ihrer Approbation seitens der Staatsgewalt, und zwar ist hier, in erster
Instanz jedenfalis kompetent der (vorliegend tatsächlich angerufene)
Kleine Rat evangelischen Teils, weichem in dieser Eigenschaft das Recht
materieller Nachprüfung der zu vollftreckenden Verfügung wenigstens
auf ihre Verfassungsund Gesetzmässigkeit zusteht (vergl. hierüber AS 23
S. 1534 und 1545).
3. Übrigens wäre das Bundesgericht zur Beurteilung des Beschwerdepunktes
der Verletzung des Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
dem Rekurrenten Tobler in willkürlicher Weise die Wahlfähigkeit als
Geistlicher im Kanten Grauben abgesprochen werde, nicht kompetent,
da Beschwerden betr. die Fähigkeit zur Bekleidung eines kantonalen
öffentlichen Amtes, als welches das Pfarramt nach dem bündnerischeu
Staatskirchenrecht zweifellos zu qualifizieren ist, gemäss am. 189
Abs-i OG in den Kompetenzkreis des Bundesrates fallen. Und die Berufung
der Rekurrenten auf Verletzung des Art. 11 bn. KV könnte einer
sachlichen Prüfung nicht standhaltenz da die verfassungsmässige Garantie
des Rechts der Kirchgemeinden, ihre Geistlichen zu wählen, der Aufstellung
allgemeiner Erfordernisse für die Wahlfähigkeit derselben offenbar nicht
entgegensteht; -
erkannt:
Auf den Rekurs wird nicht eingetreten.
Vergl. auch Nr. 14.LIL Zivilrechfl. Verhältnisse der Niedergelassenen
und Aufenthalier. N° 17. 113
III. Zivilrechtliche Verhältnisse der Niedergelassenen und
Aufenthalter. Rapports de droit civil des cicoyeus établis ou en séjour.
17. zuteil vom 13. Februar 1907 in Sachen Yormundsdjaflsîmmmec (Chambre
des tutelles) non Gens gegen Regierungsrat Jagen: und Ynsbürgertat Hinten
Bei Rekursen aus Art. 38 BG betr. zii/Hr. V. d. N. u. A. (Art. 180
Ziff. 3 OS) ist, jedenfalls wenn sich die Behörden zweier Kantone
gegenüberstehen, eine Erschöpfung des Instanzenznges nicht Voraussetzung,
auch die Beobachtung einer Frist ist man nötig. Recht zur Führung der
Vormundschaft über Unmündige. Art. 11,4 Abs. 2 und 3; 17; 3 Abs. 2 und 3;
10; 15 cit. BG.
