ZIVILRECHTSPFLEGE ADMINISTRATION DE LA JUSTICE CIVILE

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A. Entseheidungen des Bundesg'erichts als oberster Zivilgerichtsinstanz.
Arrèts rendus par le Tribunal fédéral comme instance de recours en matière
civile. (Art. 55 , 56 ff., 86 H., 89 si"., 95 ff. OG.)I. Verfahren vor
dem Bundesgerichte in bürgerlichen Rechtsstreitig'keiten. Procédure
è. suivre devant le Tribunal fédéral en matière civile.

Siehe hierüber Nr. 96 Erw. i, Nr. 97 Erw. i, Nr. 98 Erw. 2. Voir n°
96 consid. 1, n° 97 consid. 1, n° 98 consid. 2.II. Heimatlosigkeitss
Heimatlosat.

68III-teil vom 11. gioventù 1909 in Sachen Bundesrat, KI... gegen giant
guaem event. Guitton gwpenzell Si.-Yi)... Bekl.

Einhsiièrgemfigsgrund der Abstammung mm eingebürgten oder geduldeten
Personen: Art. 'H Ziffer 1, in Verbindung mit Art. 4 Abs. 4 u. 5
u. Art. 12 des BG betr. Heimatlosigkeit v. 3. Dez. 1850. Die Verehelichung
cei-ew." ee'ngebù'rgtm Frauensperson mi; einem Heimatèosen

AS 35 Il 1909 36

526 A. Entscheidungen des Bundesgerichts als oberster
Zivilgerichtsinstanz.

hat nichtden Verlust ihres vorehelichm Bürgerrechts zur Folge. Dre Kinder
aus einer solchen Ehe erwessrben dieses B-m-gerrecht ihrer-Meeîter.
Entschädigungsanspruch des zu?" Einäürgerung verpflich- teten Kantons
gegenüber einem andern Kanton, welcher für die Einbürgerung angeblich
ebenfalls hätte in Frage kommen kämen ?

Das Bundesgericht hat, da sich ergibt:

A. Mit Beschluss vom 9. März 1909 hat der Bundesrat den Kanton Luzern
verpflichtet, den Pietro Felice Pasquale in Losone (Kanton Tesfin),
dessen Ehefrau Caterina Zanicoli und deren sechs Kinder: Antonia Mariana,
Luigia Angiola, Caterina, Giuseppina, Giovanni Felice und Ernesto, in
das Kantonsbürgerrecht aufzunehmen und ihnen ein Gemeindebürgerrecht
auszumitteln.

B. Mit Eingabe vom 31. März·1909 hat der Regierungsrat des Kantons
Luzerndem Bundesrate die Erklärung ahgegehen, dass er diese Schlussnahme
nicht anerkenne und dass an seiner Stelle der Kanton Appenzell J.-Rh. für
die Einbürgerung der betreffenden Familie ins Recht zu fassen sei.

C. In der Klageschrift vom 1. Mai 1909 stellte die Bundesanwaltschaft
namens des Bundesrates das Begehren: Es sei der Kanton Luzern, eventuell
der Kanton AppenzellJ .-Rh. zu verpflichten die heimatlosen Eheleute:

Pietro Felice Pasquale und Caterina geh. Zanicoli in Losone (Kanton
Tesstn), und deren Kinder:

1. Antonia Mariana . . geb. 11. Oktober 1888 2. Luigia Angiola . . .
29. August 1891 3. Caterina Angiola . . 3. Januar 1893 4. Giuseppina
. . . . 29. März 1895 5. Giovanni Felice . . . 25. November 1899
8. Ernesto . . . . . 10. Juli 1903

in ihr Kantonsbürgerrecht auszunehmen und denselben ein
Gemeindebürgerrecht zu verschaffen, unter Kostenund Entschädigungs-
folge für den unterliegenden Kanton.

