92 A. Staaisrechtliche Entscheidungen. 1. Abschnitt.,Bundesverfassung.

VII. Gleichstellung der Nichtkantonsbürger im Verfahren. Assimilation
des non-ressortissants aux citoyens du canton: en matière administrative
et judiciaire.

13. Zweit vom 26. März 1907 in Sachen Eber-er und Genossen gegen
Regierung-rat gm.

Der Bezug einer höher-n Aufenthaltsbewüligtmg von knutonsfreneeien
Schweizerbürgem als um Kantonsbürge-rn steht mit Art. 60
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 60 Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee - 1 Die Militärgesetzgebung sowie Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee sind Sache des Bundes.
1    Die Militärgesetzgebung sowie Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee sind Sache des Bundes.
2    ...19
3    Der Bund kann militärische Einrichtungen der Kantone gegen angemessene Entschädigung übernehmen.
BV im W
irrer-sprach

A. Den Rekurrenten, die Angehörige der Fortwache in Andermatt sind,
wurden im Mai 1906 vom Gemeinderat Andermatt als kantonsfrernden
Aufenthaltern Aufenthaltsbewilligungen zugestellt, nach denen sie
für die Aufenthaltsbewilligung pro 1906 eine Kontrollgebühr von 1
Fr. 50 Cis. zu bezahlen haben. Sie beschwerten sich hierüber beim
Regierungsrat von Uri, indem sie unter Hinweis auf das Urteil des
Bundesgerichts vom 17. November 1904 in Sachen Greuter gegen Schwyz
(AS 30 l Nr. 114) geltend machten, dass die fragliche Tape von solchen
Angehörigen der Fortwache, die Bürger anderer urnerischer Gemeinden
seien, nicht erhoben würde. Der Regierungsrat wies die Beschwerde unterm
4. August 1906 ab, wobei er auf eine grundsätzliche Schlussnahme vom
16. September 1905 Bezug nahm. In der letztern ist ausgeführt: Die dem
blindes-gerichtlichen Entscheide vom 17. November 1904 in Sachen Greuter
gegen Schwyz zu Grunde liegenden Tatsachen seien wesentlich anderer Natur
alsbei den in Uri niedergelassenen Schweizerbürgern. Die Niederlassung
der Kantonsbürger vollziehe sich nach Massgabe des Gesetzes über die
Niederlassung der Kantonsbürger vorn 4. April 1855 einfach in der Form
einer Anmeldung auf Grund eines gemeinderätlichen Zeugnisses Es sei eine
einfache Registraturarbeit ohne Mitwirkung der Gemeindebehörde und des
Regierungsrates. Wesentlich anders seien aber die Formalitäten und die
Kanzlei-VII. Gleichstellung der Nichtkantonsbürger im Verfahren. N° 13. 93

arbeiten bei den sich niederlassenden Schweizerbürgern. Hier müsse
in erster Linie der Gemeinderat des Wohnortes die Heimatschristen
prfifen, sie einschreiben und eine formelle Niederlassungsbewilligung
ausstellen. Die letztere müsse sodann dem Regierungsrate zur Genehmigung
vorgelegt werden, worüber der Niedergelassene wieder eine Urkunde
erhalte Der niedergelassene Schweizerbürger erhalte also zwei Urkunden
für seine Niederlassung und beschäftige damit zwei Behörden, während
der Kantonsbürger nur im Register eingetragen werde. Es liege daher auf
der Hand, dass der Bezug einer höhern Kanzleigebühr durch die vermehrte
Arbeit durchaus gerechtfertigt sei und mit Art. 60
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 60 Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee - 1 Die Militärgesetzgebung sowie Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee sind Sache des Bundes.
1    Die Militärgesetzgebung sowie Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee sind Sache des Bundes.
2    ...19
3    Der Bund kann militärische Einrichtungen der Kantone gegen angemessene Entschädigung übernehmen.
der BV nicht im
Widerspruch stehe.

B. Gegen den Entscheid des Regierungsrates haben die Rekurrenten
den staatsrechtlichen Rekurs an das Bundesgericht ergriffen mit dem
Antrag, es sei derselbe wegen Verletzung des Art. 60
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 60 Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee - 1 Die Militärgesetzgebung sowie Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee sind Sache des Bundes.
1    Die Militärgesetzgebung sowie Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee sind Sache des Bundes.
2    ...19
3    Der Bund kann militärische Einrichtungen der Kantone gegen angemessene Entschädigung übernehmen.
BV aufzuheben. Die
Begründung stellt auf das Urteil des Bundesgerichts in Sachen Greuter
gegen Schwyz ab.

