628 A. Entscheidungen des Bundesgerichls als oberster
Zivilgerichtsinstanz.

genommen worden, weil dieselbe zu Unrecht in der Behauptung, die Ware
sei bezogen gewesen, nicht auch die Behauptung, die Fracht sei bezahlt
gewesen, erblickt habe, so handeit es sich hier um eine Frage des
kantonalen Prozessrechtes, welche das Bundesgericht nicht zu überprüfen
hat.

5. Nach dem gesagten ist die Berufung der Beklagten insoweit gutzuheissen,
als sie sich aus die Gewichts-Manchi bezieht, insoweit aber abzuweisen,
als sie die an den Waren konstatierten Beschädigungen betrifft.

ss Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Die Berufung wird in dem Sinne teilweise gutgeheissen und das angesochtene
Urteil dahin abgeändert, dass die Klage nur im Betrage von 329 Fr. 55
Ets. nebst 5 M, Zins seit 13. Juli gutgeheissen wird.

VII. Erfindungspatente. Brevets d'inventiom

95. Arten vom 20. Dezember 1907 in Sachen @. J. Yalcy Mone, RL,
W.-Bekl. u. Ber.-Kl., gegen Yakdet-xtppenzeller & Höhne. Vers., W.-Kl·
u.-Ber.-Bekt.

Begeiff des Erfindung (Nietenserie fm Schuhen, zur Verstärkung der Walde,
site Var'dercmd Hinterälatt des Schuhe.; verbinden). Schöpfefiz-cfw
[dee ? neuer technischer Nutzeffekt? Taîund Rechtsfrage.

A. Durch Urteil vom 10. April 1907 hat das Handelsgericht des Kantons
Zürich über die Rechtsbegehren:

a) der Hauptklage:

Die Beklagten seien zu verpflichten:

1. Die Herstellung und den Verkauf von Schuhen mit der Nahtverstärkung
gemäss Beilage, welche die Beklagten als Muster eidgenöss. Nr. 11,619
schützen liessen, zu unterlassen;

2. Die vorgenommene Hinterlegung des Musters eidgenössNr. 11,619 löschen
zu lassen;

=!Vil. Erfindungspatente. N° 95. 629

3. An die Kläger wegen der bisher verkauften Schuhe mit dieser
Nahtverstärkung Schadenersatz zu leisten Und zwar in einem Betrage,
der einem Schaden von 85 Cis. für jedes nach den Ergebnissen des
Beweisverfahrens von der Beklagten verkaufte Paar dieser Schuhe
entspricht-J --

b) der Widerklage:

Es sei zu erkennen:

Das eidgenössische Patent der Kläger und Widerbeklagten Ne. 16,884 wird
als nichtig erklärt-J --

erkannt-

1. Die Beklagten werden verpflichtet, die vorgenommene Hinterlegnng des
Muster-s Nr. 11,619 löschen zu lassen; im Übrigen wird die Hauptklage
abgewiesen.

2. Die Widerklage wird gutgeheissen und demzufolge das schweizerische
Patent Nr. 16,884 der Kläger und Widerbeklagten als nichtig erklärt.

B. Die Kläger haben gegen dieses Urteil rechtzeitig und formrichtig die
Berufung an das Bundesgericht eingelegt mit den Anträgen:

I. 1. Es sei in Abänderung von Dispositiv 1 des angefochtenen Urteiles
die Klage im ganzen Umfange gutzuheissen.

2. Es sei in Abänderung Von Dispositiv 2 des angefochtenen Urteils die
aus Richtigkeitserklärung des schweizerischen Patentes Nr. 16,884 der
Klager und Widerbeklagten gerichtete Widerklage abzuweisen.

II. Eventuell: Es sei das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache
zur Abnahme folgender Beweise an die Vorinstanz zurückzuweisen :

a) Expertise dafür, dass der Schuh der Beklagten mit der Nahtverstärkung
nach eidgenössischem Patent Nr. 11,619 eine Nachahmung des nach
eidgenössischem Patent Nr. 16,884 geschützten Schuhes der Kläger
darstelle;

b) Erpertise dafür, dass ein Schadenersatz von 35 Cis. pro verkauftes
Paar dieser nachgeahmten Schuhe angemessen sei und dass die Kläger pro
Paar ihrer Patentschnhe 35 Ets. mehr verdienen und dass die Beklagien
pro Paar ihrer Nachahmung ebenso viel prositierten;

