248 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

ist bei interkantonalen Verhältnissen ein besonderes Erwerbssteuerdomizil,
neben dem zivilrechtlichen Wohnsitz bezw. der zivilrecht- lichen Hauptoder
Zweigniederlassung eines Steuersubjektes, überall da anzunehmen, wo
sich in ständigen Anlagen oder vermittelst ständiger Einrichtungen
und unter besonderer, selbständiger Leitung ein wesentlicher Teil
der Erwerbstätigkeit des Steuersubjektes abspielt, so dass eine
völlige Verselbständigung dieses Teilbetriebes ohne erhebliche
organisatorische Änderungen möglich wäre, oder wo sich derartige
Anlagen oder Einrichtungen befinden, die einen technisch notwendigen
Bestandteil eines anderswo einheitlich geleiteten Betriebes bilden. Von
diesen beiden Voraussetzungen aber trifft vorliegend, entgegen der
Auffassung des bündnerischen Kleinen Rates, keine zu. Die in (Shut
bestehende Generalagentur stellt vorab offenbar keinen selbständig
geleiteten und bei der gegebenen Organisation völliger Verselbständigung
fähigen Teilbetrieb der Versicherungsunternehmung der Rekurrentin dar.
Denn hier ermangelt sie, wie im Rekurse zutreffend geltend gemacht
wird, nicht nur jeder entscheidenden Selbständigkeit icn äusseren
Geschäftsverkehr, indem sie die wesentlichen Akte dieses Verkehrs
die Eingebung und Liquidation von Versicherungsgeschäften als blosses
Ausführungsorgan der Zentralverwaltung, lediglich nach den von dieser
letzteren ausgehenden allgemeinen Weisnngen und speziellen Verfügungen,
zu besorgen hat, sondern es fehlt ihr überdies auch jede besondere
Einrichtung für den einer Versicherungsgesellschaft wesentlichen internen
Geschäftsbetrieb, durch den die notwendigen technischen Grundlagen
des Versicherungsgeschäfts gewonnen werden. Die ökonomisch günstigen
Geschäftsergebnisse der Rekurrentin im Kamm: Graubünden, aus welche
der Kleine Rat verweist, vermögen die selbständige Existenzfähigkeit
der bündnerischen Generalagentur keineswegs darzutun, da sie eben als
Produkt der gesamten Unternehmung der Reknrrentin zu betrachten sind und
von der Generalagentur nur unter der erörterten wesentlichen Mitwirkung
der Zentralverwaltung haben erreicht werden können. Ferner aber bildet
die in Chur fixierte Generalagentur auch keinen notwendigen Bestandteil
des als Einheit, mit Leitung von Zürich aus, aufgesassten Betriebes der
Rekurrentin; denn die Funktionen dieser Generalagen-

H. Doppelbesteuerung N° 43. 2.49

fur könnten zweifellos auch durch nicht im Kanton sesshafte Organe
(Reisende) ausgeübt werden. Dem Unterschied der dauernden Einrichtung
einer Generalagentur im Kantou gegenüber solchen beweglichen Organen
wird steuerrechtlich dadurch in genügender Weise Rechnung getragen,
dass die Agentnr-Jnhaber zur Versteuernng ihres persönlichen Einkommens
im Domizilkanton verpflichtet sind; erkannt:

Der Rekurs wird in dem Sinne gutgeheissen, dass nur der Kamen Zürich
als zur Besteuerung des durch ihre Generalagentur in Chur vermittelten
Erwerbes der Rekurreutin berechtigt erklärt wird.

43. glrteil vom 17. Juni 1908 in Sachen Degen gegen ziemte-n Basel-stand

Steuerdomizil eines Lehrers, der in einem K union seinen Beruf ausübt,
im Nachbarkanton zeiHause ist.

A. Der Rekurrent ist Anfangs 1908 von der Gemeinde Oberwii (Basel-Land)
aufgefordert worden, daselbst für das laufende Jahr sein Einkommen
zu versteuern. Über diese Verfügung hat er sich am 14, März beim
Regierungsrat des Kantons Basel-Land beschwert, mit der Motivierung,
er habe sein Domizil nicht in Oberwil,. sondern in Basel. Auf diese
Beschwerde hin fällte der Regierungsrat von Basel-Land folgenden
Entscheid:

Dr. A. Degen wird pflichtig erklärt, für das Jahr 1908 an die Gemeinde
Oberwil Gemeindesteuer zu bezahlen. Er ist demnad; dort auch auf den
Stimmrodel zu setzen. Die Taxation seines Ein"kommens wird für 1908 auf
Fr. 3600 herabgesetzt.