Ju der Antwortschrift vom 22. Mai 1909 stellte der Kanton Luzern das
Begehren, es sei gegenteils der Kanten Appenzell J·-Rh. zur Einbürgerung
des Pietro Felice Pasquale und der, II. Heimatlosigkeit. N° 68. 527

Caterina Zanicoli und der oben bezeichneten sechs Kinder zu verpflichten,
unter Kostenund Entschädigungsfolge für die Klager- schaft, eventuell für
den mitbeklagten Kanton Appenzell J.-Rh. Zn der Duplik ergänzte der Kanton
Luzern dieses Rechts-begehren dahin, es sei eventuell der Kanton Appenzell
J.-Rh. zu verpflichten, dem Kanton Luzern an die Kosten der Einbürgerung
der Familie Pasquale eine Entschädigung von 3000 Fr. zu bezahlen.

Der Kanten Appenzell J.-R. beantragte Gutheissung des Prinzipalbegehrens
der Bundesanwaltschaft.

D. In der mündlichen Verhandlung haben die Parteien ihre schriftlich
gestellten Anträge wiederholt, der Vertreter des Kantons Appenzell
J.-Rh. unter Ablehnung auch des event. Begehren-Z des Kantons Luzern
betreffend die Zusprache einer Entschädigung für die Kosten der
Einbürgerung; --

in Erwägung:

1. Der mit seiner Familie einzubürgernde Pietro Felice Pasquale ist
am 9. Juli 1863 in Ornavasso geboren und hat sich am 27. Dezember
1885 in Bellinzona mit der heimatlosen Caterina Angela Zanicoli
verehelicht. Pietro Felice Pasquale ist der Sohn des Giovanni Angelo
Pasquale (geb. am 15. Juli 1835 in Florenz und gestorben am 9. Januar 1897
in Losone) und seiner Ehefrau Josefine Katherine Biland von Malters,
mit der er sich am 13. Mai 1857 in Borgomanero verehelicht hatte.
Die Josefme Katharine Biland, geh. am 16. November 1829, ist die Tochter
des Josef Viland, der mit seiner Familie im Bürgerrechtsregister von
Malters im Jahre 18475 eingetragen worden ist und als Heimatloser dort
ein Notbiirgerrecht erhalten hat. Aus dem Berichte des Departementes
des Gemeindewesens des Kantons Luzern vom 30. August -1879 ist folgendes
zu entnehmen:

Wie uns der Gemeinderat von Malters soeben schreibt, hat ein Untersuch
der dortigen Armenrechnungen ergeben, dass daselbst in den dreissiger
und zu Anfang der vierziger Jahre ein Josef Biland auch als Billang
und Bieland eingetragen armenrechtlich unterstützt worden sei. Gemäss
den genannten Rechnungen sei Viland unehelicher Abstammung gewesen. Jm
Jahre 1839 seien demselben für Reisegeld nach Domo d'osula (Domodossola)
53 Fr. 35 (W. a. W. verabfolgt worden.

528 A. Entscheidungen des Bundesgerichts als oberster
Zivilgerichtsînsianz.

Im Bürgerrechtsregister von Malters von 1845 sei die Familie Biland wie
folgt eingetragen: Biland Josef Zunderfabrikant, in Piemont, Ehemann 53
Jahre geb. Bersinger Maria, Elisabetha, Ehefrau 51

'I !}

Joh SDR?! Sohn * * ° 32 Maria, Tochter. . . . . . . . . . 327
Elisabetha Tochter . . . . . . . . 24 Katharina 22

Allfallig nach dem Jahre 1845 geborene Kinder weise das
Bürgerrechtsregister keine auf.

Jn einem im Jahre 1842 aufgenommenen Verzeichnis der seit dem Jahre
1802 im Kanton Luzern eingebürgerten Heimatlosen ist bei Nr. 74 Bilang
Joses, Zunderfabrikant eingeteilt in Maltersti bemerkt: Dieser hat sich
während seiner Abwesenheit im Jahre 1818 ohne gesetzliche Bewilligung mit
Elisabetha Bardninger von St. Gallen verehelicht, er hielt sich nachher
bald im Kanton Luzern, bald ausser demselben auf. Anno 1840 verreiste
er mit seiner Frau und seinen fünf ehelichen Kindern, deren Namen nicht
angegeben werden können, nach Sardinien und soll sich, wie verIautet,
in Turin aufhalten Unter Nr. 75 dieses Verzeichnisses ist eingetragen die
Ehefrau Baldinger Elisabeth, Ehefrau des Obigen, eingeteilt in Malters;
die Bir. r78 80 betreffen die 5 Kinder der Qbigen, eingeteilt in Malters.

