130 A. Entscheidungen des Bundesgerichts als oberster
Zivilgerichtsinstanz.

Jst aber das Kapital von 15·,095 Fr. 99 Cis. in das Werk hineingelegt
worden, so kann nicht gesagt werden, dass die Beklagte diesen Betrag
zurückbehalte und dass die Klägerin daher nicht die vollwertige Anlage
erhalte. Ob tatsächlich eine Erhöhung des Obligationenkapitals um 15,095
Fr. 99 Cts. stattgefunden hat oder ob von dieser Formalität Umgang
genommen worden ist, bleibt sich gleich; denn auf alle Fälle erhält die
Klägerin mit dem Werk den Gegenwert dieser 15,095 Fr. 99 Cis.

10. Einen weitern Eventualantrag hat die Klägerin in der
Berufungserklärung gestellt: den Antrag nämlich, es sei ihr vom
Reservefonds wenigstens der statutengemässe und also unfreiwillig
geschaffene Teil desselben, d. i. 28,000 Fr., zuzusprechen. Nachden
Ausführungen in Erw. 3 bis ò hievor hat jedoch die Klägerin auf
diesen Teil des Reservefonds ebensowenig ein Anrecht, wie auf den
den statutenmässigen Betrag- übersteigenden Teil desselben. Denn der
Reservefonds ist der Klägerin ja nicht deshalb abgesprochen worden,
weil er freiwillig angelegt worden sei, sondern deshalb, weil er keinen
integrierenden Bestandteil des Unternehmens bildet, nach dem vorliegenden
Vertrage aber nur dieses an die Klägerin verkauft worden ist. Übrigens
wäre zn bemerken, dass die Beklagte weder von Gesetzes wegen noch nach
dem Vertrage zur Äuffnung eines Reservefonds verpflichtet war, und dass
es daher nur an ihr gelegen hatte, die diesbezügliche Statutenbestimmung
aufzuheben Die Unterscheidung zwischen einem freiwillig Und einem
unfreiwillig geschaffenen Teil des Reservefondslässi sich also im
Verhältnis der Beklagten zur Klägerin nicht aufrecht erhalten. Mit
dieser Unterscheidung fällt aber auch derv klägerische Eventualantrag
auf Übergabe des unfreiwillig angelegten Teils des Reservefonds dahin.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Handelsgerichts des
Kantons Aargau vom 21. Dezember 1905 bestätigt.IV. Ohligationenrecht. N°
20. 131

20. gum; vom 31. Yum 1906 in Sachen godute-muffe HW), Bekl. u. Ber.-Kl.,
gegen gmx, Kl. n. Ber.-Bekl.

figentumsvarbehali. Gültigkeit nach OR. Schicksal bei Pfändung der met
dem _Eigelnéetssmsvo-rbekalt versehenen Objekte durch den Gläubegîîund
Eigentümer: Verzicht auf den Eigeniumsumssbekalt. spezze . gegend er
dee Konkursmasse des P einein-n ssch ld * 206 50%. f gr a news. A1 13.

. A. Durch Urteil vom 29. November 1905 hat der Appellations: und
Kassationshof des Kantons Bern (I. Abteilung) über die Rechtsbegehren :

1. Es sei zu erkennen, der Kläger sei Eigentümer von sieben Stück
Viehware, nämlich 5 Rinder und 2 Kühen, welche zur Konkursmasse des
Christian Kläy gezogen worden sind;

L. EB seien diese 7 Stück Vieh aus der Konkursmasse zu entlassen und
dem Kläger herauszugeben;

Eventnell: es sei dem Kläger der Erlös, welcher aus dem Verfan dieser
7 Stück Vieh erzielt worden ist, herauszugeben

erkannt: '

Dem Kläger ist sein eventuelles Rechtsbegehren in dem Sinne zugesprochen,
dass die Beklagte verurteilt wird, ihm den Erlös von 6 Stück Vieh im
Betrage von 2610 Fr. 95 Cis. herauszugeben.

,B. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte rechtzeitig und in richtiger
Form die Berufung an das Bundesgericht eingelegt, mit dem Antrage: Es
sei in Abänderung des erstund oberinstanzlichen Urteiles die Klage des
Michael Weil abzuweisen.

