614 B. Entscheidungen der Schuldbelreibuugsund Konkurskammer.

de constater que c'est bien ainsi que le jugement doit étre interprete. Or
en partant de cette interpretation du jugement, on doit admettre qu'il &
en pour conséquence la mainlevée definitive de l'opposition, avec faculté
pour Dailly, s'i! estime que la dette est éteinte par la restitution des
fùts, de requérir I'annuiation de la poursuite en s'adressant au. juge,
seul competent, d'après 1'art.85, pour trancher cette question de
droit materie]. C'est donc à. bon droit que, ne se trouvant en présence
d'aucune annulation ou suspension de la. poursuite an sens de l'art. 85
LP, l'autorité cantonale de surveillance a invite l'office des poursuites
à donner suite & la réquisition de saîsie du 29 mai 1908.

Par ces motifs, La. Chambre des Poursuites et des Faillites prononce :

Le receurs est écarté.

MSA-HI. II,. IKON-ES IRIDE]. l CKA. STAATSREGHTLICHE ENTSGHEIDUNGEN
ARRETS DE DROP]? PUBLICErster Abschnitt. _ Première section

Bundesverfassung. Constitution fédérale.I. Rechtsverweigerung und
Gleichheit vor dem Gesetze. Deni de justice et egalité devant la. loi.

es. gis-teil vom 28. exact-set 1908'iu Sachen given spähte-: gegen
Yasjerkingen und Regierungsrat guru}.

Beresktegung zum Bezug der Armennaohsteuer naeh zürchem'sch
Steuerrecht. Zù'rck. Steuerges. vom 24. April 1870 5 38 ' 2 EUR?
Gememdegesetz 12071327. J uni {875 . g 147 . Strafcäaquter der Rech.
gis-erjnzuleîssigkeit der Neehsteuer, wenn der Steuerberecäti taec' _
Kenntnis der Steuerpflicht des Pflichtigen dessen Steuervemnlg m und
den Bezug der Steuer unte-rlassen kat. Grundsatz W T gung Glauben in
Steuersacken. "96% und

A. Das zürcherische Steuergesetz vom 24. April 1876 Be:

stimmt in § 38, der im Titel V Felgen unrichtiger Angaben

ster .Ergibt sich, dass ein Pflichtiger sein Vermögen unvoll,gemäss
vgriteuert hat, so ist eine Steuernachzahlung zu beziehen , tee e erägt
das Fünffache der in den le ten ' ° .

AS 34 I 1908 % zum Jahren

616 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. 1. Abschnitt. Bundesverfassung.

dem Staate zu wenig bezahlten BeträgeJ § 147 des zürcherischen
Gemeindegesetzes vom 27. Juni 1875 lautet :. In Faklene unvollständiger
Versteuerung ist Nachzahlung un gleichen Verhaltnis wie für die
Staatssteuern zu leisten. Nach § 136 des Gemeindegesetzes haben an die
Ausgaben für das Armenwesen alleim Gebiete des Kantons in oder ausser
der Heimatgemeinde wohnenden Gemeindebürger beizustenern.

B. Am 18. März 1905 starb in Zürich alt Bankdirektors Theodor Spühler. Die
waisenamtliche Jnventarisation ergab für dieJahre 1903 1905 an Stelle der
versteuerten 680,000 Fr. ein steuerpflichtiges Vermögen von 1,310,000 Fr.,
13110000 Fr. und 1,430,000 Fr. Gestützt hieraus legte die Finanzdtrektton
den Erben in Anwendung von § 38 des Steuergesetzes für die Jahre1903
und 1904 eine Nachsteuer von 27,450 Fr. auf.

Spühler war, jedenfalls ursprünglich, Bürger der zürcherischen
Gemeinde Wasterkingen gewesen. Im Jahre 1875 war er Bürger der Stadt
Zürich geworden. Es ist streitig, ob er bei feinem Tode noch Bürger von
Wasterkingen war. Die letztere Gemeinde hat ihn niemals mit Armensteuer
belegt, weil der Gemeinderat befürchtete, durch die Erhebung der Steuer
das Wohlwollen des angesehenen Mitbürgers, der jährlich Unterstützungen
fur die Gemeindearmen sandte, zu verscherzen.

