Inhaltsverzeichnis.

I. Personenregister. Registre des personnes.

A. Staatsrechtliche Entscheidungen. Arréts de

droit public . . . .

B. Strafrechtliche Entscheidungen. Arrèts

droit pénal . . . .

C. Entscheidungen der Schuldbetreibungs und p. de p.

nd

Kankurskammer. Arréts de la Chambre

des poursuites et faillites

p.

Anhang Annexe. Verzeichnis der nicht publizierten Entscheide. Table des
arréts non

publiés

p.

. Zusammenstellung der Entscheide nach den drei
Nationalsprachen. -Statistique des arrèts

d'après les tro'is langues nationales

p.

. Berichtigungen und Beifügungen. corrections

et adjonctions .

p.

1001

1006

100?

1011

1036

1037A. STAATSRECHTLICHE ENTSOHEIDUNGEN ARRÈTS DE DROIT PUBLIC

-*-0 0Erster Abschnitt. Première section. Bundesverfassung. _
Constitution fédérale.I. Rechtsverweigerung und Gleichheit vor dem
Gesetze. Dénî de justice et. (egalité devant la. loi.

1. zwar vom 27. Januar 1909 in Sachen Witz gegen Appellationsgericht
Yasekktadt

Berufung eines Angeklagten auf das bundesrecbtlich geweîm-lezsistete
Hauptforum des Begehunysortes . Angeblich unzulässige Schfechtersäellu
ng der Kamenn,.sbürge?° gegenüber Nicktkentonsäürgem durch Ausdehnung
der St-rafjustiz des Heimatkantom auf ausserhalb desselben begangene
Verbrechen.

A. Der in Basel heimatberechtigte Rekurrent, der, soviel aus den Akten
ersichtlich ist, keinen festen Wohnsitz hatte, stellte am 12. Mai 1908
einen Wechsel von 250 Fr. auf Dr. med. K. K. in Kradolf (Thurgau) aus, mit
Fälligkeitsdatum auf Ende Mai 1908. Diesen Wechsel, auf welchem das Akzept
des Bezogenen MLK.) and, übergab Wirz dem Bahnhofrestaurateur C.Müller

AS 35 I _ 1909 1

2 A. Staatsrechlliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

' t. Mar aret en (St. Gallen), bei welchem er schon. einige geiizlogiertä
zurh Versilberung Müller zahlte dem Wirz die Wechselsumme aus und gab
den Wechsel seiner Bank weiter. Bei Fälligkeit erklärte der Bezogene die
Unterschrift des Aszeptanten als gefälscht und verweigerte die Zahlung
Am 13. Juni 1908 erhob Müller gegen Wirz, den er in der Anzeige als in
Basel wohnend bezeichnete, Strafanzeige wegen Urkundenfalschung. Unter
dem Protokoll über die erstattete Anzeige machte der Beamtedie Bemerkung :
"Anzeige angenommen, weil Akzept vermutlich in Basel gefälscht. Wirz, der
nicht am angegebenen Domizil in. Basel zu finden war, wurde hierauf im
Fahndungsblatt aus-geschrieben und am 20. Juni 1908 von Rheinfelden nach
Basel eingeliefnk. Er erhob keinerlei Einsprache, und die Untersuchung
nahm in Basel ihren Fortgang Der Angeklagte gab zu, den ganzen Wechsel
bis und mit dem Worte Angenommen selber geschrieben zu haben, und
bestritt nur, dass auch die Unterschrift Dr. K. von seiner Hand herrühre
Der vom Untersuchungsrichter bestellte Schriftexperte, welchem als
Vergleichsmaterial zwei unbestrittenerniaszen echte Unterschriften des
Dr. K. vorlagen, erklarte die· Unterschrift bestimmt als gefälscht und
zwar als wahrscheinlich vom Rekiirrenten angefertigt. Durch eine chemische
Erpertise wurde sodann festgestellt, dass die Unterschrift Dr. K mit der
gleichen Tinte geschrieben worden ifi, wie das Wort Angenoinnien .Ferk
nee wurden die Worte Angenommen BLK, sowie die zwei unbestrittenermasseu
echten Unterschriften des Pr. K. in vergrosertem Massstabe photographiert
und der Schriftexpertea beauftragt, unter Berücksichtigung dieser
Photographie ein Erganzungsgutachten einznreichen. Dies geschah, und
zwar gelangte oder Experte in seinem Nachtragsgutachten zu demselben
Schlusse wie in seinem Hauptgutachten. Nachdem noch zahlreiche echte
Unterschriften des Dr. K. zu den Akten gebracht worden und nachdem auch
das Rechnungsverhältnis zwischen dem Rekurrenten und Dr. K. suntersucht
worden war und eine Einvernahme des Remittenten Muller stattgefunden
hatte, fällte das Strafgertixchtt Qldes Kantons Baselstadt

