404 A. Entscheidungen des Bundesgerichts als oberster*Zivilgerichtsinstanz

cours de la litispendance. Il suit de là que le fait de la sépa'ration ne
saurait etre considéré comme impliquant la preuve d'une atteinte profonde
au lien conjugal. Les instances cantonales ont admis, à la suite des
dépositions de la tante et de la soeur du défendeur, que la demanderesse
s'est plainte de ce que son mari toussait continuellement pendant la
nuit, et & déclaré qu'elle ne l'aurait pas épousé, si elle avait connu
sen état de maladie. Il est permis de conclure de la que le vrai motif
de la demande en divorce ne re'siderait pas dans des injures graves, pas
plus que dans une atteinte portée au lien conjugal, mais devrait bien
plutòt etre attribué au dépit ressenti par la demanderesse à la suite
de l'état de maladie de son mari, et des désagréments que cette maladie
entraimit pour la femme. S'il en était ainsi, l'on devrait }; voir la
preuve de l'absence de vrais sentiments conjugaux chez la demanderesse
elle "meine. Rien ne démontre, en outre, que sieur Veggia ait fait a sa
femme de fausses déclaraticns relativement a son état de santé, ou qu'il
ait cherche, d'une maniere générale, a la tromper à... cet égard, ce que
cette dernière n'a d'ailleurs pas méme aiiégué. De plus il n'existe dans
les actes de la cause aucune constatation concernant la nassture et la
gravité de la maladie du défendeur. Il convient enfin d'insister sur
le fait, établi par les pièces du dossier, que le defeudeur percevait
régulièrement un salaire élevé, suffisant pour couvrir les dépenses d'un
ménage modeste. A ce point de vue encore, aucun obstacle, en dehors de
la belle mère, ne s'opposerait a la reprise de la vie commune.

6. Il suit de tout ce qui précède que les conditions posées par le
droit suisse pour le prcnoncé du diverse ssn'existent pas en l'espèce,
et qu'il est dès lors superfiu d'exa'miner la question au regard de la
disposition de l'art. 231 CC francais. Il résulte du reste également
des considérations ci-dessus que les conditions pour l'application de
ce dernier article font également défaut dans le cas actuel, attendu que
les pièces du dossier et les constatations des instances can'tonales ne
rapportent point la preuve d'excès, de sévices ou d'injures graves dont
le défendeur se serait rendu coupablell. Haftpflicht für den Eisenbahn-,
Dampfschiffund Postbetrieb. N° 52. 405

'VIS à-VÎS de son conjoint, et qui suffiraient a autoriser la
de-:manderesse à s'opposer ä. la continuation du mariage.

Par ces motifs,

Le Tribunal fédéral pronunce : '

Le recours est rejeté, et l'an-et rendu entre parties par la Cour de
Justice civile de Genève en date du 21 mai 1909 est maintenu tant au
food que sur les depens.

II. Haftpflicht der Eisenbahnund Dampfschifl'ahrtsunternehmungen und. der
Post. ...Responsabflité des entreprises de chemins de fer

et de bateaux a vapeur et des postes.

52. garten vom 10. Heptember 1909 in Sachen Berner Ylpensahugeseilschaft
Z;ern-;fötxdjbergéîimpson, JAHBekl. u. Ber.-Kl., gegen Dazzatiui,
Kl. u. Ber.-Bekl.

,Big Haftung einer Eisenbahnucternehmung fieUnfälle bei Bahnbauarbeiten
ist nicht beschränkt auf Bauarbeiten. mit denen die be- sondere Gefahr
des Eisenbahnòetrz'ebes serbunden ist (A rt. 1 EHG). Stellzmg des
Berufzmgsricèteî's zur kantonalen Beweiswürdigng (medizinisches
Expertefl-gumcfzten): Art. 81 OG. Enischädiguugsanspruch nach
Art. 3 EHG bei vollständiger Erbh'ndung: Beein- trächtigung der
Erwerbsfähégkeit(Bemessung des Schadens unter Bereicksichtigung
einer eomessehòasiren zukünftigen Einkommensteigem-ng). Kosten für
Was-temng und Pflege. Verstümmelung oder Enîsfellung, durch welche
das Fortkomman erschwert wird. Verhdîlmssis dieses èetztez'en zu
den liess-TM vorgenannten Schadensfakiorc-n. Auch, deäei handeèt es
sich nur um ökonomischen Schaden. K apical-oderRenteaentschddégung?
Sicherstellung der Entschädigung.