630 A. Entscheidungen des Bundesgerichts als oberster
Zivilgerichlsinstanz.

c) Expertise dafür, dass dein amerikanischen Patente Hutchin eine andere
Erfindungsidee zu Grunde liege, als dem Patente Bally, indem es sich
auf den Schnitt einer Schuhart (Moeassin) und nicht aus die Naht beziehe;

d) Expertise dafür, dass aus der Patentzeichuung Hutchin nicht
ersichtlich, ans was die Naht besteht und dass es sich dort jedenfalls
nicht um eine Seriennietnaht neben der gewöhnlichen Schuhnaht handele;

e) Einzug eines Berichtes von Seiten der Bibliothek des Polytechnikums
zum Beweise dafne, dass das Patent Hutchin selbst in der Bibliothek sich
nicht befinde und dass in der nachträglich aufgefundenenPatentzeichnung
der amerikanischen Staaten lediglich der Patentanspruch nebst Zeichnung,
der eine Nietennaht nicht zum Gegenstande hat, enthalten sei;

f) dafür, dass den Beklagten selbst das Patent Hutchin erst im Jahre
1907 zufolge ihres Ausrufes d. d. 19. November 1906 in der Bostoner
Fachschrift bekannt geworden sei.

C. In der heutigen Verhandlung hat der Vertreter der Kläger seine
Berufungsanträge erneuert.

Der Vertreter der Betlagten hat auf Bestätigung des angefochtenen Urteils
angetragen und eventuell ebenfalls Rückweisung (für bie Frage der Neuheit,
der Nachahmung und des Schadeuersatzes ) beantragt

Das Bundesgericht zieht in (Erwägung:

1. Die Kläger, Inhaber von Schuhsabriken, haben am 27. Oktober 1898
das eidgenössische Patent Nr. 16,884 sür eine Neinrung an Schuhen-
ausgewirkt. Laut Patentanspruch geht diese Neuerung dahin, dass das
Vorderblatt des Schuhes mit dem Hinter-blau desselben ausser durch
Nichte noch durch Nietung verbunden ist Nach der Patentbeschreibung
soll dadurch eine Verstärkung und Sicherung der üblichen Nähte erzielt
werden. Als beispielsweise Ausführungsform ist der Patentschrift
eine Zeichnung beigegeben, in der zwischen den üblichen Fadennähten,
die das Vorderblatt des Schutzes mit dem Hinterteil verbinden, eine
Serie von Nieten angebracht ist, an der Junenseite des Schuhe-s in das
Leder eingesenkt. In der Folge brachten auch andere Schuhfabrikanten
Nietenschuhe in den Handel. Die Kläger er-VII. Ersindungspatente. N°
95. 631

blickten hierin eine Verletzung ihres Patentesz im Jahre 1908 erhoben
sie gegen die Firma Bolliger & Cie. in Brittnau und den Schuhhändler
Hirt in Lenzburg deswegen Klage. Die damaiigen Beklagten stellten
Widerklage ans Nichtigcrklärung des Patentes wegen mangelnder Neuheit der
Erfindung Sowohl sdas Handelsgericht des Kantons Aargau (mit Urteil vom
14. Januar 1904) als auch das Bundesgericht (Urteil vom 14. Mai 1904,
AS 30 H Nr. 40 S. 333 ff.) entschieden in allen Punkten zu Gunsten der
Kläger, wiesen also insbesondere auch die Richtigkeitsklage ab. Die
heutigen Beklagten stellen in ihrer Schuhfabrik ebenfalls Schuhe her,
bei denen das Vorderund Hinterteil ausser durch gewöhnliche Nähte noch
durch Nieten zusammeiigehalten werden. Ein Unterschied zwischen den im
Prozess vorgelegten Schuhen der Kläger und denen der Beklagten besteht nur
darindass die Nieten bei den erstern über die ganze Naht in gleichmässigen
Abständen verteilt sind, während bei den letztern eine geringere Anzahl
(4 8) Nieten in ungleichen Abständen angebracht find. Die Beklagten
haben für ihre Schuhschäfte mit Nieten unter dem 31. Dezember 1904 den
eidgenössischen Musterschutz unter Nr. 11,619 erlangt. Am 8. Oktober 1906
schrieben die Kläger den Beklagten, sie erblicken in der Art und Weise der
Fabrikation der Beklagten eine Verletzung ihres Patentes. Die Beklagten
antworteten am 13. gleichen Monats, sie wendeten nicht die kontinuierliche
Nietennaht an, wie die Kläger, ihre Nahtverstärkung könne daher nicht als
Umgebung des klägerischen Patentes aufgefasst werden, denn die Nietung
an sich sei nicht patentiert und habe nicht patentiert werden können,
da sie für die gesamte Lederindustrie etwas altes fei, Dagegen wollten
sie voll und ganz die Neuheit und das Patentrecht einer eigentlichen
Nietennaht anerkennen, d. h. einer kontinuierlichen Nietenreihe zur
Verstärkung der Vorderblattund Hinterteile des Schafkes verbindenden
Naht, wie sie das klägerische Patent Nr. 16,884 beanspruche. Dass ihre,
der Beklagten, Einzelnietung keine Serien von Nieten sei, wie sie die
klägerische Patentschrift als Neuheit aufstelle, würden sie, die Kläger,
bei objektiver Prüfung doch selbst zugeben müssen. Wenn dies nicht der
Fall wäre, so müsste allerdings der Richter entscheiden. Zur Vermeidung
eines Prozesse-Z schlugen die Bellt-ig-

