'792 A. Entscheidungen des Bundesgerichts als oberster
Zivügerichtsinstanz.

IX. Organisation der Bundesrechtspflege. Organisation judiciaire fèdérale.

98. go,-teu vom 2. Oktober 1908 in Sachen @ebrsider gie; und Gaulle,
Bekl. u. Ber.-Vekl., gegen Ertegemetude grasen-tagen Kl. u. éBer.=23efI.

Zulässigkeit der Berufung: Zivilrechtsstreitigkeit. Das Rechtsverhälmis
zwischen, den Abonnenten einer ron einer Gemeinde betrie- benen
Wasserversergung einerseits and der Gemeinde anderseits ist
(Wentlz'ch-rechtl-icieer Natur.

Das Bundesgericht hat ida sich ergeben:

A. Am 25. Januar 1880 erliess die Berufungsbeklagte ein .Reglement
betreffend Überlafsung von Wasser an Privatleute der Ortsgemeinde
Basadingen, worin die Ortsgemeinde die Abgabe Von Wasser an Private gegen
eine Entrichtung eines Wasserzinses Ivorsah Der jährliche Wasserzins
wurde (im Art. 9 des Reglemetrics) für gewöhnliche Verhältnisse auf 5
Fr. festgesetzt; für eine grössere Anzahl von Häusern und für besondere
Verhältnisse- sollte der Wasserzins durch Beschluss der Ortskomurission
festgesetzt twerden, wogegen das Rekursrecht an die Ortsgemeinde
vorbehalten bleibe. am. 8 des Reglementes [anteit Die Wasserabnehmer
sind ,berechtigt, auf halbjährliche Aufkündung hin, den Wasserbezug
aufzugeben. Anderseits steht der Gemeinde das Recht zu, ,Reglemente zu
entwerer und Änderungen an denselben vorzu.nehmen, um solche ein halbes
Jahr nach geschehener Mitteilung in Kraft treten zu lassean Art. 14
lautet: Dieses Reglement ist jederzeit ganz oder teilweise revidierbar.

Im Jahre 190? erstellte die Ortsgemeinde Basadingen eine neue
Wasserversorgung. Am 30. Januar 1908 wurde bekannt gemacht, idass laut
Gemeindebeschluss vom 22. November 1907 die Wasserabgabe aus einer
bestimmten, bisher bestehenden Wasserleitung (der Bachdellenleitung)
mit dem Bautermin der neuen Versorgung aufhöre.XI. Organisation der
Bundesrechtspflege. N° 96. ' 793

uVon diesem Beschlussewurden u. a. die heutigen Berufung-sXlager
betroffen, weshalb dieselben gegen die Ortsgemeinde einen Präsidialbefehl
erwirkten, dahin {gute-nis, es sei derselben bei einer Busse von 500
Fr. untersagt, die bestehende Wasserversorgung der Ortsgemeinde und die
Zuleitungen zu den Liegenschaften der Appellauten abzuändern oder zu
unterbrechen, oder zu beseitigen.

Hieran reichte die Ortsgemeinde eine Klage ein mit dem RechtsBegehrem
Ist die Präsidialverfügung cl. (1.7. März 1908 ge,richtlich aufzuheben ? '

Gegenüber diesem Rechtsbegehren stellten sich die Beklagten auf iden
Standpunkt, sie seien im Besitze einer Wasserrechtsserritut

B. Durch Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 27. Juni 1908
wurde obiges Rechtsbegehren der Ortsgemeinde Basadingen zweitinstanzlich
im Sinne der Motive gutgeheissem mit wesentlich folgender Motivierung: Es
liege nicht eine Servitut, sondern ein obligatorisches Rechtsverhältnis
vor; es müsse daher der Klägerin das Recht zuerkannt werden, das
Rechtsverhältnis durch Kündigung aufzulösen. Die von ihr angebrachte
Kündigung erscheine als genügen/' mit dem Vorbehalt, dass die im Regiment,
über Wasserabgabe vorgesehene Frist von 6 Monaten eingehalten werde.

C. Gegen dieses Urteil haben die Beklagten die Berufung an das
Bundesgerischt ergriffen mit dem Antrag auf Abweisung der Klage.

In der Bernfungserklärung wird bemerkt, es finde auf das streitige
Rechtsverhältnis ohne Zweifel das schweizerische OR Anwendung; -

in Erwägung:

il. Indern sie auf denvorliegenden Rechtsstreit Art. 8des ,Regle1nentes
betr. Überlassung von Wasser an Privatleute der Gemeinde Basadingen
zur Anwendung gebracht hat, hat die Vorinstanz impijcjte festgestellt,
dass das streitige Rechtsverhältnis-, welches sie allerdings ein
obligatorisches nennt, von diesem Regsletnent beherrscht sei. Nun bestimmt
aber Art. 8 des angeführten Reglemeiites, dass der Gemeinde das Recht
zustehe, Reglemente zu entwersen und Änderungen an denselben vorzunehmen,
um solche ein halbes Jahr nach geschehener Mitteilung in Kraft treten zu