Das Bundesgericht hat, Lda sich ergibt: A. Mit Urteil vom il. April 1909
hat der Appellationsund Kassationshof des Kantons Bern erkannt:

406 A. Entscheidungen des Bundesgerichts als oberster
Zivilgerichtsinstanz.

Die Beklagte ist dem Kläger gegenüber verurteilt:

a) Zur Zahlung eines Betrages von 1222 Fr. 90 Cis-. nebst "Sins zu HOXO
seit 18. November 1907.

b) Zur-' Zahlung einer jährlichen Rente von 1300 Fr jeweilen zum voraus
zahlbar vom 18. November 1908 an; dieBeklagte hat diese Rentenzahlung
in gehöriger Weise sicher zu stellen.

c) Zu % sämtlicher Kosten des Klägers, bestimmt aus 820 Fr."

B. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte rechtzeitig die Verufung an das
Bundesgericht ergriffen, mit dem Antrage:

1. Das genannte Urteil sei aufzuheben.

2. Die Entschädigungsbegehren des Massimo Lazzarini, vorgenennt, seien
vollständig abzuweisen; eventuell: die der Bemer- Alpenbahngesellschaft
auferlegten Leistungen seien angemessen herabzusetzen.3. Sämtliche Kosten
seien dem Massimo Lazzarini, vorgenanut, aufzuerlegen.

C. _ Der Kläger hat innert gesetzlicher Frist die Anschlussberusung
erklärt, mit dem Begehren, in Abändeng des obergerichtlichen Urteils
sei die Entschädigung für Pflege und Begleitung zu erhöhen, die
Entschädigung nur zum kleinern Teile in Renten und zum grössern Teile
in Kapital auszurichten und die Arbeitsunfähigkeit des Klägers auf 10
{',/z zu tarieren

D. In der mündlichen Verhandlung haben beide Parteien die vorstehenden
Anträge wiederholt, der Vertreter des Klägers unter Weglassung des
Begehrens betreffend die Ausrichtung einer grössern Entschädigung in
Kapital statt in Renten, von der Erwägung ausgehend, dass die Festsetzung
der Form der Entschädigung Sache des Richters sei. Die Beklagte beantragt
ferner die Abweisung der Anschlussberufungz --

in Erwägung:

1. Die Beklagte ist die Inhaberin der Konzession der Normalspurbahn von
Frutigen durch den Lötschberg nach Brig. Die Ausführung des Baues dieser
Bahn ist von ihr einer Kollektivgesellschaft, der Entrepr'ise générale
des travaux du chemin de fer des Alpes Bernoises, Allard, Chagnaud,
Goiseau, Cou-

vreux, Dollfus, Duparchy et Wiriot", Übertragen
worden. Diese-,l. Haftpflicht für den Eisenbahn-, Dampfschiffund
Postbeirieb. N° 52. 407

Unternehmung hat den Kläger Massimo Lazzarini am 24. Juli 1907 für
Bauarbeiten angestellt Nun ist der Kläger am 18. November 1907, als er mit
einer Gruppe ihm unterstellter Arbeiter am Dienstgeleise bei Kandersteg
mit Krampen beschäftigt war, verunglückt, indem er durch einen Schlag
mit dem Pickel vermutlick) eine Dynamitpatrone oder den Rest einer
solchen traf und eine Erplosion verursachte Er verlor durch den Unfall
das Augenlicht und erlitt ausserdem Verletzungen an Stirn und Nase, auch
wurde ihm der Mittelfinger der rechten Hand halb weggerissen. Dass den
Verunglückten ein Verschulden am Unfall treffe, behauptet die Beklagte
nicht. Entsprechend dem beschränkten Umfange der Abänderungsanträge der
Anschlussberufung hat der Kläger in der heutigen Verhandlung auch den
Vorwurf, dass die Beklagte ein Verschulden treffe und ihm deshalb eine
Entschädigung nach Art. 8 EHG zuzusprechen sei, fallen gelassen.

