304 A. Staatsrechtîiche Entscheidungen. [I. Abschnitt. Bumlcsgesetze.

hältnismässigen Teil ihrer nicht grundversicherten Schulden auf die
Liegenschaften, für die sie steuerpflichtig sind, zu verlegen, und einen
entsprechenden Schuldenabzng zu machen. Ihr Verhältnis zur kantonalen
Steuerhoheit weist vielmehr eine gewisse Analogie zu demjenigen eines
auswärts wohnenden Liegenschaftsbesitzers auf, und da nun beim letztern
bei Besteuerung seines kantonalen Grundstückes laufende Schulden gar nicht
und Hypotheken nurunter bestimmten Erfordernissen und Beschränkungen
berücksichtigt werden, so ergibt sich, dass nach richtiger Auslegung
des Gesetzesdie Bandes-bahnen bei ihren nicht sieuerfreien Immobilien
überhaupt keinen Abzug für ihre (nicht gruudversicherten) Schulden in
Anspruch nehmen können.

4. Aus dem gesagten folgt, dass die Rechtsbegehren der Bundesbahnen weder
nach dem Rückkaufs-, noch nach dem kantonalen Steuerrecht begründet
sind. Die Frage, ob und in welchem Umfang nach dem einen oder andern
Recht bei der Besteuerung Von nicht steuerfreien Grundstücken der
Bundesbahnen ein Abzug für darauf hastende Hypothekarschulden gestattet
wäre, war nicht zu erörtern. Es ist von den Bandes-bahnen nicht geltend
gemacht worden, dass aus den fraglichen Liegenschaften Hypotheken lasten.
(Jn der Rekursschrift ist nur nebenhin bemerkt, dass eventuell die noch
zu Recht bestehenden Hypothekar-Schuldverschreibungen der verstaatlichten
Privatbahnen in Anrechnung gebracht werden müssten; aber dass solche
Schuldverschreibungen speziell auf den in Frage stehenden Liegenschaften
haften, wird nicht behauptet.)s Der Regierungsrat hat allerdings anerkannt
ob vom Standpunkt des eidgenössischen oder kantonalen oder beider Rechte
aus, wird nicht gesagt , dass bei den fraglichen Liegenschasten imKanton
St. Gallen Hypotheken, wenn solche bestanden, voll in Abng gebracht
werden müssten.

Demnach hat das Bundesgericht e r k a n nt :

Die Rechtsbegehren der Schweizerischen Bundesbahnen werden
abgewiesen.Eingriffe in garantierte Rechte. N' 45. 805

Dritter Abschnitt. Troisième section.

Kantonsverfassungen.

Constitutions cantonales.Bing-riffa in garantierte Rechte. Atteintes
portées à des droits garantie.

4.5. guten vom 17. 31m 1906 in Sachen Hautonaler Holothumischer Handelsund
Industrie-Verein gegen Regierungsrat Yosothurn.

Legitimation zum staatsreciatliclmt Helan ae. Arri. 178 Ziff. 2 OG. -Art.
62 Abs. 2 Soloth. K V. Begriff des reinen Einkommens . Ver-- stösst das
soloth. Gesetz betr. die direkte Staatssteuer, vom 1 ?. Mc's-rz 1895,
speziell sei-essen gs, gegen die Verfassung? (Nicktabzec-g der Steuer %
bei Bemessung des reinenEinkommem.)

A. Die Firmen, für die der Solothurnische Handelsund Jndustrieverein
beschwerdeführend auftritt, hatten gegen die Tarationen der
Bezirkssteuerkommissionen für die Staatssteuer pro 1905 beim Regierungsrat
des Kantons Solothurn folgende Beschwerde erhoben: "Nach § 5 des Gesetzes
betreffend die direkte Staatssteuer vom 17. März 1895 können vom Einkommen
eines Steuerpflichtigen die Unkosten seines Geschäftsbetriebes in Abzug
gebracht werden. Zu diesen Unkosten rechnen die Rebekrenten auch die an
den Staat und die Gemeinden zu zahlenden Stenern, und sie haben dieselben
bei der diesjährigen, wie bei aîîen frühem Steuerselbsttaxationen vom
Ertrag ihrer Betriebe

