216 C. Entscheidungen der Schuldbetreibungs--

eine mit der Generalexekution des Konkurses konkurrierende
Sondervollstreckung einzelner Gläubiger abgesehen von speziellen Aus--
nahmen, wie dem Falle des Art. '199 als unzulässig erklärt wird, indem,
so lange der Konkurszustand dauert, alle Gläubigerdie zwangsweise
Befriedigung ihrer Forderungen im Konkurse selbst suchen müssen. Danach
fällt die genannte Bestimmung ausser Betracht für die Frage, wie es
sich nach dem Schlusse des Konkurses,. wo von einer solchen Konkurrenz
zwischen (General: und Spezialexekution sich nicht mehr sprechen lässt,
mit der Zulässigkeit der letztern verhalte, im besondern also auch,
ob nunmehr die vor derKonkurseröffnung hängig gewesenen Betreibungen
wieder fortgesetztwerden können oder nicht. Für den Fall, wo der Konkurs
im ordentlichen oder summarischen Verfahren durchgeführt wurde, gibt
hierauf Art. 265 SchKG eine verneinende Antwort, indem er die Anhebung
einer neuen Betreibung verlangt Und zudem eine solcheBetreibung nur bei
Vorhandensein neuen Vermögens gestattet. Damit ist aber nicht gesagt,
dass dies ohne weiteres auch gelten könne, wenn der Konkurs, wie hier,
nach Art. 230 SchKG mangels Aktiven geschlossen wird (vergl. AS 23 II
Nr. 262). Zwar lässt sich fragen, ob man nicht auch hier im allgemeinen
zu dem nämlichen Ergebnis kommen müsse, nämlich von der Erwägung aus,
dass die Feststellung des Konkursamtes betreffend das Fehlen jeder
liquidierbaren Habe inhaltlich die gleiche Bedeutung und formell
mindestens die gleiche Verbindlichkeit habe, wie die entsprechende
Feststellung des Betreibungsbeamten im Pfändnngsverfahren, und dass
deshalb der betreibende Gläubiger, auch was seineBetreibung betrifft,
sie gegen sich gelten lassen und anerkennen müsse, eine Weiterführung
der Betreibnng sei zwecklos und letzteredeshalb zu schliessen. Diese
Erwägung kann immerhin dann nicht mehr zutreffen, wenn ausnahmsweise
erstellt ist, dass sich noch ein zu Gunsten des betreibenden Gläubigers
liquidierbares Vermögensstück des Schuldners vorfindet, das nicht als
Aktivum in die Kon:kursmasse einbezogen werden konnte, wie es hier mit
dem gepfändeten Lohne der Fall ist (oergî. Sep.-Ausg. 2 Nr. 40*). Jn
einem solchen Fall rechtfertigt es sich, die Betreibung, nachdem sie
während des Konkursverfahrens sistiert war, hinsichtlich solchen Vermögens

* Ges.-Ausg. 25 I Nr. 75 S. 371 ff. (Aram. 63, Red.]. Pabi.)und
Kankurskammer. N° 35. 217

wieder fortsetzen zu lassen, da es andernfalls der Schuldner in der Hand
hätte, durch die Konkurserklärung jede auf einen grössern Zeitraum sich
erstreckende Lohnpsändung hinfällig zu machen. Damit erweist sich die
Beschwerde und der nunmehrige Rekurs als unbegründet.

Demnach hat die Schuldbetreibungs und Konkurskammer

erkannt: Der Rekurs wird abgewiesen.

35. Entscheid vom 9. Februar 1909 in Sachen Häscher-

Zesotiweedeueefatmen, Ar? fi. Nachfassverfahren, Art. 300 ,453.2 SchK
G : Unterschied zwischen der Frist zur Beschwerde gegen Ha.-ndlungen
des Sachuzalters und der Frist, während welcher die Nach- lassakten
ern-fliegen sollen. Durch Verkürzung der Auflagefe'ist kann die
Bescèewemfefrist nicht abgekürzt werden.