. Se tember 1908 "ol endes r ei : _ ' amÎgîhcmnp Alfred Wier wgird der
Privaturkundenfalschungeän gewinnsüchtiger Absicht schuldig erklärt und
gemass den §§ ,l. Rechlsverweigerung und Gleichheit vor dem Gesetze. N°
1. 3

701, 21 des Sirafgesetzes zu 6 Monaten Gefängnis verurteilt.

Aus der Motivierung dieses Urteils ist folgendes hervorzuheben:
Die Fälschuug habe zwar offenbar nicht auf dem Gebiet des Kantons
Baselstadt stattgefunden; die Basler Gerichte seien aber nach § 2
Biffi des kantonalen Strafgesetzes kompetentJn materieller Beziehung
sei allerdings auf die Aussagen des Dr. K., dessen Moralität durch
verschiedene Prozesse in ein schiefes Licht gestellt worden sei,
kein entscheidendes Gewicht zu legen; anderseits könne jedoch auch der
Angeklagte auf Unbescholtenheit keinen Anspruch erheben. Die Darstellung
des Dr. K. werde nun aber durch die eigenen Wahrnehmungen des Gerichtes
unterstützt, da in der Tat der Unterschied zwischen der angefochtenen
und der echten Unterschrift des K. in die Augen springe· Jnsbesondere
Iaufe bei allen dem Gerichte vorliegenden echten Unterschriften das
D unten stets rund aus, bei der angefochtenen Unterschrift aber, wie
beim Angeklagten, spitz. Dazu komme das Gutachten des Schriftexperten,
welches dieser auch in seinem Ergänzungsberichi vollkommen aufrecht
erhalte; endlich die chemische Expertise, welche feststelle, dass die
Unterschrift Dr. K. mit der gleichen Tinte geschrieben wurde, wie das Wort
Angenominen. Da der Angeklagte behaupte, Dr. K. habe seine Unterschrift zu
anderer Zeit und an nnbekanntem Orte zum Worte Angenommen hingesetzt, so
bleibe Witz die Erklärung für die Verwendung der gleichen Tinte schuldig.

Die @@ 1 und 2 des Basler Strafgesetzes lauten: § 1. Dieses
Strafgesetz findet Anwendung auf alle von ihm mit Strafe bedrohten
Handlungen (Verbrechen), die im Kanton Baselstadt verübt werden. §
2. Ausserhalb des Kantons Baselstadt verübte Verbrechen können nach diesem
Strafgesetz verfolgt werden : 1) Wenn der Täter ein Kantonsangehöriger,
d. h. Kantonsbürger oder im Kanton wohnhaft ist, sofern die Handlung
auch nach dem Gesetze des Orts, wo sie begangen wurde, strafbar ist; 2)
wenn ein Hochoder Landesverrat gegen den Kanten Baselstadt begungen wird.

In der Hauptverhandlung vor Strafgericht hatte Wirz bemerkt, die
Unterschrift Dr. K. sei jedenfalls nicht in Basel auf den

4 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

Wechsel gesetzt worden; die Sache sollte also in St. Gallen oder Thurgau
beurteilt werden.

B. Durch Urteil vom 80. Oktober 1908 bestätigte das Appellationsgericht
das Kantons Baselstadt obiges Urteil des Strafgeri tes.

CI,C. Gegen das Urteil des Appellationsgerichtes hat Witz rechtzeitig
den staatsrechtlichen Rekurs an das Bundesgericht ergriffen, mit dem
Antrag auf Aufhebung dieses Urteils sowohl als des ftrafgerichtlichen
Urteils vom 29.September 1908.