C. Der Regierungsrat von Uri hat auf Abweisung der Beschwerde
angetragen. Die Begründung reproduziert wesentlich die Ausführungen der
regierungsrätlichen Schlussnahme vom 16. September 1905. Es wird noch
beigefügt, dass die Niederlassung der Schweizerbürger und Ausländer durch
Gesetz vom 15. Februar 1850 geordnet sei. Nach § 4 dieses Gesetzes ist
für die Niederlassung eine Kanzleigebühr von 6 Fr. zu entrichten.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Soweit aus den Akten ersichtlich ist, handelt es sich bei den
Rekurrenten nicht um Niederlassungs-, sondern um Aufenthaltsbewilligung,
und die von ihnen beanspruchte Kontrollgebühr von 1 Fr. 50 Ets. scheint
nicht aus dem vom Regierungsrat angeführten Niederlassungsgesetz vom
15. Februar 1850, sondern auf der landrätlichen Verordnung betreffend
Aufenthalter vom 26. November 1872 zu beruhen, nach welcher (%
4 und 5) der Aufenthalter für die Ausenthalsbewilligung eine Taxe
von 1 Fr. 50 Ets. und für jährliche Erneuerung der Bewilligung eine
weitere Tare von je 1 Fr. 50 Cfs. an die Gemeindekasse zu bezahlen hat.
Diese Verordnung bezieht sich nur auf kantonsfremde Ausenthalter, wie
sich namentlich-deutlich aus § 7 ergibt, der die Ausweisung

94 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. 1. Abschnitt. Bundesverfassung

des Aufenthalters für gewisse Fälle aus dem Kanten vorsieht. In der Tat
steht fest, dass die Ausenthaltstaxe von i Fr. 50 Ets. von Aufenthaltern
aus andern urnerischen Gemeinden nicht gefordert wird. Nebenbei mag
bemerkt werden, dass die Verordnung ursprünglich eine erstmalige und
eine jährliche Gebühr des Ausenthalters von je 2 Fr. vorsah, und dass
der Bundesrat, wie Salis, Bundesrecht, 11. Aussage, 2. Band, Nr. 559,
zu entnehmen ist, in einem Schreiben an den Regierungsrat Uri vom 7. Juli
1875 die Tare von 2 Fr. als viel zu hoch aus Art. 45
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 45 Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes - 1 Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
1    Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend über seine Vorhaben; er holt ihre Stellungnahmen ein, wenn ihre Interessen betroffen sind.
BV beanstandet hat.

2. Im zitierten Urteil Greuter gegen Schwyz hat das Bundesgericht
ausgesprochen, dass der Bezug einer höhern Kanzleigebührr für die
Aufenthaltsbewilligung von kantonsfremden Schweizerbürgern als
von Kantonsbürgern aus andern Gemeinden mit Art. 60
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 60 Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee - 1 Die Militärgesetzgebung sowie Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee sind Sache des Bundes.
1    Die Militärgesetzgebung sowie Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee sind Sache des Bundes.
2    ...19
3    Der Bund kann militärische Einrichtungen der Kantone gegen angemessene Entschädigung übernehmen.
BV unvereinbar
ist. An dieser Auffassung, die seither in einem Urteil vom 25. April
1906 in Sachen Collenberg gegen Schwszt bestätigt worden ist, muss
festgehalten werden. Aus einem Satze der Begründung des Urteils
Greuter könnte vielleicht geschlossen werden, dass eine verschiedene
Behandlung der Kantonsbürger und anderer Schweizerbürger in Bezug auf
die Kauzleigebührr für Aufenthaltsbewilligungen dann bundesrechtlich
zulässig wäre, wenn bei den letztern mit der Aufenthaltsbewilligung eine
weitergehende Inanspruchnahme der Behörden, als bei den Kantonsbürgern
verbunden ist und die höhere Gebühr dieser grössern Leistung der
Verwaltungsorgane entspricht In der Tat wird vom Regierungsrat die
angesochiene, von den Rekurrenten ausschliesslich in ihrer Eigenschaft
als kantonsfremden Ausenthaltern beanspruchte Kanzleigebühr aus diesem
Gesichtspunkte zu rechtfertigen versucht. Alleinohne Erfolg. Einmal ist
nicht dargetan, dass im Kanton Uri bei kantonsfremden Schweizerbürgern
die Aufenthaltsbewilligung eine wesentlich stärkere Inanspruchnahme
der Behörden bedingt, als bei Kantonsbürgern. Jnsbefondere ist nicht
ersichtlich, dass hiereine Genehmigung des Regierungsrates erforderlich
wäre. Die zitierte landrätliche Verordnung von 1872 sieht eine solche
Genehmigung bei Aufenthaltsbewilligungen nicht vor. Was der Re-