C. Der Kläger hat auf Bestätigung des angefochten-en Urteils angetragen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Der Kläger, Viehund Pferdehändler Michael Weil, verkaufte am
30. Oktober 1903 dem Landwirt Christian KlänRüfenacht sieben Stück
Vieh (fünf Rinder und zwei Kühe) zum Preise von 5000 Fr. Die von den
Vertragsparteien über das Rechtsgeschäft aufgenommene, vom Käufer
ausgestellte, vom 30. Oktober 1908 datierte Urkunde lautet: Der
Unterzeichnete

132 A. Entscheidungen des Bundesgerichis als oberster Zivilgerichtsmstanz.

. . . . bekennt hiemit, dem Michel Weil . . . . zufolge eines heute
abgeschlossenen Viehhandels den Betrag von 5000 Fr. schuldig geworden
zu sein mit der Verpflichtung, diese Summe von heute an zu 4 (__/0 zu
verzinsen und abzubezahlen (in) fünf Terminen, alle Jahr von heute an
1000 Fr., erstes den 1. November 1904. Der Unter-zeichnete erklärt ferner,
dass bezüglich des Kaufsobjektes 7 Stück Vieh (folgt Beschreibung) für den
Verkäufer M. Weil der Vorbehalt des Eigentums bis zur Zahlung des hievor
angesetzten Kauspreises nebst Zins gemacht worden ist Folgt Datum und
Unterschrift; Darunter: Von obigem Eigentumsrecht Notiz genommen zu haben,
bescheinigt sig. Christ. Kläy-Rüfenacht; ferner: Sollte ein Termin nicht
pünktlich einbezahlt werden, so ist völliges Kapital sofort fällig. Da
der Käuser mit der Zahlung der ersten Kaufpreisrate in Verzug blieb,
erhob der Kläger gegen ihn am Li./25. November 1904 Betreibung für die
ganze Kanfpreisforderung von 5000 Fr. samt 4 0/0 Zins seit 30. Oktober
1903. Der Schuldner erhob keinen Rechtsvorschlag. Am 11. Januar 1905 wurde
auf Begehren des Klägers die Pfändung vorgenommen und es wurden dabei die
sieben dem Schuldner vom Kläger verkauften Stück Vieh in die Pfändung
einbezogen und in die Pfändungsurkunde aufgenommen Am 11. Februar 1905
stellte der Kläger das Verwertungsbegehren. Der Schuldner erklärte sich
jedoch am 27. Februar 1905 vor dem Gerichtspräsidenten zahlungsunfähig und
es wurde infolgedessen an diesem Tage über ihn der Konkurs eröffnet. Jn
diesem Konkurse machte der Kläger unter dem 17. März 1905 folgende
Eingabe: Dem Konkursamt Konolfingen wird hiemit zur Kenntnis gebracht,
dass ider An precher ©. Weil dem Gemeinschuldner Kläy-Rüfenacht am 30.
Oktober 1903 sieben Stück Viehware, nämlich 5 Rinder und je 2 je 5
Jahre alte Kühe verkauft und bis zur Bezahlung des Kaufpreises samt
Zins und Folgen Jnach Art. 264
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 264 - 1 Gibt der Mieter die Sache zurück, ohne Kündigungsfrist oder -termin einzuhalten, so ist er von seinen Verpflichtungen gegenüber dem Vermieter nur befreit, wenn er einen für den Vermieter zumutbaren neuen Mieter vorschlägt; dieser muss zahlungsfähig und bereit sein, den Mietvertrag zu den gleichen Bedingungen zu übernehmen.
1    Gibt der Mieter die Sache zurück, ohne Kündigungsfrist oder -termin einzuhalten, so ist er von seinen Verpflichtungen gegenüber dem Vermieter nur befreit, wenn er einen für den Vermieter zumutbaren neuen Mieter vorschlägt; dieser muss zahlungsfähig und bereit sein, den Mietvertrag zu den gleichen Bedingungen zu übernehmen.
2    Andernfalls muss er den Mietzins bis zu dem Zeitpunkt leisten, in dem das Mietverhältnis gemäss Vertrag oder Gesetz endet oder beendet werden kann.
3    Der Vermieter muss sich anrechnen lassen, was er:
a  an Auslagen erspart und
b  durch anderweitige Verwendung der Sache gewinnt oder absichtlich zu gewinnen unterlassen hat.
OR das Eigentumsrecht auf den verkauften
Gegenständen vorbehalten bat. Herr Weil hat noch den vollen Kaufpreis von
5000 Fr den Zins davon zu 40/0 seit 30. Oktober 1903, sowie die für den
Schuldner vorgeschossene Stempelgebühr des Kaufvertrages mit 5 Fr. und
die ergangenen Betreibungskosten mit 6 Fr. zu fordern. Er verlangt von
der Konkursmasse hiermit dieIV. Obligalionenrecht. N° %. 133