A. Im April 1902 starb in Coppet, Kanten Waadt, Eduard Baud, Bürger
von Genf und protestantischer Konfession Er hinterliess die Witwe
Elife geb. Widmer, ursprünglich heimatberechtigt im Kanton Luzern
und katholischer Konsession, und 3 minderjährige Kinder, Eduard,
Ferdinand und Valentin Band, die protestantisch getauft und bis dahin
protestantisch erzogen worden waren. Das Friedensrichteramt Coppet als
Vormundschaftsbehörde ernannte zum Vormund der Kinder Band zunächst
einen Verwandten Th. Widmer in Coppet und ersetzte ihn im September
1902 durch die Mutter der Mündel, Witwe Baud. Das Vermögen der Müudel
besteht in der Hauptsache in einem Anteil an einem Hause in Coppet. Jm
Laufe des Jahres 1903 zog Witwe Band mit ihren Kindern in den Kanton
Luzern. Sie übergab daselbst die Kinder dem Seraphischen Liebeswerk
Luzern für arme und verwabrloste Kinder- zur Erziehung, das sie in
einer Anstalt in Mariazell bei Sursee unterbrachte, die, wie es scheint,
ausgesprochen katholisch-konfessionelken Charakter hat. Dabei gab Frau
Band die Erklärung ab, dass die Kinder bis zum vollendeten 18. Altersjahr
in der Obhut des genannten Vereins verbleiben sollten. Witwe Baud starb
am 22. August 1904 im Kanten
AS 33 I 1907 8
114 A. Siaatsrechtliche Entscheidungen. lI. Abscnnitt. Bundesgesetze.
7 rn. Sie oll nach Angabe des Ortsbürgerrats Sursee _ IÎIÎÈ noch
letzstwillig verordnet haben, dass die Kinder katholisc? er; zogen
werden möchten. Die Vormundschaft uber die LKmder dan war in Coppet
auch nach deren Wegzugl weitergefuhrt wor en. Am ö. November 1904
ernannte das Friedensrtchterath Copper zum Vormund einen Grossonkel
der Mundel,leouis Oluuer m Troiner (Geni). Dieser bemühte sich, die
Kinder Baudlvog Seraphischen Liebeswerk in Luzern berauszuerhalten, um
sie a ,. Genfer und Kinder eines Protestanten in Jensprotestantlisgh
erziehen zn lassen. Doch waren alle. seme Schritte erfolg DL. Hu letzter
Linie wurde er durch Entscheid des Regierungsrates uzertn vom 5. Juni
1905 abschlägig beschieden. Aus einen staatsr:chs: lichen Rekurs des
Olivier gegen diesen Entscheidäctrat das Pun e [ gericht durch Urteil
vom 6. Dezember 1905 nicht etn, met Olivier zur Zeit der Einreichung
des Rekurses bereits aufgehor hatte, Vormund der Kinder Bankh zu seini;
und deshalb als zur rde ni t le itimiert Beira tet wur e. MEET *in
bei?! näfnlich in der Angelegenheit auch den Stagttsk rat des Kantons
Waadt um Jntervention bei der Luzerner egierung angegangen. Nachdem der
Staatsrat von der. Luzergzier Regierung ebenfalls abschlägig beschieden
worden war, mit dîs e: gründung, die Vormundschast Baud stehe entweder
dem otheortskanton, d. I). Luzern, oder dem Heimatskanton Genf,
a er unter keinen Umständen dem Kamen Waadt zu, hatte erI gie Sache
dem Kantonsgericht Waadt, als Obervormundschaftsbehogrog überwiesen
Das Kantousgericht Waadt hatte am 11. April 1gt ' verfügt, dass die
Vormundschast über die Kinder lYaudVin -;;wendung der Art. 13 und 15
des BG "Bett. d. zlvtlr. . dé. : u. A. unverzüglich der zuständigen
Behorde des Tantons eilig u übertragen sei, und Olivier war biegan seiner
Funktionen a ' r Vormund ent oben mer en.
wagkriilmädgchäiai gab das É'Suffizund Polizeidevartement des
Kantons Waadt dem Justizund Polizeideparternent des Kanton Gens
davon Kenntnis, dass die Vormundschast ubeu die Km ;; Band dem
Kanton Gens übertragen werden sollte. Die Vormun -* In der AS nicht
abgedruckt. (Anm. d. Red. f. Puöf .)IH. Zieilrechtl. Verhältnisse der
Niedergelassenen und Aufenthalter. N° 17. 115
schaftskammer (Chambre des tutelles) von Gens berief gemäss den
Vorschriften des genferischen Vormundschaftsrechts einen Familienrat