B. Gegen diesen Entscheid hat Dr. A. Degen rechtzeitig und sormrichtig
an das Bundesgericht rekurriert, mit der Bemerkung, die Finanzdirektion
von Basel-Stadt weigere sich ihrerseits, ihn der Steuerpslicht in Basel
zu entheben und ihm die bereits für das L Quartal 1908 bezahlte Steuer
zurückzuerstatten Er stellt das Begehren, das Bundesgericht möchte ihn
wissen lassen, wo er

250 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

steuerpflichtig sei. Falls der Entscheid zu Gunsten von Basel-Land
ausfalle, so möchte festgelegt werden, wie oft der Rekurrent wöchentlich
an Essensund Schlafenszeit ungeschoren im Elternhaus (d. h. in Oberwil)
verweilen dürfe.

C. Zur Vernehmlassung aufgefordert, haben die Regierungen von Basel-Stadt
und Basel-Land jede für ihren Kanton die Steuerhoheit beansprucht Der
Regierungsrat von Basel-Land hat folgende Erklärung beigefügt:

Der Rekurs betrifft die Gemeindesteuerpflicht für das Jahr 1908. Wenn
Basel-Stadt dem Rekurrenten Gemeindesteuer für das I. Quartal 1908
gefordert hat, so ist dies nach dem Angeführten zu Unrecht geschehen
und Basel-Stadt sonach mäckerstattungspflichtig. Anderseits geben wir
ohne weiteres zu, dass das Steuer-recht der Gemeinde Oberwil dahinsällt
mit Ablan desjetzigen Quartals, innerhalb dessen Rekurrent von Oberwil
weggezogen und in Basel tatsächlich Wohnung genommen haben wird.

Jn Bezug aus die tatsächlichen Verhältnisse des vorliegenden Falles
haben die beiden Regierungen zu der im Rekurse enthaltenen Darstellung
keine Bemerkungen gemacht.

Nach dieser Darstellung sowie nach den Rekursbeilagen ist der
Rekurrent seit dem Frühjahr 1907 Sekundarlehrer in Basel, woselbst er
ein Zimmer gemietet und gegen Hinterlegung seines Heimatscheines eine
Niederlassungsbewilligung erhalten hat. Die Nacht bringt er jedoch stets
bei seinen Eltern in Oberwil zu, woselbst er in der Regel auch seine
Mahlzeiten, insbesondere das Mittagesseneinnimmt. Die Gemeindesteuer hat
er dagegen in der zweiten Hälfte des Jahres 1907 und im ersten Quartal
1908 tatsächlich in Basel entrichtet.

D. Vom Jnftruktionsrichter des Bundesgerichtes aufgefordert, über folgende
Punkte nähere Auskunft zu erteilen:

1. Zu welchen Zwecken haben Sie in Basel ein Zimmer gemietet ?"

2. Wann benützen Sie dieses Zimmer tatsächlich ?

3. In welcher Gemeinde haben Sie im Jahre 1908 das Stimmrecht tatsächlich
ausgeübt?

4. In welcher Gemeinde bringen Sie Ihre freie Zeit (Abends

und in den Schnlferien) zu '?

II. Doppelbesteuerung. N° 43. 251

Hat der Rekurrent folgendermassen geantwortet:

ad 1. Selbstverständlich um hier domiziliert zu sein.

ad 2. Ich benütze das Zimmer gelegentlich nachmittags nach der Schule.

ad 3. Antwort: in Basel-

ad 4. Antwort: die freie Beit, Sonntag ausgenommen, bis abends 8 oder
11 Uhr, in Basel; die Ferien in Oberwil oder an seinem dritten Ort,
jedenfalls aber nicht in Basel.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. (Kompetenz.)