Am 15. März 1907 beschloss der Gemeinderat Wasterkingenx in seiner
Eigenschaft als Armenpflege, es seien den ErbenSpühler die Nachzahlungen
der einfachen Armensteuern für die Jahre 1895 1908 von demjenigen Vermögen
ausgelegt, von dem während dieser Zeit die Steuern an den Staat entrichtet
worden find ferner die fünfsache Armennachsteuer von dem in den Jahren
1903 und 1901 dem Staate gegenüber nicht versteuerten Vermögen, gemäss §
147 des Gemeindegesetzes in Verbindung mit § 88 des Steuergesetzes Die
sich hieraus ergebende Armensteuernachforderung betrug insgesamt 39,405
Fr. Auf die Beschwerde der Erben Spühler, die u a. geltend machten:
dass der Erblasser seit 1875 infolge Verzichts nicht mehr Burger von
Wasterkingen gewesen sei, erklärte der BezirksranBülach durch Entscheid
vom 25. Juni 1907 die Gemeinde Wasterkingen als berechtigt, von den Crben
Spühler für die Jahre 1895 bis 1900[. Rechtsverweigerung und Gleichheit
vor dem Gesetze. N° 96. 61?

die einfache Armennachsteuer zu beziehen, nicht aber die fünffache
Nachsteuer pro 1903 und 1904. Der Bezirksrat nahm an, dass ein Verzicht
Spühlers auf das Bürgerrecht von Wasterkingen nicht nachgewiesen sei. Der
Entscheid des Bezirksrats wurde von beiden Parteien an den Regierungsrat
weitergezogen. Am 7. Mai 1908 beschloss der Regierungsrat: I. Die Rekurse
der Erben Spühler in Zürich und des Gemeinderates Wasterkingen werden
teilweise gutgeheissen und der Entscheid des Bezirksrates Vülach me 25,
Juli 1907 aufgehoben. II. Der Gemeinderat Wasterkingen ist berechtigt,
von den Erben Spiihler für die Jahre 1903 und 1904 eine Nachsteuer im
Betrage von 22,650 Fr. zu erheben; die weitergehenden Ansprüche werden
abgewiesen. III. Die Staatsgebühr wird auf 30 Fr. festgesetzt. Sie
ist samt den in-eigen Kosten, bestehend in den Ausfertigungsund
Stempelgebühren, von beiden Parteien zu gleichen Teilen zu bezahlen. Jn
der Begründung geht der Regierungsrat gleichfalls davon aus, dass die
Erben Spühler einen Verzicht des Erblassers auf das Bürgerrecht von
Wasterkingen nicht nachgewiesen hätten. Im übrigen ist der Entscheid im
wesentlichen wie folgt begründet: Was den Nachbezug der Steuer für die
Jahre 1895 bis 1906 anbetreffe, so müsse derselbe wie jede Steuerauflage
sich aus eine gesetzliche Bestimmung gründen können. Der Gemeinderat
Wasterfingen und der Bezirksrat Bülach glaubten eine solche in den
Vorschriften des Gemeindegesetzes über die Vermögenssteuer und dem
anerkannten Grundsatze, dass Steuern als öffentlichrechtliche Ansprüche
nicht verjähren, sehen zu dürfen. Die Vermögenssteuer sei jedoch eine
periodische Abgabe, die nach Gesetz für jede einzelne Periode in
einem ausdrücklich geregelten Verfahren bestimmt werden müsse. Das
Gesetz stehe also auf dem Standpunkte, dass es zwar die subjektiven
und objektiven Voraussetzungen der Steuerpflicht normiere, dass aber
der konkrete Steueranspruch der Gemeinde nicht unmittelbar aus seinen
Bestimmungen folge, sondern erst durch einen Verwaltungsakh Festsetzung
im Steuerverleger, edentuell Entscheid der Verwaltungsbehörden
im Administrativprozess (§§ 143 und 144 des Gemeindegesetzes),
geschaffen werden müsse. Der Steuerverleger, ergänzt durch allfällige
Nektarsentscheide, sei somit die massgebende Grundlage für die Zahl und

