80 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. 1. Abschnitt. Bundesverfassung.

rungsrätlich geschützten Gemeinderatsbeschluss vom 18. November 1905
verletzt sei. Ein solches Jnitiativrecht würde mit der politischen
Stimmberechtigung aufs engste zusammenhängen, von der es ein Ausfluss
wäre. Es würde daher nach Art. 189 zweitletzter Absatz QG unter
dem Schutz nicht des Bundesgerichts, sondern des Bundesrates (und
eventueli der Bundesversarnmlnng) stehen. Die genannte Bestimmung wird
vom Bundesgericht und Vom Bundesrat übereinstimmend dahin ausgelegt,
dass darnach alle mit der Ausübung der politischen Stimmberechtigung und
mit kantonalen Wahlen und Abstimmungen zusammenhängenden Beschwerden in
die Zuständigkeit des Bundesrates fallen, wobei es nach feststehender
Praxis auch keinen Unterschied macht, ob es sich um das Stimmrecht,
um Wahlen Und Abstimmungen in kantonalen oder Gemeindeangelegenheiten
handelt (s. AS 27 I S. 488; 28 I S.156 und die dort. Bit. sabweichend
25 I S. 71], Entsch. d. Bundesrates vom 11. Januar 1907 i. S. Wolff
und Gen.). Auf die Beschwerde einer Verletzung des Jnitiativrechts kann
deshalb wegen Jnkompetenz des Bundesgerichts nicht eingetreten werden.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Aus die Beschwerde betreffend Verletzung des Jnitiativrechts wird nicht
eingetreten. Im übrigen wird der Rekurs abgewiesen.

VI. Gerichtsstand. Du for.

1. Verfassungsmässiger Gerichtsstand. Unzulässigkeit von
Ausnahmegerichäen. For nature}. Inadmz'ssibilité de tribunaux
exceptionnels.

Vergl. Nr. 21 u. 22.VI. Gerichtsstand. "2 Des Wohnortes. N° . SI

2. Gerichtsstand des Wohnortes. Por du domicfle.

M. Zweit vom 27. Februar 1907 in Sachen Meyer gegen garek.

Balears wegen Bechtseerweigeflmg : Ersckò'pfung des kantonalen I
itzt-emzenzuges ist Vomeessetzrmg. Art. 59
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 59 Militär- und Ersatzdienst - 1 Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
1    Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
2    Für Schweizerinnen ist der Militärdienst freiwillig.
3    Schweizer, die weder Militär- noch Ersatzdienst leisten, schulden eine Abgabe. Diese wird vom Bund erhoben und von den Kantonen veranlagt und eingezogen.
4    Der Bund erlässt Vorschriften über den angemessenen Ersatz des Erwerbsausfalls.
5    Personen, die Militär- oder Ersatzdienst leisten und dabei gesundheitlichen Schaden erleiden oder ihr Leben verlieren, haben für sich oder ihre Angehörigen Anspruch auf angemessene Unterstützung des Bundes.
BV(Gerichtssian-xl des Weim--
ortes) ist nicht verletzt, wen-n ein Prozess ledigiich als Fortsetzung
eines s'issééhern Prozesses erscäeint, für dessen Beurteilung die
Zustän-digkeit anerkannt war-.