306 A. Staatsrechtliche
Entscheidungen. lll. Abschnitt. Kantonsverfassungen

abgezogen. Die Abzüge sind bisher von den genannten
BezirksiSteuerkommiffionen immer akzeptiert worden; in diesem Jahrejedoch
wurden sie von denselben gestrichen. Die Rekurrenten halten dieses
Vorgehen der Bezirkssteuerkommissionen als dein Sinne des § 5 des
Staatssieuergesetzes zuwiderlausend und stellen das Begehren, es sei das
Vorgehen der Bezirkssteuerkommissionen als ungesetzlich aufzuheben. §
5 des solothurnischen Gesetzes betreffend die direkte Staatsfteuer vom
17. März 1895 lautet: Als Einkommen wird angesehen der geldwerte Ertrag
des Vermögens, der Unternehmung und der Lohnarbeit, nach Abwehnung
der Geschäftsunkosten, worunter auch die Zinse schuldiger Kapitalien,
jedoch nicht Haushaltungskoften und persönliche Aus .,lagen verstanden
find. Nach § 13 der Vollziehungsverordnung zu diesem Gesetze werden als
Geschäftsnnkosten angesehen "alle die für die Gewinnung eines Einkommens
nötigen Unkostenals: die Beschaffungskosten für Rohmaterialien,
die Löhnungen der Arbeiter und Angestellten, die Abzüge nach § 14
der Verordnung, die Aus-lagen für den Unterhalt der Gebäude und der
Betriebseinrichtungen die auf letzteren vollzogenen Abschreibungen,
soweit sie der tatsächlichen Entwertung entsprechen, Patentgebührren
ze. Sodann sind des fernem in Abzug zu bringen; "Yacht: und Mietzinse
für Objekte des Geschäftsbetriebes, Schulben: und Schleisszinfe.
Der Regierungsrat wies den Rekurs durch Entscheid vom 6. Februar 1906
mit folgender wesentlicher Begründung ab: Der Unkostenbegrisf nach
der kantonalen Gesetzgebung umfasse nur solche Ausgaben, die mit der
Gewinnung des Einkommens in unmittelbaren": Zusammenhange stünden,
die durch einen Aufwand bedingt seien, den das betreffende Geschäft
mit Notwendigkeit ersordere; hier gehörten die direkten Vermögensund
Einkommenssteuern, die Beiträge des Steuerpflichtigen zur Bestreitung
der öffentlichen Bedürfnisse seien, nicht. Der Kanten Solothurn bestenere
jedes Einkommen gleich, ohneRücksichtnahme auf seinen Ursprung. Dem Zweck
und Wesen der solothurnischen direkten Steuern sei es daher zuwider, das
massgebende Gesamteinkommen in Posten zu zerlegen, bei deren Gewinnung
Vermögensfaktoren mitgewirkt hätten, und in solche, bei denen dies nicht
der Fall fei, die Steuerbeträge dementsprechendEingriffe in garantierte
Rechte. N° 45. 307

zu repartieren und abzurechnen. Der Abzug der direkten StaatsUnd
Gemeindesteuern werde von der Grosszahl der Stenerpflichtigen auch
gar nicht einmal beansprucht Die kaufmännischen Betriebsrechnungen,
nach denen allerdings die Steuern bei den Unkosten gebucht würden,
seien für die Steuererhebung, die sich nach dem Gesetz zu richten habe,
nicht massgebend; fo seien z. B. auch Abschreibungen steuerrechtlich nur
zulässig, soweit sie der Abnutzung und dem Minder-wert der betreffenden
Objekte entsprächen.