Dieser Antrag wird zunächst damit motiviert, dass die Basler Gerichte,
weil die angebliche Fälschung nicht auf Basler Gebiet begangen worden
sei, zur Beurteilung des Falles inkompetent gewesen seien und dass daher
der Rekurrent seinem natürlichen Richter entzogen worden sei. Wenn das
Strafgericht seine Kompetenz aus § 2 Ziff i des Basler Strafgesetze-Z
herleite, so beruhe dies auf einer rechtsirrtümlichen Auslegung
der angeführten Gefetzesbestimmung. Wäre die Auslegung des Gerichtes
richtig, so wären die Kantonsbürger von Baselstadt mit einem privilegium
odiosum belegt, das mit der verfassungsmässigen Rechtsgleichheit aller
Schweizerbürger unvereinbar und daher bundesversasfungswidrig wäre. Der
angeführte § 2 Biffi des Basler Strafgesetzes gebe dem Kanton Baselstadt
ein Recht zur Bestrafung der Kantonsbürger wegen ausserhalb des Kantons
begangener Delikte nur in denjenigen Fällen, wo der Kanten gemäss Arti
Abs. 2 des interkantonalen Auslieferungsgesetzes sich dazu verpflichtet
habe, einen Kantonsbiirger nach seinen eigenen Gesetzen zu beurteilen
und zu bestrafen. Stände es dagegen in der Macht der Kantone, sich
ihrer Bürger in der ganzen Schweiz herum zu bemächtigen, um sie daheim
zn beurteilen und zu bestrafen, so wäre dies ein Souveränitätsübergriff
und eine Verletzung des bundesrechtlich gewährleisteten Hauptforums des
Tatortes. Die Unzulässigkeit eines solchen Verfahrens ergebe sich auch
ans Arn-L des interfan: tonalen Auslieferungsgesetzes In casu liege
also ein Eingriff in die Justizhoheit der Begehungskantone (Thurgau
oder St.Gallen) vor. Grund, sich hierüber zu beklagen, habe nicht nur
der Kanton der begangenen Tat, sondern auch der Angeklagte selber, der
dadurch seinem natürlichen Richter entzogen und schlechter behandelt L
Rechtsverweigemng und Gleichheit vor dem Gesetze. N° 1. 5

merde, als ein Nichtkantonsbürger. Gerade im vorliegenden Falle sei der
Angeklagte infolge der Beurteilung der Sache durch die Basler Gerichte
deshalb schlechter gestellt gewesen, weil man in Basel den Dr. K. nur
vom Hörensagen kenne und daher die Glaubwürdigkeit desselben zu hoch
eingeschätzt habe.

Erentuell wird die Aufhebung der beiden Urteile oder doch wenigstens
des appellationsgerichtlichen aus dem Grunde verlangt, weil das
Appellationsgericht es abgelehnt habe, ein Aktenfaszikel, betitelt
Antwortbelege i. S. Dr. K. K. gegen Dr. @. S.,zn den Akten zu ziehen. Jn
diesem Aktenfaszikel befinde sich nämlich eine echte Unterschrift des
Dr. K., bei welcher das D unten ebenfalls (wie auf der angesochtenen
Unterschrift) spitz auslaufe. Die Weigerung, diese Akten beizuziehen,
sei ein Akt der Willkür und eine Rechtsoerweigerung

D. In seiner Vernehmlasfung hat das Appellationsgericht des Kantons
Baselstadt Abweisung des Rekurses beantragt Und unter anderm folgendes
bemerkt: Es sei unrichtig, dass man die Glaubwürdigkeit des Dr. K. in
Basel hoch eingeschätzt habe. K. habe früher in Basel gewohnt und sei
den Basler Gerichten nur zu gut bekannt. Seine Aussagen seien daher mit
grosser Vorsicht aufgenommen worden und hätten keineswegs ausschlaggebend
sein können. Was die Beschwerde über Nichtbeiziehung der Antwortbelege
i. S. Dr. K. gegen Dr. S. betreffe, so sei weder aus den Akten noch
aus dem Protokoll ersichtlich, dass ein solcher Antrag gestellt worden
sei. Übrigens habe das Gericht nicht nur auf Grund der Schrifterpertifa
sondern nach eigener Prüfung des gesamten Vergleichsmaterials, sein
Urteil gefällt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

i. Da sich der Rekurrent, wenn auch ohne positive Verfassungsbestimmungen
zu zitteren, über Verletzung verfassungsmässiger Rechte und über ungleiche
Behandlung beschwert, so ist sowohl die Kompetenz des Bundesgerichtes
als auch die Legitimation des Rekurrenten zum Rekurse gegeben.