Herausgabe der betreffenden Viehware und übernimmt dieselbe zum dermaligen
Werte. Dieser Wert ist am Kaufpreise, Zins und Kosten abzurechnen und
der Rest der Forderung wird hiermit im Konkurse als Aussprache in Klasse
V geltend gemacht. Der Ansprecher und Vindikant ist einverstanden,
dass zur Fest;zstellung des dermaligen ihm anzurechnenden Wertes der
Viehmare diese letztere zu öffentlicher Steigerung gebracht und ihm nad;
Abrechnung der Kosten vom Konkursamt der Erlös abgeliefert wird." In der
ersten Gläubigerversammlung wurde im ausdrücklichen Einverständnisse
des Klägers beschlossen, das fragliche Vieh ohne Präjudiz betreffend
den Eigentumsvorbehalt sofort zu versteigern; es wurde dann im ganzen
ein Erlös von 2610 Fr. 95 Ets. erzielt; der Kläger selber ersteigerte
bei der Steigerung vom 31. März zwei der Kühe. Die Konkursmasse bestritt
in der Folge den Eigentumsanspruch des Klägers, und dieser erhob gemäss
Art. 242
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 242 - 1 Die Konkursverwaltung trifft eine Verfügung über die Herausgabe von Sachen, welche von einem Dritten beansprucht werden.
1    Die Konkursverwaltung trifft eine Verfügung über die Herausgabe von Sachen, welche von einem Dritten beansprucht werden.
2    Hält die Konkursverwaltung den Anspruch für unbegründet, so setzt sie dem Dritten eine Frist von 20 Tagen, innert der er beim Richter am Konkursort Klage einreichen kann. Hält er diese Frist nicht ein, so ist der Anspruch verwirkt.
3    Beansprucht die Masse bewegliche Sachen, die sich im Gewahrsam oder Mitgewahrsam eines Dritten befinden, oder Grundstücke, die im Grundbuch auf den Namen eines Dritten eingetragen sind, als Eigentum des Schuldners, so muss sie gegen den Dritten klagen.
SchKG die vorliegende Klage, in der er ursprünglich die aus
Fakt A ersichtlichen Rechtsbegehren stellte, während heute nur noch das
von der Vorinstanz gutgeheissene eventuelle Rechts-begehren streitig ist.

2. Vor den kantonalen Jnstanzen hat die Beklagte der Klagedrei
Einwendungen entgegengehaltent Erstens handle es sich bei dem Vorbehalt
in der Schuldanerkennung vom 30. Oktober 1903 nicht um einen Eigentums-,
sondern um einen Rücktrittsvorbehalt im Sinne des Art. 264
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 264 - 1 Gibt der Mieter die Sache zurück, ohne Kündigungsfrist oder -termin einzuhalten, so ist er von seinen Verpflichtungen gegenüber dem Vermieter nur befreit, wenn er einen für den Vermieter zumutbaren neuen Mieter vorschlägt; dieser muss zahlungsfähig und bereit sein, den Mietvertrag zu den gleichen Bedingungen zu übernehmen.
1    Gibt der Mieter die Sache zurück, ohne Kündigungsfrist oder -termin einzuhalten, so ist er von seinen Verpflichtungen gegenüber dem Vermieter nur befreit, wenn er einen für den Vermieter zumutbaren neuen Mieter vorschlägt; dieser muss zahlungsfähig und bereit sein, den Mietvertrag zu den gleichen Bedingungen zu übernehmen.
2    Andernfalls muss er den Mietzins bis zu dem Zeitpunkt leisten, in dem das Mietverhältnis gemäss Vertrag oder Gesetz endet oder beendet werden kann.
3    Der Vermieter muss sich anrechnen lassen, was er:
a  an Auslagen erspart und
b  durch anderweitige Verwendung der Sache gewinnt oder absichtlich zu gewinnen unterlassen hat.
OR; sodann sei
der Eigentumsvorbehalt, und zwar insbesondere ein solcher, der sich, wie
der hier vorliegende, als lex commissoria darstelle, ungültig; endlich
liege, wenn nicht schon in der Zulassung der Pfändung der verkauften
Viehware durch den Kläger, so doch jedenfalls im Begehren um Verwertung
derselben, ein Verzicht ans das Eigentum. Die Vorinstanz hat alle diese
Einwendungen als unbegründet zurückgewiesen; die erste gestützt auf den
Wortlaut der Schuldanew kennung und die Tatsache-, dass immer, auch an
der Gläubigerversammlung, vom Eigentumsvorbehalt des Klägers gesprochen
worden sei; die zweite mit dem Hinweis auf die bundesgerichtliche Praxis
betreffend die Zulässigkeit des Eigentumsvorbehaltes. Über die dritte
Einwendung endlich führt die Vorinstanz aus: Darin, dass der Kläger gegen
die Einbeziehung des fraglichen Viehes in die Pfändung keinen Einspruch
erhoben habe, könne