ein, der unter dem Vorsitz des Friedenseichters am 10. Februar
1906 den L. Oiivier in Irvine): zum Vormund ernannte. Dieser gab am
24. Februar 1906 dem Regierungsrat von Luzern von seiner Ernennung
zum genserischen Vormund der Kinder Band Kenntnis und erneuerte sein
Begehren um Herausgabe der Mündel. Mit Zuschrist vom 2. März 1906 teilte
hierauf der Qrtsbürgerrat Surfee dem Friedensrichteramt in (Hmf, unter
Hinweis aus Art. 12 BG betrzivilr. V. d. N. u. A., mit, dass er die
in Sursee wohnhasten minderjährigen Kinder Band Unter Vormundschaft
gestellt und zum Vogt Bankoerwalter Alfred Beck in Sursee ernannt
habe. Durch Entscheid vom 14. März 1906 wies der Regierungsrat von
Luzern das Begehren des Olivier um Herausgabe der Kinder Band ab mit
der Begründung, dass der Kanton Luzern als Wohnsitzkanton der Kinder
Band ausschiiesskich zur Vormundschaft berechtigt und dass von diesem
Rechte durch die Bestellung der Vormundschaft in Sursee auch Gebrauch
gemacht worden sei; die gleichzeitige Führung einer Vormundschaft im
Heimatkanton Genf sei unzulässig
Am 15. März 1906 richtete die Vormundschaftskammer von
Genf an den Ortsbiirgerrat von Sursee, gestutzt auf am. 15 BG
Bett. zivilr. V. d. N. u. A., das Gesuch, er möchte auf die Vormundschast
über die Kinder Band verzichten und sie an die Behörden von Genf
abtreten. Zur Begründung wurde angeführt, dass die Mündel Genser sind
und alle ihre Verwandten in Genf haben, dass sie ihr in einem Hausanteil
in (Copper bestehendes Yermögen in der Nähe von Genf besitzer dass sie
als Kinder eines Protestanten protestantisch erzogen werden sollten,
dass ihre Mutter kein Recht hatte, über deren religiöse Erziehung für
die Zeit nach ihrem Tode zu verfügen, dass die Bedingungen für den Erwerb
einer guten Schulbildung und für späteres berufliches Fortkommen günstiger
sind in Gens als im Kanton Luzern. Der Ortsbiirgerrat von Sursee wies das
Gesuch am 28. März 1906 ab, weil die angeführten Gründe nicht geeignet
seien, einen Verzicht der luzernischen Behörden auf die Vormundschast
zu rechtfertigen. Gegen diesen Entscheid rekurrierte die Vormundschafts-
116 A. staat-rechtliche Entscheidungen. II. Abschnitt. Bundesgesetze.
kammer von Genf innert nützlicher Frist an den. Regierungsrat des Kantons
Luzern, wobei sie unter anderem das Begehren stellte, diese Behörde
möge erkennen, dass im Kanton Luzern keine gültige Vormundschaft über
die Kinder Baud bestellt und dass allein die Vormundschaftsbehörden in
Genf zuständig seien. Der Regierungsrat entschied unterm 16. Mai 1906
"nach Kenntnisnahme der Vernehmlassung des Ortsbürgerrates Snrsee, dass
auf den Rekurs nicht einzutreten sei, weil die Vormundschaftskammer den
angefochtenen Entscheid des Ortsbürgerrates von Sursee dem Rekurs nicht
beigelegt habe und weil deshalb dieser Entscheid auch nicht aus seine
Richtigkeit über-prüft werden könne.
B. Gegen diesen Entscheid des Regierungsrates von Luzern, sowie
gegen den Entscheid des Ortsbürgerrates von Sursee, hat die
Vormundschastskammer von Gens den staatsrechtlichen Rekurs ans
Bundesgericht ergriffen mit den Anträgen: Der angefochtene Entscheid
sei aufzuheben und es sei zu erkennen, dass die Bormundschaftsbehörden
von Genf und nicht diejenigen von Luzern in Bezug auf die Kinder Band
zuständig und dass somit die luzernische Vormundschaft nichtig sei,
eventuell, dass die Vormundschast an Gens übertragen werden müsse,
dass jedenfalls die Kinder Band von den Luzerner Behörden denjenigen
von Geni oder dem Vormund Olivier herauszugeben seien, ganz eventuell,
dass sie in Luzern protestantisch erzogen werden müssten (Art. 15 BG