2. Zn erster Linie ist nun streitig, ob die Beklagte passiv legitimiert
sei. Zur Begründung ihrer Bestreitung der Passivlegitimation verweist
sie, statt eigener Ausführungen, auf die Erörte- rungen Scherrers in
der Schweiz. Juristenzeitung vom 1. April 1909, S. 309 ff. Scherrer
vertritt die Auffassung, dass Bahnbauunfälle der Eisenbahnhaftpflicht
nur unterstellt seien, wenn sie mit der besonderen Gefahr des
Eisenbahnbetriebes verbunden find. Er macht geltend, dass der Wortlaut
des Gesetzes in dieser Frage neutral sei, dass es aber gegen die
Logik des Gesetzes verstosse, wenn einem Arbeiter, der an der Bahn
bei einer Arbeit, mit der die besondere Gefahr des Eisenbahnbetriebes
nicht verbunden sei, z. B. beim Nieten einer eisernen Brücke oder beim
Auswechseln von Schienennägeln, verunglücke, ein ganz verschiedener
Hastpflichtauspruch zustehe, je nachdem diese ganz gleiche Arbeit als
Hilfsarbeit beim Betrieb oder als Arbeit beim Bahnbau erscheine Es
sei auch nicht einzusehen, warum die Bahngesellschast, die sich ihre
Bahnanlage durch einen Unternehmer bauen lasse, in gleicher Weise,
wie der Unternehmer, und neben ihm, haften solle, wenn ein Arbeiter des
letztern von einem Unsalle betroffen werde; der Bauherr, der sich ein
Haus bauen lasse, hafte ja ebenfalls nicht neben dem Bauunternehmer.
Bauunternehmer und Bahugesellschaft stünden eben zum dienstvertraglich
verpflichteten Arbeiter des Bauunternehmers in einem völlig

408 A. Entscheidungen des Bundesgerichîs als
oberster_Zivilgeriehtsinstanz.

verschiedenartigen Verhältnis; das Verhältnis des Arbeitgebers zum:
Arbeiter aber bilde die Grundlage der Haftpflicht Der Grundsatz der
Haftpflicht: Unbeschränkte Kaufalhaftung beim Vorhandensein der besonderen
Gefahr verbiete die Anwendung der Kausalhaftung auf einen Tatbestand-,
in welchem die betreffende besondere Gefahrnicht gegeben sei.

Hier ist folgendes zu bemerken: Massgebend für die Feststellung des
objektiven Rechts ist der Gesetzestext; er bildet den Gegenstand
der Auslegung Der Gesetzestext ist nun aber in der vorliegenden
Frage keineswegs neutral. Art. 1 EHG vom 28. März 1905 bestimmt:
Wenn beim Bau oder Betrieb einer Eisenbahn oder· bei Hülfsarbeitem
mit denen die besondere Gefahr des Eisenbahnbetriebes verbunden isf,
ein Mensch getötet oder körperlich verletzt wird, so haftet der Inhaber
der Eisenbahnunternehmung für den Schaden.. Der Relativfatz mit denen
die besondere Gefahr des Eisenbahnbetriebes verbunden ist bezieht sich
grammatisch und logisch einzig und allein auf die Hülfsarbeiten"; die
Beziehung des Relativfatzes auf die Worte beim Bau und Betrieb

verbietet sich schon deshalb, weil die Verbindung mit dem Worte-

"Betrieb (Beim Betrieb einer Eisenbahn, mit dem die besondere Gefahr
des Eisenbahnbetriebes verbunden ist-) unhaltbar wäre. Der Inhaber
der Eisenbahnunternehmuug, d. I). die konzessionierte Vahngesellschaft
(bergl. dazu die Botschaft des Bundesrates zum

@@@: BBI 1901 S. 694 f., und das Amtliche stenographische-

Bulletin der Bundesversammlung 1902 S. 382 unten und S. 389;

1903 S. 378 f.), haftet somit, nach dem Wortlaute des Gesetzes-

für Bahnbauunfälle, auch wenn mit den betreffenden Bauarbeiten

die besondere Gefahr des Eisenbahnbetriebes nicht verbunden ist..

