bezog jedensalls nicht einen im gleichen Sinne wesentlichen Bestandtteil
des Betriebes der Weinhandlung als solcher bildete, wie hier die
Bereitstellung des von der Rekurrentin ständig und ausschliesslich
aus der eigenen Quelle in Wilihof bezogenen und als solches in
den Handel gebrachten Mineralwassers für ihren Geschäftsbetrieb
der Quellenausbeutung. Ebenso erscheinen auch die anderweitigen
Einwendungen gegen die grundsätzliche Berechtigung auch des Kantons
Luzern zur Besteuerung des Erwerbs der Rekurrentin als nnbehelflich. Die
Argumentation der Vernehmlassung des aargauischen Regierungsrates, welche
dahingeht, die Rekurrentin sei am Orte ihrer Mineralquelle ebensowenig
erwerbssteuerpflichtig, als ein Weinhändler da, wo der Wein wachse (statt
da, wo sich sein Geschäft besinde), übersieht, dass der Erwerb eines
Weinhändlers als solchen eben nicht im Ertrage der Weinreben, sondern
lediglich im Gewinn auf dem am Geschäftsorte betriebenen Weinumsatze
liegt. Und die Behauptung der Rekurrentin, dass sie sich hinsichtlich des
Wasserbezugs aus ihrer luzernischen Mineralquelle in analoger Stellung
befinde, wie ein Landwirt, welcher die Ernte seines auswärts gelegenen
Kartoffelfeldes einsammle, und dass sie danach nicht am Orte der Quelle
erwerbssteuerpflichtig sein könne, geht offensichtlich fehl, weil der
gewöhnliche Ertrag eines solchen Kartoffelfeldes, aller Regel nach,
gemäss den Grundsätzen über die Liegenschaftsbesteuerung, gerade nicht
in der Wohnsitzgemeinde des Eigentümers als solcher, sondern vielmehr
in der Gemeinde, wo der Acker gelegen ist, zu versteuern ware, und weil
ferner das Mineralwasser doch nicht, wie die erntereife Kartoffel, ein
mit seiner Behändigung ohne weiteres verwertbares Naturprodukt darstellt.
2. Was die quantitative Abgrenzung der Steueranfprüche der beiden Kantone
betrifft, dürfen die örtlich getrennten Betriebszweige der kaufmännischen
Geschäftsführung im Kanton Aargau und der technisch-produktiven
Betriebstätigkeit im Kanton Luzern nach ihrem erörterten Zusammenwirken
zur Erzielung des Erwerbs wohl als unter sich gleichwertige Faktoren
desselben angesehen werden Es rechtfertigt sich daher, jedem der
Kantone die Hälfte des jeweiligen Gesamterwerbes der Rekurrentin als
steuerpflichtige Quote zuzuerkennen. In diesem Sinne ist einerseits
dieII. Doppelbesteuerung N° 103. 683
Angelegenheit, in Aufhebung des in erster Linie und ausdrücklich dem
Rekurse unterstellten Entscheides der luzernischen Sternsehehorden,
zu neuer Bestimmung des Steueransatzes pro 1908 an diese Behörden
zurückzuweisen, und anderseits auch den aargauischen Steuerorganen, deren
Verfügung die Rekurrentin zwar nicht speziell bezeichnet, jedoch eventuell
allgemein ebenfalls angefochten hat, die Verpflichtung aufzuerlegen, ihre
Steuerforderung für das gleiche Steuerjahr entsprechend festzusetzen;
erkannt:
Der Rekurs wird in dem Sinne gutgeheissen, dass die Rekrurentm, in
Aufhebung des abweichenden Entscheides der luzernischen Steuerbehörden,
pflichtig erklärt wird, ihren Erwerb je zur Hälfte in den Kantonen Luzern
und Aargan zu versteuern.
103. Eli-teil vom 10. Dezember 1908 in Sachen Sten-aims gegen
Regierung-rat Duzetm
Befran gegen den Bezug eine-r Hundesteuer. Doppelbesteuerung ? -Liezern.