A. Am 13. Februar 1903 veranlasste der Rekurrent Franz Anton Meyer,
geboren am 24. August 12584, von Wohleuschwil (Kanton Aargau), in Wassen
(Kanton Uri), der Stiessohn des Lehrers J. Dörig daselbst, den Knaben
Kaspar Gamma, eine Kapsel, die er ihm gegeben hatte, zu zerschlagen Bei
dieser Manipulation erlitt der damals iiijährige Rekursbeklagte Josef
Loretz eine Verletzung des einen Auges, die dessen Verlust zur Folge
hatte. Deswegen wurde Franz Anton Meyer in Strasuntersuchung gezogen. Jm
Strafverfahren machte der Vater des verletzten Iosef Loretz für diesen
adhäsionsweise eine Entschädigungsforderung von 6000 Fr. geltend. Durch
Urteil vom 4. Januar 1904 sprach das Kreisgericht Uri den Angeklagten
Meyer Von Schuld und Strafe frei und wies gleichzeitig die Forderung des
Zivilklägers Loretz ab. Auf Appellation dieses Letztern aber erkannte
das Obergericht des Kantons Uri am 10. Februar 1904: Die Appellation
sei in der Weise begründet erklärt, dass die Entschädigungs- pflicht
grundsätzlich ausgesprochen, dagegen die Ausmittlung des Masses der
Entschädigung aus den Zivilprozessweg verwiesen wird." In diesem Prozesse
war Franz Anton Meyer vertreten durch seinen Stiesvater Dörig. In der
Folge, am 17. Februar 1904, liess Vater Lor-eg namens seines Sohnes
den Lehrer Dörig als Stiefoater des Franz Anton Meyer zum Sühneversuch
vorladen über das Rechtsbegehren, der Beklagte habe die grundsätzlich
gutgeheissene Entschädigungsforderung des Klägers in der Höhe von 4500
Fr., nebst Zins zu 50/0 seit dem Tage des

AS 33 1 1907 6

82 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. 1. Abschnitt. Bundesverfassung,

streitigen Unfalls, anzuerkennen Am 22. November 1904 aber entschied das
Kreisgericht Uri, dass Lehrer Dörignicht gehalten sei, aus diese gegen
ihn persönlich gerichtete Klage Ned' und Antwort zu geben. Es stiitzte
sich dabei auf eine Bescheinigung des Gemeinderates von Wohlenschwil,
vom 19. November t904, des Inhalts, dass Franz Anton Meyer am 1. Mai
1885, nach dem Ableben seines Vaters, in der Heimatgemeinde mit Förster
Gottfried Meyer daselbst bevormundet worden sei, welche Vormundschaft bis
zum Eintritt der Volljährigkeit des Mündels (24. August 1904) bestanden
habe , in Verbindung mit einer Bescheinigung der Gemeinderatskanzlei
Wassen, vom 17. November 1904, dass für Franz Anton Meyer in Wassen,
soviel bekannt, nie eine Vormundschaft bestellt worden fei. Das Gericht
nahm an, dass unter diesen Umständen Lehrer Dörig als Stiefvater nicht
verpflichtet gewesen sei, über Franz Anton Meyer die häusliche Aufsicht
zu führen und deshalb nicht persönlich nach Massgabe des Art. 61
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 61 - 1 Über die Pflicht von öffentlichen Beamten oder Angestellten, den Schaden, den sie in Ausübung ihrer amtlichen Verrichtungen verursachen, zu ersetzen oder Genugtuung zu leisten, können der Bund und die Kantone auf dem Wege der Gesetzgebung abweichende Bestimmungen aufstellen.
1    Über die Pflicht von öffentlichen Beamten oder Angestellten, den Schaden, den sie in Ausübung ihrer amtlichen Verrichtungen verursachen, zu ersetzen oder Genugtuung zu leisten, können der Bund und die Kantone auf dem Wege der Gesetzgebung abweichende Bestimmungen aufstellen.
2    Für gewerbliche Verrichtungen von öffentlichen Beamten oder Angestellten können jedoch die Bestimmungen dieses Abschnittes durch kantonale Gesetze nicht geändert werden.
OR
belangt werden könne. Hieraus, am T. Januar 1905, liess Vater Loretz
sowohl Franz Anton Meyer von Wohlenschwil, nun volljährig und wohnhast
in Wassen persönlich, als auch Lehrer Dörig als Stiefvater desselben
zum Sühneversuch voriaden über das Rechtsbegehren, die beiden seien
unter solidarischer Hastbarkeit, eventuefl jeder einzeln, zur Leistung
der geforderten Entschädigung zu verurteilen. Diese Vorladung konnte
vom amtierenden Gemeindeweibel, laut dessen Beschrängung vom 12. Januar
1905 zu Handen des Lehrers Dörig, dem Franz Anton Meyer nicht intimiert
werden, weil er, der Weibel, diesen selbst, anlässlich der Jntimation
an Lehrer Dörig, am 9. Januar, nicht angetroffen und auch nachher nicht
mehr gesehen habe. Deshalb erwirkte Vater Loretz am 7. Februar 1905 vom
Kreisgericht Uri die Ediktalzitation Franz Anton Meyer-T weil dessen
Aufenthaltsort nicht bekannt und er vor Vermittleramt nicht erschienen
fei. Diese Zitation wurde im kantonalen Amtsblatt vom 16. Februar 1905
publiziert. Hieraus teilte Fürsprech E. H. namens des Franz Anton Meyer
mit Schreiben vom 21. Februar 1905 dem Kreisgerichtspräsidenten mit, dass
sein Klimt schon im Zeitpunkte, als er in Waffen hätte zittert werden
sollen, sich in Wohlenschwil befunden habe und seitherm...-..... .,..si