A. Durch öffentliche Bekanntmachungen vom 10., 17. und 24. Oktober 1908
berief der Sachwalter im Nachlassderfahren des A. Keller in Reinach,
der Betreibungsbeamte J. Gautschi, nach Art. 300 Abs. 2 SchKG die
Gläubigerversammlung auf den 20. November 1908 ein, mit der Beifügung,
dass die Akten vom 12. November an bei ihm eingesehen werden können. Am
23.November reichte der Rekurrent E.Lüscher gegen den Sachwalter eine
Beschwerde ein, worin er dessen Liegenschastsschätzung als zu tief
anfocht.

B. Die beiden kantonalen Jnstanzen erklärten die Beschwerde als
verspätet. Der am 15. Januar 1909 gefällte Entscheid der obern Instanz
führt aus: Gesetzlich habe die Auflagefrist vom 10. bis und mit dem
19. November dauern müssen. Wenn der Sachwalter ihren Beginn auf den
12. November angesetzt habe, so beruhe dies auf einem blossen Versehen,
das die gesetzliche Frist weder habe verkürzen noch über den gesetzlich
festgelegten, vor dem 20.November liegenden Endtermin habe hinausschieben
können. Die Beschwerde hätte also spätestens am 19. November eingereicht
werden sollen. Jenes Versehen des Beamten habe der rechtshin-

218 C. Entscheidungen der Schuidbetreihungs-

dige Beschwerdeführer erkennen müssen und wenn er nun in der
Fristansetzung, wie sie erfolgte, eine unzulässige Verkürzung der
gesetzlichen Frist erblickte, so hätte et rechtzeitig nach der Publikation
sich gegen diese Verkürzung beschweren sollen. Mangels dessen könne er
nun nicht mehr behaupten, die Frist für seine jetzige Beschwerde laufe
vom 12. bis 22. November.

C. Diesen Entscheid hat nunmehr der Rekurrent Lüscher rechtzeitig an
das Bundesgericht weitergezogen und beantragt, sein an die Borinstanz
gerichtetes Beschwerdebegehren gutzuheissen, eventuell die Akten zur
materiellen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Die Schuldbetreibungs und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Der Vorentscheid vermengt in unrichtiger Weise die Frist des Art·
300 Abs. 2 SchKG, während der die Nachlassakten ausliegen sollen,
und die Beschwerdefrist des Art.17 SchKG, während der die in den Akten
vernrkundeten Verfügungen des Sachwalters von den Beteiligten angefochten
werden können.

Es ist die Auflageund nicht die Beschwerdesrist, die hier der Sachwalter
in seinen drei frühern Bekanntmachungen an die Gläubiger angesetzt hat. Er
hat dies anerkanntermassen gesetzwidrig getan, indem er den Anfangspuntt
auf den 12. November 1908, statt auf den 10. November bestimmte, sodass
die Akten, entgegen Art. 300 Abs. 2, nicht volle zehn Tage vor der ans
den LO. November einberufenen Glänbigerversammlung eingesehen werden
konnten. Indessen braucht hier nicht geprüft zu werden, welche Bedeutung
das für die Auslagefrist als solche habe und namentlich, ob dadurch,
anders als die Vorinstanz meint, wegen mangelnder Beschwerdeführung an
Stelle der gesetzlichen zehntägigen eine verkürzte, achttägige Frist
für die Einsichtnahme der Akten getreten sei. Denn hier fragt es sich
bloss, wie es sich mit der Bestimmung der Beschwerdefrist verhalte und
im besondern, wann diese Frist zu laufen begonnen habe.

Hierbei ist zunächst klar, dass die fraglichen Bekanntmachungen diese
Frist des Art. 17 SchKG nicht verkürzen wollten und es auch nicht vermocht
hätten, da sie durch keine amtliche Verfügung abgeändert werden farm,
Art. 17 bestimmt nnn, dass die Be-und Konkurskammer. N° 35. 219

