740 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. II. Abschnitt. Bundesgesetze.

Zuständigkeit des Bundes-Staatsgerichtshoer begründende Vorschrift. Eine
staats-rechtliche Beschwerde an das Bundesgericht, welche auf
die Anwendung des SchKG Bezug hat, ist demnachabgesehen von den
Gerichtsstandsfragen, gemäss am. 189, Un-

kerabsatz zu Abs. 2, OG (s. z. V. AS 261Nr.7 Essai S. 50)-

nur gegeben wegen Rechtsverweigerung durch rein willkürliche
Handhabung des Gesetzes (so allgemein schon AS 21 S. 21). Die sachliche
Überprüfung der Gesetzesauwendung durch den Staatsgerichtshof ist in
diesen übrigen Fällen ausgeschlossen, obschon hiefür kein anderweitiges
eidgenössisches Rechtsmittel, weder die zivilrechtliche Berufung, noch
die betreibungsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht, zu Gebote
steht. Die Entscheidungen der kantonalen Behörden aus Art. 315
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 315 - 1 Das Nachlassgericht setzt bei der Bestätigung des Nachlassvertrages den Gläubigern mit bestrittenen Forderungen eine Frist von 20 Tagen zur Einreichung der Klage am Ort des Nachlassverfahrens, unter Androhung des Verlustes der Sicherstellung der Dividende im Unterlassungsfall.
1    Das Nachlassgericht setzt bei der Bestätigung des Nachlassvertrages den Gläubigern mit bestrittenen Forderungen eine Frist von 20 Tagen zur Einreichung der Klage am Ort des Nachlassverfahrens, unter Androhung des Verlustes der Sicherstellung der Dividende im Unterlassungsfall.
2    Der Schuldner hat auf Anordnung des Nachlassgerichts die auf bestrittene Forderungen entfallenden Beträge bis zur Erledigung des Prozesses bei der Depositenanstalt zu hinterlegen.
SchKG
sind in dieser Hinsicht gleich zu halten den kantonalen Entscheidungen
im Rechtsöffnungsverfahren, gegenüber welchen die Beschränkung des
staatsrechtlichen Rekurses auf die Beschwerde wegen Rechtsverweigerung
schon wiederholt festgestellt worden ist (ng. z. B. AS 29 I Nr. 1 Erw. 1
S. 4). Danach aber kann aus den vorliegenden Rekurs wegen Jnkompetenz
nicht eingetreten werden; -

erkannt: Auf den Rekurs wird nicht eingetreten.Eingriffe kantonaler
Behörden in garantierte Rechte. N° 115. 7413.

Dritter Abschnitt. Troisième section.

Kantonsveriassungen.

Constitutions cantonales.Eingriffe kantonaler Behörden in garantierte
Rechte. Atteintes portées par des autorités cantonales; à des droits
garantis.

115. get-teil vom 19. gionemsset 1908 in Sachen Witz gegen Regierungsrat
Druck-h und eInstrumente-ge Bitt-item-

Rekurs gege n die Versorgung in einer Korrektiansanstalt. fes-ragt des
Schulésiverhafts, 1171.59 Abs.2BV.Verfasszmgsgarantie der per sönh'ohen
Freiheit, Art. 7 zürclz. KV.

Das Bundesgericht hat da sich ergeben:

A. unterm 9. April 1908 fasste der Bezirksrat Hinwil aus- Antrag der
Armenpflege Bubikon den Beschluss, es sei der Rekurrent Kaspar Wirz,
geboren 1879, Giesser, von Bubikon, zurzeit in der Looren, Hinwil,
für die Dauer eines Jahres in eine (noch zu bestimmende) staatliche
Korrektionsanstalt einzuweisen., Zur Begründung dieser Massnahme wurde
daraus hingewiesen, dass Wirz seine Vaterpflichten seit mehr als zwei
Jahren in gröblicher Weise vernachlässige und insbesondere sein am
24. Januar1908 schriftlich abgegebenes Versprechen, für den Unterhalt
seinerzwei Kinder alle vierzehn Tage 8 Fr. zu bezahler nicht erfüllt ss

"742 A. Staatsrechtliche
Entscheidungen. Ill. Abschnitt. Kantonsverfassuugen.