Das ist nun gewiss etwas besonderes gegenüber der Gewerbehastpflicht,
und es kann sich fragen, ob die Aufstellung einer doppelten und ungleichen
Haftpflicht nicht mit den Anforderungen, die an die juristische Konsequenz
eines Gesetzes zu stellen sind, in Widerspruch stehe. Aber darüber kann
im Ernste ein Zweifel nicht bestehen, dass die Eisenbahnhaftpfiicht
des konzessionierten Inhabers der Eisenbahn für Bauunfälle sich aus
Art. 1 EHG klar ergibt und vom Gesetzgeber als eine besondere Last der
Bahngesellschaften

gewollt ist, die u. a. in der präsumtiv-en Leistungsfähigkeit
denll. Haftpflicht für den Eisenbahn-, Dampfschiffund Postbetx'ieb. N°
52. 409

meisten Bahnunternehmuugen ihre Rechtfertigung finden foll. Bei dieser
Sachlage hat sich der Richter an diese Bestimmung, so wie sie lautet, zu
halten, auch wenn sich dabei, im Verhältnis zumübrigen Haftpflichtrecht,
juristische Inkonsequenzen ergeben sollten.

3. Nach am. 3 EHG gibt Körperverletzung dem Verletzten Anspruch
auf Entschädigung für die Nachteile gänzlicher oder teilweiser
Arbeitsunfähigkeit

In Bezug auf die Arbeitsunfähigkeit nimmt das ärztliche Gutachten an, dass
der Verungliickte in Folge des Unfalles noch während eines Jahres gänzlich
arbeitsunfähig sein und dass nachher die Arbeitsunfähigkeit dauernd 950Jo
betragen werde. Der Appellationsund Kassationshof des Kantons Bern erklärt
hier, dass von diesem Gutachten nicht wohl abgewichen werden könne, da man
sonst ins Gebiet des Arbiträren gelangen würde (AS 24 II S. 40). DerKläger
beantragt die Erhöhung der Taxation der Arbeitsunfähigkeit von 95 00
auf 100 0/0, weil in der gerichtlichen Praxis bei Erblindung allgemein
vollständige Arbeitsunfähigkeit angenommen merde, wie dies denn auch der
eine der beteiligten Experten in einem andern, noch pendenten Prozesse
getan'habe. In rechtlicher Hinsicht ist entscheidend, dass es nach
Art. 81 OG nicht Auf-- gabe des Bundesgerichts als Berufungsinstanz
ist, die Beweiskraft gerichtlicher Expertengutachten zu über-prüfen Das
Bundesgericht hat als Berufungsinstanz vielmehr die von der kantonalen
Instanz auf Grund der Beweiswürdigung festgestellten Tatsachen auch
seinem Urteile zu Grunde zu legen, sofern die betreffende Feststellung
der Tatsachen keine Aktenwidrigkeit in sich schliesst und nicht auf einer
bundesrechtswidrigen Würdigung des Beweisergebnisses beruht. Von einer
Aktenwidrigkeit kann nun im vorliegenden Falle keine Rede sein. Aber
auch eine Verletzung des Bundesrechts ist nicht ersichtlich, wie denn
auch der Kläger nicht etwa behauptet, dass von den Experten oder von
der kantonalen Instanz der Grundsatz der freien Beweiswürdigung oder
der Begriff der Arbeitsunfähigkeit im Sinne des EHG verkannt worden
sei. Handelt es sich aber bei der Frage, ob die Arbeitsunfähigkeit im
vorliegenden Falle auf 95 00 oderauf 100 0/0 zu tarieren sei, nur um
eine Tatfrage, so ist die Berufungsinftanz an die kantonale Feststellung,
welche den Anforderungen des Art. 81 OG entspricht, gebunden.