2. Giovanni Angelo Pasquale, der Ehemann der Josefine Katherine Biland
von Malters, stammt ans der im Jahre 1834 in Rom geschlossenen Ehe
des Johann Pasquilni und der heimatlosen Maria Theresia Blank; Johann
Pasquilin stammt seinerseits aus der Ehe der Anna Maria Mahler und des in
Appenzell gebotenen Anton Josef Andreas Pasquale, genannt Chrideschiesser;
dieser letztere ist der eheliche Sohn des Andreas Pasanilm und der Barbara
Schäfer von AppenzelL Auf diese Abstammung stützt der Kanton Luzern sein
Begehren um Einbürgerung der heute in Frage stehenden Nachkommen des
Pietro Felice Pasquale und seiner Familie in den Kanton Appenzell J.-Rh
Über die Ehe der Barbara Schäfer und die Ehe des Andreas Pasquilm wird im
Zeugnisse des Joh. Ant. Mauser, Pfarrvikar in Appenzell, vom 18. Juli 1816
bemerkt, es seien am 24. Juli 1775 in der Pfarr-II. Heimatlosigkeit. N°
68. 529

kirche in Appenzell getraut worden: Andreas Pasquin aus Pressburg in
Ungarn, Witwer, und Jungfrau Maria Barbara Schefer, Appenzellensem, und
es sei am 29. November 1781 als Sohn dieser Eheleute, der am nämlichen
Tage geborene Antonio Josephin Andreas getauft worden. Laut dem Ehebuch
von Appenzell wurden am 24. April 1775 in Appenzell kopuliert: Andreas
Pasquin von Pressburg aus Ungarn und Maria Barbara Schefer, des Karl
Jakob sel. Laut dem Taufbuch von Appenzell wurden in Appenzell geboren
und getauft: Anno 1781, 29. Oktober: Anton Josef Andreas, d. Andreas
Pasquin und der Barbara Scheser, ehl. Auf dem pfarramtlichen Auszuge über
diese Daten, vom 28. März 1858, ist bemerkt: Zuverlässige Nachrichten und
Ausweise über Geburt und Tod der Maria Barbara Schefer und ihrer Familie
konnten bei allem Nachsuchen in den Pfarrbüchern nicht ermittelt werden-.

3. Die Bundesanwaltsehaft und der Kanton Appenzell J.-Rh. stützen
ihr Begehren darauf, dass bei der Zuteilung in erster Linie auf
die Abstammung von Elternwelche schon in einem Kanton eingebürgert,
eingeteilt oder als Geduldete anerkannt seien, und erst in zweiter Linie
auf die Umgehung der konkordatsmässigen oder gesetzlichen Vorschriften
über die Kopulation abzustellen sei; darnach sei aber das lnzernische
Bürger-recht der Katharina Biland für die Einbürgerung auch ihrer
Nachkommen ausschlaggebend Der Kanton Luzern, der die vorstehend
angeführten, dem Beschlusse des Bundesrates entnommenen tatsächlichen
Angaben nicht besireitet, gibt zu, dass auf Grund der Art. 11 Ziff. 1
SR 170.32 Bundesgesetz vom 14. März 1958 über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner Behördemitglieder und Beamten (Verantwortlichkeitsgesetz, VG) - Verantwortlichkeitsgesetz
VG Art. 11
1    Soweit der Bund als Subjekt des Zivilrechts auftritt, haftet er nach dessen Bestimmungen.
2    Auch in diesen Fällen steht dem Geschädigten kein Anspruch gegenüber dem fehlbaren Beamten zu.
3    Der Rückgriff des Bundes richtet sich nach den Artikeln 7 und 9.