Bett. zivilr. V. d. N. u. A.), allereventuellst, dass der Regierungsrat
zu einem materiellen Entscheide zu veranlassen sei. Zur Begründung wird
ausgeführt: Der formelle Grund, aus welchem der Regierungsrat auf den
Rekurs der Vormundschaftskamtner nicht eingetreten sei, stelle sich als
eine Rechtsverweigerung dar. Der Regierungsrat hätte die Möglichkeit und
die Pflicht gehabt, den Entscheid des Ortsdürgerrates von Sursee von
diesem oder von der Rekurrentin einzufordern Es handle sich um nichts
anderes, als um einen Vorwand, der den Regierungsrat der materiellen
Prüfung der Sache überheben sollte. Das Bundesgericht möge sich nicht
bei dieser Formfrage aufhalten, sondern in der Sache selbst entscheiden,
wozu es nach Art. 16 BG betr. zivilr. V. d. N. u. A. befugt sei. Zu
Gunsten der Vormundschastsbehörde von Genf gegenüber derjenigen von
Luzern wird sodann ein Recht der Prio-IH. Zivilrecht]. Verhältnisse der
Niedergelassenen und Aufenthalter. N° 17. 117
rität geltend gemacht, und es werden, wesentlich in Übereinstimmung mit
der Eingabe an den Ortsbkergerrat Sursee vom 15. März î906, die Gründe
auseinandergesetzt, weshalb die Jnteressen der Kinder Band die Führung
der Vormundschast in Gens verlangen
C. Der Regierungsrat von Luzern hat aus Verwersnng des Rekurses angetragen
und ausgeführt: Der Rekurs könne sich nicht direkt gegen den Entscheid des
Ortsbürgerrates von Sursee richten, weil er diesem gegenüber verspätet
wäre. Der regierungsraffiche Entscheid sodann könne höchstens aus
dem Gesichtspunkte angefochten werden, dass das Nichtetntreten auf
den Rekurs der Vormundschaftskammer willkürlich sei. Hievon könne
aber keine Rede sein; denn eine Rekursbehörde könne nur entscheiden,
wenn ihr der angesochtene Entscheid vorliege und es sei ihr nicht
zuzumntenn, diesen Entscheid, wenn der Rekurrent ihn nicht einreiche,
von sich aus einzufordern Sei aber der Nichteintretensbeschluss des
Regierungsrates nicht ansechtbar, so könne das Bundesgericht weder in
der Sache selbst entscheiden, noch den Regierungsrat zu einem materiellen
Entscheide veranlassen. Speziell könne das Bundesgericht aus das Begehren
betreffend Übertragung der Vormundschast nicht eintreten. Solange es
die quernischen Behörden nicht ausdrücklich abgelehnt hätten, einem
eventuellen Verlangen der heimatlichen Behörde hinsichtlich der religiösen
Erziehung der Kinder Baud zu entsprechen, könne von einer Abtretung der
Vormundschaft an die Heimatbehörde und von einer Heimschaffung der Kinder
keine Rede sein. Bisher habe der Regierungsrat und seines Wissens auch
die Behörde von Sursee sich mit dieser Frage nicht zu befassen gehabt.
. Vom Bundesgericht eingeladen, sich auch noch über die materielle Frage,
welcher Kanton, Luzern oder Gens, bundesrechtlich zur Vormundschaft über
die Kinder Band zuständig sei, zu äussern, hat der Regierungsrat seine
Verwahrung dagegen, dass das Bundesgericht auf die materiellen Begehren
der Rekurrentin eintrete, erneuert und ausgeführt: Die Frage, ob der
Wohnsitz der Kinder Baud durch deren Übersiedelung in den Kenton anern
in Verbindung mit den spätern Vorgängen im letztern Kanton begrundet
worden sei, und daher dieser Kanton das Recht auf die
118 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. H. Abschnitt. Bundesgesetze.
Vormundschast erhalten habe, sei implicite durch das mindesgerichtliche
Urteil vom 6. Dezember 1906 zu Gunsten von Luzern gelöst worden. Über
die Zuständigkeit von Luzern zur Vormundschaft könne daher kein
Zweifel sein. Selbstverständlich liege es keineswegs in der Absicht der
luzernischen Behörden, die den Heimatbehörden bundesrechtlich zustehenden
Rechte zu schmälern.
