägers mit dem Beklagten
Sch. geschlechtlichen Umgang. Im Herbste 1907 erschien eines
Tages der Sijährige Kläger mit seiner etwas jüngern Ehesrau vor
dem Gerichtspräsidenten von Olten-Gösgen und beklagte sich darüber,
dass, nachdem sie nun bereits neun Kinder hätten, die Ehefrau wieder
schwanger gehe und er nicht der Vater des zu erwartenden Kindes sei. Frau
W. gab zu, dass ihre nunmehrige Schwängerung vom Beklagten herrühre Der
Kläger war sehr aufgebracht und äusserte Scheidungsgedanken, liess aber
dannVI. Ohligationenrecht. N° 74. 573

die Sache auf Rat des Gerichtspräsidenten und seines Arztes auf sich
beruhen. Als er in der Folge den Beklagten einen Hurenbock" schalt,
klagte diesera wegen Beschimpfung Der Kläger behauptete, er sei zu dieser
Ausserung berechtigt, da der Beklagte mit seiner Ehefrau ehebrecherische
Beziehungen unterhalten babe. Hiefür trug er den Wahrheitsbeweis an und
berief sich auf seine Ehefrau als Zeugin. Der Beklagte stellte darauf noch
Strafantrag wegen Verlenmdung In der Untersuchung sagte die Ehefrau des
Klägers aus, der Beklagte habe sie schon zu zwei Malen geschlechtlich
gebraucht und zwar jeweils unter Gewaltanwendung. Das jüngste, drei
Jahre alte Kind und das Kind, mit dem sie nun schwanger gehe, stammten
beide von ihm ber. Jhr Mann habe allerdings beide Male in der kritischen
Zeit ebenfalls mit ihr geschlechtlich verkehrt; allein das dreijährige
Kind gleiche ganz dem Beklagten. Das Gericht entschied am 4. März 1908
dahin, dass es den Kläger wegen Beschimpfung zu einer Geldbusse von 5
Fr. verurteilte, die Verleumdungsklage des Beklagten aber abwies. Die
Untersuchungskosten wurden dem Beklagten auferlegt, da sich die Anzeige
wegen Verleumdung als eine wissentlich wahrheitswidrige herausgeftellt
und der Beklagte sich eines schweren Eingriffes in die Familie des Klägers
schuldig gemacht babe. Das Gericht nahm als erwiesen au, dass der Beklagte
mit der Frau des Klägers tatsächlich geschlechtlichen Umgang gehabt habe,
wofür neben der Aussage der Ehefrau auch der Umstand spreche, dass der
Beklagte schon früher einen ähnlichen Angrisf auf die Frau eines Nachbars
G. ausgeführt habe. Dagegen erscheine die angebliche Vergewaltigung
wenig wahrscheinlich, namentlich für das zweite Mal. Dass die Ehefrau
des Klägers sie behaupte, sei psychologisch erklärlich, und ebenso,
dass jene sich das zweite Mal nicht ernsthafter zur Wehre gesetzt habe,
da bereits einmal ein solches Ereignis über sie ergangen sei.

2. Am 26. Juni 1908 hat dann der Kläger für sich und seine Ehefrau die
vorliegende Klage eingereicht mit dem Rechtsbegehren, den Beklagten zur
Bezahlung von 3500 Fr. an den Kläger zu ver-urteilen. Er machte geltend:
Die Vergewaltigung der Ehefrau des Klägers sei eine widerrechtliche
Handlung, die zum Schadenersatz, also zu einem Alimentationsbeitrag an
den Unter-

AS 35 n _ 4909 39

574 A. Entscheidungen des Bundesgerichts als oberster
Zivilgerichtsinstanz.

halt und die Erziehung des am 25. April 1908 geborenen Kindes verpflichte;
der Kläger sei dadurch ferner in seinen persönlichen

Verhältnissen ernstlich verletzt worden, so dass ihm auch hiefür

Entschädigung gebühre. In der Folge hat der Kläger seine Klage dahin
näher präzisiert, dass sie sich nur auf den Vorgang vom Iuli 1907 beziehe,
während auf den frühem von 1904 in Hinsicht auf die vom Beklagten erhobene
Verjährungseinrede nicht mehr abgestellt werde. Vor der Vorinstanz hat der
Kläger ferner erklärt-, dass er die Klage, soweit sie sich aus den Art. 50
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 50 - 1 Haben mehrere den Schaden gemeinsam verschuldet, sei es als Anstifter, Urheber oder Gehilfen, so haften sie dem Geschädigten solidarisch.
1    Haben mehrere den Schaden gemeinsam verschuldet, sei es als Anstifter, Urheber oder Gehilfen, so haften sie dem Geschädigten solidarisch.
2    Ob und in welchem Umfange die Beteiligten Rückgriff gegeneinander haben, wird durch richterliches Ermessen bestimmt.
3    Der Begünstiger haftet nur dann und nur soweit für Ersatz, als er einen Anteil an dem Gewinn empfangen oder durch seine Beteiligung Schaden verursacht hat.