B. Gegen den Entscheid des Regierungsrates hat der Soloihurnische
Handelsund Jndustrieverein mit Vollmacht der Rekurrenten den
staatsrechtlichen Rekurs ans Bundesgericht mit dem Antrag auf Aufhebung
ergriffen. Als Beschwerdegruud wird geitend gemacht eine Verletzung
des Art. 62 Abs. 2 KV, welche Bestimmung sich unter dem Abschnitt
Volkswirtschaft in der KV findet und an Absatz 1 Bestimmungen über
direkte Besteuerung und indirekte Abgaben sind Sache der Gesetzgebung
anknüpfend lautet: Eine direkte Steuer kann nur auf das reine Vermögen
(nach Abzug aller Schulden) und auf das reine Einkommen veriegt
werden In der Rekursbegründung wird ausgeführt: Für die Feststellung
des kantonalen Unkostenbegrisses sei zwar die kantonale Gesetzgebung
massgebend; doch sei ihr in Ari. 62 Abs. 2 KV eine Schranke gesetzt,
die sie nicht überschreiten dürfe. Unter reinem Einkommen verstehe
die Finanzwissenschaft allgemein die Summe derjenigen periodischen
Wertzugauge, welche das Subjekt, das diese Werte bezieht, verbrauchen
könne, ohne dass sich sein Vermögen vermindern- In diesem Sinne müsse
auch die angerufene Bestimmung der KV interpretiert werden. Das Einkommen
einer Person könne aus verschiedenen Quellen fliessen: Arbeit, Vermögen,
Arbeit und Vermögen zusammen (Geschästsunternehmung). Jede dieser Quellen
werfe zunächst einen gewissen Ertrag ab, die zusammen das Einkommen des
Steuerpflichtigen bildeten. Soweit der Ertrag aus Vermögen fliesse,
sei die Quelle durch die Vermögenssteuer vor-belastet und es werde
der Ertrag um die Summe der bezahlten Vermögenssteuer verringert,
und wenn nun der letztere Betrag mitdersteuert werden müsse, so merde,
in Widerspruch mit Art. 62 Abs. 2 KV,

308 A. Staatsrechtliche
Entscheidungen. Ill. Abschnitt. Kantonsversassungen.

das rohe und nicht das reine Einkommen der Einiominenssteuer
unterworfen. Wenn auch das solothurnische Steuerrecht die vom nämlichen
Steuersubjekt zu zahlende Einkommensund Vermögenssteuer zusammenziehe
und gemeinsam der Progression unterwerfe, so dass aus der endlichen
Steuersumme der Anteil des Vermögens und des Einkommens nicht mehr
ersichtlich sei, so sei doch die Zerlegung in die einzelnen Posten und
damit der beanspruchte

Steuerabzug in Bezug auf das Vermögen sehr wohl durchführbar, ss

zumal einfach, zur Ermittlung des reinen Einkommens, von der Summe
aller Reinerträge die Summe aller Vermögenssteuern abgezogen werden
müssten. Schliesslich wird geltend gemacht, dass der von den Rekurrenten
vertretene Standpunkt auch in andern Steuergesetzgebungen, speziell
dem preussischen Einkommeussteuergesetz vom 24. Juni 1891 und in einem
Revisionsentwurf zu demselben anerkannt fei, was des nähern ausgeführt
wird.

C. Der Regierungsrat des Kantons Solothurn hat beantragt, es sei wegen
mangelnder Aktivlegitimation des Handelsund

Jndustrievereins auf den Rekurs nicht einzutreten, eventueil, es sei
derselbe als unbegründet abzuweisen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Nach dem Rubrum der Rekursschrift scheint der Solothurnische Handelsund
Industrie-Verein in eigenem Namen als Rekurspartei aufzutreten, wozu er
selbstverständlich nicht legitimiert wäre, weil der angefochtene Entscheid
des Regierungsrates nicht ihn, sondern ausschliesslich eine Anzahl
von Firmen betrifft. Da aber der Handelsund Industrie-Verein zugleich
Prozessvollmaehten der einzelnen Betroffenen Firmen eingelegt hat, so kann
kein Zweifel fein, dass er in Wahrheit im Namen und Auftrag der letztern
als Rekurrenten handelt, wozu er als (im Handelsregister eingetragene)
juristische Person ohne Frage befugt ist. Trotz jenes formellen Mangels
im Rubrnrn der Rekursschrift ist daher auf den Rekurs einzutreten.