410 A. Entscheidungen des Bundesgerichts als oberster
Zivilgerichtsinstanz.

'a rli en Arbeitsverdienst hat die kantonale Instanz auf
dusschnilttkbichchiöoo Fr. gewertets Sie geht bei ihrer Berechnung davon
aus, dass der Kläger zur Zeit des Unfalles bei zehnstundiger Arbeitszeit
einen Tagelohn von 4 Fr: 80.Ctsv. und Lin Forhergehenden Sommer bei
elfstündiger Arbeitszeit einen Lage ohn von 5 Fr. ZO Ets. bezog, somit
durchschnittlich o Fr. 5 Eis per Tag verdiente, und dass die Arbeitszeit
im Berufe des Klagers, laut einem Expertengutachten, jährlich 260 270
Tage betrage,llsi; berücksichtigt ferner, dass der Kläger, trotzdem
er z. Z. des Unqu eerst 20 Jahre alt war, schon vorübergehend den
Posten eine-) orarbeiters bekleidete, dass solche Vorarbeiter laut dem
eingeholten (Hx; pertengutachten täglich 6 Fr. bis 6 Fr 00 Cts: verdienen
m; dass deshalb für den Kläger die Aussichten auf eine entsprechene
Lohnerhöhung in absehbarer Zeit günstige-gewesen seien. Weiterhnx hat die
kantonale Instanz in ihren Erwagungenjaber auch nich ausser Acht gelassen,
dass sich die Arbeitskraft des Lilagers im Alter wieder vermindert hätte,
weshalb sie den voraiissichtlichen Durchschnittstagesverdienst auf etwas
weniger als 6 {gr. ansetzte.Lw jDie Lohnansätze und die Arbeitszeit,
welche von der kantonalen Jus anz der Schadensberechnung zu Grunde
gelegt worden find,P beruhen auf tatsächlichen Feststellungen, welche
die kantonale Junstanz auf Grund der Akten vorgenommen hat und welche
daher fur die Berufungsinstanz verbindlich find. Auch den Umstand,
dass furEiTen Kläger ziemlich sichere Aussicht auf baldige Steigerung
des us kommens bestand, hat die kantonale Instanz, entsprechend der
heissherigen Gerichtspraxis (vergl. AS 24 II S. 150; 29 II S.?EZ ): mit
Recht berücksichtigt. Handelt es sich auch darumzden ö ergo: mischen Wert
der Arbeitsfähigkeit zur Zeit des Unsalles zu e: stimmen, so kommt dieser
Wert in dem zu. dieser Zeit vom Vernnglückten bezogenen Lohn dann nicht in
richtiger und erschöpfender Weise zum Ausdruck, wenn nach dem naturlichen
tGang der Dinge der Verunglückte in naher Zukunft für die gleiche
Arbeit oder für eine andere Arbeit, zu deren künftiger Verrichntung er
fdie Fähigkeiten schon zur Zeit des Unfalles besass, ein hoheres Eins
kommen bezogen haben wurde. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden
Falle erfüllt, da der Verunglückte trotz seines jugendlichen Alters die
Stelle eines Vorarbeiters, wenn auch nur stellvertre-". Haftpflicht für
den Eisenbahn-, Dampsschiffund Pestbetrieh. N° 52. 411

tungsweise und vorübergehehend bekleidet hat. Von diesem Gesichtspunkte
aus ist aber auch in quantitativer Beziehung der Schätzung des
Jahreseinkommens auf 1500 Fr. beizutreten, da alle massgebenden
Verhältnisse dabei in angemessener Weise gewürdigt sind.

4. Neben der Entschädigung für die Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit
gibt Art. 3 EHG dem Verungliickten das Recht auf Ersatz der Kosten. Unter
diesem Gesichtspunkte ist zu würdigen der Umstand, dass der Verunglückte,
laut dem Expertengutachten von Dr. Hegg und Professor Howald, im ersten
Halbjahr ständige Begleitung notwendig haben und später wenigstens
teilweise auf fremde Hülfe angewiesen sein wird, und dass er ungewohnte
Gänge nie wird allein machen können. Die kantonalen Jnstanzen haben
dem Kläger dafür eine Averfalentschädigung von 800 Fr. gutgesprochen
Indessen erscheint dieser Betrag als unzureichend; denn wenn die Kosten
der Wartung und Pflege-, den Verhältnissen entsprechend, zu 3 Fr. per
Tag angesetzt werden, so würde ja ein Betrag von rund 500 Fr. schon im
ersten Halbjahre aufgebraucht, sodass der Kostenersatz für die spätere
Zeit offenbar zu gering wäre. Sind auch die Kosten der Wartung und
Pflege im zweiten Halbjahr geringer anzuschlagen als im ersten Halbjahr,
weil anzunehmen ist, dass der Verungliickte sein Tastgefühl bis dahin
so ausgebildet haben werde, dass er teilweise sich selbst zurechtfinden
fami, so entspricht doch eine Erhöhung der Gesamtentschädigung auf rund
1000 Fr. den Verhältnissen besser. Der Kläger macht nun freilich geltend,
dass überhaupt nicht feststehe, ob er ein zur Orientierung ausreichende-s
Taftgefühl besitze, und dass daher bei der Bemessung der Entschädigung
auch der Fall des dauernden Fehlens des Orientierungsvermögens ins
Auge gefasst und entsprechend berücksichtigt werden müsse. Die Annahme
der kantonalen Instanz, auf wie lange Zeit eine besondere Begleitung
nötig sein merde, stützt sich indessen auf das ärztliche Gutachten, ist
somit nicht aktenwidrig und daher nach am. 81 OG für die eidgenössische
Berufungsinstanz verbindlich.