Der Ortsbürgerrat von Sursee hat in demselben Sinne wie der Regierungsrat
auf Verwerfung des Rekurses angetragen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Die Rekursschrift der Vormundschaftskammer von Gens weist insofern
eine gewisse Jnkongruenz zwischen Anträgen und Begründung aus, als in
den Anträgen in erster Linie verlangt wird, es seien zur Führung der
Vormundschaft über die Kinder Band die Behörden von Gen? als allein
zuständig und diejenigen von Luzern als unzuständig zu erklären,
während die Begründung, abgesehen vom Standpunkt der Priorität der
Genfer Vormundschaft, sich auf Ausführungen darüber beschränkt,
dass die Jnteressen der Mündel eine Übertragung der Vormundschaft
von Luzern nach Gens gemäss Art. 15 BG betr. zivilr. V. d. N. u. A.,
also vom Wohnsitzkanton an den Heimatkanton, verlangen In angemessener
Berücksichtigung von Anträgen und Begründung ist der Rekurs dahin
aufzufassen, dass in erster Linie die Kompetenz der Luzerner Behörden
zur Führung der Vormundschast angefochten und aus diesem Grunde die
Aushingabe der Kinder Band beansprucht und eventuell die Übertragung
der Vormundschaft nach Art. 15 leg. cit. verlangt wird. Die Beschwerde
ist also zunächst eine solche allgemeiner Natur im Sinne von am. 88 und
nur eventuell eine spezielle Beschwerde nach Art. 16 leg. ext.
Bei der Beschwerde nach der zuletztgenannten Bestimmung ist nach
ausdrücklicher Vorschrift des Gesetzes erforderlich, dass die
Heimatbehörde zuvor die ihr im Wohnsitzkanton osfenstehenden Justanzen
erschöpfe. Ein Entscheid des Regierungsrates von Luzern liegt hier
allerdings vor, aber er lautet auf Nichteintreten aus einem formellen
Grande. Das Bundesgericht könnte daher den Entscheid auch nur dahin
überprüfen, ob in der Weigerung, die Angelegenheit materiell zu behandeln,
eine Verfassungsver-JH. Zivilrecht]. Verhältnisse der Niedergelassenen
und Aufenthalt-en N° 17. 119
letzung liegt, und bejahendenfalls den Entscheid nur ans diesem Grunde
aufheben. Ein Eintreten auf die eventuelle Beschwerde nach Art. 16
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
leg. cit. ist deshalb von vorneherein ausgeschlossen
Bei der Beschwerde nach Art. 38
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
jedenfalls wo sich die Behörden zweier Kantone gegenüberstehen eine
vorgängige Erschöpfung der kantonalen Jnstanzen nicht notwendig (AS 32 I
S. 485 Erw. 3, S. 495 Erw. 2). Die Vormundschaftskammer von Genf war daher
berechtigt, den Schutz des Bundesgerichts anzurufen, sobald die Weigerung
der luzernischen Vormundschaftsbehörde, die Kompetenz des Kantons Genf
in Bezug aus die Vormundschaft Band anzuerkennen, seststand. Das war
aber schon der Fall mit dem Entscheid des Oberbürgerrates von Sursee
vom 28. März 1906 in Verbindung mit dem Entscheide des Regierungsrates
von Luzern vom 14. März 1906, durch den der Rekurs des Genser Vormundes
Olivier wegen ausschliesslicher Zuständigkeit des Kantons Luzern zur
Vormundschaft abgewiesen worden ist. In der Tat richtet sich der Rekurs
mit gegen jenen Entscheid des Ortsbürgerrates Sursee. Die Rekursfrist des
Art. 178
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
aber das Bundesgericht im Falle Dürrenroth (AS 23 S. 1488, s. auch 32
I S. 485) ausgesprochen hat, ist die Anhebung einer Streitigkeit über
Anwendung des BG Betz. zivilr. V. d. N. u. A. seitens der Behörden
eines Kantons gegen diejenigen eines andern nicht von der Beobachtung
einer bestimmten Frist abhängig. Das Bundesgericht kann daher trotz
des auf Nichteintreten lantenden Entscheides des Regierungsrates von
Luzern vom 16. Mai 1906 die Hauptbeschwerde materiell behandeln. Es
mag bei dieser Sachlage unerörtert Meissen, ob der regierungsrätliche
Entscheid vom 16. Mai 1906 wegen (formeller) Rechtsverweigerung anfechtbar
wäre. Eine Rückweisung der Angelegenheit an den Regierungsrat von Luzern
erscheint auch nicht etwa aus Zweckmässigkeitsgründe-te geboten, weil
ja die Auffassung dieser Behörde in der Frage, ob Luzern oder Gens zur
Vormundschaft Band zuständig sei, aus dem Entscheid vom 14. März 1906 und
auch aus der Vernehmlassung zum vorliegenden Rekurs genugsam bekannt ist.