682 A. Entscheidungen des Bundesgerichts als oberster
Zii'ilgerichtsinstanz.

ten den Klägern dann vor, entweder ihren Musterschutz anzuerkennen
oder ihnen eine Lizenz im Umfange ihres Musterschutzes einzuräumen Mit
Schreiben vom 16. Oktober 1906 lehnten die Kläger es ab, auf dieser Basis
weiter zu verhandeln. Daraufhin ist es zum vorliegenden Prozesse gekommen,
in dem die Parteien vor der Vorinstanz die in Fakt. A ersichtlichen
Rechtsbegehren gestellt haben. Das Urteil der Vorinstanz beruht, soweit
es die Widerklage gutheisst unter Abweisung der von den Klägern geltend
gemachten Rechtskraft des Urteils int' Prozesse gegen Bolliger für den
heutigen Prozess, und des Standpunktes, die Beklagten hätten das Patent
der Kläger anerkannt -, auf der entscheidenden Erwägung, das Patent
der Kläger stelle keine Erfindung dar. Zum andern von den Beklagten
zur Begründung der Nichtigkeiisklage hetbeigezogenen Argument: die
Erfindung sei nicht neu, bemerkt die Vorinstanz, das von den Beklagten
hiefür produzierte Material dürfte kaum genügen, um die Neuheit der
klägerischeu Erfindung auszuschliessen Über die Patentnachahmungsklage
führt die Vorinstanz aus, eine Nachahmung würde eventuell nicht
vorliegen, da die Beklagten die Nietung nicht in der Form der Nietennaht
verwendeten. Endlich erklärt sie hinsichtlich des Schadenersatzbegehrens,
es sei nach zürcherischem Prozess- rechi ungenügend.

2. Die Kläger machen zur Begründung ihrer Berufungsanträge zunächst
wiederum den Standpunkt geltend, die Beklagten hätten in ihrem
Schreiben vom 13. Oktober 1906 hie Giltigkeit des klägerischen Patentes
anerkannt. Indessen ist in diesem Punkte ohne weiteres der Vorinftanz
beizutreten: es handelte sich bei den damaligen Unterhandlungen der
Parteien um Versuche, dem drohenden Prozesse zu entgehen, und die
Erklärung der Beklagten, sie wollten die Neuheit und das Patent einer
eigentlichen Nietennaht anerkennen, erfolgte nur in der Voraussetzung,
dass dagegen die Kläger ihre, der Beklagien, Fabrikation mit Nielung
ungestört liessen; die Vergleichsvorschläge der Beklagten können,
wie die Vorinstanz zutreffend bemerkt, nicht in ihre einzelnen
Teile zerlegt werden, und es geht nicht an, dass die Kläger die ihnen
günstige Anerkennung gegen die Beklagten geltend machen, ohne dass sie
ihrerseits die Bedingung oder Voraussetzung, unter der sie erfolgte,
erfüllen.VII. Erfindungspatente. N° 95. 633