2. In der Vernehmlassung des Regierungsrates ist die Frage aufgeworfen,
ob Art. 62 Abs. 2 KB, dessen angebliche Verletzung einziger Rekursgrund
bildet, überhaupt den Reknrrenten ein verfassungsmässiges Recht im Sinne
des Art. 113
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 113 * - 1 Der Bund erlässt Vorschriften über die berufliche Vorsorge.
1    Der Bund erlässt Vorschriften über die berufliche Vorsorge.
2    Er beachtet dabei folgende Grundsätze:
a  Die berufliche Vorsorge ermöglicht zusammen mit der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise.
b  Die berufliche Vorsorge ist für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer obligatorisch; das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen.
c  Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber versichern ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei einer Vorsorgeeinrichtung; soweit erforderlich, ermöglicht ihnen der Bund, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einer eidgenössischen Vorsorgeeinrichtung zu versichern.
d  Selbstständigerwerbende können sich freiwillig bei einer Vorsorgeeinrichtung versichern.
e  Für bestimmte Gruppen von Selbstständigerwerbenden kann der Bund die berufliche Vorsorge allgemein oder für einzelne Risiken obligatorisch erklären.
3    Die berufliche Vorsorge wird durch die Beiträge der Versicherten finanziert, wobei die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mindestens die Hälfte der Beiträge ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bezahlen.
4    Vorsorgeeinrichtungen müssen den bundesrechtlichen Mindestanforderungen genügen; der Bund kann für die Lösung besonderer Aufgaben gesamtschweizerische Massnahmen vorsehen.
BV und Art. 175
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 113 * - 1 Der Bund erlässt Vorschriften über die berufliche Vorsorge.
1    Der Bund erlässt Vorschriften über die berufliche Vorsorge.
2    Er beachtet dabei folgende Grundsätze:
a  Die berufliche Vorsorge ermöglicht zusammen mit der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise.
b  Die berufliche Vorsorge ist für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer obligatorisch; das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen.
c  Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber versichern ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei einer Vorsorgeeinrichtung; soweit erforderlich, ermöglicht ihnen der Bund, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einer eidgenössischen Vorsorgeeinrichtung zu versichern.
d  Selbstständigerwerbende können sich freiwillig bei einer Vorsorgeeinrichtung versichern.
e  Für bestimmte Gruppen von Selbstständigerwerbenden kann der Bund die berufliche Vorsorge allgemein oder für einzelne Risiken obligatorisch erklären.
3    Die berufliche Vorsorge wird durch die Beiträge der Versicherten finanziert, wobei die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mindestens die Hälfte der Beiträge ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bezahlen.
4    Vorsorgeeinrichtungen müssen den bundesrechtlichen Mindestanforderungen genügen; der Bund kann für die Lösung besonderer Aufgaben gesamtschweizerische Massnahmen vorsehen.
Biff. 3 OG gewähre und demgemäss im Wege
des staatsrecht-Eingriffe in garantierte Rechte. N° 45. 309

îichen Rekurses angerufen werden könne, oder nicht vielmehr
eine blosse, kein subjektives Recht begründende Anweisung an den
Gesetzgeber enthalte. Indessen hat die Praxis den staatsrechtlichen
Rekurs von jeher regelmässig zugelassen, sobald jemand die Verletzung
einer Versassungsbestimmung, auch wenn sich diese als blosse objektive
Rechtsnorm darstellen sollte, begangen durch den Erlass oder die Verfügung
einer kantonalen Behörde, behauptet und nachweist, dass er dadurch
in feinen Interessen gekränkt worden ist (s. z. B. AS d. bg. (E. 22
S. 1011 f.). Doch können nähere Ausführungen hierüber unterbleiben,
da eine Verletzung des Art 62 Abs 2 KV hier jedenfalls nicht vorliegt