und Art. 12 Ziff. 3
SR 170.32 Bundesgesetz vom 14. März 1958 über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner Behördemitglieder und Beamten (Verantwortlichkeitsgesetz, VG) - Verantwortlichkeitsgesetz
VG Art. 12 - Die Rechtmässigkeit formell rechtskräftiger Verfügungen, Entscheide und Urteile kann nicht in einem Verantwortlichkeitsverfahren überprüft werden.
des VG betr. die Heimatlosigkeit vom 3. Dezember
1850 die Zuscheidung an ihn, den Kanton Luzern, erfolgen könne, weil
die Mutter des Pietro Felice Pasquale eine Luzernerin war; er macht aber
geltend, dass daneben noch gewichtigere Gründe bestehen, welche für die
Einbürgerung in den Kanton Appenzell J.-Rh. sprechen: Vom Bundesrate werde
doch wohl auf die im Jahre 1775 erfolgte Verehelichung des männlichen
Vorfahrs in Appenzell zu wenig Gewicht gelegt. Im Mannesstamme lasse
sich eine ununterbrochene und fortgesetzte Sukzession bis zu diesem
appenzellischen Vorfahren nachweisen, In Statusfragen sei aber auf den
Abstammungsnachweis nicht weniger Gewicht zu legen als auf den

530 À. Entscheidungen des Bundesgerichts als oberster
Zivilgerichisinstanz.

zufälligen Besitz eines Notbiirgerrechts von mütterlicher Seite. Wegen
der in Appenzell stattgefundenen Kopulation der Barbara Schefer mit dem
ungarischen Flüchtling Andreas Pasquin, vom Jahre 1775, hie zweifellos
eine unregelmässige sei und gegen die konkordatsmässigen Vorschriften
wie gegen die Fremdenpolizei verstosse, sei die Zuscheidung an AppenzellJ
..-Rh auch nach Art 11 Ziff. 2 und 4 des zitterten BG zulässig; eventuell
habe der Kanton Appenzell I.-Rh. wegen dieser Ordnungswidrigkeit an den
Kanton Luzern eine Entschädigung zu bezahlen.

4. In rechtlicher Beziehung ist nun in erster Linie zu untersuchen,
ob die nach der Klage einzubürgernden Personen nicht schon aus
familienrechtlichen Gründen ein Kantonsbürgerrecht besitzen. Das
BG Betr. die Heimatlosigkeit führt in den Art. 11 und 12 hie für
die Einbürgerung massgebenden Verhältnisse freilich neben einander,
nicht in eventueller Reihenfolge, auf, sodass nach dem Wortlaute des
Gesetzes kein anürgerungsgmnd vor dem andern einen absoluten Vorzug
verdient. Indessen kann, nach der Natur der Sache, nicht zweifelhaft sein,
dass ein derivativer Erwerbsgrund den originären Einbürgerungsgründen
vorgeht, da von Heimatlosigkeit ja nicht mehr gesprochen werden kann,
sobald ein derivativer Erwerb eines Staatsbürgerrechtes nachgewiesen wird.

Jn dieser Hinsicht steht nun fest, dass die Mutter des einzubürgernden
Pietro Felice Pasquale, Josesina Katharina Biland, als Heimatlose das
luzernische Kantonsbiirgerrecht erhalten hat. Dieses Notbürgerrecht
hat nach Art. 4 Abs. 4 und 5 des Heimatlosengesetzes die Wirkung, dass
die ehelichen Kinder, welche ein Heimatloser nach der Einbtirgerung
erhält, vollberechtigte Bürger derjenigen Gemeinde werden, in welcher er
eingebiirgert worden ist, und entsprechend erhalten uneheliche Kinder
von eingebürgerten Heimatlosen das volle Bürgerl-echt derjenigen
Gemeinde, welcher sie nach der betreffenden Kantonalgesetzgebung
zufallen. In Bezug auf den familienrechtlichen Erwerb steht daher das
sog. Notbürgerrecht dem Bürgerrecht, das auf einem andern Erwerbsmittel
beruht, vollständig gleich. Stände dieses luzernische Bürgerrecht aber
den heute einzubürgernden Personen als den Nachkommen der J. K. Biland
zu, so müsste selbstverständlich nicht weiter geprüft werden ob
für die weitern Vorfahren vielleicht ein anderes Bürgerrecht oder
einIl. Heimatlosigkeit. N° 68. 531

Einbiirgerungsgrund bestanden habe: die Personen, deren Einbürgerung
heute in Frage steht, würden ja doch das Bürgerrecht ihrer nächsten
Aszendenten ererbt haben, und es könnte sich höchstens fragen, ob sie
noch ein zweites Bürgerrecht besitzen, was im heutigen Verfahren aber
nicht zu erörtern ist.