2. Die Ansicht des Regierungsrates von Luzern, durch das
120 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. 11. Abschnitt. Bundesgesetze.
Urteil des Bundesgerichts vom 6. Dezember 1905 sei festgestellt, dass die
Kinder Band Wohnsitz im Kanton Luzern erlangt hatten, ist unzutresfend ,
jenes Urteil spricht lediglich dem als waadtlandischer Vormund entlassenen
Olivier die Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde in Sachen
der Vormundschast Band ab. Über die gegenwärtige Streitigkeit ist darin
nichts entschieden und war auch nichts zu entscheiden.
3. Das Recht des Kantons Luzern zur Bestellung und Führung der
Vormundschast über die Kinder Band wird daraus hergeleitet, dass für die
Mundel dadurch, dass sie mit ihrer Mutter im Jahre 1903 in den Kanton
Übergesiedelt und seither dort verblieben sind, der Wohnsitz daselbst
begrundet worden sei (Art il leg. cit..) Nun hatten die Kinder Band seit
ihrer Bevormundung nach dem Tode des Vaters den Wohnsitz ursprünglich
jedenfalls in Coppet als dem Sitze der Vormundschaftsbehörde (Art. 4
Abs. 3). Dass die letztere in der Folge einen Wohnsitzwechsel der Mündel
nach dem Kanton Luzern im Sinne des Art. 17 leg. cit. bewilligt habe, ist
den Akten nicht zu entnehmen. Eine ausdrückliche Bewilligung ist nicht
behauptet und auch ein stillschweigendes Einverstandnis (s AS 21 S'. 28
ff.) kann nicht wohl angenommen werden. Die Kinder Band wurden offenbar
bald nach der Itbersiedelung in den Kanton Luzern von der Mutter dem
Seraphischen Liebeswerkii übergeben. Nach der allgemeinen Norm des
Art. 3 Abs. 2 leg. cit. ist aber die Versorgung Handlungsunfähiger
in einer Erziehungsund Pflegeanstalt von vorneherein nicht geeignet,
einen Wohnsitz zu begründen. Aus der blossen Tatsache, dass die Behörde
in Coppet diese Anstaltsversorgung geduldet hat, dars daher nicht
auf die Einwilligung in einen Wohnsitzwechsel der Mündel geschlossen
werden. Auch der Umstand, dass die Behörde nach dem Tode der Mutter im
Jahre 1904 einen neuen Vormund in der Person des L. Qlivier ernannt
hat, spricht hiegegen. Beiläufig mag bemerkt werden, dass, auch wenn
ein Wohnsitzwechsel im Sinne des Art.17 vorlage, dem Kanton Luzern
nur das Recht erwachsen ware, die Übertragung der bisher in Coppet
gesuhrten Vormundschaft zu verlangen, nötigenssalläi unter Anrnfung
des Bundesgerichts, nicht aber die Befugnis, ohne Rücksicht auf die
anderwärts gesuhrte Vormundschast eineIll. Zivilrecht}. Verhältnisse
der Niedergelassenen und Aufenlhalter. N° 17. 121
selbständige Bormundschaft zu bestellen (vergl. auch AS 30 I S. 700 s.).