3 In der Rekursschrift wird der angefochtene Entscheid in keiner Weise
vom Standpunkt des kantonalen Steuergesetzes aus kritisiert, sondern
einzig aus Art. 62 Abs. 2 KV angefochten und es wird dabei betont, dass
diese Verfassungsbestimmung eine Schranke für den Gesetzgeber bilde. Die
Rekurrenten anerkennen daher offenbar, dass der Regierungsrat in seinem
Entscheid das Gesetz an sich richtig aus-gelegt und angewendet habe;
sie beschweren sich nicht über die unrichtige, verfassungs-widrige
Handhabung des Gesetzes, sondern darüber, dass ein im fraglichen Punkte
verfassungswidriges Gesetz auf sie angewendet worden isf. Muss somit davon
ausgegangen werben, dass der angefochtene Entscheid mit dem Gesetze in
Einklang steht, und ist lediglich zu prüfen, ob das Gesetz, insofern
es bei Feststellung des reinen Einkommens den Abzug der in Bezug auf
das Vermögen bezahlten Steuern nicht gestattet, über die Verfassung
hinausgeht, so kommt in Betracht: Die Verfassung definiert den Begriff
des reinen Einkommens- nicht; sie stellt hiefür auf die Gesetzgebung
E. Und wenn nun die letztere den Begriff in einer Weise fassen sollte,
die vielleicht mit der in der nationalökonomischeu Wissenschaft allgemein
oder überwiegend herrschenden Auffassung nicht übereinstimmt, so hätte sie
damit die Schranken der Verfassung noch nicht überschritten; mangels einer
Definition in der Verfassung wäre ein Widerspruch erst dann anzuerkennen,
wenn das Gesetz Faktoren zu reinem Einkommen zählen wurde, die auch bei
weitestgehender Auffassung schlechterdings nicht darunter gebracht werden
können. Und ein Widerspruch zwischen Verfassung und

AS 32 t 1906 ei

310 A. Staatsrechtliche
Entscheidungen. .... Abschnitt. Kantonsverfassungen.

Gesetz dürfte um so weniger leicht hier angenommen werden, als das Gesetz,
wie die Verfassung, durch Volksabstimmung sanktioniert worden ist, als
somit dasselbe oberste gesetzgeberische Organs des Kantons, das der
Verfassung zugestimmt, auch das Gesetz, als Ausführung der letztern,
angenommen hat. Auch ist daran zu erinnern, dass das Bundesgericht in
zweifelhaften Fragen der

Auslegung der kantonalen Verfassung es stets als Regel befolgt

hat, sich von der Auffassung der höchsten kantonaleu Behörde nicht
ohne Not zu entfernen. Nun kann keine Rede davon sein, dass unter
reinem Einkommen eines Steuerpslichtigen (aus Vermögen und Arbeit)
notwendigerweise das Einkommen nach Abzug der in Bezug auf das
Vermögen bezahlten Steuern zu verstehen sei. Selbst wenn man die
von den Rekurrenten als in der Finanzwissenschast allgemein anerkannt
angerufene Definition des Einkommens vorliegend für massgebend erachten
wollte, wonach Einkommen die Summe derjenigen periodischen Wertzugänge
isf, welche das Subjekt, das diese Werte bezieht, verbrauchen kann,
ohne dass sich sein Vermögen verringert, so würde sich jene Folgerung
daraus noch keineswegs ohne weiteres ergeben, weil zu dem Bei-brauchen
des Einkommens- sehr wohl auch die als .Steuern bezahlten Beiträge des
Pflichtigen an die StaatsundGemeindelasten gerechnet werden können. Es
ist denn auch unverständlich, weshalb die Rekurrenten vom Standpunkt
dieser Definition aus, so wie sie von ihnen verstanden wird, den Abzug nur
der hinsichtlich des Vermögens und dessen Ertrag entrichteten und nicht
auch den Abzug der vom Ertrag der Arbeit bezahlten Steuern verlangen,
da ja der Steurpflichtige den Betrag weder der einen, noch der andern
im Sinne der Rekurrenten verbrauchen- kann. Steuer-rechtlich wird
übrigens das reine Einkommen (speziell der reine Ertrag aus Vermögen)
Vielsach als dasjenige definiert, was dem Steuerpflichtigen nach
Abzug derGewinnnngskosten verbleibt (s. z. B Cheberg, Artikel Steuer
im Haudwörterbuch der Staatswissenschaft); zu den Gewinnungsi kosten,
d. ). den Aufwendungen, die zu machen find, um Einkommen oder Ertrag zu
erzielen, können aber die Steuern doch gewiss kaum gezählt werden. Das
reine Einkommen ist ja Voraussetzung und Grundlage der Steuer, und kann
daher nicht wohiEingriffe in garantierte Rechte. N° 45. si 311