Fmanzgesetz vom 9. März 185.9, Es 56 und 57 ; Ges. bet-r. dee Hundetamen
vom 7. Jum' 1869.
Das Bundesgericht hat da sich aus den Akten ergeben:
A. Der Rekurrent Heinrich Frey-Hirzel, Notar, in Gontenschwil (Aargau)
hat am 12. September 1908 ein Jagdpatent für den Kanton Luzern erworben,
das ihn berechtigt, während der Jagdzeit vom 1. Oktober bis und mit
30. November 1908 in dem der Jagd geöffneten Gebiet des Kantons mit zwei
Hunden zu jagen. Für dieses Patent hat er folgende Taer entrichten müssen:
Für die allgemeine Jagd (inkl. 1 Hund) . . Fr. 60 Zuschlag für nicht im
Kanton niedergelassene
Jager . . 30 für die Flugjagd . . . . . . 20 für den zweiten Hund
. . . . 10 Hundesteuern . 30
zum Fr. 150
684 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.
B. Hieran hat Frey innert nützlicher Frist seit der Patentausftellung
den staatsrechtlichen Rekurs an das Bundesgericht ergriffen, mit dem
Antrage, die Verfügung des luzernischen Regierungsrates, wonach er
laut feinem Jagdpatent vom 12. September 1908 Fr. 30 Hundesteuern habe
bezahlen müssen, sei aufzuheben und ihm diese notgedrungen bezahlte
Steuer wieder zurückzuerstatten, edentuell an einem der in den nächsten
Jahren zu lösenden Jagdpatente in Abrechnung zu bringen. Er macht zur
Begründung dieses Begehrens geltend, die fragliche Steuererhebung
bewirke eine nnstatthafte Doppelbesteuerung, da er für seine Hunde
bereits an seinem aargauischen Wohnsitze die Hundesteuer entrichten
müsse; es bestehe im Kamen Luzern überhaupt auch gar kein Gesetz, das
dem Regierungsrat erlaube, derartige Hundesteuern zu beziehen, denn das
kantonale Hundesteuergesetz betreffe nur die Hunde von Kantonseinwohnern
und von solchen herumziehenden Leuten, die sich als Komödianten ze. länger
als drei Monate im Kanton aufhielten.
C. Der Regierungsrat des Kautons Luzern hat Abweisung des Rekurfes
beantragt. Er beruft sich vorab auf das einschlägige Präjudiz des
Bundesgerichts i. S. Meyer (AS. 32 I Nr. 94 S. 634 ff.) und fügt
wesentlich bei: Von Doppelbesteuerung im Sinne des bundesrechtlichen
Verbots könne nicht die Rede sein, da die streitige Abgabe für die
Jagdhunde keine Steuer, sondern einen Bestandteil der Jagdpatenttare
bilde, die als solche jenem Verbote nicht unterstehe Diese Abgabe
sei eingeführt worden durch den seither stets, so auch pro 1908,
grundsätzlich aufrecht erhaltenen, seinerzeit vom Grossen Rat und vom
Bundesrat-genehmigteu Regierungsratsbeschluss vom 18. Februar 1888
betreffend teilweise Abänderung der kautonalen Vollziehungsverordnung
zum BG über Jagd und Vogelschutz, welcher laute: Von jedem mitzuführenden
Hunde ist eine Tare von 5 Fr. zu bezahlen. Nicht im Kanten niedergelassene
Jäger haben überdies die kantonale Hundesteuer von 3 Fr, und als Ersatz
der Geineindehundesteuer 12 Fr. für jeden auf die Jagd mitgebrachten Hund
zu entrichten." Die grundlegende Kompetenz des Kantons Luzern zum Bezuge
von Hundesteuern aber ergebe sich aus dem kantonalen Finanzgesetz vom
Jahre 1859 für den Staat (§ 56), und ausII. Doppelbesteuerung N° 103. 685
dem Gesetz betreffend die Hundetaxen vom 7. Juni 1860 für die Gemeinden;
in Erwägung:
1. Die Hauptbeschwerde des Rekurrenten über unstatthafte Depp-{Beenerung
geht schon deswegen fehl, weil nach feststehensder Praxis, von welcher
abzugeben kein Grund vorliegt, die sogenannten Luxussteuern, zu denen
die hier streitige Hundesteuer, sofern sie überhaupt als allgemeine
Steuerabgabe, im Gegensatz zur speziellen Tarabgabe, aufzufassen sein
sollte, unzweifelhaft gehört, nicht unter das aus Art. 46
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um. |
|
1 | Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um. |
2 | Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10 |
3 | Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11 |
abgeleitete Verbot der interkantonalen Doppelbesteuerung fallen (vgl. AS
27 I Nr. 25 Crw. 1 S. 159, und seither noch den nicht publizierten
Entscheid i. S. Diodati, vom 4. Dezember 1902, sowie im gleichen Sinne
Zürcher, Verbot der Doppelbesteuerung S. iOS/110).
