784 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. II, Abschnitt. Bundesgesetze.
rückkaufsgesetzes vom 15. Oktober 1897 als steuerfreies Objekt zu
erklären.
C. Der Regierungsrat des Kantons Bern hat auf Abweisung des
Rechtsbegehrens der Bundesbahnen angetragen; --
in Erwägung:
Nach Art. 10 des Rückkaufsgesetzes geniessen die Bundesbahnen
Steuerfreiheit für diejenigen Immobilien und Teile von Immobilien, welche
eine notwendige Beziehung zum Bahnbetriebti haben. Das Kriterium der
notwendigen Beziehung zutn Bahnbetrieb ist aber, wie das Bundesgericht
schon früher ausgesprochen hat (vergl. AS 29 I S. 195 f.; 32 I Nr. 69
Erw. 3 und 6), nicht darin zu finden, dass eine Liegenschaft Unmittelbar
technisch dem Bahnbetrieb in der Weise dient, dass ohne die fragliche
Einrichtung der Betrieb überhaupt nicht möglich wäre, sondern es muss
genügen, wenn der Zusammenhang ein indirekter ist in dem Sinne, dass
eine Veranstaltung dazu bestimmt ist, günstige Voraussetzungen für den
Betrieb, Garantien und zwar nicht bloss technischer Natur für dessen
Regelmässigkeit und Sicherheit zu schaffen, wenn die Zweckbeziehung
der Anlage nach der Auffassung des Lebens als auf den Betrieb gerichtet
erscheint. Der Gegensatz der notwendigen Beziehung zum Bahnbetrieb liegt,
wie die Entstehungsgeschichte des Gesetzes zeigt (AS 29 I S. 325 s.),
darin, dass eine Liegenschaft einem dem Bahnbetrieb fremdem Zweck, z. B.
einem Nebengeschäft, dient. Nun ist dem Bundesgericht bekannt, dass
die Depotchefs der wichtigen Bahnhöfe, die den gesamten Lokomotivdienst
eines gewissen Bezirks unter sich haben, nach der Natur ihrer Funktionen
jederzeit zur Verfügung stehen müssen. Der Betrieb bringt es mit sich,
dass deren Anwesenheit auch in ihrer dienstfreien Zeit und namentlich
zur Nachtzeit in jedem Augenblick notwendig fein kann. Es liegt
daher zweifellos im Jnteresse des Betriebs, dass der Depotchef eine
Dienstwohnung auf dem Bahnhosareal hat, damit er bei Bedarf in jedem
Moment ohne Verzug zur Stelle sein kann. Seine Dienstwohnung steht deshalb
gerade so gut in notwendiger Beziehung zum Bahnbetrieb, wie diejenige
eines Bahnhofvorstandes, deren Qualifikation als steuerfreies Jmmobile
auch der Regierungsrat nicht bestreitet. Dass nicht alle Depotchefs der
Bundesbahnen DienstwohnungenVI. Erwerb u. Betrieb von Eisenbahnen für
Rechnung des Bundes. N° 128. 785
haben, kann für die vorliegende Frage nichts verschlagen, da es ja
nach dem gesagten für die notwendige Beziehung zum BahnBetrieb im
Sinne des Gesetzes nicht darauf ankommt, dass eine Einrichtung für den
Betrieb schlechterdings unentbehrlich ist, sondern darauf, dass sie im
wohlverstandenen Interesse des Betriebs vorhanden ist; --
erkannt:
Das Rechtsbegehren der Schweizerischen Bundesbahnen wird gutgeheissen und
demgemäss wird die Dienstwohnung des Die-dotchess in Delsberg, bezw. der
diese Wohnung enthaltende Teil des Gebäudes Sektion D Nr. 62a daselbst,
im Sinne von Art. 10 des Eisenbahnrückkaufsgesetzes vom 15. Oktober 1897,
als nicht steuerpflichtiges Objekt erklärt.
128. Zweit vom 27. Dezember 1907 in Sachen gichweizexische Bunde-bahnen
gegen CKanten Yer-n..
Steuerfreiheit der Bundesbahnen, Art. ZO Bückkaafkgesetz. Winterhausgàrten
sind steuerfrei.
Das Bundesgericht hat da sich ergibt:
A. Die Bundesbahnen wurden, zuletzt durch Bescheid der bersnischen
Finanzdirektion, verhalten, für zwei in der Gemeinde Soyhières
gelegene Wärterhausgärten (Parzellen B 50h und E 288 b) von je zirka 200
Quadratmeter Grösse die Steuern zu entrichten, weil diese Liegenschaften
nicht in notwendiger Beziehung zum Bahnbetrieb stünden (Art. 10 des
Rückkaufsgesetzes).