erst durch die letztere bedingt sein. Die Frage, ob bei Berechuun

des steuerpflichtigen Einkommens die bezahlten Steuern ab uLJE rechnen
find, wird denn auch nach verschiedenen Steuersystemzem die samtlich auf
dem Standpunkt der Besteuerung des reinen Einkommens stehen, verschieden
beantwortet. So wird der Abzu

z. V, nach der Praxis des bernischen Steuer-rechts, obgleich
diesegf nur das reine Einkommen der Steuer unterwirst (§ 4 des
Einkommensstetiergesetzes), nicht gestattet, und das Bundesgericlt has
dies (un. Urteil i. S. Knopf vom 20. Mai 1903 *) als eine -tm Hinblick
auf Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV durchaus zulässige Gesetzesauslegung erklärt. Auf ähnlichem
Boden steht die freiburgische Steuerpraxis, die vom Bundesgericht hiebei
gleichfalls geschützt worden tft (Urteil vom 27. Oktober 1904 i. S. der
Banque populau'e suisse *). Unter diesen Umständen kann gewiss nicht
gesagt werden, dass auch bei weitestgehender Auslegung unter reinem
Einkommen- im Sinne des Art. 62 Abs. 2 KV nur das EinsSoxnmen nach
Abzug dessr (in Bezug aus das Vermögen bezahlten) . euern gemeint
sein konne. Vielmehr hat die Verfassung indem ste die Besteuerung
des reinen Einkommens postuliert dies; steuerrechtliche Detailfrage
durchaus ungelöst gelassen, so dass sich das Steneägzesetz durch die
Beantwortung der Frage in dieser oderHitze eise mit der Verfassung gar
nicht in Widerspruch setzen

Demnach hat das Bundesgericht erkannt: Der Rekurs wird abgewiesen*
ln der AS nicht abgedruckt. (Anm. e?. Red. f. Può! )
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 32 I 305
Datum : 17. Januar 1906
Publiziert : 31. Dezember 1907
Quelle : Bundesgericht
Status : 32 I 305
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 304 A. Staatsrechtîiche Entscheidungen. [I. Abschnitt. Bumlcsgesetze. hältnismässigen


Gesetzesregister
BV: 4 
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
113
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 113 * - 1 Der Bund erlässt Vorschriften über die berufliche Vorsorge.
1    Der Bund erlässt Vorschriften über die berufliche Vorsorge.
2    Er beachtet dabei folgende Grundsätze:
a  Die berufliche Vorsorge ermöglicht zusammen mit der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise.
b  Die berufliche Vorsorge ist für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer obligatorisch; das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen.
c  Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber versichern ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei einer Vorsorgeeinrichtung; soweit erforderlich, ermöglicht ihnen der Bund, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einer eidgenössischen Vorsorgeeinrichtung zu versichern.
d  Selbstständigerwerbende können sich freiwillig bei einer Vorsorgeeinrichtung versichern.
e  Für bestimmte Gruppen von Selbstständigerwerbenden kann der Bund die berufliche Vorsorge allgemein oder für einzelne Risiken obligatorisch erklären.
3    Die berufliche Vorsorge wird durch die Beiträge der Versicherten finanziert, wobei die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mindestens die Hälfte der Beiträge ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bezahlen.
4    Vorsorgeeinrichtungen müssen den bundesrechtlichen Mindestanforderungen genügen; der Bund kann für die Lösung besonderer Aufgaben gesamtschweizerische Massnahmen vorsehen.
OG: 175
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
verfassung • regierungsrat • kv • frage • bundesgericht • wert • unkosten • kantonsverfassung • richtigkeit • unternehmung • rechtsbegehren • zahl • weiler • entscheid • grundstück • ausgabe • berechnung • grundpfandverschreibung • einsprache • kosten
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