5. Im weitern beansprucht der Kläger die in Art. 3 EHG vorgesehene
Entschädigung wegen Verstümmelung oder Entstellung, durch welche das
Fortkommendes Verletzten erschwert wird. Der Kläger begründet die
Erschwerung des Fortkommens damit, dass es

AS 35 n _ 1909 es

412 A. Entscheidungen des Bundesgerichts als oberster Zivilgerichtsmstanz.

ihm infolge der Erblindung unmöglich sein werde, einen eigenen Haushalt
zu führen, und dass er auch von einer Verheiratung werde absehen
müssen. Die kantonale Instanz hat den Anspruch abgewiesen; weil
ein solcher Entschädigungsanspruch grundsatzlich nur dann bestehe,
wenn die Entstellung oder Verstümmelung als solche die wichtigste
Folge des Unfalles bilde, während .derdadurch verursachte Grad der
Arbeitsunfähigkeit das Nebensachliche sei. Dieser Auffassung kann
jedoch nicht beigepflichtet werden. Nicht jede Entstellung oder
Verstümmeluug, welche das Fortkommen des Verletzten erschwert,
beeinträchtigt auch dessen Arbeitsfähigkeit; die Bestimmung, dass
auch wegen Verstümmelung oder Entstellung, welche das Fortkommen
erschwere, Schadenersatz zu leisten·sei, geht daher, wenigstens in
gewisser Richtung, weiter als die Bestimmung über den Ersatz wegen
Beschränkung der Arbeitsfähigkeit Die beiden Bestimmungen bestehen deshalb
nebeneinander und nmüssen gegebenenfalls auch nebeneinander angewendet
werden. Fune eine Beschränkung des Anwendungsgebietes der Bestimmung
aber die Schadenersatzpflicht wegen Entstellung im Sinne der Auffassung
des angefochtenen Urteils besteht im Gesetze kein Anhaltspunkt. Dagegen
kann selbstverständlich der gleiche Schaden, der auf Grund der einen
Bestimmung gedeckt wird, nicht auch noch auf Grund der andern Bestimmung
geltend gemacht werden: soweit die Crschwerung des Fortkommens gerade
in der Beeinträchtigung-der Arbeitsfähigkeit ihren Grund hat, erschöpft
sich daher die-Ersatzpslicht in der Entschädigung für die Nachteile
der Arbeitsunfahigkeit

Fragt es sich, ob im vorliegenden Falle eine Erschwerung des Fortkommens
bestehe, welche durch den Ersatz der Kosten und durch die Entschädigung
für die Folgen der Arbeitsunfähigkeit nicht gedeckt werde, so ist
folgendes zu bemerken: Beweispflichtig fur-das Vorliegen solcher Nachteile
ist der Kläger, welcher darauf seinen Entschädigungsanspruch stützt. Nun
hat der Kläger aber-in keiner Weise dargetan, dass für ihn, nach seinen
Verhaltnissen und seiner Lebensweise, die Führung eines eigenen Haushaltes
gegenüber der Verpflegung in fremdem Haushalte früher oder spater einmal
eine Ersparnis bedeutet hätte; die Vorteile ideeller Natur, welche der
Besitz eines eigenen Herdes bietet, können aber im Rahmen des Art. 3 CDG,
der nur ökonomische Nachteile betrifft,Il. Haftpflicht für den Eisenbahn-,
Dampfschiffund Post-betrieb N° 52. 413

nicht berücksichtigt werden. In der Verhinderung der Verehelichung kann
für den Mann ein ökonomischer Schaden aber überhaupt nicht gesunden
werden: der Mann übernimmt durch die Verehelichung die Pflicht zur
Bestreitung der Kosten des gemeinsamen Haushaltes, also ökonomische
Lasten, sodass es sich beim Manne gerade umgekehrt verhält als bei der
Frau, welche durch die Ehe das Recht auf Unterhalt erwirbt.