habe. Wirz rekurrierte hiegegen an den Regierungsrat, indem er in der
Hauptsache geltend machte: Er habe nur deshalb keine Beiträge an den
Unterhalt seiner Kinder geleistet, um seine von ihm getrennt lebende
Frau zu veranlassen, ihm bezw.feiner Mutter, welcher er gegenwärtig
den vom Vater hinterlassenen Bauerngewerb bearbeiten helfe, ein Kind
zur Erziehung zu übergeben.Überdies wurde die Armenpflege Bubikon
aufgefordert, gegen Wirz, der sich als Miteigentümer eines ziemlich
grossen Heimwesens ausgab, Betreibung anzuheben. Der Regierungsrat wies
die Beschwerde am 28. Juli 1908 mit folgender wörtlicher Begründung
ab: Die gemäss § 1 des Gesetzes betreffend die Errichtung staatlicher
Korrektionsanstalten vom 4. Mai 1879 erforderlichen Voraussetzungen für
die Anordnung einer zwangsioeisen Versprgung sind im vorliegenden Falle in
vollem Umfange gegeben. Es ist festgestellt, dass K. Wir-z seine Ehefrau
samt seinen zwei kleinen Kindern seit zirka zwei Jahren vollständig im
Stiche gelafsen hat und dass dieselbe teils aus die Hülfe der Armenpflege,
teils auf die Unterstützung seitens ihrer Eltern angewiesen ,ist. Aus den
Vernehmlasfungen der Vorinstanzen ergibt sich wettet-, dass der Rekurrent
wegen Diebstahls mehrfach vorbestraft ist, einen unstäten Lebenswandel
führt und arbeitsscheu ist, insbesondere nicht einmal im ftande ist,
sich selbst durchzubringen und deshalb von Zeit zu Zeit seiner in sehr
bescheidenen Verhältnissen lebenden Mutter zur Last fällt, obschon er
unbestrittener- maszen ein junger, arbeitsfähiger Mann ist und sich
samt seiner "Familie bei solidem Lebenswandel mittelst seines Berufes
sehr "wohl durchzubringen vermöchte Gleichzeitig stellt sich heraus,
dass auch die in der Beschwerdeschrift über die Vermögens-verhält,nifse
des Rekurrenten enthaltenen Ausführungen den Tatsachen durchaus nicht
entsprechen und eine Betreibung desselben von vornherein erfolglos sein
würde. Unter solchen Verhältnissen muss die Behauptung des Rekurrenten,
er habe durch sein pflichtividriges Verhalten seine Ehefrau zwingen
wollen, ihm die Fürsorge für eines der beiden Kinder zu .Überlasfen, als
eine blosse Aus,rebe betrachten werden Derselbe wäre überdies auch gar
nicht berechtigt, einen eventuellen Streit über die Erziehung der Kinber
in dieser Weise mit seiner Frau auszufechten. Die BeschwerdeEingriffe
kantonaier Behörden in garantierte Rechte. N° 115. 743

erscheint um so haltloser, als K. Wirz seit Anfang dieses Jahres nicht
mehr daran zweifeln konnte, dass er zwangsweise versorgt ,werde, wenn
er sich nicht bessere und seine Vaterpflichten nicht .erfülle, und auch
diese letzte Gelegenheit unbenützt hat vorübergegen lassen.

Jn § 1 des zürcherischen Gesetzes betreffend die Errichtung staatlicher
Korrektionsanftalten ist vorgeschrieben, dass die Korrektionsanstalten
bestimmt sind u. a. zur Aufnahme volljähriger, arbeitsfähiger, aber
arbeitsscheuer und liederlicher Personen, welche entweder almosengenössig
sind, oder unter Vorinundschaft stehen.

B. Gegen den Entscheid des Regierungsrates hat Wirz den staatsrechtlichen
Rekurs ans Bundesgericht mit dem Antrag auf Aufhebung ergriffen. Es
wird ausgeführt, der Entscheid verletze die Garantie der persönlichen
Freiheit (Art.? KB) und Verstosse gegen das Verbot der Schuldverhaft
(Art. 59 VB). Der Rekurrent sei weder arbeitsscheu, noch liederlich, noch
almosengenössig. Er habe seine Frau nur deshalb nicht unterstützt, weil er
sie habe zwingen wollen, zu ihm zurückzukehren oder ihm doch wenigstens
sein Kind herauszugeben Eine Betreibung gegen den Rekurrenten hätte
durchaus Erfolg gehabt, da dieser als Miteigentümer einer Liegenschaft
(mit Mutter und Schwester) ein Vermögen von einigen Tausend Franken
habe. Der Rekurrent habe in letzter Zeit auf dem gemeinsamen Heimwesen
gearbeitet. Aus den Jahren 1901 bis 1907 legt der Rekurrent verschiedene
Arbeitszeugnisse vor.