VI. Gerichtsstand. *2 Des Wohnories. N° 11. 83

dort wohne also nicht unbekann , . ten Ausenthaltes 'ei wes

iTini-nd des Art. 09 BV Einstellung des im Kasithn Urhialxeaexitf

Edniktxlixgtelhtkäelneg lElterstahrens und Unterlassung einer weiteIen

. er ang werde. Diesem Verlan ' _ gen wurde d

Îîne LFFLZe gegeben, sondern die Ediktalzitation im Amtsjbelajk

ndi . Februar 1900 wiederholt. Am 29. Dezember 1905 fax; teA der Prasident
des Kreisgerichts Uri an Dörig Leh

3:1,men Meyer ron Wohlenschwil, in Waffen-,die Änzeirf 19% 6inT aèhfiîzrrf
csZtreiftsgches mit Joses Loretz auf den 9. Januîrss

angeet ei mit der Androhu d . ' der Vorladung auf diesen ifTer ' ' ng, B,
wenn sie _ min nicht Sol e Ie't ;???er m contumaciam geurteilt würde-Fug
amlsgn LxrlittiT BeklagkxnaigirkndasAFresser-sieht Uri bezüglich des nicht
erschiienenen n in contumaciaxi : on eher, dato Unbekannten Aufenthalts-C
1. Meyer habe an d " ' en Klager Loretz eine E " '

4500 gr. EUR .,. o · ntschadignng von :zahlen, s Hins zu 5 /0 seit
14. Februar 1903 zu bedei? (îîîchÈÎJÈQIZÎWIÎÈMM Kosten zu tragen,
dem Kläger

( n r. zurückznver üten d '

Nichterscheinens a ' ' 9 ss lm sf! wegen us die Borladung in 10 "' B "'

3. Der Beklagte h ' N. Be WWW.

' abe das Urteil welches · ' ' innert Monatsfrist °n u ' ss ' zu WWMM
jetund noflftrecfssqr ...mip rgieren, ansonst dasselbe rechtskräftig
BIaÎaÎuIÎÈZIîi-It wärde dan; 11. Januar 1906 im kantonalen Amts ' . m
tee Zeit (laut vorliegendem Ernen ISI? mitN bezirksamtlicher Bestätigung
vom 5. Fiebruar Its-Aulis

ur Franz Anton Meyer welche ' ' ' Amerika begeben hatte in
ss ' r nch WWMM nad} ' . _ _ , seiner Heimatgemeinde W l ' '
em Abwesenheitspsleger bestellt i ' oh enschwll der Person s · '
" Vormundes Gottfried Me" 'n SWZ uam " · ter, Otaatsbannwart d Ibi '
bevollmachtigte sofort am 5 ss flfe s' Dîfser ' , . Februar 1906, mit Gene
mi idkefsrFicke-,ernCderatessIkLohlenthwil als Vormundschastsbehökdaglbkg
Meter e . EUR. in Altorsa zur Erledigung des Rechtsstreites vom)8
gigi? 'ofeh vor samtlichen Instanzen". Mit Sfiati-m ., I imier am
9. Februar 1906 liess hieraus ' ,_ ' , ur re H fur Gottfried Meter,
als Pfleger des Anton Abgeer dei?