OR stütze und auf Ersatz eines Vermögensschadens gerichtet sei, fallen
lasse. Die erste Instanz hatte nämlich die Anwendung dieses Artikels
deshalb abgelehnt, weil Zweifel darüber obwalte, wer der Erzeuger des
Kindes in casu der Schadensstifter sei. Die Klage aus Art. 55
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 55 - 1 Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30
1    Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30
2    Der Geschäftsherr kann auf denjenigen, der den Schaden gestiftet hat, insoweit Rückgriff nehmen, als dieser selbst schadenersatzpflichtig ist.
OR ist von
dieser Instanz im Betrage von 1500 Fr. und von der zweiten Instanz durch
das am Anfang genannte, nunmehr an das Bundesgericht weiter gezogene
Urteil im Betrage von 1000 Fr geschützt worden

3 Die Vorinstanzen haben die Verjahrungseinrede laut dem Art. 69
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 69 - 1 Der Gläubiger braucht eine Teilzahlung nicht anzunehmen, wenn die gesamte Schuld feststeht und fällig ist.
1    Der Gläubiger braucht eine Teilzahlung nicht anzunehmen, wenn die gesamte Schuld feststeht und fällig ist.
2    Will der Gläubiger eine Teilzahlung annehmen, so kann der Schuldner die Zahlung des von ihm anerkannten Teiles der Schuld nicht verweigern.
OR
mit Recht abgewiesen, da sich aus den obigen Feststellungen ergibt,
dass die Klage innert Jahresfrist von der behaupteten rechts-widrigen
Handlung des Beklagten an eingereicht worden ist, abgesehen davon, dass
der Kläger von dieser Handlung erst später Kenntnis erhalten und dass
also für ihn die Verjährung erst später zu laufen begonnen hat.

4. In der Sache selbst hat zunächst die Vorinstanz mit Unrecht
zu Gunsten der Ehefrau des Klägers einen Anspruch aus Art. 55
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 55 - 1 Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30
1    Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30
2    Der Geschäftsherr kann auf denjenigen, der den Schaden gestiftet hat, insoweit Rückgriff nehmen, als dieser selbst schadenersatzpflichtig ist.
OR
gegenüber dem Beklagten angenommen. Darin allein, dass der Beklagte
mit ihr geschlechtlichen Verkehr gehabt hat, liegt ihr gegenüber keine
rechtswidrige Handlung (vergl. AS li S. 117 ff.). Eine solche setzt
voraus, dass der Ehebrecher die Ehefrau in einer widerrechtlichen,
ihre Verantwortung ausschliessenden Weise missbraucht, während, wenn
die Ehefrau zum Ehebruch in freiem Entschlusse einwilligt, sie ihre
eheliche Treupslicht verletzt und damit selbst, neben dem andern Teil
als Mitschuldigem, rechtswidrig handelt. In der Klage wird nun freilich
Gewaltanwendung gegenüber der Ehefrau des Klägers behauptet. Allein für
diese Behauptung, die übrigens vor Bundesgericht nicht mehr ausdrücklichVL
Ohligationenrecht. N° ?4. 575

aufrecht erhalten wird, fehlt. jeder aktenmässige Nachweis. Die beiden
Vorinstanzen haben denn auch geglaubt, daran nicht abstellen zu können
Das Ilmtsgericht verweist auf die oben erwahnte Beweiswürdigung des
Strafrichters uber diesen Punkt, die zu einem negativen Ergebnis gekommen
war; und das Obergericht führt aus, der Beklagte habe gegenüber der
Ehefrau des Klägers eine unerlaubte Handlung dadurch begangen, dass er
sie zum Beischlafe verführt habe. In dieser Annahme des obergerichtlichen
Urteils, die nirgends näher erläutert und mit dem Beweisergebnis in
Zusammenhang gebracht wird, kann nun nicht etwa eine für das Bundesgericht
verbindliche tatsächliche Feststellung erblickt werden, die den Vorgang
vom Juli 1907 in faktischer Beziehung genauer bestimmen würde. Danach
hat aber das Bundesgericht selbständig auf Grund der Akten zu prüfen, ob
durch das Vorgehen des Beklagten auch gegenüber der Ehesrau des Klägers
der Tatbestand einer rechtswidrigen Handlung verwirklicht werde. Das ist
aber zu verneinen, da jeder Anhaltspunkt dafür mangelt, dass der Veklagte
auf die freie Willensbestimmung der Ehefrau des Klägers in einer rechtlich
verbotenen Weise eingewirkt habe, und da also von Versührung höchstens
im Sinne einer moralisch zu missbilligenden Überredung und Veranlassung
zu einem Fehltritte gesprochen werden kann.