schwerde binnen zehn Tagen seit dem Tage, an dem der Beschwerdesührer
von der Verfügung Kenntnis erhalten hat, angebracht werden müsse. Jm
vorliegenden Falle konnte eine Kenntnisnahme der streitigen, die
Liegenschaftsschätznng beschlagenden Verfügung frühestens an dem
Tage erfolgen, an dem der Sachwalter den Gläubigern, und also auch
dem Rekurrenten, die Möglichkeit, die Akten einzusehen, eingeräumt
hat. Als diesen Tag hat er aber in seinen Bekanntmachungen den
12. November bezeichnet. Wenn die Vorinstanz behauptet, die Angabe
dieses Tages beruhe auf einein Versehen des Sachwalters, so ist das
unerheblich. Denn, wie nicht bestritten, sind die Akten eben doch
tatsächlich erst am 12.November aufgetegt worden und hat also erst von da
an die Möglichkeit einer Kenntnisnahme nach Art. 17 bestanden. Aber auch
abgesehen hiervon hätte es nicht genügt, wenn der Sachwalier dieAkten
entgegen seiner Vekanntmachung schon am 10. November aufgelegt hätte,
sondern hätte er dies ferner den Gläubigern, unter Berichtigung des
bei den vorherigen Bekanntmachungen unterlaufenen Versehens, mitteilen
sollen. Damn ändert auch die vorinstanzliche Erwägung nichts, der
rechtskundige Beschwerdeführer habe das Verschen in der Fristansetzung
erkennen müssen. Wenn das richtig ist, so lässt sich daraus höchstens
folgern, dass er einer Verkürzung der Auflagefrist zugestimmt und sich
damit einver-. standen erklärt habe, die Akten nicht schon vor dem
12. November einsehen zu können. Nicht aber darf daraus im umgekehrten
Sinne geschlossen werden, der Rekurrent habe begründeterweise der

' Meinung fein müssen, dass der Sachwalter, trotz seiner gegen-

teiligen öffentlichen Erklärung und ohne weitere Berichtigung dieser,
die Akten schon vor dem 12. November wirklich auslege und ihm also schon
vorher eine Kenntnisnahme nach Art. 17 SchKG ermögliche-

Nach all dem hat die Beschwerdesrist frühestens am 12. November zu laufen
Begonnen. Dieser Tag selbst ist bei der Bestimmung ihres Endpunktes laut
Art. 31 Abs. 1 SchKG nicht mitzurechnen. Der letzte der zehn in Rechnung
fallenden Tage ist somit der 22. November 1908. Da dieser aber ein Sonntag
war, so hat die Frist laut Abs.2 des Art. 31 erst Montags den 23. Novem-

ber geendigt. Da die Beschwerde an diesem Tage, und zwar-, wie

220 C. Entscheidungen der Schuldhetreibungs--

nicht bestritten, vor abends 6 Uhr, eingereicht wurde, ist sie also auf
jeden Fall rechtzeitig Damit soll der Frage nicht vorgegriffen werden,
ob nicht eine Kenntnisnahme der angesochtencn Verfügung nach Art. 17 auch
noch später, nach dem 12. November und während der Auslegung der Akten,
hätte erfolgen können, sodass dann erst von ihr an die Beschwerdefrist
gelaufen ware.

Damit gelangt man zur Gutheissung des Rekurses und zwar im Sinne des
eventuellen Rekursbegehrens, womit die Rück-weisung des Falles an die
Vorinstanz zu materieller Beurteilung verlangt wird. Eine sofortige
Erledigung der Sache durch das Bundesgericht, wie sie in erster Linie
beantragt wird, gestattet die Aktenlage nicht.

Demnach hat die Schuldbetreibungs und Konkurskammer erkannt: Der Rekurs
wird in dem Sinne begründet erklärt, dass die Sache zu materieller
Erledigung an die Vorinstanz zurückgewie en wird

36. Entscheid vom 9. Februar 1909 in Sachen dusstmeag-Yiemn: und
Armenpflege der Htadt giù,-ich.

Das Liquidationsverfahren nach Art. 193 SchKG schliesst eine
Zian-kurriermde Sondewollsta'eckîmg aus. Nichtigkeit einer solchen Valé--
str'ecku-ng.