* In der AS nicht publiziert. (Anm. d. Red. f. Paòi.)VII. Gleichstellung
der Nichtkantonsbiirger im Verfahren, No Lg, 95

gierungsrat in dieser Beziehung ausführt, scheint bloss für die
Niederlassungs-, und nicht auch für die Ausenthaltsbewilligung zu
gelten. Und sodann wäre auch eine andere Ordnung des Verfahrens in
Bezug aus die Aufenthaltsbewilligungen bei Kantonsund Schweizerbürgern
nicht geeignet, den Bezug einer höhern Kanzleigebühr von den letztern
als mit Art. 60
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 60 Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee - 1 Die Militärgesetzgebung sowie Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee sind Sache des Bundes.
1    Die Militärgesetzgebung sowie Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee sind Sache des Bundes.
2    ...19
3    Der Bund kann militärische Einrichtungen der Kantone gegen angemessene Entschädigung übernehmen.
BV vereinbar erscheinen zu lassen. Es folgt keineswegs
aus der Natur der Sache, dass bei der Aufenthaltsbewilligung eines
Schweizerbürgers wesentlich andere und umständlichere Formalitäten zu
erfüllen sind als bei Kantonsbürgern. Wenn ein Kanton es für "gut findet,
bei Schweizerbürgern in dieser Beziehung ein mehreres anzuordnen, so soll
er dadurch nicht die Garantie des Art. 60
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 60 Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee - 1 Die Militärgesetzgebung sowie Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee sind Sache des Bundes.
1    Die Militärgesetzgebung sowie Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee sind Sache des Bundes.
2    ...19
3    Der Bund kann militärische Einrichtungen der Kantone gegen angemessene Entschädigung übernehmen.
BV, was die Gleichstellung
in Ansehung der Kanzleigebühr anbetrisft, illusorisch machen können;
sonst wäre es ja jederzeit möglich, die genannte Verfassungsnorm durch
Aufstellung unnötiger Formalitaten in diesem Punkte ausser Wirksamkeit
zu setzen. Im Sinne und Geist des Postulates der Gleichbehandlnng der
Kantons: und Schweizerbürger, wie es in Art. 60
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 60 Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee - 1 Die Militärgesetzgebung sowie Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee sind Sache des Bundes.
1    Die Militärgesetzgebung sowie Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee sind Sache des Bundes.
2    ...19
3    Der Bund kann militärische Einrichtungen der Kantone gegen angemessene Entschädigung übernehmen.
BV aufgestellt ist,
liegt es, dag eine solche ja naturgemäss untergeordnete Verschiedenheit
des Verfahrens nicht als wesentliche-s Differenzierungsmoment anerkannt
wird, das die Heranziehung der Schweizerbürger zu einer höhern Gebühr
zu rechtfertigen vermöchte. Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Der Rekurs wird gutgeheissen und der Entscheid des Regie-

rungsrates des Kantons Uri vom 4. August 1906 aufgehoben.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 33 I 92
Datum : 26. März 1907
Publiziert : 31. Dezember 1908
Quelle : Bundesgericht
Status : 33 I 92
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 92 A. Staaisrechtliche Entscheidungen. 1. Abschnitt.,Bundesverfassung. VII. Gleichstellung


Gesetzesregister
BV: 45 
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 45 Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes - 1 Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
1    Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend über seine Vorhaben; er holt ihre Stellungnahmen ein, wenn ihre Interessen betroffen sind.
60
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 60 Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee - 1 Die Militärgesetzgebung sowie Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee sind Sache des Bundes.
1    Die Militärgesetzgebung sowie Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee sind Sache des Bundes.
2    ...19
3    Der Bund kann militärische Einrichtungen der Kantone gegen angemessene Entschädigung übernehmen.
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
aufenthaltsbewilligung • regierungsrat • uri • bundesgericht • gemeinde • bundesverfassung • niederlassungsbewilligung • gemeinderat • begründung des entscheids • entscheid • postulat • bundesrat • eigenschaft • kanzlei • wiese • erneuerung der bewilligung • sprache