Dass der Rekurrent sich der Justizhoheit des Kantons Baselsiadt
unterwoefen und dadurch auf die Anfechtung der ergangenen Strafurteile
wegen Jntompetenz der Basler Gerichte im voraus verzichtet habe, kann
nicht gesagt werden. Denn durch seine vor

6 A. Staate-rechtliche Entscheidungen. l. Abschnitt. Bundesveriassung.

Strafgericht abgegebene Erklärung, die Sache gehöre vor die St. (Haller
oder Thurgauer Gerichte, hat sich der Rekurrent sein Einspruchsrecht in
genügender Weise gewahrt. Es ist daher aus den Rekurs einzutreten, ohne
dass es einer Untersuchung der kontroversen Frage bedürfte (vergl. darüber
BGE 11 S. 13 Erw.1

und Urteil des Bundesgerichts vom 7. Februar 1900 i. S. Haus-

gegen Bug, Erw. 2 am Anfang), ob überhaupt in Strafsacheu die Kompetenz
eines sonst inkompetenten Gerichtes dadurch begründet werden forme,
dass der Angeklagte sich demselben freiwillig unterwirst.

2. In der Sache selbst isi, was den ersten Teil des Rekurses betrifft,
entscheidend, dass ein bundesrechtlich gewährleistetes Hauptforum des
Tatortes nicht besteht.

a) Die Bundesverfassung enthält von Art. 112, der hier nicht in Betracht
kommt, abgesehen überhaupt keine Bestimmungen über den Gerichtsstand in
Strassachen. Vergl. BGE 1 S. 191 Erw.5. Speziell Art. 58, welchen der
Rekurrent als verletzt zu betrachten scheint, da er behauptet, er sei
seinem natürlichen d. i. verfassungsmässigen Richter entzogen worden, will
zunächst nicht (vergl. das bereits erwähnte Urteil des Bundesgerichts vom
7. Februar 1900 i. S. Hans gegen Bug, Erw.2, sowie die dortigen Zitatez
ferner AS 24 II S. 439 Erw.1 und Urteil des Bundesgerichts vom 18. Juli
1907 i. S. Mathhs gegen Thurgau), wie Art. 59, die örtliche Zuständigkeit
der Gerichte verschiedener Kantone regeln, sondern lediglich verhindern,
dass ein Bürger vor ein von der Verfassung überhaupt nicht anerkanntes
oder doch nicht mit der nötigen sachlichen Kompetenz versehenes Gericht
gestellt werde. Der {Refin-rent behauptet aber selber nicht, es seien
das Strafund das Appellationsgericht des Kantons Vaselstadt keine von
der Verfassung anerkannten oder keine mit der Jurisdiktion in Strafsachen
betrauten Gerichte

b) Zu Unrecht berust sich der Rekurrent sodann aus Art. 4 Abs.2 des
interkantonalen Auslieferungsgesetzes, welcher eine Auslieferung
überhaupt nur an den Kanton des Begehungsortes vorsehe und dadurch
indirekt das forum delicti commissi garantierte. Abgesehen davon, dass das
interkantonale Auslieferungsgesetz grundsätzlich nur die staatsrechtlichen
Beziehungen zwischen den in Be-[. Rechisverweigerung und Gleichheit vor
dem Gesetze. N' 1. 7

tracht kommenden Kantonen regelt und der Ver-folgte daher aus demselben
keine Garantie eines Gerichtsstandes herleiten kann (vergl. AS 32 I S.85),
ist zu sagen, dass die oben angeführte Gesetzesbestimmung lediglich den
Spezialfall regelt, wo ein und dasselbe Verbrechen in mehreren Kantonen
begangen wurde, wovon in casu nicht die Rede ist, während dagegen Art-L
welcher die allgemeinen Voraussetzungen der Auslieferungspflicht betrifft,
die Auslieferung keineswegs davon abhängig macht, dass das Delikt aus
dem Gebiete des requirierenden Kantons begangen wurde.