3. Des weitern rufen die Kläger auch vor Bundesgericht die Rechtskraft
des ihnen günstigen Urteils in ihrem Prozesse gegen Bolliger & Eie. und
Hirt an und stellen sich auf den Standpunkt, die Abweisung der damaligen
Nichtigkeitsklage wirke wenigstens für die dort entschiedene Frage,
ob eine Erfindung vorliege, Allen gegenüber-, nicht nur gegenüber den
damaligen Nichttgkeitsklägern. Richtig ist nun zwar es folgt dies aus
Art.19 PatGes (vergl. Kohler, Handbuch S. 385, Schanze, Schweizerisches
Patentrechi S. 69, § 16 t. f.) -, dass das die Richtig- keitsklage
gutheissende Urteil Rechtskraft Allen gegenüber wirkt; das Patent wird
eben im Falle Obsiegens des Nichttgkeitsklägers san dessen Verlangen
gelöschtz es wird mit Gutheissung der Nichtigkeitsklage erklärt,
dass das Patent nicht zu Recht bestehe, und dieses Urteil muss seinem
Inhalt nach Allen gegenüber gelten. Hier ist also die Ausnahme von dem
Grundsatze, dass Rechtskraft nnr unter den Parteien geschaffen werde,
in der Natur der Sache begründet Anders verhält es sich aber bei dem
die Nichtigkeitsklage abweisenden Urteil. Abgesehen von dem Von der
Borinstanz angeführten Grunde: die Konsequenz der Auffassung der Kläger
ware, dass auch dem die Nichtigkeitsklage Izu Unrecht abweisenden
Urteil die Bedeutung eines die Richtigkeit heilenden Akies zukäme,
was offensichtlich unrichtig sei, spricht noch folgendes gegen die
Auffassung der Kläger: Das schweizerische Paientrecht beruht auf
dem Anmeldungssystem, wonach grundsätzlich jedes angemeldete Patent,
sofern die formellen Voraussetzungen (Art. 14. PatGef.) erfüllt sind,
auf Verlangen des Anmeldenden einzutragen ist und die Eintragung und
Patenterteilung auf Risiko des Anmeldenden erfolgt. Bei diesem System
muss es den Interessenten überlassen sein, die Löschung des Patentes
durch Nichttgkeitsklage herbeiführen zu können. Jeder Jnteressent muss
aber auch unbeschränkt von Mitinteressenten diese Befugnis haben, und es
kann der Nichttgkeitsklage nicht der Einwand entgegengehalten werden,
das Patent sei in einem frühem Nichttgkeitsprozesse schon allgemein
als zu Recht bestehend erklärt worden. Letztere weite Bedeutung
kann dem die Nichttgkeitsklage abweisenden Urteil nicht zukommen, da
damit das Prinzip des Gesetzes durchbrochen würde. Die Abweisung der
Nichttgkeitsklage bedeutet vielmehr nur Abweifung der konkreten Klage,
dieser Nichttgkeitsklage, die auf

834 A. Entscheidungen des Bundesgerichts als oberster
Zivilgerichtsinstanz.

mannigfachen prozessualen Gründen, so auch auf der Prozesssüh: rung,
beruhen kann, und nicht zugleich auch die rechtskräftige Feststellung
des Bestehens des Patentes, selbst dann nicht, wenn sie in den Motiven
ausdrücklich ausgesprochen ist und die Abweisung der Nichttgkeitsklage
aus diesem Grunde beruht. Die Rechtskraft eines die Nichtigkeitsklage
abweifendenUrteils kann daher, entsprechend den allgemeinen Grundsätzen
über die Rechtskraft, nur unter den Parteien existieren, und es steht
somit den Beklagten frei, im gegenwärtigen Prozesse die Nichtigkeitsklage
zu erheben und sie auf den Mangel einer Erfindung sowohl als auf die
mangelnde Neuheit der Erfindung falls eine solche vorliegen sollte -zu
stützen. (So auch Schanze a. a. Q, und insbesondere der Kassationshof
des Bundesgerichts, Urteil vom 13. Februar 1906 in Sachen Hasner gegen
Bucher-Manz, BGE 32 I S. 168). Hieraus folgt dann aber auch Recht und
Pflicht des Gerichtes, und damit auch des Bundesgerichts, in einem
neuen Jtichtigkeitsprozesse die geltend gemachten Nichtigkeitsgründe
selbständig zu prüfen, die neue Nichtfgkeitsklage unabhängig von frühem zu
Beurteilen. Der frühere Nichtigkeitsprozess kann nur insofern in Betracht
kommen, als er einen Bestandteil des Prozessstofses des gegenwärtigen
Prozesse-Z bildet was hier der Fall ist und das frühere Urteil vermag
einzig zu wirken vermöge der ihm innewohnenden Uberzeugungskraft.