Bei der Frage, ob ein samilienrechtlicher Erwerb des luzernischen
Bürgerrechts stattgefunden habe, ist zuerst die staats-rechtliche
Bedeutung zu erörtern, welche der Verehelichung der J. K. Biland
mit einem Heimatlosen zukommt. Der Grundsatz, dass die Ehefrau durch
den Abschluss der Ehe das Heimatrecht ihres Ehemannes erwerbe, ist
nicht erst in Art. 54
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 54 Auswärtige Angelegenheiten - 1 Die auswärtigen Angelegenheiten sind Sache des Bundes.
1    Die auswärtigen Angelegenheiten sind Sache des Bundes.
2    Der Bund setzt sich ein für die Wahrung der Unabhängigkeit der Schweiz und für ihre Wohlfahrt; er trägt namentlich bei zur Linderung von Not und Armut in der Welt, zur Achtung der Menschenrechte und zur Förderung der Demokratie, zu einem friedlichen Zusammenleben der Völker sowie zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen.
3    Er nimmt Rücksicht auf die Zuständigkeiten der Kantone und wahrt ihre Interessen.
der BV vom 29. Mai 1874 aufgestellt worden,
sondern schon im Tagsatzungsbeschlusse vom 5. Juli 1808 enthalten
(Repertorium der eidgen. Abschiede 1803 1813, S. 212). In der Praxis
ist damit stets die Meinung verbunden worden, dass die Ehefrau zugleich
ihr bisheriges Bürgerrecht verliere (vergl. ®. Stoll,Der Verlust des
Schweizerbürgerrechts, S. 59; Ullmer, II S. 815) Indessen ist der Verlust
des bisherigen Bürgerrechts offenbar nur als Korrelat zum Erwerb des neuen
Bürgerrechts aufzufassen es sollen die Folgen eines Doppelburgerrechts
vermieden werden-, derart, dass dawo der Erwerb des neuen Bürgerrechts
nicht eintritt, auch das bisherige Bürgerrecht der Ehefrau nicht verloren
geht. Durch die Ehe mit einem Heimatlosen geht daher die schweizerische
Ehefrau des Schweizerbürgerrechts nicht verlustig (so auch Sieber, Das
Staatsbiirgerrecht Bd. l S. 443, Burkhardt, Kommentar zur BV, S. 552,
zweitletzter Absatz; Rief er, Schweizerbürgerrecht, S. 139, zu Anm. 2;
Ullmer, [Nr 508 S. 439; AS 17 S 39 und 23 S 1390).

Hat die J K. Biland trotz der Verehelichung mit einem Heimatlosen
ihr luzernisches Bürgerrecht behalten, so fragt es sich weiter, ob
ihre ehelichen Kinder in staatsrechtlicher Beziehung dem Status des
heimatloseu Vaters oder demjenigen der Mutter folgen. Art. 12 des
BG betreffend die Heimatlosigkeit stellt die Regel auf, dass Kinder
aus gultigen Ehen dem Kantone angehören, in welchem der Vater ein
Kantonsoder Gemeindebürgerrecht hatte, und dass aussereheliche Kinder
dem Burgerrechte der Mutter folgen. Den Fall, dass der eheliche Vater
überhaupt kein Burgerrecht besitzt,