84 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. l. ,Abschnitt. Bundesverfassung.

Kläger Loretz unter Vorbehalt aller Rechte und Bot-fragen vor
Kreis-gerächt Uri laden, mit dem Rechtsbegehren um Aufhebung des
Kontumazurteils in allen Teilen und gänzliche Abweisung, eventuell
Herabsetzung der eingeklagten Forderung. Zugleich verlangte er
beim Kreisgerichtspräsidenten in Bestätigung seiner Zuschrift vom
21. Februar 1905 und einer Erneuerung derselben vom 29. Januar 1906,
es sei der Prozess einzustellen, bis über seine Beschwerde wegen des
Kontumazialverfahrens entschieden sein werde. In dieser letzteren
Angelegenheit antwortete der Kreisgerichtspräsident umgehend, die
fragliche Zuschrift vom 21. Februar 1905 habe seinerzeit dem Gerichte
vorgelegen; es sei jedoch darauf nicht eingetreten worden, weil die
Publikation der Ediktalzitation bereits erfolgt gewesen sei. Und zur
Verhandlung über die Anfechtung des Kontumazialnrteils setzte er hieraus,
laut Mitteilung an Fürsprech SQ. vom 21. Februar 1908, Tagfahrt an
auf den 5. März 1906, an welcher jedoch, soweit die dorliegenden Akten
erkennen lassen, ein Entscheid nicht gefällt wurde. B. Mit Eingabe vom
9. März 1906 hat nun Fürsprech C. Sg. für Staatsbannwart Gottfried
Meter in Wohlenschwil als Abwesenheitspfleger des Franz Anton Meyer
den staatsrechtlichen Rekurs an das Bundesgericht ergriffen mit dem
Antrage, es sei das fragliche Kontumazialurteil des Kreisgerichts Uri
vom 9. Januar 1906 als verfassungswidrig aufzuheben Der Rekurs stützt
sich im wesentlichen auf die vorstehend wiedergegebenen Tatsachen, unter
Betonung, dass Franz Anton Meyer nach Reujahr 1905 von Wassen fortgezogen
sei, um in seiner Heimatgemeinde Wohlenschwil oder Umgebung Arbeit zu
suchen, und sich (laut vorgelegten Bescheinigungen) tatsächlich zuerst,
schon am 9. Januar 1905, in Wohlen und später in Wallenschwil bei Muri
aufgehalten habe, bis er anfangs Oktober 1905 nach Amerika ausgewandert
sei. In rechtlicher Beziehung wird hieraus gefolgert, das angefochtene
Urteil verstosse vorab gegen die Garantie des Wohnsitzrichters nach
Art. 59
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 59 Militär- und Ersatzdienst - 1 Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
1    Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
2    Für Schweizerinnen ist der Militärdienst freiwillig.
3    Schweizer, die weder Militär- noch Ersatzdienst leisten, schulden eine Abgabe. Diese wird vom Bund erhoben und von den Kantonen veranlagt und eingezogen.
4    Der Bund erlässt Vorschriften über den angemessenen Ersatz des Erwerbsausfalls.
5    Personen, die Militär- oder Ersatzdienst leisten und dabei gesundheitlichen Schaden erleiden oder ihr Leben verlieren, haben für sich oder ihre Angehörigen Anspruch auf angemessene Unterstützung des Bundes.
BV. Denn Franz Anton Meyer sei im Zeitpunkte der Anhebung
des vorliegenden Prozesses, selbst wenn als solcher schon der Tag der
versuchten Zustellung der gewöhnlichen tatsächlich durch das nachherige
Ediktalverfahren als unwirksam anerkannten Zitation an ihn (9. Januar
1905)VI. Gerichtsstand. 2. Des Wohnortes. N° 11. 85