c) In der bundesgerichtlichen Praxis ist der Gerichts-stand
des Begehungsortes allerdings insofern anerkannt, als demselben bei
wirklichen Kompetenzkonflikten zwischen den Strafgerichten verschiedener
Kantone in der Regel der Vorzug gegeben wird. Dies geschieht jedoch
nicht, weil dieser Gerichtsstand als bundesrechtlich gewährleistet
betrachtet würde, sondern entweder deshalb, weil gemäss Art.177 OG von
dem einen der beteiligten Kantone der Entscheid des Bundesgerichtes
angerufen wurde, oder deshalb, weil der Kompetenzkonslikt, zumal der
negative Kompetenzkonslikt, unter Umständen die Verletzung anderweitig
garantierter verfassungsmässiger Rechte, insbesondere eine Verweigerung
des rechtlichen Gehörs, zur Folge haben kann und aus diesem Grunde der
Kompetenzkonslikt durch den Entscheid zu Gunsten des einen oder des
andern Gerichtsstandes beseitigt werden mnsz. Vergl. AS 221 I S. 182
Erw. 2; 30 I S. 5 Erw.1. Im vorliegenden Falle besteht nun aber ein
wirklicher Kompetenztonslikt nicht, da bis heute weder die Gerichte
des Kantons St. Gallen noch diejenigen des Kantons Thurgau sich mit der
gegen den Rekurrenten erhobenen Anklage befasst haben und dieselben auch
die Absicht nicht geäussert haben, dies in Zukunft zu tun. Bergl. Urteil
des Bundesgerichts vom 13. September 1907 i. S. Löliger gegen Baselland,
Erw. 1. '--

Z. Jst somit durch die angesochtenen Urteile ein bundesrechtlich
gewährleisteter Gerichtsstand nicht verletzt, und liegt auch kein
Kompetenzkonftikt zwischen den Gerichten verschiedener Kantone vor, so
ist im weitern zu untersuchen, ob, wie der Rekurrent behauptet, durch
die dem § 2 Ziff. 1 des Basler Strafgesetzes von den Basler Gerichten
gegebene Auslegung und durch die daraus

8 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

angeblich resultierende Schlechterstellung der Kantonsbürger gegenüber
Nichtkantonsbürgern das Prinzip der verfassungsmässigen Rechtsgleichheit
aller Schweizerbürger verletzt werde. Dabei hat das Bundesgericht
selbstverständlich nicht zu entscheiden, ob das kantonale Strafgesetz
von den Basler Gerichten rechtsirrtümlich interpretiert worden sei, wie
der Rekurrent nebenbei behauptetsondern nur, ob jene unter Umständen
allerdings mögliche Schlechterstellung der Kantonsbürger gegenüber
Nichtkantonsbürgern eine Verletzung der bundesrechtlich garantierten
Rechtsgleichheit bedente. Diese Frage ist zu verneinen. Was nämlich
zunächst Art-Je der BV betrifft, so fordert derselbe bekanntlich nicht
(vergl. AS 28 I S. 315 f. Crw. 1, 30 I S. 724), dass alle Personen ohne
Unterschied in der Gesetzgebung und Rechtsprechung absolut gleichgestellt
und gleich behandelt werden, sondern er lässt es zu, dass nach bereits
bestehenden erheblichen tatsächlichen oder rechtlichen Unterschieden
auch eine verschiedene Behandlung Platz greife; ein solch erheblicher
Unterschied liegt aber zweifellos vor, wenn es sich einerseits um
Kantonsbürger, anderseits um Nichtkantonsbürger handelt. Was dagegen
Art. 60
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 60 Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee - 1 Die Militärgesetzgebung sowie Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee sind Sache des Bundes.
1    Die Militärgesetzgebung sowie Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee sind Sache des Bundes.
2    ...19
3    Der Bund kann militärische Einrichtungen der Kantone gegen angemessene Entschädigung übernehmen.
der BV betrifft, so will derselbe, wie sich sowohl aus seinem
Wortlaut als auch aus seiner Entstehungsgeschichte ergibt, nur die
Nichtkantonsbürger davor schützen, schlechter behandelt zu werden,
als die Kantonsbürger, nicht aber die Kantonsbtirger gegenüber der
Gesetzgebung des eigenen Kantons in Schutz nehmen.