618 A. Siaatsrechtlicîm Entscheidungen. L Abschnitt. Bundesverfassung.

den Umfang der Steueransprüche einer Gemeinde für Weine bestimmte
Steuerperiode. Hieran sei die Gemeinde bei Erhebung dieser Ansprüche
gebunden; sie könne nicht ander-e Personen, als die, welche darin als
steuerpflichtig figurierten, besteuernmnd von diesen nicht mehr verlangen,
als sie nach dem Steuerregiiter schuldig seien, es sei denn, gesetzliche
Vorschriften bestimmten etwas anderes. Nun sei unbestritten, dass Von
Spühler während-der ganzen Periode 1875 bis 1905 keinerlei Armensteuern
sur Wasterkingen erhoben worden seien, und es müsse angenommen werden,
dass Spühler in den betreffenden Steuerregiiterir nicht figuriert habe. Da
aber den Gemeindebehörden von Wasterkingen eingestandenermaszen die
Steuerpflicht Spühlers bekannt gewesen sei, so habe die Armengemeinde
Wasterkingen ihm gegenüber keinerlei Steueranfpriiche erworben. Sie
könne daher solche auch heute nicht von dem Gesichtspunkte aus geltend
machen, dass es für die Steuern keine Verjährung gebe; denn dieses
Moment setze naturgemasz voraus, dass die Ansprüche einmal existiert
hätten. Bei dieser Rechtslage sei es völlig gleichgültig, aus welchen
Motiven Spuhler nicht besteuert worden sei. Ebenso sei nicht weiter zu
prufen, ob der Gemeinderat Wasterkingen wirklich auf seine Steueransprüche
gegenüber Spühler habe verzichten wollen und ob er dazu berechtigt gewesen
sei. Nachdem er die rechtzeitige Geltendmachung der nach dem Gesetz ihm
zugestandenen Steuerforderungen verfaumt habe, müsse die Armengemeinde
die Konsequenzen tragen, die daraus der gesetzlichen Regelung zufolge
resultierten. In Bezug auf die fünffache Nachsteuer von dem 1903
und 1904 dem Staate gegenüber nicht versteuerten Vermögen liege eine
gesetzliche Ermächtigung in der Vorschrift des § 147 des Gemeindegesetzes.
Voraussetzung eines Nachsteueranspruches der Gemeinde set hier lediglich
die Tatsache, dass eine Person in den letzten zwei Jahren auf Grund der
gesetzlichen Bestimmungen subjektiv und objektiv steuerpflichtig gewesen
sei, und dass sie in dieser Zeit zu wenig Vermögen versteuert babe. Ob
die unvollständige Versteuerung auf Absicht beruhe oder auf Irrtum, sei
angesichts des klaren Wortlautes von § 147 des Geineindegesetzes, der
lediglich auf den objektiven Tatbestand der unvollständigen Ver-steuerng
abstellevöllig gleichgültig Das Vorhandensein dieser Voraussetzung
muffeI. Rechtsverweigerung und Gleichheit vor dem Gesetze. N° 96. 619

nicht schon während der betreffenden Steuerperioden festgesetzt worden
sein; in der Einrichtung eines besonderen Nachsteuerversahrens habe
das Gesetz die notwendige Grundlage geschaffen für die Befugnis zur
nachträglichen Untersuchung und Bestimmung der Steuerpflicht. Unter
den Tatbestand der unvollständigen Versteuerung falle begrifflich auch
der Fall, wo jemand sein Vermögen überhaupt nicht Versteuert habe;
eine Befreiung solcher Steuerpflichtigen hätte zur Folge, dass gerade
diejenigen Personen, die ihrer Steuerpflicht in stärkstem Masse nicht
genügt hätten, am meisten geschont würden, was offenbar dem Grundsatze
einer gerechten Verteilung der Steuerlasten nicht entspreche und auch
nicht im Sinne des Gesetzes liegen könne.

C. Gegen den Entscheid des Regierung-states haben die Erben Spiihler
den staatsrechtlichen Rekurs ans Bundesgericht ergriffen mit dem
Antrag, der Entscheid sei mit Bezug auf Dispositive II und III wegen
Verletzung des Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV aufzuheben und die von der Gemeinde Wasterkingen
geforderte Nachsteuer aufzuheben Zur Begründung wird ausgeführt: Der
vom Regierungsrat anerkannte Satz, dass der konkrete Steueraiispruch
einer Gemeinde erst durch einen Verwaltung-Salt Festsetzung des
Steueroerlegers ec. geschaffen werde, müsse nicht nur für die einfache,
sondern noch viel mehr in Ansehung der fünffachen Nachsteuer nach § 147
des Gemeindegesetzes, welche die einfache Nachsteuer in sich schliesse,
gelten. Es sei ein Widerspruch, dass jemand eine Nachsteuer bezahlen
solle, der eine Steuer, die er nicht zu zahlen schuldig sei, nicht
bezahlt habe. Die Nachsteuer sei eine Strafe, soweit sie die einfache
Steuer übersteige. Wer überhaupt nicht verpflichtet sei, eine Steuer zu
entrichten, könne doch unmöglich eine Strafe verwirkt haben, weil er
die fragliche Steuer nicht bezahlt habe. § 147 des Gemeiiidegesetzes
setze gemäss § 145 die Taxation und Festsetzung der Steuerpflicht im
konkreten Fall voraus; und § 38 des Steuergesetzes bestimme ausdrücklich,
dass ein Pflichiiger, der sein Vermögen unvollständig versteuert habe,
also nur derjenige, der überhaupt verpflichtet gewesen sei eine Steuer
zu bezahlen und als solcher behandelt worden sei, zur Bezahlung einer
Nachsteuer angehalten werden könne. Der Gemeindesteueranspruch gegen
eine Person entstehe erst durch die Genehmigung des