2. Auch die weitere, mehr beiläufig aufgestellte Behauptung
des Nekurrenten, dass die streitige Abgabe für die Jagdhunde der
gesetzlichen Grundlage entbehre, trifft nicht zu. Eine Hundetaxe isf,
wie der Regierungsrat richtig angibt, zu Gunsten des Staates schon im
kantonalen Finanzgesetz vom 9. März 1859 vorgesehen worden, und zwar
einerseits als Abgabe für die erste Einlösung eines Hundezeichens (§
56) d. h. für alle Hunde, und anderseits als neben der Jagdpatenttaxe
als solcher bestehende Abgabe für zjeden mitzuführendenit Jagdhund '
(g 57). Das Gesetz betreffend die Hundetaxen vom 7. Juni 1869 hat dann
überdies {g 1) ieben Hundebesitzer verpflichtet, der Gemeinde, auf welche
das Hundezeichen lautet-C eine jährliche Tare (non veränderlichein
Betrage) zu bezahlen. Zu diesen Hundebesitzern" können nun nach
dem Zusammenhang der drei erwähnten Bestimmungen gewiss auch die bei
answärtigem Wohnsitz mit Hunden im Kanton jagenden Personen, auf welche §
57 des ältern Gesetzes ohne weiteres zutrifft, gerechnet werden. Ihre
Heranziehung zu den kantonalen Hundeabgaben ist daher grundsätzlich
nicht zu beanstanden Und wenn nun diese Heranziehung vom Regierungsrat
in die Form des Zuschlags der verschiedenen Hundetaren zur eigentlichen
Jagdbewiliigungstaxe für das Jagdpatent gekleidet worden ist, während
sie in der gleichen Form von den im Kantone wohnhaften Jägern, teilweise
wenigstens (was den vom Rekurreuten
686 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. l. Abschnitt. Bundesverfassung.
angefochtenen Hundesteuer-Betrag angeht), nicht gefordert wird, so kann
diese, übrigens nur scheinbare Benachteiligung der auswärtigen Jäger
jedenfalls verfassungsrechtlich aus dem Gesichtspunkte der Garantie der
Rechtsgleichheit (Art. 4 VV), auf die sich der Rekurrent zudem gar nicht
beruft ebenfalls nicht an:gefochten werden. In diesem Punkte mag einfach
auf die Begründung des vom Regierungsrate angezogenen Rekursentscheides
i. S. Meyer (a. a. O. S. 637 Erw. 2) bezüglich der analogen Ungleichheit
der eigentlichen Jagdbewilligungstaxen selbst verwiesen sein; erkannt:
Der Rekurs wird abgewiesen
Vergl. auch Nr. 100.
III. Verweigerung und Entzug der Niederlassung; Refus et retrait de
l'établissement.
104. Zweit vom 2. Oktober 1908 in Sachen stiller gegen Regierung-rat
édjwnz.
Ausstellung von Ausweisscher'ften für die Ehefrau; rechttiches Do-mizil
der Ehefrau. Sie ist zu einer vom ehelichen Wohnsitz getrenn- ten
Niederlassung nur mit Zustzîmmemg des Enema-news berechtigt. Vorbehalt
von Art. 44 ZEG.