2. Nach feststehenden Grundsätzen des interkantonalen Steuerrechtes ist
das Einkommen aus Erwerbstätigkeit, wie auch das be-

wegliche Vermögen, am Wohnorte des Steuerpslichtigen zu ver-

steuern. Auf die Frage, aus welchem Kanton der Steuerpflichtige sein
Einkommen beziehe, ist dabei grundsätzlich kein entscheidendes Gewicht zu
legen. Eine Ausnahme von dieser Regel greift nur in denjenigen Fällen
Platz, wo der Steuerpslichtige ausserhalb seines Wohnsitzkantones
einen selbständigen Geschäftsoder Gewerbebetrieb besitzt. Bloss
unselbständiger Erwerb in einem andern Kanton befreit dagegen nicht von
der Steuerpflicht im Wohnsitzkantonez und zwar ist in dieser Beziehung
zwischen den verschiedenen Arten von Erwerbstätigkeit, insbesondere
zwischen liberalen und andern Berufen, zwischen der Bekleidung von
Staatsämtern und der Tätigkeit in Privatbetrieben, usw., kein Unterschied
zu machen. Vergl. BGE 20 S. 3 und 8; 23 S. 1343 Erw. 1, S. 1356 Erw. 1;
24 I S. 584 Erw. Z; 25 I S. 198 Erw. 4z überholt: 5 S. 421 Erw. 4.

3. Bei der Frage, wo ein Steuerpflichtiger sein steuerrechtliches Domizil
habe, ist vor allem zu beachten, dass das Steuerdomizil nicht notwendig
mit dem zivilrechtlichen Domizil zusammenfällt und dass es insbesondere
bei erfterem weniger auf den Willen der in Betracht kommenden Person als
aus das tatsächliche Wohnen ankommt Es unterstehen somit der Steuerhoheit
eines Kantones nicht nur diejenigen Personen, welche auf dessen Gebiet
ihren ordentlichen Wohnsitz haben, sondern es sind derselben für die Dauer
ihres tatsächlichen Aufenthaltes alle diejenigen Personen unterworfen,
welche im Kantonsgebiet faktisch wohnen (Aufent-

AS 34 I 1908 17

252 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

halterit im Gegensatz zu Niedergelassenen), sofern nur ihr Ausenthalt
sich nicht als ein zufälliger oder vorübergehender erweist. Von diesem
Gesichtspunkte aus ist denn auch schon wiederholt im Sinne einer
zeitlichen Teilung der Steuerhoheit entschieden worden, und zwar in
Fällen, in welchen der zivilrechtliche Wohnsitz während der ganzen in
Betracht kommenden Zeitperiode nur in einem der beiden Kantons begründet
war. Vergl· BGE 20 S. 8; 33 I S. 721 f. Crw. 1.

Festsiehender Grundsatz ist endlich auch (vergl. BGE Il S.526Erw. Z;
2-1 I S. 589), dass die durch den faktischen Aufenthalt begründete
Steuerpslicht nicht durch Hinterlegung der Schriften und Erwerb einer
Niederlassungsbewilligung an einem andern Orte umgangen werden kann.

4. Wird von diesen Grundsätzen ausgegangen, so ist im vorliegenden
Falle zunächst dem Umstande, dass der Rekurrent alsBeamter des Kantons
Basel-Stadt seine berufliche Tätigkeit in diesem letztern Kantone
ausübt und auch aus diesem Kanten sein Einkommen oder doch jedenfalls
den grössten Teil desselben bezieht, keine ausschlaggebende Bedeutung
beizulegen. Vielmehr hängt der Entscheid einfach davon ab, wo der
Rekurrent als tatsächlich wohnend zu betrachten sei.

Die Frage nach dein tatsächlichen Wohnsitz des Rekurrenten ist auf
Grund der in der Rekursschrift enthaltenen, von den Regierungen beider
beteiligten Kantone stillschweigend als richtig anerkannten tatsächlichen
Angaben, sowie auf Grund der ergänzenden Erklärungen des Rekurrenten zu
Beurteilen. Danach hat der Rekurrent zwar in Basel ein Zimmer gemietet;
er benutzt dasselbe aber, wenn auf seine ergänzenden Erklärungen
abgestellt wird, nur gelegentlich nachmittags, und wenn aus seine
Rekursschriit abgestellt wird, gegenwärtig überhaupt nicht. Er stellt in
der Rekursschrift die Benutzung des Zimmers als etwas zukünftiges dar,
als ein Mittel, zu welchem er greifen merde, um in Basel ein Domizil zu
begründen, falls er jetzt als in Oberwil wohnhaft betrachtet würde. Der
Rekurrent ist denn auch nicht in der Lage-, anzugeben, zu welch anderem
Zwecke er jenes Zimmer in Basel gemietet habe, als, wie er sich ausdrückt,
um hier domiziliert zu sein". Wenn nun auch anzunehmen ist, dass der
Rekurrent sich