6. Gestützt auf die vorstehenden Erwägungen ergibt sich folgende
Schadenersatzrechnung:

Die Entschädigung wegen der gänzlichen Arbeitsunfähigkeit im ersten Jahre
nach dem Unfall ist auf Grund des vom Verunglückten zur Zeit des Unfalles
bezogenen durchschnittlichen Tagelohnes von 5 Fr. 5 Cis zu berechnen,
da nicht anzunehmen ist, dass die Lohnsteigerung schon {in diesem
Jahre stattgefunden hätte. Bei 270 Arbeitstagen ergibt sich somit ein
Lohnausfall von 1363 Fr. 50 Cts., wovon für die vom Verunglückten während
90 Tagen aus Kosten der Beklagten genossene Spitalverpflegung 1 Fr. per
Tag, somit zusammen 90 Fr. in Abzug zu bringen find. Neben den hiernach
verbleibenden 1273 Fr. 50 Cis. sind dem Kläger die Kosten der Wartung
und Pflege im Betrage von 1000 Fr. gutzusprechen. Da der Kläger aber
unbestrittenermassen 3369 Fr. 50 Cts., also mehr als den Gesamtbetrag
dieser beiden Posten (zusammen 2273 Fr. 50 Età), vorausbezogen hat,
somit rund 1100 Fr. der Beklagten rückzuvergüten hätte, so empfiehlt
es sich, auch einen Teil der auf die folgenden Jahre entfallenden
Entschädigung wegen der Nachteile der Arbeitsunfähigkeit in Form eines
Kapitales auszusetzen, um so dem ZKläger die Berrechnung seiner Schuld
und die Verfügung über einen bescheidenen Barbetrag zu ermöglichen Die
kantonale Instanz hat vom jährlichen Lohnausfall -95 0/0 von 1500 Fr. :
1425 Fr. den Betrag von 1300 Fr. in einer Rente ausgesetzt den Betrag
von 125 Fr. kapitalisiert und demgemäss dem Kläger ein Kapital von
2518 Fr. 90 Cis gutgesprochen. Hier liess der Kläger in der mündlichen
Verhandlung ausführen, dass ihm die Kapitalisierung eines grössern
Betrages wünschenswert erscheine, weil er die Absicht hege, in seiner
Heimat ein Landgütchen anzukaufen, das von seinen Eltern und Geschwistern,
die Bauersleute seien, bebaut würde und woraus er

414 A. Entscheidungen des Bundesgerichts als oberster
Zîvilgerichtsinstanz.

sich den Unterhalt sichern lassen könnte Abgesehen davon, dass es sich
um eine blosse Behauptung handelt, kann nicht angenommen werden, dass die
Erwerbung eines Landgutes eine sichere vaersorgung des Klägers bildete, da
er ja gar nicht in der Lage ware, die Bewirtschaftung und Jnstandhaltung
seines Eigentums zu uberwachen Das Interesse des Klägers, der die
Ausbeutung eines Kapitals in einem gewerblichen oder landwirtschaftlichen
Unternehmen nicht leiten oder überwachen könnte und deshalb der Gefahr
des Verlustes des Kapitals in besonderem Masse ausgesetzt wäre, erfordert
daher gegenteils, dass die Hauptentschädigung in einer Rente ausgesetzt
merde. Die Bestimmung der kantonalen Instanz, wonach mdem Kläger nach
Ablan des ersten Jahres seit dem Unsall eine Jahrliche Rente von 1300
Fr. zu bezahlen ist, erscheint den Verhaltnissen zu entsprechen und
ist daher zu bestätigen. Die erganzende Kapitalentschädigung beträgt
dann 2273 Fr. 50 Cts. + 2518 gr. 90 Cts. = 4792 Fr. 40 Età., abzüglich
den vorbezogenen Betrag von 3369 Fr. 50 Cis sodass dem Kläger noch 1422
Fr. 90 Cis also 200 Fr. mehr als die kantonale Instanz ihm zugesprochen
hat, auszuzahlen sind. '