B. Mit Rechtsschrift vom 20. September 1907 hat die Kreis·direktion II
der Bundesbahnen beim Bundesgericht im Sinne von am. 179 OG das Begehren
gestellt, es seien die genannten Wärterhausgärten als steuerfreie Objekte
im Sinne des Art. 10 des Rückkaufsgesetzes zu erklären. Zur Begründung
wird ausgeFührt: Die Wärterhäuser und Hausplätze als solche würden ohne
Weitere-s als steuerfreie Objekte behandelt. In Bezug auf diese
As 33 I _ 1907 51
786 A. Siaaisrechiliche Entscheidungen. Il. Abschnitt. Bundesgesetze
Objekte sei von Gemeinde und Staat anerkannt, dgss sie eine notwendige
Beziehung zum Bahnbetrieb hatten. Es konne aber auch kein Zweifel
darüber bestehen, dass der an das Warterhgus anstossende oder in dessen
Nähe liegende Garteiifeine Zubehorde derWärterhausliegenschaft sei. Der
Garten sei ein notwendiges Angebinde der ganzen Anlage. Die Familie des
Bahnwarterslmusfa ivie jede Familie auf dem Dorfe draussen Ia noch in
vermehrteni Masse, da sie abseits wohne Gelegenheit haben, dietäglichen
Bedürfnisse an Gemüseii selber und ,m nachster Nahe zu decken. Wo
immer möglich, werde also der Umschwung der Marterhäuser so gross
gewählt, dass eine kleine Gartenanlage geschaffen werden könne. Auch
für den Wärterhausgarten liege daher diedie Steuerfreiheit bedingende
notwendige Beziehung zum Bahnbetgfbgsjsitegierungsrat des Kantons Berti
hat auf Abweisung des Rechtsbegehrens der Buiidesbahnen angetragen. Es
wird bestritten, dass die fraglichen Objekte in notwendiger Beziehung
zum Bahtibetrieb stünden. Dass es nicht genüge, Weichen und Barrieren
einzurichten, sondern dass auch das bedieiiende aPersonal in der Nähe
eine Unterkunft (Wärterhaus) besitzen muffe, sei klar; eslasse sich
deshalb behaupten, dass das Warterhaus unmittelbar zum Betrieb gehöre. Vom
Wärterhausgarten dagegen fotine dies nicht gesagt werden. Er diene nicht
dem Betrieb als solchem, sondern einer mit dem Dienst in keiner Verbindung
stehenden Bequemlichkeit des Personals-, für welches er einen-Teil der
Befoldung ausmache. Ja, in vielen Fällen habe diese Gartenfanlage ihren
Grund nicht einmal in einer väterlichen Fursorge fur dasWärterpersonal,
sondern lediglich darin, dass die Bahiwerwaltung es aus irgend einem
Grunde für tunlich odqer geboten erachtethabe, ein etwas grösseres Terrain
für die Warterhausanlage zu erwerben und nun behufs seiner vorläufigen
Verwendung darausGärten oder Pflanzplätze gemacht habe, welche sie an das
Wirt-terpersonal verpachte oder sie ihm als berechnete Zugabe zu seinem
Bargehalt anweise. Von derartigen Pflanzgartenn laiigs der Bahnlinie
habe schon anlässlich der Beratung des Ructkaufsgefetzes un Ständerat
Bundesrat Selma gesprochen und zugleich der Meinung Ausdruck verliehen,
sie sollten der kantonalen Besteuerung nichtVI. Erwerb u. Betrieb von
Eisenbahnen für Rechnung des Bundes. N° 128. 787
entzogen werden (vergl. Stenograph. Bülletin 1897 S. 535). Im" Nationalrat
habe der Kommissionsreferent Cramer-Frey ebenfalls darauf hingewiesen,
dass gewisse Landabschnitte, welche für den Bahnbetrieb nicht absolut
nötig seien, Steuerobjekte bilden sollten (Stenograph. Bülletin 1897
S. 997 f.); --
in Erwägung:
Nach Art. 10 des Rückkaussgesetzes geniessen die Bandes-bahnen
Steuerfreiheit für diejenigen Immobilien, welche eine notwendige
Beziehung zum Bahnbetriebtxt haben. Das Kriterinm der notwendigen
Beziehung zum Bahnbetrieb ist aber, wie das Bundesgericht schon früher
ausgesprochen hat (nergl. AS 29 I S. 195 f.; 32 I Nr. 69 Erw. 3 und 6),
nicht darin zu finden, dass eine Liegenschaft unmittelbar technisch dem
Bahnbetrieb in der Weise dient, dass ohne die fragliche Einrichtung der
Betrieb überhaupt nicht möglich wäre, sondern es muss genügen, wenn der
Zusammenhang ein indirekter ist in dem Sinne, dass eine Veranstaltung