134 A.. Entscheidungen des Bundesgerichts als oberster
Zivilgerichtsinstana

ein Verzicht auf fein Eigentum nicht erblickt werden; er sei nur
berechtigt, nicht aber auch verpflichtet gewesen, im Falle der
Nichtbezahlung seiner Kaufpreisforderung sein Eigentum zurückzunehmen;
vielmehr habe ihm freigeftanden, im Pfändungsverfahren auch die
Verwertung der in seinem Eigentum verbliebenen Kühe zu verlangen, ohne
damit sein Eigentumsrecht preiszugeben Zudein hätte seine Unterlassung
der Erhebung eines Eigentumsanspruches im Betreibungsverfahren selbst
wenn man sie grundsätzlich als Verzicht auf das Eigentumsrecht auslegen
wollte auf alle Fälle diese Folge doch nur für das Betreibungsverfahren
haben können, nicht auch für das darauf folgende Konkursverfahren, mit
dessen Eröffnung die pendenten Pfändungen samt und sonder-s dahinfielen
(am. 206 SchKG). Vor Bundesgericht nimmt die Beklagte alle diese
Einwendungen wieder auf.

3. (Abweisung der ersten Einwendung.)

4. Das Schwergewicht ihrer Berufungsbegründung scheint die Beklagte auf
den Standpunkt zu legen, dass der Eigentumsvorbehalt, entgegen der Praxis
des Bundesgerichts, nach schweigerischem Obligationenrecht unzulässig
und ungültig sei; sie verweist hiefür namentlich auf Stückelberg,
Der Eigentumsvorbehalt beim Verkauf, in ZSchwR, N. F. 17 S. 322 ff.,
und hat vor den kantonalen Jnftanzen auch Jager, Komm. z. SchKG, Art.
212 Rote 5 und 9 (S. 378) angerufen. Nun ist ja zuzugeben, dass
die den Eigentumsvorbehalt zulassende Praxis des Bundesgerichtes
mit Unzukömmlichkeiten verknüpft ist (die namentlich von Jäger
a. a. O. hervorgehoben werden) und dass insbesondere Stückelberg sehr
beachtenswerte Argumente gegen diese Praxis vorgebracht hat. Allein das
Bundesgericht kann im höheren Jn' teresse der Einheit und Stetigkeit
der Rechtsprechung heute nicht von einer Praxis, die es im Jahre 1888
inanguriert und seither in 18jähriger Rechtsprechung stets festgehalten
hat, abkommenz der Eigentumsvorbehalt hat sich infolge der Rechtfprechung
des Bundesgerichtes im schweizerischen Kreditverkehr eingelebt, und
die Nachteile einer plötzlichen Änderung der Praxis würden die Vorteile
einer solchen bei dieser Sachlage überwiegen. In diesem Zusammenhang ist
noch der Standpunkt der Beklagten zurückzuweisen, der darin besteht, es
handle sich beim fraglichen Vorbehalt umIV. Ohligationenrecht. N° 20. 135

eine Veuvirkungsklausel, und eine solche sei unter allen Umständen
ungültig: für diese Auffassung spricht gar nichts in der fraglichen
Klausel. .