5. Zweifelhafter scheint die weitere Frage, ob sich der Kläger persönlich
auf den Art. 55
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 55 - 1 Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30
1    Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30
2    Der Geschäftsherr kann auf denjenigen, der den Schaden gestiftet hat, insoweit Rückgriff nehmen, als dieser selbst schadenersatzpflichtig ist.
OR berufen könne. Die Vorinsianzen haben das kurzweg
deshalb bejaht, weil der Beklagte widerrechtlich in die Ehe des Klägers
eingegriffen habe. Dem gegenüber ist entsprechend den obigen Ausführungen
zu bemerken, dass nicht nur der Beklagte dem Kläger ein Unrecht zugefügt
hat, sondern auch, und sogar in erster Linie, die Ehefrau des Klägers,
da sie durch ihren Treubruch das ehrliche Band verletzt hat und ohne ihre
Verfehlung jener Angrifs des Beklagten auf die Ehre des Klägers alsEhemann
nicht möglich gewesen ware. Man kann sich daher fragen, ob überhaupt der
Kläger jetzt, nachdem er sich bei dem Unrecht, das ihm seine Frau angetan
hat, beruhigt und namentlich von einer Scheidung abgesehen hat, noch
gegenüber dem Beklagten An-· sprüche auf Genugtuung geltend machen könne,
oder ob nicht vielmehr die Verzeihung eines begangenen Ehebruches von
selbst auch einen Verzicht auf solche Genugtuungsansprüche gegenüber dem

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Zivilgerichtsinstanz.

Mitschuldigen in sich schliesse. Da bei der Beurteilung dieser Frage
die Umstände des einzelnen Falles eine wichtige Rolle spielen, lässt sie
sich wohl nicht in abstrakter Weise beantworten Es mag vorkommen, dass
einerseits das natürliche Gefühl und das Wohl der Familie die Fortdauer
der Ehe trotz des Fehltrittes der Ehefrau entschieden fordern, während
es anderseits der Gerechtigkeit widerstreben würde, dem Ehemann jeden
Anspruch auf Sühne gegen den zu versagen, der vielleicht in besonders zu
missbilligender Weise den ehelichen Frieden gestört oder den Ehemann
blossgestellt hat. Doch kann es sich hier stets nur um speziell
qualifizierte Fälle handeln, und es darf bei der Zubilligung eines
Anspruches aus Art. 55
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 55 - 1 Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30
1    Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30
2    Der Geschäftsherr kann auf denjenigen, der den Schaden gestiftet hat, insoweit Rückgriff nehmen, als dieser selbst schadenersatzpflichtig ist.
OR nicht aus dem Auge gelassen werden, dass die
Geldentschädigung für tort moral, die an sich schon ein unvollkommenes
Mittel für die Sühne erlittener Unbill darstellt, in diesen Verhältnissen
dem Sühnezweck noch weniger als sonst zu genügen vermag, da es für
das sittliche Empfinden leicht als etwas schimpfliches erscheint,
eine Beleidigung solcher Art sich durch eine Geldzahlung aufwiegen zu
lassen. Sodann birgt die Zulassung dieser Genugtuungsansprüche die Gefahr
in sich, dass sie zu unsittlichem Gelderwerb missbraucht und dass das
kantonale Recht in soweit zu umgehen versucht wird, als es für die im
Ehebruch erzeugten Kinder keine Alimentationsansprüche gegenüber dem
Erzeuger anerkennen will. _

Der vorliegende Fall ist nun nicht so besonders geartet, dass sich die
Zuerkennung einer angemessenen Geldsumme an den Kläger als Sühne für
die erlittene Unbill rechtfertigen würde. Wohl scheint der Kläger diese
Unbill in gewissem Masse empfunden und sogar an Scheidung gedacht zu
haben, und anderseits ist der Beklagte ein roher Mensch, der sich auch
schon einer andern Frau gegenüber vergangen hat. Allein die dem Kläger
zugefügte Kränkung ging doch auch hier vorab von seiner Ehefrau aus,
und gegen sie musste sich in erster Linie der Unmut und das Bedürfnis
nach Sühne irgend welcher Art richten, zumal da sie schon früher mit dem
Beklagten Ehebruch getrieben hatte. Der Beklagte hat den Jnsult nicht in
besonderer Weise verstärkt oder ihm eine besondere, etwa gegen die äussere
Ehre des Klägers gerichtete Spitze gegeben. Und sodann ist das Vorgehen
des Klägers gegen den Beklagten über-VI. Obligatione-nrecht. N° 75. 577

haupt nicht sowohl auf das Bestreben zurückzuführen, sich für eine
ihm zugefügte Antastung seiner Persönlichkeit vomvBeklagten Genugtuung
zu verschaffen; vielmehr ist es ihm darum zu tun, vom Beklagten einen
Beitrag an seine Familienlasten zu bekommen, nachdem er nunmehr mit den
acht andern Kindern noch zwei weitere zu unterhalten hat, die, wie er
annimmt, vom Veklagten herrühren. Das ergibt sich namentlich auch daraus,
dass die Klage wesentlich auf eine solche Alimentationspflicht abstellt
und nur in zweiter Linie von einer ernstlichen Verletzung der persönlichen
Verhältnisse spricht, wobei diese zudem nur auf die, wie sich erwiesen
hat, unrichtige Behauptung einer Vergewaltigung der Ehefrau gestützt wird.