620 A. Slaatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

Stenerverlegers, worin diese Person aufgeführt sei. Darum bestimme §
143 Absatz 2 des Gemeindegefetzest Der Tag, an welchem der Steuerverleger
genehmigt wird, ist massgebend für die Steuerpslicht des Einzelnen. Erst
dadurch werde ein Einwohner oder Bürger Pflichtiger im Sinne des §
38 des Gesetzes Bett. die Vermögenssteuer. § 144 des Gemeindegesetzes
schreibe denn auch ausdrücklich vor, dass jedem Steuerpflichtigen eine
besondere schriftliche Steueraufforderung zuzustellen sei, unter Ansetzung
einer Frist zur Einsprache Der Einwohner oder Bürger sei demnach nicht
verpflichtet, sich selbst zur Besteuerung zu melden. Vielmehr gehöre
es zu den Voraussetzungen der Steuerpflicht, dass dem Betreffenden
ein Steuerzettel zugeftellt werde; und so lange die Gemeinde dies
nicht getan habe, könne sie keine Forderung geltend machen und aus der
Nichtzahluug keine Folgen ableiten. Wenn man vorliegend in der Tatsache,
dass Spühler nicht im Steuerverleger von Wasterkingen figuriert habe und
dass ihm nicht ein Stenerzettel zugestellt worden sei, keinen Beweis für
den Verzicht auf das Bürgerrecht finden wolle, so beweise es doch einen
Verzicht auf die Steuerforderung seitens des Gemeinderates. Andernfalls
bliebe nur die Annahme, dass die Gemeindebehörde Spühler im Glauben
habe lassen wollen, dass er keine Armensteuer zu bezahlen habe, dass
sie sich dagegen vorbehalten habe, die Forderung, und gar noch eine
Nachsteuerforderung, erst nach seinem Tode gegen die Erben geltend zu
machen. Dies wäre aber eine mit den Tatsachen und den eigenen Handlungen
in direktem Widerspruche stehende Mentalreservation, die dolos wäre und
deshalb nicht berücksichtigt werden könnte.

D. Aus der auf Abweisung des Rekurses schliesseuden und aus die Begründung
des angefochtenen Entscheides verweisenden Antwort des Regierung-states
ist hervorzuheben: Die fiinffache Nach_ steuer des Z 38 des Steuergesetzes
habe keinerlei Strascharakter. Sie bezwecke ganz allein die Regelung der
ökonomischen Folgen unvollständiger Erfüllung der Steuerpflicht, ohne
jede Rücksicht auf die Ursachen dieser Tatsache Sie betrage, wie der
Regierungsrat in einer ganzen Reihe von Fällen ausgesprochen habe, nur
deshalb das fünffache der nicht versteuerten Beträge, weil das Gesetz von
der Annahme ausgehe, das nicht versteuerte Vermögen[. Rechtsverweîgerung
und Gleichheit vor dem Gesetze. N° 96. 621