5. Es bleibt somit noch der dritte Standpunkt der Beklagten zu prüfen,
mit dem sie geltend macht, der Kläger habe auf sein

EEigentum an den fraglichen Stücken Vieh dadurch verzichtet, dass

er für die Kaufpreisforderung Betreibung eingeleitet habe, das Vieh habe
pfänden lassen und sogar das Begehren auf Verwertung des gepfändeten
Viehes gestellt habe; dass er ferner in der Konkurseingabe auch das
Forderungsrecht aus dem KaufIvertrage geltend gemacht, endlich an der
Steigerung zwei der Kühe ersieigert habe. Die hiemit aufgeworfene und zum
Entscheid gestellte Frage lässt sich dahin formulieren: Jst darin, dass
ein Gläubiger-, der bewegliche Sachen unter Eigentumsvorbehalt verkauft
hat, für den Kaufpreis Betreibung anhebt und in dieser Betreibung die
Sachen, an denen der Eigentumsvorbehalt besteht, Opfänden lässt und
deren Verwertung begehrt, ein Verzicht auf den Eigeiitumsvorbehalt
zu erblicken, und eventuell inwieweit ? Über diese Frage ist zu
bemerken: Vorerst bedeutet jedenfalls die Anshebung der Betreibung
für die Kaufpreisforderung noch keinen Verzicht auf das Eigentum an
den Verkausten Gegenständen; denn durch die Betreibung versucht der
Gläubiger (Verkäufer) ;lediglich, Bezahlung des Kaufpreises zu erlangen,
was ihm gewiss freisteht, und sowenig aus der Tatsache des Begehrens
der Zahlung ein Verzicht auf das Eigentum hergeleitet werden kann, so
wenig kann ein Verzicht liegen in der Anhebung der Betret{mug für den
Kaufpreis Etwas anders wird die Sachlage schon mit der widerspruchslosen
Zulassung der Pfäudung der Gegenstände, an denen der betreibende
Gläubiger Eigentum behauptet: da die Pfändung, ihrem Begriff nach, ein
Beschlagsrecht an Sachen des Schuldners bewirken soll, aus deren Erlös
der Pfändungsgläubiger vorab zu befriedigen ist, so scheint es dem Wesen
der Pfändung zu widersprechen, dass der betreibende Gläubiger diejenigen
Gegenstände, an denen er Eigentum behauptet, mit Pfändung und somit mit
dem der Pfändung eigenen Beschlagsrecht belegen lässt. Es kann denn auch
im vorliegenden Falle nicht etwa eingewendet werden, und wird übrigens
vom Kläger auch gar nicht behauptet -, dass ihm die Pfändung der Vieh-

136 A. Entscheidungen des Bundesgerichts als oberster
Zivilgerichtsinstanz.

ware, an der er heute sein Eigentum geltend macht, unbekannt gewesen
sei: in der Pfändungsurkunde waren die Stücke Vieh derart bezeichnet,
dass der Kläger sofort ersehen musste, dass es sich um die von ihm unter
Eigentumsvorbehait verkauften Sachen handelte. Und wenn nun der Klager,
in Kenntnis dieses Umstandes, dann noch die Verwertung dieser Sachen
verlangt hat,: so ist hierin notwendigerweise ein Verzicht auf sein
Eigentum zu erblicken; denn es widerstreitet dem Wesen des Eigentums
und dem Zwecke des Eigentumsvorbehaltes, dass der Gläubiger, deran
einer Sache Eigentum zu haben behauptet, diese Sache auf dem Wege der
Zwangsvollstreckung versteigern lässt um sich aus

dem Erlös befriedigt zu machen; ein solches Recht gibt ihm sein;