794 A. Entscheidungen des Bundesgerichts als oberster
Zivilgerichtsinstanz.

lassen, und nach Art. 14 ist das Reglement (durch Mehrheitsbeschluss der
Ortsgemeinde) jederzeit ganz oder teilweise revidierbarx Die Rechte der
Wasserbezüger sind somit nicht durch einen privatrechtlichen Vertrag
geregelt, der seiner Natur nach nur unter beidseitiger Zustimmung
abgeändert werden könnte, sondern es find dieselben von einem Reglemente
beherrscht, das von der Ortsgemeinde jederzeit und ohne Begrüssnng der
Wasserbezüger abgeändert werden kann. M. a. W. eshandelt sich nicht um ein
Rechtsverhältnis zwischen einander koordinierten Parteien, sondern um ein
Verhältnis zwischen einem staatsähnlichen Organismus (Ortsgemeinde) als
solchem und den der Territorialhoheit dieses Organismus unterworfenen
Personen, wie denn auch die Festsetzung des Wasserzinses für eine
grössere Zahl von Häusern und für besondere Verhältnisse-C nicht etwa der
vertraglichen Vereinbarung, sondern einer Verfügung der Ortskommission
unter Wahrung des Rekurses an die Ortsgemeinde vorbehalten wurde. Die
Ortsgemeinde Basadingen tritt hier auch nicht etwa als Eigentümerin
eines zu fiskalischen Zwecken ins Leben gerufenen Gewerbebetriebes
auf, sondern sie handelt gemäss einer nach modernen Rechtsanschauungen
bestehenden staatlichen Fürsorgepflicht, deren Erfüllung einen Zweig der
öffentlichen Verwaltung bildet. Darnach liegt aber weder ein Verhältnis
des Sachenrechts vor, wie die Kläger zuerst behaupteten, noch (wie
sie nunmehr in ihrer Berufungserklärung annehmen) ein Verhältnis des
Obligationenrechts, sondern vielmehr ein solches des öffentlichen Rechts.

2. Bei dieser Sachlage ist das Bundesgericht zur Anhandnahme der Berufung
infolge Fehlens des Requisits einer Zioilrechtsstreitigkeit im Sinne
von Art. 56 OG inkompetent, wobei nicht untersucht zu werden braucht,
ob eventuell ein Hauptnrteil im Sinne von Art. 58 vorliegen würde; -

erkannt: Auf die Berufung wird nicht eingetreten.Xl. Organisation der
Bundesrechtspflege. N° 97. 795

97. gir-tail vom 3. Oktober 1908 in Sachen Ymkhatdk, Kl. u. Ber.-Kl.,
gegen Yuma, Bekl. u. Ber.-Bekl.

Zulässigkeit der Berufung: objektive Voraussetzungen und Form. Klage ares
Art. 50
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 50 - 1 Haben mehrere den Schaden gemeinsam verschuldet, sei es als Anstifter, Urheber oder Gehilfen, so haften sie dem Geschädigten solidarisch.
1    Haben mehrere den Schaden gemeinsam verschuldet, sei es als Anstifter, Urheber oder Gehilfen, so haften sie dem Geschädigten solidarisch.
2    Ob und in welchem Umfange die Beteiligten Rückgriff gegeneinander haben, wird durch richterliches Ermessen bestimmt.
3    Der Begünstiger haftet nur dann und nur soweit für Ersatz, als er einen Anteil an dem Gewinn empfangen oder durch seine Beteiligung Schaden verursacht hat.
fi". OR. wegen ungesetzlim'eer Verhaftung und Körperverletzung.
Eidgenössisches und kantonales Recht. Isé für die eine Forderung die
Kompeteszz des Buzedesgerichts nicht gegeben, so kann sie für die
Streitwertòerechmmg mad damit auch für die Frage, oh mündliches oder
schriftliches Verfahren, nicht in Betracht fgilffl.

Das Bundesgericht hat da sich ergeben: _

A. Durch Urteil des korrektionellen Gerichts von Bern vom 23. Dezember
190? war der Beklagte Friedrich Pulver von der Anschuldigung auf
Misshandlung und Nachlässigkeit im Amt mangels genügender Schuldbeweise
ohne Entschädigung freigesprochen worden; der Zivilkläger Burkhardt
war mit seinem Enschädigungsund Kostenbegehren abgewiesen und zu 50
Fr. Verteidigungskosten des Beklagten verurteilt worden.

Auf Appellation des Zivilklägers hin hat sodann die Polizeikammer des
Appellationsund Kassationshofes des Kantons Bern unter dem 1. Juli
1908 erkannt:

1. Die Zivilpartei, Fried. Burkhardt, wird in Bestätigung des
erstinstanzlichen Urteils, soweit der Überprüfung unterliegend, mit
ihrem gestellten Entschädigungsund Kostenbegehren abgewiesen.

(L. und 3. Kosten.)

B. Gegen das Urteil der Polizeikammer hat der Zivilkläger nunmehr
rechtzeitig die Berufung an das Bundesgericht eingelegt. Er beantragt

gemäss seinen vor den kantonalen Jnstanzen formulierten Rechtsgbegehrem es
sei in Aufhebung resp. Abänderung des wegen Verletzung des Bundesrechts
angefochtenen Urteils der bernischen Polizeikammer, der Beklagte an den
Kläger zur Entrichtung einer Entschädigung von 4000 Fr. nebst Zins ä
50/0 seit 1. Juli 1906, und zwar:

a) wegen ungesetzlicher Verhaftung des Klägers gemäss am. 50 und 55 OR
Von 500 Fr.,
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 34 II 792
Date : 02. Oktober 1908
Published : 31. Dezember 1908
Source : Bundesgericht
Status : 34 II 792
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : '792 A. Entscheidungen des Bundesgerichts als oberster Zivügerichtsinstanz. IX.


Legislation register
OG: 56
OR: 50
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