Die Zuständigkeit von Luzern zur Vormuudschast kann auch nicht darauf
gestützt werden, dass die Kinder Baud auf Grund von Art. 4. Abs. 2
leg. cit. Domizil im Kanton Luzern erlangt hätten und dass dadurch
Luzern Wohnsitzkanton im Sinne des Art. 10 geworden sei. Es ist nicht
anzunehmen, dass Witwe Band mit ihrer Niederlassung im Kanton Luzern
(Art. 9 Abs. 1) die elterliche Gewalt über ihre Kinder im Sinne des
Art. 4 Abs. 2 erlangt hat, weil nach luzernischem Recht die väterliche
bezw. elterliche Gewalt zu Lebzeiten des Vaters ausschliesslich bei
diesem ist (BGB Art. 65) und bei dessen Tod die Mutter, unter gewissen
Voraussetzungen, -soweit ersichtlich nur Vormund und nicht Jnhaber der
elterlichen Gewalt wird (Art. 9 fs. des Vormundschaftsgesetzes). Dies
ist nicht nur daraus zu schliessen, dass die Stellung der überlebenden
Mutter in Bezug aus die Kinder im Vormundschaftsrecht unter dem Titel
der Entstehung der Vormundschaft geregelt und dass dabei von Übernahme
der väterlichen Vormundschaft durch die Mutter gesprochen wird, sondern
vor allein auch daraus, dass, wie aus der Fassung und dem Zusammenhang
des Vormundschaftsgesetzes zu folgern ist, die Mutter als Vormund in
wesentlich derselben Weise wie andere Vormünder durch die Kompetenzen
der Vormundschaftsbehörde in ihren Befugnissen beschränkt ist und
deren Aufsicht und Kontrolle untersteht. Auch in der Vernehmlassung des
Regierungsrates und des Ortsbürgerrates von Sursee ist nicht behauptet,
dass in dieser Hinsicht zwischen mütterlicher und sonstiger Vormundschaft
ein grundsätzlicher Unterschied besteht (vergl. auch Huber, Schweiz.
Privatrecht 1 S. 483 und 588). War aber Witwe Band im Kanton Luzern nicht
Inhaberin der elterlichen Gewalt über die Kinder-, so kann ein Wohnsitz
der letztern im Kanten nach Massgabe des Art. 4 Abs. 2 leg. cit. nicht
in Betracht kommen, und es bedarf daher auch die Frage keiner Erörterung,
in welcher Weise beim gleichzeitigen Bestehen der elterlichen Gewalt der
Mutter in Luzern und der Vormundschaft in Coppet die Kollision zwischen
Abs. 2 11115 3 des Art. 4 zu lösen ware.
4. Nach diesen Ausführungen konnte Luzern ein Recht zur
122 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. ll. Abschnitt. Bundesgesetze.
Vormundschaft über die Kinder Band weder nach Art.17 noch Art. 11
leg. cit. geltend machen. Diese Rechtslage ist auch dadurch nicht
verändert worden, dass der für die Vormundschaft gni ständige Kanton
Waadt zu Gunsten des Heimatkantons Genf aus die Führung der Vormundschaft
verzichtet hat. Art. 15 leg_. ext. sieht einen Übergang der Vormundschaft
vom Wohnsitzaus den Heimatkanton u. a. dann vor, wenn die Behörde des
erstern die persönlichen oder vermögensrechtlichen Interessen des Mündels
nicht gehörig zu wahren in der Lage ist und die Heimatbehörde deswegen
die Abgabe der Vormundschaft verlangt. Gestützt aus diese Bestimmung
(dee daneben angerufene Art. 13 kann nicht in Betracht kommen) hat das
Kantonsgericht Waadt als Oberwemundschafsbehörde die Übertragung der
Vormundschast Baud. an Genf angeordnet, wobei es wohl von der Erwägung
ausging, dass die Führung der Vormundschast in Geni, wo die Mandel
ihre nächsten Verwandten haben, deren Jnteressen besser entspreche.