532 A. Entscheidungen des Bundesgerichts als oberster
Zivilgerichtsinstanz.

trifft diese Regel nach ihrem Wortlaute nicht. Es kann daher daraus auch
nicht etwa geschlossen werden, dass die Kinder eines heimatlosen Vaters
trotz des Bürgerrechts der Mutter ebenfalls heimatlos seien. Ebensowenig
enthält die quernische Gesetzgebung eine solche Bestimmung Ein
derartiger Schluss würde aber auch sachlich nicht gerechtfertigt
sein. Einmal würden die ehelichen Kinder der mit einem Heimatlosen
verehelichten Schtveizerbürgerin staaasrechtlich ungünstiger gestellt,
als ausserehelich mit ihm erzeugte, ein Rechtszustand der vom Gesetze
gewiss nicht gewollt ist und in Ermangelung einer ausdrücklichen
Gesetzesbestimmung auch nicht im Wege der Interpretation herbeigeführt
werden darf. Dass In einem solchen Falle die ehelichen Kinder dem
Status der Mutter folgen, ist nun sowohl in der schweizerischen
und in der ausländischen Staatsrechtsliteratur (vergl. Blumer-Morel,
Handbuch des schweiz. Bundesstaatsrechts, Bd. II S. 232 Ziff. i; Stoll,
Schweizerbürgerrecht, S. 69; A. Weiss, Droit international privé, Bd. I
S. 55), als auch insbesondere in der bundesgerichtlichen Praxis stets
anerkannt worden (vergl. Ullmer, I Nr. 508 S. 439 f. und Nr. 517 S. 443
f.; AS5 S. 82; ? S. 97 Erw. 4; 17 S. 99 Erw. 1; 23 S. 1393 Erw. 3). Es
besteht kein Anlass, von dieser ständigen Gerichtspraris die in der oben
angegebenen sachlichen Erwägung und in der Ubereinstimruung mit der
Doktrin eine Stütze findet, abzugeben Darnach sind aber die Personen,
deren Einbürgerung heute streitig ist, vom Kanton Luzern als seine
Bürger anzuerkennen, so dass es einer eigentlichen Einbürgerung gar
nicht mehr Bed-arf.

5. Aber selbst wenn angenommen würde, dass Pietro Felice Pasquale
das Kantonsbürgerrecht seiner Mutter Josefine Katherine Biland nicht
erworben hatte, so müsste er mit seiner Familie doch dem Kanton
Luzern zur Einbürgerung zugeschieden werden, und zwar selbst dann,
wenn die Josefine Katherine Biland durch die Verheiratung mit einem
Heimatlosen ihr Bürgerrecht verloren hätte. Sie wäre alsdann eine
geduldete Heimatlofe des Kantons Luzern gewesen und es würde die
Abstammung von ihr den Einbürgerungsgrund des Art. 12 Ziff. Z des BG
erstellen. Dieser Einbürgerungsgrund ist als gewichtiger anzusehen,
als die für die Einbürgerung in den Kanton Appenzell J.-Rh. geltend
gemachten H. Heimatlosigkeit. N° 68. 533

Momente. Nach dem Wortlaute des BG ist im Falle des Art.12 Biff. 3
überhaupt nur auf die Angehörigkeit der Eltern der einzubürgernden
Person hier also aus die Angehörigkeit der Mutter des einzubürgernden
Pietro Felice Pasquale abzustellen und nicht aus die Verhältnisse des
entfernteren Aszendenten zurückzugehen (vergl. auch AS 30 [I S. 11); die
Verhältnisse der Barbara Schefer Appenzellensis können daher unter diesem
Gesichtspunkte nicht gewürdigt werben. Was im weitern aber die angebliche
Verfehlung gegen konkordatsmässige Bestimmungen über die Kopulation
und die angeblichen Verfehlungen gegen die Fremdenpolizei betrifft,
so können solche dem Kanton Appetizell J.-Rh. nicht als Gründe für die
Einbürgerung entgegengehalten werden, weil es damals fremdenpolizeiliche
Vorschriften noch nicht gab und dieser Kenton dem Konkordat nur unter der
ausdrücklichen Verwahrung, dass er seinen Heimatlosen nicht förmliche
LandUnd heimatliche Rechte angedeihen lassen werde, beigetreten ist
(vergl. S nell, Handbuch des schweiz. Staatsrechts, 1839, Bd. I S. 238);
übrigens ist das Konkordat auch erst später, am 3. August 1819, in
Kraft getreten.