Damit gelangt man zur gänzlichen Abweisung der Klage und also zur
Gutheissung der Berufung. Immerhin darf bei der Kostenverteilung die
moralisch zu missbilligende Handlungsweise des Beklagten berücksichtigt
werden.

Demnach hat das Bundesgericht erkfannt: Die Berufung wird gutgeheissen
und das angefochtene Urteil des Obergerichtes des Kantons Solothurn vom
29. Mai 1909 aufgehoben und die Klage gänzlich abgewiesen.

75. gis-teil vom 30. Oktober 1909 in Sachen gdareuhaus Globus,
Bekl. u. Ber.-Kl., gegen &tietli, Kl. u. Ber.-Bekl.

Haftung für die mangelhafte Beiriebsséeherheit eines der
Selbstbedienung durch das Publikum überlassenen Personenaufzugs
seitens des Betrieösmhabers (eines Mieters des betr. Hauses-) auf
Grund der Art. 50 ff
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 50 - 1 Haben mehrere den Schaden gemeinsam verschuldet, sei es als Anstifter, Urheber oder Gehilfen, so haften sie dem Geschädigten solidarisch.
1    Haben mehrere den Schaden gemeinsam verschuldet, sei es als Anstifter, Urheber oder Gehilfen, so haften sie dem Geschädigten solidarisch.
2    Ob und in welchem Umfange die Beteiligten Rückgriff gegeneinander haben, wird durch richterliches Ermessen bestimmt.
3    Der Begünstiger haftet nur dann und nur soweit für Ersatz, als er einen Anteil an dem Gewinn empfangen oder durch seine Beteiligung Schaden verursacht hat.
. OR : Unfall, der auf das Fehlen einer durch, den
Stand der Tecfmil.' gebogenen Sichem-nasvorriclztung zurückzuführen.
is!. Verso/wide des Bati-icbsmkabers bezw eines Aegesteillm desselben
(Ars. 50 a. 62 OR). Enischd'digungsòmnessung (Ari. 53 Abs. 1 11.2 OR).

A. Durch Urteil vom 23. April 1909 hat das Obergericht des Kantons Aargau
in vorliegender Streitsache erkannt:
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 35 II 572
Datum : 29. Oktober 1909
Publiziert : 31. Dezember 1909
Quelle : Bundesgericht
Status : 35 II 572
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 572 A. Entscheidungen des Bundesgerichts als oberster Zivilgerichîsinstauz. 74.


Gesetzesregister
OR: 50 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 50 - 1 Haben mehrere den Schaden gemeinsam verschuldet, sei es als Anstifter, Urheber oder Gehilfen, so haften sie dem Geschädigten solidarisch.
1    Haben mehrere den Schaden gemeinsam verschuldet, sei es als Anstifter, Urheber oder Gehilfen, so haften sie dem Geschädigten solidarisch.
2    Ob und in welchem Umfange die Beteiligten Rückgriff gegeneinander haben, wird durch richterliches Ermessen bestimmt.
3    Der Begünstiger haftet nur dann und nur soweit für Ersatz, als er einen Anteil an dem Gewinn empfangen oder durch seine Beteiligung Schaden verursacht hat.
55 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 55 - 1 Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30
1    Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30
2    Der Geschäftsherr kann auf denjenigen, der den Schaden gestiftet hat, insoweit Rückgriff nehmen, als dieser selbst schadenersatzpflichtig ist.
69
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 69 - 1 Der Gläubiger braucht eine Teilzahlung nicht anzunehmen, wenn die gesamte Schuld feststeht und fällig ist.
1    Der Gläubiger braucht eine Teilzahlung nicht anzunehmen, wenn die gesamte Schuld feststeht und fällig ist.
2    Will der Gläubiger eine Teilzahlung annehmen, so kann der Schuldner die Zahlung des von ihm anerkannten Teiles der Schuld nicht verweigern.
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • bundesgericht • ehebruch • geschlecht • vorinstanz • maler • vergewaltigung • frage • beschimpfung • ehre • ehe • persönliche verhältnisse • weiler • familie • genugtuung • sitte • kenntnis • rechtsbegehren • entscheid • ehegatte
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