A. Ja Basel starb am 28. November 1907 Heinrich Bachmann-Stacher. Da
dessen Erben den Erbverzicht erklärten, wurde am 3. Februar 1908 in
Basel der Konkurs über den Nachlass eröffnet, am 7. Februar jedoch
mangels Aktiven wieder eingestellt Das einzige Aktivum, ein Erbanteil
am Nachlass des in Höngg verstorbenen Johann Bachmann-Tobler, war
nämlich gestützt auf eine Auskunft des Waisenamtes Zürich als wertlos
betrachtet worden. Am 1. April verlangte die Rekurrentin Witwe Altwegg
als Gläubigerin des verstorbenen Bachmann-Stacher die Abtretung dieses
Erbanspruches nach Art. 260 SchKG, wurde aber damit vom Konkursamte
und von der Aufsichtsbehörde, von dieser durch Beschwerdeentscheid vom
21. April 1908, abgewiesen. und Konkurskammer. N° 36. 221

B. Am 7. Juli 1908 erwirkten die beiden Rekurrenten, die Witwe Altwegg und
die Armenpflege der Stadt Zürich, beim Audienzrichter des Bezirksgerichts
Zürich je einen Arresibefehl (Nr. 6 und 7) gegen den Nachlass des
am 28. November 1907 in Basel verstorbenen Bachmann-Stacher. Als
Arrestgegenstand nennen die Befehle unter anderm den genannten Erbanteil
des verstorbenen Schuldners am Nachlass des Johann BachmannTobler. Am
gleichen Tage belegte das Betreibungsamt Höngg dieses Vermögensstück für
beide Arrestgläubiger mit Arrest. Die Gläubiger prosequierten den Arrest
durch die Betreibungen Nr. 574 und 575 des Betreibungsamtes Höngg, die
wiederum gegen den Nachlass des am 21. November in Basel verstorbenen
BachmannStacher" als Schuldner gerichtet sind und in denen das Amt am
"9. Juli den Zahlungsbefehl erliess und am 1. August den verarrestierten
Erbanteil pfändete und dabei bemerkte, dass Liquidator des Nachlasses
Bachmann-Tobler der Notar Rutschmann in Höngg sei. -

C. Im Oktober 1908 erfuhr das Konkursamt Baselftadt vom bafelstädtischen
Waisenamt, dass der vorher von ihm als wertlos angesehene Erbanteil
in Wirklichkeit 618 Fr. 25 EYE. betrage, worauf es den Erbliquidator
Rutschmann ersuchte, ihm diesen Betrag abzuliefern, damit es bezüglich
seiner das seinerzeit mangels Aktiven eingestellte Konkursverfahren
durchführen könne-c Am 16. Dezember sandte ihm der Liquidator die genannte
Summe zu. Am gleichen Tage stellte das Konkursamt beim Dreiergericht den
Antrag, den Einstellungsbeschluss vom 7. Februar aufzuheben. Das Gericht
wies jedoch dieses Begehren am 30. Dezember 1908 ad, mit der Beifügung,
dass es dem Konkursamte überlassen bleibe, nach seinem Gutdünken über die,
618 Fr. 25 Cts. zu verfügen.

, D. Am 6. Januar 1909 verlangten darauf die beiden Reiterrenten vom
Konkursamte Baselstadt die Auszahlung der Summe. Mit Verfügung vom
7. Januar 1909 wies sie das Amt ab, indem es sich auf den Standpunkt
stellte, dass der Betrag nunmehr an den Staat falle...Hiergegen
beschwerten sich die Rekurrenten mit dein Begehren, das Konkursamt
anzuweisen, die 618 Fr. 25 Cts. dem Erbliqnidator Rutschmann
zurückzuliefern, eventuell
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 35 I 217
Datum : 09. Februar 1909
Publiziert : 31. Dezember 1909
Quelle : Bundesgericht
Status : 35 I 217
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 216 C. Entscheidungen der Schuldbetreibungs-- eine mit der Generalexekution des


Gesetzesregister
SchKG: 17  31  193  230  260  265  300
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
tag • frist • konkursamt • vorinstanz • schuldner • frage • beschwerdefrist • verhalten • gesetzliche frist • konkursverfahren • betreibungsamt • witwe • bundesgericht • wiese • liquidator • betreibungsbeamter • kenntnis • richtigkeit • stelle • angabe
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