Die Einbürgerung des Pietro Felice Pasquale in den Kanton Luzern zieht
diejenige seiner Ehefrau und seiner ehelichen Kinder ohne weiteres
nach sich.

6. Bei dieser Rechtslage fehlt auch für den Entschädigungsanspruch des
Kantons Luzern jede Grundlage Die Zusprache einer Entschädigung ist ohne
weiteres ausgeschlossen, wenn ein derivativer Erwerb angenommen wird. Sie
wäre aber bei den vorliegenden Umständen auch nicht statthaft, wenn
auf den originären Erwerbsgrund abgestellt würde, da die Regierung des
Kantons Luzern nicht in der Lage war, bestimmte Tatsachen darzutun, welche
gegenüber dem Kauton Appenzell J.-Rh. einen Einbürgerung-sgrund darstellen
und, etwa als Ersatz der Einbürgerung, eine öffentlich-rechtliche
Schadenersatzpflicht begründen könnten, und da sich derartige Tatsachen
auch nicht aus den Akten ergeben. Es braucht daher auch nicht geprüft zu
werden, ob die Bezeichnung Appenzellensem" im pfarramtlichen Zeugnis vom
18. Juli 1816 aus den Ort Appenzell zu beziehen sei und nicht etwa den
Kanton Appenzell A.-Rh. betreffe. Der Schadenersatzklage stünde im weitern

534 A. Entscheidungen des Bundesgerichts als oberster
Zivilgerichtsinstanz.

entgegen, dass irgend ein Anhaltspunkt, dass für den Kenton Luzern aus
der Einbürgerung wirklich Schaden erwachsen werde, nicht gegeben ist, '

erkannt:

1. Die Klage des Bundesrates gegenüber dem Kenton Luzern wird
gutgeheissen, und es werden demgemäss Pietro Felice Pasquale und seine
im Klagebegehren bezeichneten Familienangehörigen dem Kenton Luzern
als Bürger zugeschieden, mit der Verpflichtung des Kantons Luzern,
ihnen ein Gemeindebürgerrecht auszumitteln.

2. Die Klage des Bundesrates gegenüber dem Kanton Appetizell J.-Rh. wird
damit gegenstandslos und es wird darauf nicht mehr eingetreten.

Z. Die Entschädigungsklage des Kantons Luzern gegenüber dem Kenton
Appenzell ff.-Nh. wird abgewiesen.

III. Zivilstand und. Ehe.Etat civil et mariage.

69. Arrét du 28 décembre 1909, dans la cause Girard Dehanne, dès. ex rec.,
contre Girard, dem. et int.

Demande en divorce renouvelée conformément à l'art. 47 LF su11e mariage :
En prononcant sur cette demande u librement d'après sa convictien , le
juge doit prendre en consideration aussi les faits à la base du premier
preces. Demande écartée, le. faute preponderante, en ce qui concerne
l'atteinte au lien conjugal, devant etre attribuée au demandeur.

Les époux Emile Girard, employé de banque, de Versoix, né le 14 décembre
1861, et Henriette Emma Dehanne, de Plainpasilais, domiciliée à, Pregny,
née à. Genève le 23 janvier 1863, ont été unis par le mariage à Preguy,
le 9 aoùt 1888. Aucun enfant n'est issu de cette union.

En 1907 sieur Girard forma contre sa femme une demande en diverse,
fondée sur ce que le lien conjugal est profondément atteint et sur ce
que la continuation de la vie commune est incompatible avec la nature
du mariage (art. 47 LF de 1874IH. Zivilstand und Ehe. N° 69. 535

sur l'état civil et le mariage). Dame Girard s'est opposée an diverse;
elle alléguait que jusqu'en 1907 les époux viveient encore ensemble,
que rien d'irréparable ne s'est produit entre eux, et que si une atteinte
a été portée an lien con-