Eigentumsrecht nicht, vielmehr folgt es aus seinem Forderungsrechi,
und in der Nichtgeltendmachung des Eigentums an den betreffenden Sachen
und dem Begehren um betreibungsrechtliche Verwertung derselben muss
ein Verzichtan das Eigentum erblickt werden. (Vergl. auch Stückelberg,
a. a. O. S. 357 unten: (also) kann von vornherein keine Rede davon
sein, dass der Verkäuser, wie dies hie und da versucht wird, den
Käuser auf Pfandvollstreckung, nämlich aus Zwangsverwertung der mit
Eigentumsvorbehalt verkauften Sache, betreibt.) Dagegen ist damit die
aufgeworfene Frage noch nicht vollständig entschieden; es fragtsich
vielmehr weiter noch, wie weit dieser Verzicht reicht, ob erinsbesondere
auch dann, wenn an Stelle des Pfändungsschuldners die Konkursmasse
tritt (wie hier), dem Gläubiger von der Konkursmasse entgegengehalten
werden könne. In dieser Hinsicht ist zunächst vorauszuschicken,
dass der Kiäger in seiner Konkurseingabe selber nicht etwa auf den
Eigentumsvorbehalt verzichtet hat; das Gegenteil geht aus der Eingabe
mit alter Deutlichkeit hervor. Die Frage ist vielmehr die, ob der im
Verwertungsbegehren liegende Verzicht nach Dahinfallen der betreffenden
Betreibung (Art. 206
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 206 - 1 Alle gegen den Schuldner hängigen Betreibungen sind aufgehoben, und neue Betreibungen für Forderungen, die vor der Konkurseröffnung entstanden sind, können während des Konkursverfahrens nicht eingeleitet werden. Ausgenommen sind Betreibungen auf Verwertung von Pfändern, die von Dritten bestellt worden sind.
1    Alle gegen den Schuldner hängigen Betreibungen sind aufgehoben, und neue Betreibungen für Forderungen, die vor der Konkurseröffnung entstanden sind, können während des Konkursverfahrens nicht eingeleitet werden. Ausgenommen sind Betreibungen auf Verwertung von Pfändern, die von Dritten bestellt worden sind.
2    Betreibungen für Forderungen, die nach der Konkurseröffnung entstanden sind, werden während des Konkursverfahrens durch Pfändung oder Pfandverwertung fortgesetzt.
3    Während des Konkursverfahrens kann der Schuldner keine weitere Konkurseröffnung wegen Zahlungsunfähigkeit beantragen (Art. 191).
SchKG) auch der Konkursmasse gegenüber fortdauera
Für den Fall, dass ein Dritter Ansprecher an gepsändeten Gegenständen ist
und er die Widerspruchsklage nicht innert Frist erhebt,. woraus gemäss
am. 107 Abs. 3 SchKG Verzicht aus den Anspruch gefolgert wird, und nun
der Pfändungsschuldner vor derVerwertung in Konkurs gerät, besteht über
die Frage, ob alsdann der Verzicht auch gegenüber der Konkursmasse gilt,
oder obIV. Obligationenrecht. N° 20. 137

ihr gegenüber der Drittanspruch wieder geltend gemacht werden fann,
eine Kontroverse; vergl. Archiv für Sch. u. K. V 60 S. 153 ff., und
dazu Jäger, Kamm. Art. 107 Arun. 15 S. 192 s. und Anm. 5 zu Art. 199
S. 342. Als richtig erscheint die Ansicht (vergl. Brüstlein a· a. O. und
Jager), dass derVerzicht auch der Konkursmasse gegenüber gelte. Es handelt
sichbei dem in Frage stehenden Verzicht nicht nur um einen Verzicht auf
die Geltendmachung des Eigentums für eine bestimmte Vetreibnng, sondern
um einen Verzicht auf das Eigentum selbst, also aus das dingliche Recht an
der Sache gegenüber allen Dritten, nach aussen, unbeschränkt; ein solcher
Verzicht kann nicht wieder ans-leben dadurch, dass die Betreibung, in
der er ausgesprochen ist, infolge Konkurses über den Pfändungsschuldner
erlischt. Es geht nicht an, dass der Gläubiger einerseits so vorgehe,
ais ob er an einem Vermögensstiicke des Schuldners ein Pfandrecht oder
ein diesem in seinen Wirkungen gleichkommendes Beschlagsrecht erworben
hatte, und anderseits nachträglich wieder dieses gleiche Vermögensstück
als sein Eigentum behandelt. (Vergl. AS d. bg. E. 20 S. 540 s. Erw. 7
über den Unterschied von Pfandrecht und Eigentumsvorbehalt.) Einzig
diese Lösung beugt denn auch Ungesunden Spekulationen des Gläubigers,
wie sie hier im Vorgehen des Klägers liegen, vor, und vermag die Härten
und Unzukömmlichkeiten, welche dem durch die bundesgerichtliche Praxis
nun einmal anerkannten Eigentumsvorbehalt anhaften, einigermassen zu
mildern. Aus diesem Gesichtspunkte ist daher die Klage abzuweisen, in
Gutheissung der Berufung der Beklagten. Demnach hat das Bundesgericht
erkannt:

Die Berufung wird begründet erklärt und damit, in Aufhebung des Urteils
des Appellationsund Kassationshofes des Kantons Bern vom 29. November
1905, die Klage abgewiesen.