Das Bundesgericht hat da sich ergeben: _
A. Die Rekurrentin Christine Kisiler-Dobler, welche mit Wilhelm Kistler
von und in Reichenburg verheiratet ist, verliess daseheliche Domizil
angeblich wegen Misshandlungen seitens des Ehemannes und begab sich in
ihre frühere Heimatgemeindes JnnerthaL Als hier Ausweisschriften von ihr
gefordert wurdenIf gelangte sie mit dem Gesuche um Aussiellung solcher
an die Ge-III. Verweigerung und Entzug der Niederlassung. N° 104. 687
meinde Reichenburg Diese aber verweigerte ihr, zufolge Einsprache
des Ehemannes Kistler, die Aushingabe eines Heimatscheines, und der
Regierungsrat des Kantons Schwyz wies ihre Beschwerde gegen diese
Verfügung der Gemeindebehörde durch Entscheid vom 8. August 1908 ab,
mit-der Begründung: Da ihre Ehe mit Wilhelm Kistler gerichtlich nicht
geschieden sei, gelte als ihr Wohnsitz nach Gesetz (Art. 4 Abs. 1 BG
betr. zivilr. V. d. N. 11. A.) derjenige des Mannes, und es habe dieser
letztere als Haupt der Familie eine gegenteilige gerichtliche Verfügung
vorbehalten den Wohnsitz der Familie zu bestimmen. In Art. 44 ZEG
fänden die Frau und eventuell die Kinder ein ausreichendes Rechtsmittel,
um während des Ehescheidungsverfahrens getrennt vom Manne und Vater zu
leben, sofern dies durch die Verhältnisse gerechtfertigt werden sollte. .
B. Diesen Entscheid des Regierungsrates hat Christine KisilerDobler
rechtzeitig durch staatsrechtlichen Rekurs beim Bundesge-
richt angefochten. Sie macht wesentlich geltend, Art. 4
SR 170.32 Bundesgesetz vom 14. März 1958 über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner Behördemitglieder und Beamten (Verantwortlichkeitsgesetz, VG) - Verantwortlichkeitsgesetz VG Art. 4 - Hat der Geschädigte in die schädigende Handlung eingewilligt oder haben Umstände, für die er einstehen muss, auf die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens eingewirkt, so kann die zuständige Behörde die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden. |
zivilr. V. d. N. u. A. habe nur den rechtlichen Wohnsitz im Ange, dagegen
bestehe für die Ehefrau, wie für die staatlich bevormunbeten Personen,
die Möglichkeit, einen vom rechtlichen getrennten faktischen Wohnsitz zu
haben, und es könne einer Ehefrau, wenn sie aus irgend welchen Gründen,
z. B. aus religiösen Rücksichten-. die Ehescheidung nicht verlangen wolle
wie dies vorliegend der Fall sei , deswegen nicht zugemutet werden, bei
dem sie misshandelnden Manne zu bleiben. Folglich müssten ihr die zur
anderweitigen Niederlassung notwendigen Ausweisschriften aushinge,geben
werden; die Verweigerung derselben bedeute eine Verletzung der durch
Art. 45
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 45 Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes - 1 Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung. |
|
1 | Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung. |
2 | Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend über seine Vorhaben; er holt ihre Stellungnahmen ein, wenn ihre Interessen betroffen sind. |
in Erwägung:
Die vorliegenden Verhältnisse entsprechen völlig denjenigen des Falles
Scherrer, den das Bundesgericht am 8. November 1894 (US 20 Nul-15
S.737ff.) beurteilt hat. Dort (S. rHof-) ist des näheren ausgeführt,
dass die Ehefrau als solche sich auf die Garantie des Art. 45
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 45 Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes - 1 Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung. |
|
1 | Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung. |
2 | Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend über seine Vorhaben; er holt ihre Stellungnahmen ein, wenn ihre Interessen betroffen sind. |
berufen kami, sondern zu einer vom Wohnsitz des Ehemannes getrennten
Niederlassung nur mit Zustimmung jenes berechtigt ist und in Ermangelung
solcher Zustimmung mit Vorbehalt einer gerichtlichen Verfügung gemäss