sei schon seit einer Reihe von Jahren da gewesen, und um
Beweisschwierigkeiten zu beseitigen, die unnmstössliche Vermutung
ausstelle, die nicht bezahlten Steuern machten den genannten fünffachen
Betrag ans. Gewiss könne dieser Betrag unter Umständen mehr sein als die
Summe der in den letzten Jahren zu wenig entrichteten Steuern; indem
aber dieses Mehr bezahlt werden müsse, gleichgültig ob der Pflichtige
an der unvollständigen Erfüllung der Steuerpflicht ein subjektives
Verschulden trage oder nicht, so könne ihm die Funktion einer Strafe
begrisflich nicht zukommen. Durch die positive Vorschrift des § 147
seien die Gemeinden aus die Erhebung von Nachsteuern von demjenigen
Vermögen beschränkt, das auch vom Staate nicht zur ordentlichen
Steuer herangezogen worden sei, ganz gleichgültig, ob noch weitere
Vermögensquoten gesetzwidrig von der Gemeindesteuer befreit geblieben
seien. Der Armenverband Wasierkingen sei daher gesetzlich verhindert,
seine Nachsteuer aus das gesamte Vermögen von Spühler auszudehneu, was
der Kanton unter den nämlichen Voraussetzungen gestiitzt auf § 38.des
Staatssteuergesetzes hätte tun können. Der Standpunkt der Rekurrenten,
dass zur Nachsteuer nur solche Personen herbeigezogeu werden dürften,
die auch schon in Bezug auf die ordentliche Steuer zur Steuerpflicht
herangezogen worden seien, könne sich weder auf den Wortlaut der in
Betracht kommenden Gesetzesbestimmungen stützen, noch aus der rechtlichen
Natur der zürcherischen Vermögensnachsteuer hergeleitet

' werden. Die letztere sei keine blosse ergänzende Nachzahlung der

sgeschuldeten, aber während der massgebenden Jahre nicht bezahlten
ordentlichen Vermögenssteuer, sondern eine selbständig geregelte Steuer,
mit der Bestimmung allerdings-, in Fällen unvollständiger Erfüllung
der gesetzlichen Steuerpflicht die Wirkungen einer den gesetzlichen
Vorschriften entsprechenden Besteuerung herbeizuführen Einzige
Voraussetzung dieser Nachsteuer sei die objektive Tatsache, dass eine
Person in den letzten zwei Jahren auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen
über subjektiveund objektive Steuerpflicht steuerpflichtig gewesen ware,
dieser Verpflichtung aber ganz oder teilweise nicht nachgekommen fei. Für
die Feststellung des Vorhandenseins dieser Voraussetzung bestehe ein
besonderes Nachsteuerverfahren; sie ersolge durch die Finanzdirektion
für die Staats-

622 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

steuer und gestützt auf deren Berfitgung durch Beschluss der betreffenden
Gemeindebehörde für die Gemeindesteuer (% 38 des Staatssieuergesetzes, F
147 des Gemeindegesetzes). Die Untersuchung sei ganz selbständig; sie habe
sich auf die Frage der subjektiven Steuerpflicht sowohl, als diejenige
der objektiven zu erstrecken und sei an die Resultate der ordentlichen
Siena-veranlagung nur soweit gebunden, als diese die Grundlage geschaffen
habe, gestützt auf welche die Steuern tatsächlich entrichtet worden
seien. Daraus und aus den Feststellungen des Nachsteuerverfahrens über
die Grundlagen, nach welchen den tatsächlichen Verhältnissen und den
gesetzlichen Vorschriften zufolge die Steuer hätte entrichtet werden
müssen, ergebe sich dann die Basis für die Erhebung der Nachsteuer. Unter
diesen Umständen sei denn auch die Frage des Verzichts der Armenpflege
Wasterkingen ohne Bedeutung, weil eben die Nachsteuer auch dann gefordert
werden könne, wenn eine ordentiiche Vermögenssteuer in den betreffenden
Steuerperioden gleichgültig aus welchen Motiven nicht erhoben worden
sei und nachträglich aus rechtlichen Gründen nicht mehr erhoben werden
könne. Sogar wenn tatsächlich auf eine Erhebung der Steuer von dem bekannt
gewesenen Vermögen hätte verzichtet werden wollen, so schliesse das noch
nicht von Rechts wegen einen Verzichtan die Besteuerung des erst nach
Ablauf der Steuerperioden bekannt gewordenen Vermögens des Pflichtigen
auf dein Wege der Nachsteuer in sich. Diese Nachsteueranspriiche würden
erst nachträglich festgestellt, so dass erst in diesem Zeitpunkt die
Gelegenheit zu einem Verzicht vorhanden sei.

E. Der Gemeinderat Wasterkingen hat beantragt, es sei auf den Rekurs nicht
einzutreten, eventuell es sei derselbe abzuweisen Der erstere Antrag
wird damit begründet, dass kein formgerechter Rekursantrag vorliege,
weil die Rekurrenten nur Dispositiv II (und III) des regiernngsrätlichen
Entscheides angefochten und nicht zugleich auch Dispositiv I, das
u.a. den Rekurs der GemeindeWasterkingen teilweise gutheisse und damit
gerade im gutgeheissenen Umfange den Steuer-ansprach der Gemeinde als
zu Recht bestehend erkläre.