angesehen werden wollte, nicht mehr in Wa·en domiiie wesen, sondern habe
seinen Wohnsitz bereits jin Kantoiî lechäeu gehabt, was dem Kreisgericht
Uri durch die Zuschrift seines Verrreters vorn 21. Februar 1905 bekannt
gegeben worden sei. Zudem set jenes Urteil ohne gehörige Vorladung
Franz Anton Meyers gefallt worden, indem die vom Gerichtspräsidenten zu
erlassende Vorladung nicht an Meyer direkt an seinen Wohnort sondern nur,
auch für ihn, an Lehrer Dörig in Waffen gerichtet worden fei; das Urteil
involviere deshalb auch eine Verletzung der Rechtsgleichheit (Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV)
ihm gegenüber.

G." Der Petursbeklagte Loretz hat auf formelle eventuell materielle
Abweisung des Rekurses antragen lassen. Er bestreitet zunachst dre,
Rekurslegitimation des Abwesenheitspflegers Gottfried Meter: einmal,
weil vor Kreisgericht Uri weder Vollmacht noch Ernennungsakt desselben
vorgelegt worden seien, und dies nicht etwa erst nachträglich noch vor
Bundesgericht geschehen dürfte und sodann auch, weil Franz Anton Meyer
mit Rücksicht auf seine bereits in Rechtskraft erwachsene grundsätzliche
Verurteilung als schuldenflüchtig erscheine und deshalb nicht aus
sicherem Versteck hervor und ausser Bereich der wirksamen Rechtshülfe
durch einen Vertreter prozessieren könne , abgesehen davon dass er als
oontumnx vor jeder anderweitigen Fortsetzung des Prozesse-s das uber ihn
ergangene Kontumazialurteil auf dem gesetzlich htefur vorgesehenen Wege
des Purgationsverfahrens anfechten muste, indem die Zulassung jedes
anderen Rechtsntittels logischerweise die, Purgation der contumacia
voraussetze. Ferner erhebt er einerseits die Einrede der Verspätung
des Rekurses, eventuell jedenfalls, soweit derselbe sich gegen die
durch Beiurteil des Kreisgerichts vom 7. Februar 1905 bewilligte
Ediktalzitation richte und anderseits die Einrede des Verzichtes der
Anfechtungldes kreksgerichtlichen Kontumazialurteils auf dem Wege des
staatsrechtlichen Rekurses, welcher Verzicht daraus geschlossen wird dass
der Vertreter Franz Anton Meyers gegen jenes Urteil bedingungslos das
Purgationsverfahren eingeschlagen habe. Endlich wendet er, eventuell,
in materieller Hinsicht gegenüber dem Rekurse wesentlich em, für die
Berufung auf Art. 59
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 59 Militär- und Ersatzdienst - 1 Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
1    Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
2    Für Schweizerinnen ist der Militärdienst freiwillig.
3    Schweizer, die weder Militär- noch Ersatzdienst leisten, schulden eine Abgabe. Diese wird vom Bund erhoben und von den Kantonen veranlagt und eingezogen.
4    Der Bund erlässt Vorschriften über den angemessenen Ersatz des Erwerbsausfalls.
5    Personen, die Militär- oder Ersatzdienst leisten und dabei gesundheitlichen Schaden erleiden oder ihr Leben verlieren, haben für sich oder ihre Angehörigen Anspruch auf angemessene Unterstützung des Bundes.
BV fehle vorab die notwendigste Voraussetzung,
nämlich der Nachweis, dass der Re-

86 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

kurrent in der Schweiz einen festen Wohnsitz habe; denn der angebliche
Abwesenheitspfleger sage auch heute noch nicht, wo sein Mündel
überhaupt stecke. Zudem handle es sich beim vorliegenden Verfahren
nur um die Fortsetzung des seinerzeit schon mit dem Strafprozesse
verbundenen Zivilprozesses. Durch das nicht angesochtene Urteil des
urnerischen Obergerichts vom 10. Februar 11904, das die zivilrechtliche
Haftbarkeit des Rekurrenten grundsätzlich festgestellt habe, sei die
Kompetenz der Urner Gerichte zur Beurteilung der in Frage stehenden
Schadenersatzforderung endgültig festgelegt worden.