7. In Bezug aus die Sicherstellung hat die kantonale Jnstanz die Art und
Weise derselben im Urteil nicht naher bestimmt. Die Sicherstellung als
solche aufzuheben, besteht kein Anlass, da die Berufungsklägerin keinerlei
Tatsachen namhaft gemacht hat, welche die Verfügung der kantonalen
Instanz, die den Verhältnissen ja nahe steht, als unangemessen erscheinen
liessen. Fragt es sich, ob auch die Art und Weise der Sicherheitsleistung
im Urteil bestimmt werden solle, so ist zu berücksichtigen, dass es in
erster Linie Sache der Parteien ist, wenn auch nicht im Antrage, so doch
im mündlichen Vortrage bezügliche Vorschläge zu machen, da es doch nicht
Aufgabe des Gerichtes sein kann, zu untersuchen, was in geschäftlicher
Hinsicht die Interessen beider Parteien am besten wahre. Da solche
Vorschläge zur Zeit fehlen, so mag es bei der allgemeinen Verfügung der
kantonalen Instanz sein Bewenden haben, in der Meinung, dass die Parteien,
der Betreibung auf Sicherleistung vorgängig, eine Verständigung suchen
werden; -

erkannt:

Die Berufung wird abgewiesen und die Anschlussberufung in dem Sinne
geschützt, dass die Entschädigung für Wartung undIH. Haftpflicht für
den Fabrikund Gewerbebetrieb. N° 53. 415

Pflege um 200 Fr. erhöht und das Urteil des Appellationsund
Kassationshoses des Kantons Bern vin 1. April 1909 im übrigen bestätigt
wird; es hat demnach die Beklagte dein Kläger zu bezahlen:

a) ein Kapital von 1422 Fr. 90 Cis-. nebst 5% Zinsen seit 18. November
1907;

b) eine jährliche Rente von 1300 Fr., jeweils zum voraus zahlbar,
vom 18. November 1908 an; die Beklagte hat diese Rente gehörig sicher
zu stellen.

III. Haftpflicht für den Fabrikund Gewerbebetrieb. Responsabilité pour
I'exploitation des fabriquel.

53. Arrèt du 8 juillet 1909, dans la cause Trenta-z, dem-. e; rec.,
contre Caretti, de'/. et int.

Nation de l'accident en matière de responsabilibé civile : Accident
et maladie . L'accident présuppose une lésion due à une cause
extérieurs (en opposition aux suites naturelles d'une prédisposition
maladive}. -Constatations de fait iiant le Trib. féd.: art. 81 OJF.

A. Gjacomo-chome Trentaz travaillait le 2 juillet îi907, au matin, comme
mag-on sur le chantier de l'entrepreneur Charles Caretti, à Vallorbe. ll
était occupé à tailler, depuis un échafaudassge, une marche d'escalier
qui dépassait au-dessus d'une ienétre, quand, tout à coup, il poussa
un cri, porta, la main à l'oeil droit ei, se plaignit au camei-ade qui
travaillajt à cöté de lui d'avoir reeu un éciat dans cet Geil. Il se
remit au travail, mais quelques minutes plus tai-d il se plaignit de
nouveau à son camel-ade, lui disasint qu'il souffrait de forte maux de
téte etde violentes nausées. Il quitta. alors le travail. Un charpentier
qu'il rencontra crut voir sous l'oeil droit une teche rouge de ia grosseur
d'une téte d'epingle.

Trentaz consulta le meme jour le docteur Kampmann, à
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Dokument : 35 II 405
Datum : 21. Mai 1909
Publiziert : 31. Dezember 1909
Quelle : Bundesgericht
Status : 35 II 405
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 404 A. Entscheidungen des Bundesgerichts als obersterZivilgerichtsinstanz cours


Gesetzesregister
EHG: 1  3  8
OG: 81
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • ehg • bundesgericht • schaden • tag • weiler • stelle • bezogener • frage • arbeitszeit • unternehmung • haushalt • mann • ersatz der kosten • berechnung • wert • mais • kassationshof • treffen • entscheid
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