Das Bundesgertcht zieht in Erwägung:

i. Der formelle und sehr formalistische Einwand der
Gemeindel. Rechtsverweigerung und Gleichheit vor dem Gesetze. N° 96. 623

Wasterkingen, es liege kein formgerechter Rekursantrag vor, ist
unbegründet. Die Rekurrenten haben durch ihren Antrag deutlich zum
Ausdruck gebracht, dass sie den Entscheid des Regierungsrates anfechten,
soweit dadurch der von der Gemeinde Wasterkiugen ihnen gegenüber erhobene
Anspruch geschützt wird.

2, Der Regierungsrat hat im angefochtenen Entscheid den Anspruch der
Gemeinde Wasterkingen gegen die Rekurrenten auf Zahlung der fünssachen
Armennachsteuer für die Jahre 1903 und 1904 bestätigt, von der Auffassung
ausgehend, dass § 38 des Steuergesetzes, der nach § 147 auch in Ansehung
der Gemeindesteuern gilt, für die fünffache Nachsteuer während zwei
Jahren ohne Rücksicht auf das Verhalten des Steuerpflichtigen lediglich
auf die objektive Tatsache abstelle, dass vom letztern nicht derjenige
Betrag an Bermögenssteuern geleistet worden ist, der sich bei richtiger
Anwendung des Gesetzes ergeben hatte. Diese Auffassungwonach dem §
38 jeder Strascharakter abgeht, steht in augenscheinlichem Widerspruch
zum Gesetz und muss gerader als willkürlich bezeichnet werden. Schon
der Wortlaut des § 38 weist deutlich darauf hin, dass das Gesetz vom
subjektiven Tatbestand-e auf Seite des Pflichtigen keineswegs absieht:
indem als Voraussetzung der Nachsteuer aufgestellt ist, dass ein
Pflichtiger sein Vermögen nnvollstäudig versteuert hat-, nicht dasz
er unvollständig besteuert worden ist, wird unzweideutig zum Ausdruck
gebracht, dass es auf die ungenügende Erfüllung der Steuerpflicht
durch den Einzelnen, also jedesfacls mit auf ein subjektives Moment
ankommt. Diese Auslegung folgt sodann klar aus der Überschrift des
V. Titels, worin § 38 steht: Folgen unrichtiger Angaben. Da der V. Titel
nur zwei Paragraphen umfasst, geht es nicht an, die Überschrift auf §
88 etwa nicht zu beziehen. Vielmehr nötigt die Zusammenstellung des §38
mit dein § 39, der von den Folgen der absichtlichen Verheimlichung von
Vermögensieilen bei der amtlichen Juventarifation handelt, unter diesem
Titel wiederum zum Schlusse, dass auch § 38 ein pflichtwidriges Verhalten
des Steuerpflichtigeu treffen will. Es ist denn auch nicht ersichtKith,
was den Gesetzgeber veranlasst haben sollte, an einen rein objektiven
Tatbestand im Sinne des Regierungsrates eine so schwere Folge, wie es
die fänffache Nachsieuer ist, zu knüpfen, da

'624 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

ja aller Regel nach, mit jenem objektiven Tatbestand ein auf die
Verkürzung der Staatseinuahme gerichtetes Verhalten des Steuerpslichtigen
verbunden sein wird und die seltenen Ausnahmefälle, wo dies nicht
zutrifft, eine so tiefgreisende Massnahme gewiss nicht erfordern
und rechtfertigen. Deshalb kann auch das vom Regierungsrat in der
Rekursantwort gegen den Strascharakter des § 38 vorgebrachte Argument,
dass die Bestimmung von der Annahme ausgehe, das nicht versteuerte
Vermögen sei schon seit einer Reihe von Jahren da gewesen und um
Beweisschtvierigkeiten zu vermeiden, die Vermutung aufstelle, die nicht
bezahlten Steuern machten den fraglichen fünffachen Betrag aus, nicht als
schlüssig anerkannt werden. Die Erwägung mag mitbestimmend gewesen sein,
die Nachsteuer in diesem Umfange festzusetzen; niemals aber vermöchte
sie die fünsfache Nachsteuer ohne Zulassung des Gegendeweises für
einen geringem Betrag der nicht bezahlten Steuern als Folge des rein
objektiven Tatbestandes in der angegebenen Bedeutung zu begründen Die
Nachforderung der fünfsachen Summe der in den letzten zwei Jahren zu
wenig bezahlten Steuern nach § 38 leg. cit. hat ganz augenscheinlich und
unverkennbar die Natur einer Finanzstrafe, die ein missbilligtes, für das
Gemeinwesen schädliches Verhalten des Steuerpfliehtigen, die unrichtige
Versteuernng des Vermögens, mit Nachteil bedroht und die einerseits
vor Steuerhinterziehung warned und andererseits dem Gemeinwesen ein
Äquivalent für die hinterzogenen Beträge im allgemeinen liefern soll.