C. Der Regierungsrat Zürich und der Gemeinderat Bubikon haben auf
Abweisung des Rekurses angetragen. In der Antwort des Gemeinderate-s
werden die Behauptungen des Rekurrenten über seine Vermögensverhältnisse
und seine Beschäftigung als unrichtig bestritten; -

in Erwägung:

1. Eine Verletzung des verfassungsmässigen Verbots des Schuldverhafts
(Art. 59
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 59 Militär- und Ersatzdienst - 1 Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
1    Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
2    Für Schweizerinnen ist der Militärdienst freiwillig.
3    Schweizer, die weder Militär- noch Ersatzdienst leisten, schulden eine Abgabe. Diese wird vom Bund erhoben und von den Kantonen veranlagt und eingezogen.
4    Der Bund erlässt Vorschriften über den angemessenen Ersatz des Erwerbsausfalls.
5    Personen, die Militär- oder Ersatzdienst leisten und dabei gesundheitlichen Schaden erleiden oder ihr Leben verlieren, haben für sich oder ihre Angehörigen Anspruch auf angemessene Unterstützung des Bundes.
BV) durch den angefochtenen Entscheid des Regierungsrates kann
nicht in Frage kommen; denn der Naturrent wird als armengenössige,
arbeitsscheue und liederliche Person in eine Korrektionsanstalt
Verwiesen,und es wird keineswegs über ihn eine Haft als Zwangsmittel
zur Zahlung einer zivilrechtlichen Sebald, oder zur Tilgung einer Schuld
verhängt, was unter

AS 34 I 1908 49

744 A. Staatsrechtliche
Entscheidungen. III. Abschnitt. Kantonsverfassnngen.

Schuldverhast im Sinne der Verfassung zu verstehen ist (siehe Burckhardt,
Kom. zur BV S. 622 und die dortigen Bitrate)

2. Vom Standpunkt der Versassungsgarantie der persönlichen Freiheit
(Art·7KV) aus ist die Verweisung einer Person in eine Korrektionsanstalt
nur zulässig, wenn sie aus gesetzlicher Grundlage beruht, und es genügt
dabei nicht, dass eine Gesetzesbestimmung überhaupt angerufen ist,
sondern diese Bestimmung darf auch nicht in einer Weise angewendet sein,
die sich als willkürlich darstellt. Nun stützt sich der angefochtene
Entscheid aus § 1 des kantonalen Gesetzes über die Errichtung staatlicher
Korrektionsanstalten, und es ist nicht ersichtlich, dass bei dessen
Anwendung auf den Rekurrenten der Regierungsrat sich einer Willkür
schuldig gemacht habe. Es steht fest, dass die Kinder des Rekurrenten
durch die Armenpflege Bubikon unterhalten oder doch in wesentlichem Mass
unterstützt werden müssen, weil der Rekurrent nicht für sie sorgt. Jn
diesem Tatbestand kann aber sehr wohl und jedenfalls ohne Willkür
das Requisit der Armengenössigkeit auch für den Rekurrenten erblickt
werden. Was sodann den Vorwurf der Liederlichkeit und der Arbeitsscheu
anbetrisst, so wird er von den kantonalen Behörden und speziell der
Armenpflege Bubikon dem Rekurrenten gegenüber aus Grund ihrer genauen
Kenntnis seiner persönlichen Verhältnisse erhoben, und er ist durch
die Refin-Bz christ, die sich im wesentlichen aus Behauptungen und
Bestreitungen beschränkt, nicht sentkrästet. Die vom Rekurrenten einge-
legten Arbeitszeugnisse geben über die Jahre 1905 und 1906 und auch
über die letzte, namentlich in Betracht kommende Zeit keine Auskunft
Zudem erscheint der Rekurrent von vornherein dadurch stark belastet,
dass er seinen nächsten Familieupflichten, trotz seines ausdrücklichen
Versprechens, beharrlich nicht nachgekommen ist. Auch in Bezug auf den
Tatbestand der Liederlichkeit und Arbeitsscheu ist daher eine Willkür
der kantonalen Behörden nicht dargetan; -

erkannt:

Der Rekurs wird abgewiesen.