D. Das Kreisgericht Uri hat eine Vernehmlassung auf den Rekurs nicht
eingereicht. '

Das Bundesgericht zieht in (Erwägung:

1. Die Zulässigkeit des staatsrechtlichen Rekurses wegen Verletzung des
Versassungsgrundsatzes der Gleichheit der Bürger vor dem Gesetze hat
nach feststehender Praxis die Erschöpfung des kanionalen Jnstanzenzuges
zur Voraussetzung Vorliegend nun stand dem Rekurrenten gegenüber dem
angesochtenen Kontumazialurteil noch die Möglichkeit offen, das in der
kantonalen ZPO vorgesehene Purgationsversahren, auf welches Dispositiv
3 jenes Urteils ausdrücklich verweist, einzuschlagen, was er denn auch
faktisch getan hat. Folglich kann auf seinen Rekurs, soweit er sich auf
am. 4 BV stützt, zur Zeit nicht eingetreten werden. Es bedürfen daher
mit Bezug auf dieses Rekursargument die übrigen formalen Einwendungen
des Reknrsbeklagten, deren Unbegründetheit sich übrigens zum Teil ohne
weiteres aus den vorstehenden tatsächlichen Feststellungen ergibt,
keiner Erörterung.

2. Das Gleiche gilt aber auch mit Bezug auf das weitere
und Haupt-Rekursargument der Verletzung des Art. 59
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 59 Militär- und Ersatzdienst - 1 Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
1    Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
2    Für Schweizerinnen ist der Militärdienst freiwillig.
3    Schweizer, die weder Militär- noch Ersatzdienst leisten, schulden eine Abgabe. Diese wird vom Bund erhoben und von den Kantonen veranlagt und eingezogen.
4    Der Bund erlässt Vorschriften über den angemessenen Ersatz des Erwerbsausfalls.
5    Personen, die Militär- oder Ersatzdienst leisten und dabei gesundheitlichen Schaden erleiden oder ihr Leben verlieren, haben für sich oder ihre Angehörigen Anspruch auf angemessene Unterstützung des Bundes.
BV; denn
hinsichtlich dieses Argumentes erweist sich der Rekurs als sachlich
unbegrüudet. Der in Frage stehende Rechtsstreit ist schon durch das
seinerzeit adhäsionsweise mit dem Strafprozesse gegen den Rekurrenten
durchgeführte Zivilprozessverfahren, welches mit dem Urteil des Urner
Obergerichts vom 10. Februar 1904 seinen Abschluss sand, eingeleitet
worden. Das vorliegend streitige Kontumazialverfahren erscheint in der
Tai, wie der Rekursbeklagte geltend macht, lediglich als Fortsetzung
jenes früheren Verfahrens-.Vl. Gerichtsstand. 2. Des Wohnnrtes. N° 11. 87

Denn das erwähnte Urteil vom 10. Februar 1904 hat ja diese Fortsetzung
des Prozesses, zum Zwecke der nun erfolgten quanti-. tativen Beurteilung
des damals erst im Grundsatz-eC entschiedenen Streitverhältnisses,
ausdrücklich vorbehalten. Nun sbildet jenes frühere Verfahren nicht
Gegenstand des heutigen Rekurses Es wird darin mit keinem Worte die
Kompetenz der Urner Gerichte zur damaligen Beurteilung auch des gegen den
Rekurrenten erhobenen Zioilanspruches aus dem Gesichtspunkte des Art. 59
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 59 Militär- und Ersatzdienst - 1 Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
1    Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
2    Für Schweizerinnen ist der Militärdienst freiwillig.
3    Schweizer, die weder Militär- noch Ersatzdienst leisten, schulden eine Abgabe. Diese wird vom Bund erhoben und von den Kantonen veranlagt und eingezogen.
4    Der Bund erlässt Vorschriften über den angemessenen Ersatz des Erwerbsausfalls.
5    Personen, die Militär- oder Ersatzdienst leisten und dabei gesundheitlichen Schaden erleiden oder ihr Leben verlieren, haben für sich oder ihre Angehörigen Anspruch auf angemessene Unterstützung des Bundes.