Il. Doppelbesteuerung. N° 43. 253

mit der Auslage für die Miete des mehrerwähnten Zimmers nicht einzig und
allein zu dem Zwecke belastet, um der Besteuerung im Kanten Basel-Land
zu entgehen, so ist den Angaben des Rekurrenten doch jedenfalls soviel zu
entnehmen, dass derselbe das von ihm in Basel gemietete Zimmer tatsächlich
nur sehr wenig benützt. Er begibt sich denn auch und hierauf ist ein
entscheidendes Gewicht zu legen jeden Abend, und sogar über die relativ
kurze Mittagspause, zu seinen Eltern nach Oberwil, woselbst er seine
Mahlzeiten einnimmt und die Nachtruhe geniesst. Desgleichen bringt er
auch seine Ferien, sofern er sie nicht zu Reisen an dritte Orte benutzt,
stets in Oberwil und nie in Basel zu. Erfühlt sich daher offenbar in
Oberwil und nicht in Basel zu Hause und verweilt in Basel nur gerade so
lang, als dies seine berufliche Tätigkeit erfordert.

Bei dieser Sachlage ist auf den Umstand, dass der Rekurrent in Basel
seinen Heimatschein deponiert, daselbst eine Niederlassungsbewilligttng
erhalten und in der letzten Zeit seine politischen Rechte ausgeübt hat,
kein entscheidendes Gewicht zu legen. Vielmehr ist daraus wiederum nur zu
schliessen, dass der Rekurrent als in Basel domiziliert zu gelten wünscht,
wodurch aber an der Tatsache nichts geändert wird, dass er faktisch in
Oberwil wohnt. Bergl. übrigens die bereits zitterten Entscheide: AS 4
S. 526 Erw. 3; 221 I S. 589.

5. Aus dem gesagten ergibt sich die Abweisnng des Rekurses und die
grundsätzliche Anerkennung der Steuerhoheit des Kantons Basel-Land
Was die zeitliche Tragweite dieses Entscheides betrifft, so ist dem
angefochtenen Beschlusse des Regierungsrates von Basel-Land, wie auch
dessen Rekursantwort, zu entnehmen, dass der letztgenannte Kanton
die Steuerhoheit nur vom 1. Januar 1908 an beansprucht, trotzdem der
Rekurrent schon während der zweiten Hälfte des Jahres 1907 sein Einkommen
tatsächlich in Basel versteuert hat. Es hat sich daher auch der Entscheid
des Bundesgerichtes nur auf die Zeit vom 1. Januar 1908 an zu beziehen,
wobei noch von der Erklärung des Regierungsrates von Basel-Land Vormerkung
zu nehmen ist, wonach das Steuerrecht der Gemeinde Oberwil dahinfällt mit
Ablan desjenigen Quartals, innerhalb dessen Rekurrent von Obern-il weg-

254 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

gezogen (sc. sein) und in Basel tatsächlich Wohnung genommen haben wird.

6. Auf das Begehren des Rekurrenten endlich, es möchte eventuell
festgelegt werden, wie oft er wöchentlich zur Essensund Schlafenszeit
ungeschoren im Elternhause verweilen dürfe, ist schon deshalb nicht
einzutreten, weil das Bundesgericht als Staatsgerichtshof nicht
zukünftig mögliche Streitfragen zu begutachten, sondern grundsätzlich
nur Beschwerden gegen bereits vorliegende behördliche Erlasse zu
beurteilen hat.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt: Der Rekurs wird im Sinne der
Erwägungen abgewiesen

III. Glaubensund Gewissensfreiheit. Liberté de conscience et de eroyance.

44. gute vom 25. Juni 1908 in Sachen

gear und Genossen gegen Sirrengerrichte-san-sctjusz Ghin-. Legitimation
zum staatsrechtlichen Beim-rs wegen Viertelan der

Glauòessnsund Gewisseîesfreiheit. Grenzen der Zulässigkeit

der Propaganda der Marmonen und der strafrechtlichen Ver-

folgung dieser Propaganda.