-O o O-I, Staatsverträge über zivilrechil. Verhältnisse. Hit Frankreich N°
116 745

Vierter Abschnitt. Quatrième section.

Staatsverträge der Schweiz mit dem Ausland.

Traltes de la Smsse avec l'étranger.

W-

I. Staatsverträge über zivilrechtl. Verhältnisse. Rapports de droit civil.

Vertrag mit Frankreich vom 15. Juni 1869 Traité avec la France du 15
juin 1869.

116. An'ét du 12 novembre 1908 dans la cause Dubelly contre Carla Durand.

Exéoution, en Suisse d' ' _ ' , . , un Jugement rendo. par un tribu gals,
pretendue mcompétence du tribuna] francais. Îxl-tfrall;

al. 1. Traité franco-s ' ' ' domicile. msse. Art. ist-, art. 3 chad. :
élection de

Par acte sous sein ' ' ' _ g pnvé du 6 Janvler 1904 le recour ant Pierre
Dubelly, entrepreneur à Carouge (Genèvîe), & reconnu III-solt sonsent
des actions de la Société immobilière de la ace des Arts, a '.Iîhonon,
pour une somme de 17 250 francs Ireprésîltant 69 actlons de 250 francs
chacune; et il en pay-; e qua ar 4 ' ' Geneva, }) 312 fr. 50, au s1eur
Navarro, réglsseur à. MLÎ 14 janvier-1904, Dubelly remit une procuration
à b]: oms Bourgems, pour le représenter à toutes les assemeles générales
etvextraordinaires dela. dite Société. es statuts de cette Société furent
étabh's par acte du
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 34 I 741
Datum : 19. Januar 1908
Publiziert : 31. Dezember 1908
Quelle : Bundesgericht
Status : 34 I 741
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 740 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. II. Abschnitt. Bundesgesetze. Zuständigkeit


Gesetzesregister
BV: 59
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 59 Militär- und Ersatzdienst - 1 Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
1    Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
2    Für Schweizerinnen ist der Militärdienst freiwillig.
3    Schweizer, die weder Militär- noch Ersatzdienst leisten, schulden eine Abgabe. Diese wird vom Bund erhoben und von den Kantonen veranlagt und eingezogen.
4    Der Bund erlässt Vorschriften über den angemessenen Ersatz des Erwerbsausfalls.
5    Personen, die Militär- oder Ersatzdienst leisten und dabei gesundheitlichen Schaden erleiden oder ihr Leben verlieren, haben für sich oder ihre Angehörigen Anspruch auf angemessene Unterstützung des Bundes.
SchKG: 315
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 315 - 1 Das Nachlassgericht setzt bei der Bestätigung des Nachlassvertrages den Gläubigern mit bestrittenen Forderungen eine Frist von 20 Tagen zur Einreichung der Klage am Ort des Nachlassverfahrens, unter Androhung des Verlustes der Sicherstellung der Dividende im Unterlassungsfall.
1    Das Nachlassgericht setzt bei der Bestätigung des Nachlassvertrages den Gläubigern mit bestrittenen Forderungen eine Frist von 20 Tagen zur Einreichung der Klage am Ort des Nachlassverfahrens, unter Androhung des Verlustes der Sicherstellung der Dividende im Unterlassungsfall.
2    Der Schuldner hat auf Anordnung des Nachlassgerichts die auf bestrittene Forderungen entfallenden Beträge bis zur Erledigung des Prozesses bei der Depositenanstalt zu hinterlegen.
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
regierungsrat • arbeitsscheu • kantonale behörde • bundesgericht • mutter • gemeinderat • weiler • frankreich • persönliche freiheit • dauer • rechtsmittel • kantonales rechtsmittel • verbot des schuldverhafts • unterhaltspflicht • grundstück • willkürverbot • begründung des entscheids • entscheid • sozialhilfe • sanktion
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