BV bestritten, wie sich denn auch schon in jenem Verfahren selbst der für
den Rekurrenten handelnde Stiefvater Dörig, beziehungsweise dessen Anwalt
vorbehaltlos eingelassen hatte, während es allerdings mit Rücksicht auf
die ' nach den Akten damals über den Rekurrenten in seiner Heimatgemeinde
Wohlwschwil (Kamen Aargau) bestehende Altersvormundschaft zum mindesten
als fraglich erscheint, ob der Rekurrent zu jener Zeit bei seinem
Stiefvater im Kanton Uri, wo er sich tatsächlich aufhielt, auch rechtlich
domiziliert war und hier ohne Mitwirkung seines Vormundes belangt werden
konnte. Somit braucht die Frage, ob der Rekurrent im Zeitpunkte seiner
Zitation für das vorliegende Verfahren im Januar bezw. im Februar 1905 ,
nach seiner inzwischen eingetretenen Volljährigkeit, noch im Kanton Uri
wohnhaft gewesen sei, überhaupt nicht entschieden zu werden; vielmehr
folgt aus der unbestrittenen Zuständigkeit der Urner Gerichte für das
frühere Verfahren ohne weiteres deren Zuständigkeit auch für dieses
nachfolgende, wie ausgeführt, damit zusammenhängende Verfahren (vergl. AS
31 I Nr. 74 S. 403 Erw. 3). Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Soweit der Rekurs sich auf Verletzung des Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV stützt, wird daraus
nicht eingetreten Im übrigen wird der Rekurs abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 33 I 81
Datum : 11. Januar 1907
Publiziert : 31. Dezember 1908
Quelle : Bundesgericht
Status : 33 I 81
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 80 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. 1. Abschnitt. Bundesverfassung. rungsrätlich


Gesetzesregister
BV: 4 
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
59
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 59 Militär- und Ersatzdienst - 1 Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
1    Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
2    Für Schweizerinnen ist der Militärdienst freiwillig.
3    Schweizer, die weder Militär- noch Ersatzdienst leisten, schulden eine Abgabe. Diese wird vom Bund erhoben und von den Kantonen veranlagt und eingezogen.
4    Der Bund erlässt Vorschriften über den angemessenen Ersatz des Erwerbsausfalls.
5    Personen, die Militär- oder Ersatzdienst leisten und dabei gesundheitlichen Schaden erleiden oder ihr Leben verlieren, haben für sich oder ihre Angehörigen Anspruch auf angemessene Unterstützung des Bundes.
OR: 61
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 61 - 1 Über die Pflicht von öffentlichen Beamten oder Angestellten, den Schaden, den sie in Ausübung ihrer amtlichen Verrichtungen verursachen, zu ersetzen oder Genugtuung zu leisten, können der Bund und die Kantone auf dem Wege der Gesetzgebung abweichende Bestimmungen aufstellen.
1    Über die Pflicht von öffentlichen Beamten oder Angestellten, den Schaden, den sie in Ausübung ihrer amtlichen Verrichtungen verursachen, zu ersetzen oder Genugtuung zu leisten, können der Bund und die Kantone auf dem Wege der Gesetzgebung abweichende Bestimmungen aufstellen.
2    Für gewerbliche Verrichtungen von öffentlichen Beamten oder Angestellten können jedoch die Bestimmungen dieses Abschnittes durch kantonale Gesetze nicht geändert werden.
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
uri • bundesgericht • wasser • vater • weiler • bundesverfassung • bescheinigung • bundesrat • frage • rechtsbegehren • strafprozess • zahl • beklagter • verurteilung • tag • amerika • aargau • ei • vormund • kantonales rechtsmittel
... Alle anzeigen