4. Wird demgemäss zunächst geprüft, ob dem klägerischen Patent eine
Erfindung zu Grunde liege, so ist vorab festzustellen, was überhaupt von
den Klägern als Erfindung beansprucht wird. Es ist nämlich unbestritten
iwie auch schon im srühern Prozesse), dass die Einzelnietung an Schuhen
längst etwas durchaus bekanntes ist. Da nun der Patentanspruch des
streitigen Patentes nur von der Nietung spricht, könnte dahin argumentiert
werden, die Kläger wollten etwas altbekanntes als Erfindung beanspruchen.
Unter dieser Voraussetzung wäre ihr Patent ohne weiteres nichtig.
Indessen haben die Kläger ausdrücklich und immer als Gegenstand ihrer
Erfindung die Nietenserie (oder Nietennaht) bezeichnet Die Beklagten
wenden mit Bezug hierauf ein, dieser Gegenstand des Erfindungsschutzes
komme im Patent nicht genügend zum Ausdruck. Der Gegenstand des Patentes
ist nun nach feststehen-VII. Erfindungspatente. N° 95. 635-

der Praxis des Bundesgerichts nicht allein aus dem Patentanspruch zu
ermitteln, sondern es sind zu dessen Ermittlung auch die Patentanmeldung
und die Patentbeschreibung heranzuziehen, wie auch die Vorinstanz
richtigerweise es tut. Es ist dev Worinstanz darin beizustimmen, dass bei
Zuhülfenahme dieser Erkenntnisquellen die Nietennaht als Gegenstand der
Erfindung genügendpräzisiert ist, wenn schon der in der Patentbeschreibung
gewählte Ausdruck, dass es sich um eine beispielsweise Ausführungsfortn
handelt, nicht mit sehr grosser Deutlichkeit iauf diese Einschränkung des
Patentanspruches hindeutet. Es kann umsoeher von dieser Einschränkung
ausgegangen werden, als die Kläger ausdrücklich hierauf abstellen und
als auch das frühere bundesgerichtliche Urteil die Nietenserie als
Gegenstand des Patentes bezeichnet hat. Es srägt sich daher, ob in der
Seriennietung gegenüber der schon bekannten Einzelnietung eine Erfindung
liege. Hiebei handelt es sich sowohl um die Aufstellung des richtigen
Begriffes der Erfindung, als auch um die Subsumtion der beanspruchten
Erfindung unter den Erfindungsbegriff Beides ist Rechtstätigkeit,
nicht Sache tatsächlicher Feststellung, und unterliegt daher der freien
Nberpriisung des Bundesgerichtes. Jus-besondere liegt in den Aussprüchen
der Vorinstanz, die Nietennaht äussere keinen neuen technischen Nutzeffekt
gegenüber der Einzelnietung, nicht eine tatsächliche Feststellung, an
die das Bundesgericht gebunden wäre (wie der Vertreter der Beklagten
im heutigen Vortrage angedeutet hat). Tatfrage ist, wie die Erfindung
beschaffen ist, welche Naturkräfte sie verwendet und welchen technischen
Nutzeffekt sie hervorbringt; ferner, welche tatsächlichen Unterscheidungen
nach diesen Richtungen sie frühem Erfindungen gegenüber ausweisi. Ob
diese Unterscheidungen genügen zur Annahme einer Erfindung, ist
Rechtsfrage. Auch wenn, wie im frühern Prozesse, zur Entscheidung dieser
Frage Sachverständige herangezogen werden, so handeln sie alsGehülfen des
Richter-s in der Beurteilung der Rechtsfragen, und nicht als Beweismittel
sur die Feststellung von Tatsachen. Was nun den Erfindungsbegriff angeht,
den die Vorinstanz ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt hat, so entspricht
er vollständig den Anforderungen, die das Bundesgericht in ständiger
Praxis, an die patentfähige Ersindung gestellt hai: Mit Recht untersucht