Übrigens steht für den vorliegenden Fall keineswegs fest, dass die
Beurteilung der Sache durch die Gerichte des Heimatkantones tatsächlich
eine Schlechterstellung des Angeschuldigten zur Folge gehabt habe. Der
Rekurrent hat in dieser Beziehung lediglich behauptet, dass im Thurgau
oder im Kanton St. Gallen den Aussagen des Dr. K. weniger Wert beigelegt
worden wäre, als in Basel, wo man ihn nicht kenne. Aus dem Urteil des
Strafgerichtes sowohl als aus der Rekursantwort des Appellationsgerichtes
ergibt sich aber, dass auch die Basler Gerichte den DKK". ans eigener
Erfahrung kennen und dass deshalb auf seine Aussagen kein entscheidendes
Gewicht gelegt wurde. .

4. Soweit endlich der Rekurs damit motiviert wird,das Appellationsgericht
des Kantons Baselstadt habe sich durch Nichtbeizie-

I. Rechtsverweigerung und Gleichheit vor dem Gesetze. N° 2. 9

hung der Antwortbelege i. S. Dr. K. K. gegen Dr. E. S. eines Willküraktes
und einer Rechtsverweigerung schuldig gemacht, so erweist sich derselbe
sowohl deshalb als unbegründet, weil aus den Akten nicht ersichtlich ist
und von der rekursbeklagten Behörde offenbar bestritten werden will,
dass der Rekurrent, wie er behauptet, die Beiziehung jener Belege vor
Appellatiansgericht beantragt habe, als auch namentlich deshalb, weil
bei dem bereits vorhandenen umfangreichen Aktenmaterial das Gericht
sich auch ohne Beiziehung weiterer Akten ein sicheres Urteil über die
zu entscheidende Tatfrage bilden konnte.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt: Der Rekurs wird abgewiesen.

2 Attetl vom 3. Februar 1909 in Sachen Bébié-Hmrlî gegen grams.

Besteuerung einer Mimierjäkrigen, deren Vater im Auslassnd wohne,
deren. Vermögen aber nach der Behauptung der rekm'sbeklagten Be-hörde
im Inlande meter vormundsckaftlicher Verwaltemq Sia-nd . Willkürlicke
Feststellung des Tatbeséandes in Letzterer Hinsicàt.

A. Am 15. September 1908 beschloss die Obersteuerbehörde des Kantons
Glarns (bestehend aus dem Regierungsrat und 4. weitern Mitgliedern): ,

Fräulein Olga Hurst, die von Beginn des Jahres 1908 (sollte heissen t907)
an in Schwanden domiziliert war, wird für die Zeit vom 1. Januar 1908
bis zum Hochzeitstage [1(). August 1908) im Steuerregister Schwanden
mit 250,000 Fr. neu veranlagt.

Jn einem an die gleiche Obersteuerbehörde gerichteten Rekurs machte
hierauf der Ehemann der Olga Hurst geltend, seine Frau habe bis zu
ihrer Verheiratung kein rechtliches Domizil im Kanton Glarus gehabt und
könne daher daselbst für die Zeit vor ihrer Verheiratung nicht besteuert
werden. Übrigens betrage das Ver-
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 35 I 1
Datum : 27. Januar 1909
Publiziert : 31. Dezember 1909
Quelle : Bundesgericht
Status : 35 I 1
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : Inhaltsverzeichnis. I. Personenregister. Registre des personnes. A. Staatsrechtliche


Gesetzesregister
BV: 60
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 60 Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee - 1 Die Militärgesetzgebung sowie Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee sind Sache des Bundes.
1    Die Militärgesetzgebung sowie Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee sind Sache des Bundes.
2    ...19
3    Der Bund kann militärische Einrichtungen der Kantone gegen angemessene Entschädigung übernehmen.
OG: 177
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
unterschrift • bundesgericht • weiler • thurgau • bundesverfassung • strafgericht • wille • ausserhalb • beschuldigter • gewicht • frage • verfassung • bezogener • begehungsort • beginn • richtigkeit • entscheid • strafanzeige • wohnsitz • fotografie
... Alle anzeigen