Vergl. auch Nr. 24.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 32 II 131
Datum : 31. Januar 1906
Publiziert : 31. Dezember 1907
Quelle : Bundesgericht
Status : 32 II 131
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 130 A. Entscheidungen des Bundesgerichts als oberster Zivilgerichtsinstanz. Jst


Gesetzesregister
OR: 264
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 264 - 1 Gibt der Mieter die Sache zurück, ohne Kündigungsfrist oder -termin einzuhalten, so ist er von seinen Verpflichtungen gegenüber dem Vermieter nur befreit, wenn er einen für den Vermieter zumutbaren neuen Mieter vorschlägt; dieser muss zahlungsfähig und bereit sein, den Mietvertrag zu den gleichen Bedingungen zu übernehmen.
1    Gibt der Mieter die Sache zurück, ohne Kündigungsfrist oder -termin einzuhalten, so ist er von seinen Verpflichtungen gegenüber dem Vermieter nur befreit, wenn er einen für den Vermieter zumutbaren neuen Mieter vorschlägt; dieser muss zahlungsfähig und bereit sein, den Mietvertrag zu den gleichen Bedingungen zu übernehmen.
2    Andernfalls muss er den Mietzins bis zu dem Zeitpunkt leisten, in dem das Mietverhältnis gemäss Vertrag oder Gesetz endet oder beendet werden kann.
3    Der Vermieter muss sich anrechnen lassen, was er:
a  an Auslagen erspart und
b  durch anderweitige Verwendung der Sache gewinnt oder absichtlich zu gewinnen unterlassen hat.
SchKG: 206 
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 206 - 1 Alle gegen den Schuldner hängigen Betreibungen sind aufgehoben, und neue Betreibungen für Forderungen, die vor der Konkurseröffnung entstanden sind, können während des Konkursverfahrens nicht eingeleitet werden. Ausgenommen sind Betreibungen auf Verwertung von Pfändern, die von Dritten bestellt worden sind.
1    Alle gegen den Schuldner hängigen Betreibungen sind aufgehoben, und neue Betreibungen für Forderungen, die vor der Konkurseröffnung entstanden sind, können während des Konkursverfahrens nicht eingeleitet werden. Ausgenommen sind Betreibungen auf Verwertung von Pfändern, die von Dritten bestellt worden sind.
2    Betreibungen für Forderungen, die nach der Konkurseröffnung entstanden sind, werden während des Konkursverfahrens durch Pfändung oder Pfandverwertung fortgesetzt.
3    Während des Konkursverfahrens kann der Schuldner keine weitere Konkurseröffnung wegen Zahlungsunfähigkeit beantragen (Art. 191).
242
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 242 - 1 Die Konkursverwaltung trifft eine Verfügung über die Herausgabe von Sachen, welche von einem Dritten beansprucht werden.
1    Die Konkursverwaltung trifft eine Verfügung über die Herausgabe von Sachen, welche von einem Dritten beansprucht werden.
2    Hält die Konkursverwaltung den Anspruch für unbegründet, so setzt sie dem Dritten eine Frist von 20 Tagen, innert der er beim Richter am Konkursort Klage einreichen kann. Hält er diese Frist nicht ein, so ist der Anspruch verwirkt.
3    Beansprucht die Masse bewegliche Sachen, die sich im Gewahrsam oder Mitgewahrsam eines Dritten befinden, oder Grundstücke, die im Grundbuch auf den Namen eines Dritten eingetragen sind, als Eigentum des Schuldners, so muss sie gegen den Dritten klagen.
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
eigentum • eigentumsvorbehalt • bundesgericht • vieh • beklagter • konkursmasse • weiler • schuldner • frage • kaufpreis • zins • reservefonds • einwendung • rechtsbegehren • wert • vorinstanz • kenntnis • verwertungsbegehren • richtigkeit • kassationshof
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