Damit soll freilich nicht gesagt sein, dass die Bestimmung des
§38193. cit, ein qualifiziertes Verschulden, etwa Arglist oder grobe
Fahrlässigkeit, vor-aussetzen würde. Gemäss dem Wesen der Polizeiund
speziell der Finanzstrafe kann es sehr wohl als genügend erachtet werden,
wenn die unvollkommene Versteuerung auf irgend einein darauf gerichteten
Verhalten des Pflichtigen beruht und wenn es auch nur in einem an sich
begreiflichen Versehen oder Irrtum, z. B. einem Rechnungsfehler, einem
Jrrtum über die Bedeutung des Gesetzes usw. besteht Ü. z. B. Q. Mayer,
Verwaltungs-recht II S.451ss., 318 ff.), Aber ein gewisses für die
undollständige Versteuerung kausales Verhalten dieser Art muss doch
unter allen Umständen beim Pflichtigen vorliegen, damit in Anwendung
von]. Rechtsverweigerung und Gleichheit vor dem Gesetze. N° IG. 625

§ 38 die sünffache Nachsieuer über ihn oder seine Erben verhängt werden
farm.

Nun kann von einem derartigen Verhalten des Erblassers Spühler
der Gemeinde Wasterkingen gegenüber in Hinsicht auf die nicht
erhobene Armensteuer zweifellos keine Rede sein, wie es denn auch
vorn Regierungsrat nicht behauptet wird. Spühler ist nicht deshalb
nicht besteuert worden, weil er den Gemeindebehörden seine Existenz,
sein Bürgerrecht oder sein Vermögen verheimlicht oder sie wenigstens
in dieser Beziehung in einem Irrtum gelassen hätte, sondern weil der
Gemeinderat in voller Kenntnis der Steuerpflicht des Spiihler dessen
Veranlagung unterlassen hat. Es ist auch ohne weiteres klar, dass die
Steuerhinterziehung, deren sich Spühler gegenüber dem Staate und der
Stadt Zürich schuldig gemacht hat, ohne Einfluss auf das Vorgehen des
Gemeinderates Wasterkingen war; die Motive, ans denen die Besteuerung
in Wasterkingen unterblieben ist, haben mit der unruhtigen Einschätzung
des Spühler zu Hunden des allerdings auch für die Gemeinde massgebenden
Staatssteuerregisters nichts zu tun. Gerade der vorliegende Fall zeigt
denn auch mit aller Deutlichkeit, dass die Forderung der fünffachen
Nachsteuer da, wo nur der objektive Tatbestand unrichtiger Besteuerung und
kein daran gerichtetes subjektives Verhalten des Pflichtigen vorliegt,
eine grosse Unbilligkeit bedeutet, die unmöglich im Willen des Gesetzes
liegen farm. Es widerspricht durchaus den elementarsten Grundsätzen
von Treu und Glauben im Verkehr, die doch auch für das Verhältnis der
Verwaltung zum Publikum gelten sollten, wenn eine Behörde die Besteuerung
einer Person absichtlich unterlässt, um ihr oder ihren Erben dann nachher
die fünfsache Nachstener wegen unrichtiger Versteuerung auszulegen; die
Vermutung liegt hier sehr nahe, dass es von Anfang an auf die einträgliche
Nachsteuer abgesehen war und dass zu diesem Behuse die betreffende Person
in den Glauben versetzt und darin belassen wurde, man betrachte sie als
nicht steuerpflichtig oder verzichte auf ihre Besteuerung