.jugal, la kaute en est an sieur Girard lui-meme, qui ne peut,

suivant la jurisprudence constant-e commentant l'art. 47 susvisé,
s'en prevaloir pour motiver une demande en divorce. Par jugement du 4
février 1908, le Tribunal de première instance de Genève a prononcé la
séparation de corps pour un an entre les épcux Girard-Dehanne, a débouté
les parties de toutes autres en contraires conclusions, et compensé les
dépens. Déjà auparavant, il avait été accordé à dame Girard, pendant la
durée du procès, une pension alimentaire de 100 fr. et un logement. .
Ce jugement se fonde, en substance, sur les motifs su1vants : Ensuite de
dissentiments nes entre les époux dès les premiere temps dn mariage,
le lien conjugal est profondement atteint; depuis longtemps sieur
Girard prend ses repas chez ses parents et depuis le décès de son pere,
en 1906, il vit complètemeut séparé de sa femme. Dame Girard cherche à
faire peser sur son mari la faute d'un pareil état cle choses. Eile n'a,
toutefois, pas établi l'existence, à la charge de celui ci, des sévices
et injures graves prévus par la loi federale. Le motif d'adultère n'est
pas davantage etabli. Le fait que lors du déces de sen pere sieur Girard
& volontairement omis dans les annonces mortuaires le nom de sa femme,
s'explique par la circonstance que dame Girard avait vécu en mauvaise
intelligence avec son beau-pere. Si sienr Girard & épousé les griefs
que sa mere paraissait avoir contre sa femme, il est non moins certain
que dame Girard a, par son caractere froxd, hautain et réservé, éloigné
son mari du domicile coujugal. Le tribuna,] attribue la rupture du lien
conjugal à l'un et à l'autre des époux, à leur incompatibilité d'humeur,
à leur conception differente de la vie conjugale et à, leurs caractères
diesemblables. L'attitude de dame'Girard comme épouse et comme main-esse
de maison d'une part, 13. faiblesse de caractere de sieur Girard,
d'autre part, ont creusé peu à peu l'abime que
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Dokument : 35 II 525
Datum : 11. Januar 1909
Publiziert : 31. Dezember 1909
Quelle : Bundesgericht
Status : 35 II 525
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : ZIVILRECHTSPFLEGE ADMINISTRATION DE LA JUSTICE CIVILE 4+- A. Entseheidungen des


Gesetzesregister
BV: 54
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 54 Auswärtige Angelegenheiten - 1 Die auswärtigen Angelegenheiten sind Sache des Bundes.
1    Die auswärtigen Angelegenheiten sind Sache des Bundes.
2    Der Bund setzt sich ein für die Wahrung der Unabhängigkeit der Schweiz und für ihre Wohlfahrt; er trägt namentlich bei zur Linderung von Not und Armut in der Welt, zur Achtung der Menschenrechte und zur Förderung der Demokratie, zu einem friedlichen Zusammenleben der Völker sowie zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen.
3    Er nimmt Rücksicht auf die Zuständigkeiten der Kantone und wahrt ihre Interessen.
OG: 55  56
VG: 11 
SR 170.32 Bundesgesetz vom 14. März 1958 über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner Behördemitglieder und Beamten (Verantwortlichkeitsgesetz, VG) - Verantwortlichkeitsgesetz
VG Art. 11
1    Soweit der Bund als Subjekt des Zivilrechts auftritt, haftet er nach dessen Bestimmungen.
2    Auch in diesen Fällen steht dem Geschädigten kein Anspruch gegenüber dem fehlbaren Beamten zu.
3    Der Rückgriff des Bundes richtet sich nach den Artikeln 7 und 9.
12
SR 170.32 Bundesgesetz vom 14. März 1958 über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner Behördemitglieder und Beamten (Verantwortlichkeitsgesetz, VG) - Verantwortlichkeitsgesetz
VG Art. 12 - Die Rechtmässigkeit formell rechtskräftiger Verfügungen, Entscheide und Urteile kann nicht in einem Verantwortlichkeitsverfahren überprüft werden.
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
ehe • bundesgericht • bundesrat • mutter • familie • frage • gewicht • vater • vorfahre • nachkomme • derivativer erwerb • weiler • gemeinde • zivilstand • ungarn • schweizer bürgerrecht • aussereheliches kind • verfassungsrecht • kind • ehegatte
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