Das Bundesgericht hat

auf Grund folgender Aktenlage:

A. Anfangs Dezember 1907 brachte der Kleine Rat des Kan-

tons Graubünden in Erfahrung, dass in Chur und Umgebung Mormonenmissionäre
in der Weise tätig seien, dass sie Versamm-

lungen, angeblich zur Predigt des Evangeliums, abhielten, an-

denen hauptsächlich Frauen und erwachsene Mädchen teilnähmen, und auch
vielfach weibliche Personen namentlich in Abwesenheit

der Männer besuchten und sich dabei sehr zudringlich erwiesen.

Jnsbesondere führte ein Privatmann von Chur beim kantonalen

III. Glaubensund Gewissensfreiheit. N° 44. 255

Polizeidepartement Beschwerde darüber, dass seine Frau von den
Mormonenmissionären in ihre Versammlungen gezogen und trotz seinem Verbot
in der Familienwohnung besucht worden sei, bis sie schliesslich ihn und
die Kinder heimlich verlassen habe, um sich zu Mormonen nach Teuer und
St. Gallen zu begeben. Hierauf zog der Kleine Rat durch Beschluss vom
6. Dezember 1907 in Betracht: Es sei allerdings nicht dargetan, dass die
fraglich-en Mormonenmissionäre hier die Vielweiberei gepredigt hätten;
dagegen sei notorisch, dass die Mormonen die Vielweiberei lehrten und
womöglich auch praktizierten, so dass, wenn sie dieselbe im einzelnen
Falle nicht erwähnten, darin bloss eine Täuschung ihrer Zuhörer liege (zu
vgl. Salis, Bundesrecht (2. Aufl.) 3 S. 5 ff.). Die Lehre der Vielweiberei
aber gefährde zweifellos die Sittlichkeit und die öffentliche Ordnung. Die
Sekte der Mormonen falle daher unter das Verbot des § 16 des kantonalen
Polizeigesetzes (vom 26. Juli 1873) lautend: Mitglieder und Gründer
von solchen Sekten, welche die Sittlichkeit und die öffentliche Ruhe
gefährden, sowie diejenigen, welche für solche .Sekten Anhänger werben,
werden mit Gefängnis bis zu i Monat bestraft. Dieser Erwägung gemäss
lud der Kleine Rat das Kreisamt Chur ein, in Sachen auf Grund von § 17
Polizeigem; schleunigst einzuschreiten. In der Folge leitete das Kreisamt
gegen die heutigen Rekurrenten eine Untersuchung ein und stellte dabei
fest, dass die vier Rekurrenten als Missionäre der Kirche der Heiligen der
letzten Tage, bekannter unter dem Namen Mormonen, in Chur und Umgebung im
Sinne der Verbreitung ihres Glaubens gewirkt hätten durch Veranstaltung
von öffentlichen Versammlungen, an denen sie den vor allem daran
teilnehmenden Frauen, erwachsenen Mädchen und Kindern religiöse Reden
gehalten hätten, ferner durch eisriges Aufsuchen der Bewohner von Chur
in ihren Behausungen, und zwar in gewiss sehr auffälliger Weise jeweilen
zu Seiten, da die Männer an der Arbeit und nicht zu Hause gewesen seien,
sowie endlich durch Verteilung verschiedener Traktate und Schriften in
notorisch zudringlicher Weise. Gestützt auf diese Feststellungen erkannte
der Kreisgerichtsausschuss Chur durch Urteil vorn 26. Februar 1908:

1. Theodor Josef Bär, Friedrich Barfuss, C. S. Vaterlaus
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 34 I 249
Datum : 17. Juni 1908
Publiziert : 31. Dezember 1908
Quelle : Bundesgericht
Status : 34 I 249
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 248 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung. ist bei


Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
zimmer • chur • bundesgericht • gemeinde • basel-stadt • regierungsrat • steuerhoheit • bundesverfassung • frage • sekte • doppelbesteuerung • gewicht • niederlassungsbewilligung • entscheid • wohnsitz • ferien • innerhalb • erwachsener • heimatschein • bestandteil
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