Da nach dein gesagten der Entscheid des Regierungsrates zu Ungunsten
der Rekurrenten auf einer willkürlichen Anwendung des § 88 des
Steuergesetzes beruht, muss der Rekurs gutgeheissen und der Entscheid,
soweit angefochten, aufgehoben werden. Ob die

626 A. Slaatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

Anwendung des § 38 durch den Regierungsrat noch in anderer Richtung für
die Rekurrenten aus Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV anfechtbar ware, bedarf keiner Erörterung
mehr. Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Der Olafur? wird gutgeheissen. Demgemäss werden Dispositive II und III
des Entscheides des Regierungsrates Zurich vom 7 . Mai 1908, soweit die
Rekurrenten belastend, aufgehoben

97. Arrét du 28 octobre 1908 dans la cease Société immobîlîère de 12. Rue
du Prince contre Etat de Genève.

Recevabilité du recours de droit public pour déni de justice. Lég'islation
genevoise en matière d'expropriation pour cause d'utilité publique
et. d'exemption des droits de mutation. Art. 6 consî. genev. Loi du 15
juin 1895, notamment chap. X, art. 198, 199, 206, 207, 237. Loi du 29
décembre 1855. Loi du 28 septembre 1898 favorisant la substitu-tion
de maisons neuves. Prétendue interpretation manifestement erronee et
arbitraire; difference de traitement dans l'applioation.

Per lei du 18 février 1899, le Grand Conseil du canton de Genève a
déclaré d'utilité publique l'acquisition de divers immeubles nécessaires
a l'élargissement de la rue du Prince, à, Genève. .

Cette loi était édictée sur une demande de la ville de Genève, qui
elle-meme agissait en execution d'une convention passée le 25 octobre
1898 entre son Conseil administratik et nn consortium (MM. E. Baud et
Isaac, A. G. Lenoir, et Nicole et Naef, tous régisseurs d'immeubles
à Genève), consortium qui se chargeait d'entreprendre la démolition
et la reconstruction des immeubles du quartier de la rue du Prince,
de procéder à l'élargissement de cette rue en la prolongeant jusqu'au
Grand-Quai par la place de la Metropole, et de[. Rechtsverweigerung und
Gleichheit vor dem Gesetze. N° 97. 627

eontinuer l'élargissement de la rue des Boucheries per la Société de la
Tour-Maitresse (v. Memorial, année 1899 p. 49 et 50).

Le rapport du Conseil d'Etat disait: La loi proposée n'a pas pour but
de permettre de suivre à l'exprcpriation immediate des immeubles: si
la loi est rendue, le consortium fera les diligences nécessaires pour
traiter avec les propriétaires intéressés et ce n'est que dans le cas
où une entente siamiable ne pourrait etre obtenue qu'il y aurait lieu
de procéder par la voie de l'expropriation, selon que le Conseil d'Etat
aura à en décider. _

La Convention susmentîonnée du 25 octobre 1898, entre la ville de Genève
et le consortium portait en effet entre autres clauses:

Art. 5. La vilie de Genève fera les démarches neces saires auprès des
autorités cantonales pour faire recon naître que les acquisitions des
immeubles destiués à l'ope ration projetée ont un but d'utilité publique,
et poursuivra pour le compte et aux risques de MM. Baud et cousorts
ou leurs events droit, et sur leurs indications, l'expropria tion des
immeubles on des droits au sujet desquels il ne serait pas intervenu
d'entente amiable.

La ville de Genève promettait en entre au consortium un subside de 150
000 fr. pour la dépense néeessitée par l'exéeution du projet.

Par acte du 9 mars 1900, le consortium Baud et consorts fit cession
de tous les droits résultant pour lui de la convention avec la ville
de Genève et de la loi déclerative d'utilité publique du 18 février
1899, à une Société anonyme denommée Société immobilière de la rue
du Prince , ayant pour objet, l'aménagement de la rue du Prince,
seitl'achat, la démolition et la reconstruction des immeubles compris
dans le décret d'expmpriation de l'Etat de Genève dn 18 février 1899,
ainsi que l'exploitation et la vente des nouveaux immeubles;

Au nombre des immeubles dont l'acquisition était déclarée d'utilité
publique par la loi du 18 février 1899 se trouvaient:

G

k-
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 34 I 615
Datum : 29. Mai 1908
Publiziert : 31. Dezember 1908
Quelle : Bundesgericht
Status : 34 I 615
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 614 B. Entscheidungen der Schuldbelreibuugsund Konkurskammer. de constater que c'est


Gesetzesregister
BV: 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
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