dazu bestimmt ist, günstige Voraussetzungen für den Betrieb, Garantien
und zwar nicht bloss technischer Natur für dessen Regelmässigkeit und
Sicherheit zu schaffen, wenn die Zweckbeziehung der Anlage nach der
Auffassung des Lebens als auf den Betrieb gerichtet erscheint. Der
Gegensatz der notwendigen Beziehung zum Bahnbetrieb liegt, wie die
Entstehungsgeschichte des Gesetzes zeigt (AS 29 I S. 325 f.), darin,
dass eine Liegenschaft einem dem Bahnbetrieb fremden Zweck, z. B. einem
Nebengeschäft, dient. Nun kann kein Zweifel sein, und es wird dies auch
vom Regierungsrat zugestanden, dass die von der Bahnverwaltung an den
Bahnlinien erstellten Wärterwohnhäuser zu den steuerfreien Immobilien
der Bundesbahiien gehören, weil sie den Zweck haben, die zuverlässige
Durchführung des dem Bahnbetrieb wesentlichen Aufsichtsdienstes über den
Bahnkörper zu sichern. Das Bundesgericht hat denn auch in seinem Urteil
vom 24. Oktober 1907 in Sachen der Bundesbahnen gegen den Kanton Luzernit
die Wärterivohnhäuser als steuerfreie Liegenschaften qualifiziert. Dann
dürfen aber auch die kleinen zu diesen Häuschen gehörigen Gärten der
vorliegenden Art unbedenklich als mit unter die Steuerfreiheit fallend
betrachtet werden. Denn zu einein ländlichen Wohnhause gehört
* Oben Nr. HS S. 780 H. (Anm. d.Reci.s. Publ.)
788 A. staats-rechtliche Entscheidungen. ll. Abschnitt. Bundesgesetze.
nach allgemeiner Anschauung ein kleiner Garten, der den Hausbewohnern
das erforderliche Gemüse, Obst ze. liefert, und für Bahnwärterhäuser ist
eine solche Anlage um so unentbehrlicher, als sie oft von den Ortschaften
mehr oder weniger weit entfernt sind und die anderweitige Beschaffung der
Gartenprodukte daher mit Schwierigkeiten verbunden wäre. Unter diesen
Umständen erscheint der Garten wirtschaftlich als ein nnerlässlicher
Bestandteil, eine Zubehörde des Hauses, und stellen Garten und Haus sich
als eine notwendige wirtschaftliche Einheit dar. Es kommt hinzu, dass auch
für den Garten insofern noch eine besondere Zweckbeziehung zum Bahnbetrieb
besteht, als er für den Wärter und seine Familie die Gelegenheiten, zur
Lebensmittelbeschafsung sich zu entfernen, vermindert, so dass Wärter und
Familie dadurch von der Aufgabe der Bewachung des Bahnkörpers weniger
abgezogen werden. Aus diesen Gründen geht es nicht an, für die Frage
der Steuerfreiheit einen Unterschied zwischen Wärterhaus Und Garten
zu machen, vielmehr muss die in Bezug auf das Wärterhaus unzweifelhaft
bestehende und anerkannte Steuerfreiheit vernünftigerweise und nach der
Natur der Sache auch den Garten umfassen. Hiegegen können auch nicht die
vom Regierungsrat aus der Gesetzesberatuug in den eidgenössischen Räten
angeführten Beispiele steuerpflichtiger Liegenschaften ins Feld geführt
werden. Der ganze Zusammenhang der Beratung zeigt, dass man mit den
Landabschnitten längs der Bahn, welche für den Vahnbetrieb nicht absolut
notwendig sind, nicht etwa die kleinen Gärtchen der Bahnwärterhäuser,
die einen Bestandteil der Wärterwohnung bilden, sondern vorsorglich
oder sonstwie von der Bahn erworbene Landkomplexe im Auge hatte, deren
die Bahn für ihre Zwecke nicht bedarf und die nun als Kulturland an
Bahnangestellte oder Dritte verpachtet sind ; erkannt:
Das Rechtsbegehren der Schweizerischen Bundesbahnen wird gutgeheissen
und es werden demgemäss die Wärterhausgärten Parzelleu 50h und 238 'o
Gemeinde Soyhières als nichtsteuerpflichtjge Objekte im Sinne des Art. 10
des Eisenbahnrückkaufsgesetzes vom 15. Oktober 1897 erklärt-Eingriffe
in garantierte Rechte. 789
Dritter Abschnitt. Troisième section.
Kantonsverlassungen.
Constitutions cantonales.
%
Eingriffe in garantierte Rechte. Atteintes portésses à des droits
garantie.
Vergl. Nr. 121.