638 A. Entscheidungen des Bundesgerichis als oberster
Zivilgerichtsinstanz.

die Vorinstanz, ob ein neuer technischer Nutzeffekt vorliege und ob
dieser sich darstelle als Verwirklichung eines schöpferischen Gedankens,
im Gegensatz zur blossen handwerksmässigen Verbesserung An Hand dieses
Kriteriums ist das Patent der Kläger zu prüfen. Das Resultat, das mit der
Erfindung der Kläger erwirkt werden soll, ist das, dass die Fadennaht
gestärkt und gesichert werden soll und Oberund Unter-teil des Schuhes
auch dann noch zusammengehalten werden sollen, wenn die Fadennaht durch
mechanische oder chemische Einwirkungen zerplatzt ist Demgegenüber ist
Zweck der schon bekannten Einzelnietung: die Fadennaht an bestimmten,
besonders gefährdeten Punkten zu sichern und so das Zusannnenhalten
von Oberund Unter-teil des Schuhes zu stärken. Die Vorinstanz führt
nun aus, in dem praktisch bessern Resultat, das die Neuerung der Kläger
herbeiführen möge, liege kein neuer technischer Nutzeffekt, keine neue
Kombination von Naturkräften, sondern lediglich eine Summierung schon
bekannter Wirkungen, eine rein quantitative Häufung dieser Wirkungen. In
diesem entscheidenden Punkte ist der Vorinstanz beizusiimmen Es kann
nicht als richtig anerkannt werden, wenn das Urteil des Handelsgerichts
des Kantons Aargau im srühern Prozesse hierin die Verwirklichung eines
schöpserischen Gedankens erblickt hat. Der Umstand, dass die Punktnietung
sich als geeignet erwies für die Laschenschuhe, die Seriennähte aber für
andere Schuhschnitte, begründet keine qualitative Differenz. Und die
Ausführung des Bundesgerichts im Urteil vom 14. Mai 1904: wenn etwas
neues, mit Nutzen zu gebrauchendes vorliege, das gleichwohl bisher
von niemandem ausfindig gemacht worden sei, so sei in der Regel der
Schluss gerechfertigt, dass es nur durch diejenige geistige Tätigkeit
zu ernieren gewesen sei, welche als erfinderische bezeichnet zu werden
pflege, geht zu weit und nimmt zu wenig Rücksicht aus den Gegensatz
von handwerksmässiger Verbesserung und erfinderischer Tätigkeit;
das Erfordernis des schöpferischen Gedankens, das das Bundesgericht
stetsfort als dem Begriff der Erfindung essentiell bezeichnet hat, wird
damit ausgeschaltet. Damit in einem derartigen Falle von erfinderischer
Tätigkeit gesprochen werden könne, ist vielmehr erforderlich, dass
ein überraschender oder doch ein erheblicher Fortschritt gegenüber
dem bisher dagewesenen erzielt werde (Seligsohn, Patentgesetz, Anm. 9
zuVlll. Fabrikund Handelsmarken. N° 95. 637

§ 1, S. 38 f.). Bei der Nietenserie der Kläger handelt es sich nur um
eine sich aus den Grundsätzen der Summierung ohne weiteres ergebende
Verstärkung der Wirkungen der schon bekannten Einzelnietung; neue und
andere Wirkungen als die Summe aller Einzelwirkungen ergeben sich nicht;
nur eine gradnelle Steigerung wird erwirkt. Danach mangelt es aber an
dem Erfordernis der Erfindung, und aus diesem Grunde ist die Widerklage
gutznheissen, was ohne weiteres die Abweisung der Hauptklage, soweit
sie nicht von der Vorinstanz geschützt worden, welcher Punkt nicht
angefochten ist, zur Folge hat. Demnach hat das Bundesgerich erkannt:
' Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Handelsgerichts des
Kantons Zürich vom 10. April 1907 in allen Teilen bestätigt

VIII. Fabrikund. Handelsmarken. Marques de fabrique.

96. Ztrteil vom 22. Youember 1907 in Sachen cRimmel: & Cie., Kl. u·
Ber.-Kl., gegen "Helvetia, Y.,-G., Bekl. u. Ber.-Bekl.

Herkunftsbezeiehnung, Ars. 18; 20 Zifi". 1 MSchG. Bee der Frage, ob
eine Hewkunftsbezez'chmmg falsch see', ist auf den tatscîchlichen
Fabrikatiansort, nicht auf den Ort des Vertrz'ebes des Produktes
ers-erstellten-

A. Durch Urteil vom 28. Mai 1907 hat der Appellationsund Kassationshof
des Kantons Bern (I. Abteilung) über die Rechtsbegehren :

1. Die Beklagte sei nicht berechtigt, ihre unter Nr.18,592 am 2'7. März
1905 beim eidgenössischen Amt für geistige-Z Eigentum eingetragene Marke
zu verwenden.

2. Das eidgenössische Amt für geistiges Eigentum sei anzuweisen, die
Löschung dieser Marke vorzunehmen. ,

AS 33 H _ 1907 _ 42
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 33 II 628
Datum : 20. Dezember 1907
Publiziert : 31. Dezember 1908
Quelle : Bundesgericht
Status : 33 II 628
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 628 A. Entscheidungen des Bundesgerichls als oberster Zivilgerichtsinstanz. genommen


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32-I-161
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