Es erscheint allerdings zweifelhaft, ob der angegebene Tatbestand
des Art· 15 vorlag, da nicht ersichtlich ist, weshalb die Behörde in
Coppet die persönlichen und vermögensrechtlichen Interessen der Kinder
Band nicht ebenfalls hätte wahren können. Auch war ein Begehren nach
Art. 15 leg. cit. von Genf nicht gestellt worden. Man kann deshalb die
Frage aufwerfen, ob nach dem Bundesgesetz der Wohnsitzkanton befugt
ist, in solcher Weise unter Berufung auf Art. 15 den Übergang einer
Vormundschast an den Heimatkanton zu verfügen. Dass der letztere sich
die Zuschiebung der Vormundschaft nicht gefallen zu lassen braucht,
ist angesichts der Bestimmung des Art. 11 und der Fassung des Art. 15
leg. cit. klar. Jst er indessen, wie hier Gens, zur Übernahme bereit
und tritt er die Vormundschast tatsächlich an, so kann lediglich
noch ein Ansechtungsrecht in Frage kommen, das aber nur den nächsten
Anverwandten des Mündels, etwa auch dem volljährigen Mündel selber,
nicht aber Dritten zustehen würde. Die Behörden des Kantons Luzern,
als des blossen Aufenthaltskantons der Mùndeî, wären vorliegend zu
einer solchen Anfechtung nicht als legitimiert zu betrachten. Das
Ziel der Anfechtung könnte zudem nur das sein, dass der Übergang der
Vormundschast rückgängig gemacht, d. h. als unstatthaft und ungültig
erklärt und der bis-Ill. Zivilrechtl. Verhältnisse der Niedergelassenen
und Aufenthalter. N° H. 123
herige Wohnsitzkanton zur Weiterführung der Vormundschaft verhalten
wiirde. Mangels einer Anfechtung durch eine hier legitimierte Person muss
es bei der Übertragung der Vormundschast vom Wohnsitzan den Heimatkanton
unter allen Umständen sein Bewenden haben.
Darnach ist das Recht auf die Vormundschaft über die Kinder Band vom
Wohnsitzkanton Waadt auf den Heimatkanton Genf übergegangen, der dann
mit der Übernahme der Vormundschaft auch Wohnsitzkanton geworden ist
(Art. 4 Abs. 3 leg. cit.). Dass Genf mit der Bestellung eines Vormundes
dann einige Zeit gezögert hat immerhin erfolgte die Ernennung vor der
Bestellung der Vormundschaft in Sursee ändert hieran nichts, da die
Genfer Vormundschaftsbehörde als solche von dem Moment an mit der Sache
befasst und somit Vormundschaftsöehörde im Sinne von Art. 4 Abs. 3
leg. cit. war, da Waadt die Übertragung der Vormundschaft angeordnet
hatte und Genf damit einverstanden war. Man könnte übrigens auch davon
ausgehen, dass bis zur eigentlichen Organisation der Vormundschast in
Genf der Wohnsitz der Kinder Baud nach der Regel des Art. 3 Abs. 3 in
Coppet verblieb. Ein Übergang des Domizils nach Sursee erscheint nach
Art. 3 Abs. 2 von vorneherein als ausgeschlossenDer Rekurs ist daher in
dem Sinne gulznheissen, dass die in
vSursee über die Kinder Band bestellte Vormundschaft als un-
gültig erklärt wird und dementsprechend die Behörden des Kanions Luzern
angehalten werden, die Kinder Band der Rekurrentin oder dem Vormund
Olivier aushinzngeben. Demnach hat das Bundesgericht erkannt:
Der Rekurs wird in dem Stnne gutgeheissen, dass die in Sarsee für die
Kinder Eduard, Ferdinand und Valentin Band bestellte Vormundschaft als
ungültig erklärt wird und die Behörden des Kantons Luzern angehalten
werden, die Kinder Band der Reknrrentin oder dem genferischen Vormund
Olivier aushiangeben.