866 Civilrechtspflege.

110. Anteil vom 2l. Dezember 1905 in Sachen Einwohnergemeinde Yutetàgeri,
KL, gegen Franken ging, Bekl.

Klage eine-· Kot-Familien (Gemeinde) mef Anerkennung von
Privat-eigentum an einem See (dem Aegerisee}, eventuell eines
privates: Ffschereirechtes. Cieilrechtlicke Ste'eétijîeeit. Kompetenz
des Bem-ciesgerichtessi. Art. 48 Ziff. 4 OG. Einrede der mehrere
Sti'eitgfflos- sen. Art. 8 BGP. Herleitung ties Eigentums der K M'pomtion
A eye-ri am Aegerisee aus dem Rechtsverhàètnisse der Mm'kgenossenschafi
tonlege-nd über den See (Minimal). Mode-ne Gnmdsätze übe; das Eigentum an
Sam; PGB van-2119.81; 164, 174 160 {113,2 'ci/mac?; ist de; tagte-eiserein
(îffevztliches Gewässe). Privates Fischereirechi an éffeniiichem
Gewässer. Zuger PGS gg 164, 167. Uebergang der Féschereigerechtigkeit
von der Km'pomtéonsgemwind. mf die Einwohnergemeindr.

A. Die Rechtsbegehren, weiche die Klägerin in ihrer Klageschrist vom 1·
Oktober 1902 und der Beklagte in seiner Antwortschrist vom 6. Februar
1903 gestellt haben, lauten:

I. Rechts-begehren der Klägerin:

1. Beklagtschaft sei pflichtig anzuerkennen, dass der Einwohnergemeinde
Unterägeri zugleich mit der Einwohnergemeinde Oberägeri das Eigentumsrecht
am Ägerisee Und demnach auch dasFischereirecht in demselben, soweit
nicht andere Privatsischenzen zu Recht bestehen, zukomme und dass beide
Gemeinden den See miteinander haben, nutzen und niessen sollen-L

2. Eventuell sei Beklagtschaft pflichtig anzuerkennen, dass der
Einwohnergemeinde Unterägeri mit der Einwohnergemeinde Oberägeri das
Fischereirecht im ganzen Ägerisee --

3 eventuellst soweit die ursprünglichen Korporationsgüter an ' den See
angrenzten als Privatrecht zustehe, soweit nicht andere Privatsischereien
zu Recht bestehen.

ss H, Rechtsbegehren der Beklagten:

1. Der Ägerisee sei als öffentliches Gewässer im Sinne des § 164 des
zug. Privat-Rechts anzuerkennen, und dementsprechend das Recht der
Fischer-ei in demselben gemäss § 1 der Vollziehung-Zverordnung zum BG
Bett. die Fischerei vom 28. Oktober 1891IX. Civilstreitigkeiien zwischen
Kuntz-nen und Privaten, etc. N° 130. 867

als dem Staate zukommend zu erklären soweit nicht wohlerworbene private
FischereiBerechtigungen zu Jiecht bestehen

Der Anspruch der Einwohnergemeinde Unterägeri auf das ihr2 mit der
Gemeinde Oberägeri zustehende private Fis cheteirecht im ganzen See
sowohl, als auch soweit die ursprünglichen Korporationsguter an den See
angrenzten, sei abzuweisen

Die Klägerin hat zur Erläuterung ihres ersten Begehrens an der Spitze
der Klage folgende Erklärung abgegeben:

Die Einwohnergemeinde Untersägeri erklärt den Ägerisee obwohl sie
denselben neben der Gemeinde Qberägeri als Privateigentum beansprucht nach
Massgabe von Verordnungen, für deren Erlass sie sorgen wird, und soweit
die Bedürfnisse es erfordern, der allgemeinen Benutzung preiszugeben,
bestreitet aber, dass dem Kenton Zug betreffend dieses Sees weitergehende
Hoheitsrechte zustehen, als beznglich anderm Privateigentum

B. Der Kantonsrat Zug erliesz am 28 Oktober 1891 in Gesetzes-form
kautonale Vollziehungsbestimmungen zum BG betr. die Fischerei vom
21 Dezember 1888, deren § 1 lautet . Das Recht der Fischerei in den
öffentlichen Gewässern steht wohlerworbene Privatrechte vorbehalten dem
Staate zu. Das Recht zur Ausübung der gewerbsmässigen Fischerei wird
durch Pacht oder Lösung eines Patentes erworben. Der Regierungsrat
ist ermächtigt, unter Vorbehalt der Zustimmung des Kantonsrates
Fischereirechte von Gemeinden, Korporationen und Privaten entweder ans
gütlichem oder aus dem Erpropriationswege zu erwer-sen Als gestützt
hierauf der Regierungsrat im Amtsblatt eine Bekanntmachung erliess, wonach
sur Ausübung des Fischsanges im Ägerisee Patente gelöst werden sollten
erhoben der Einwohnerrat von Oberageri am 31 Oktober 1892 und sodann auch
derL Einwohnerrat von Unterägeri am 2 November 1892 Einsprache unter
Wahrung ihres wohlerworbenen Eigentumsrechtes bezüglich der ;31cheiet
im Ägerisee. In einer gemeinsamen Zuschrist an den Regierungsrat vom
27 September 1894 wahrten die Einwohnerräte beider Gemeinden nochmals
deren Rechte, wobei sie betonten, dass der Ägerisee noch unverteiltes
Gut beider Gemeinden sei. Der Regierungsrat gab diesen Einsprachen und
einem weitern Protest vom 11. April 1898 keine

868 üiviirechtspnege.

Folge. Der Eimvohnerrat der Gemeinde Unterägeri reichte hierauf beim
Bundesgericht gegen den Kanton Zug die vorliegende Klage mit den aus
Fakt. A ersichtlichen Rechts-begehren ein. Die Gemeinde Oberägeri schloss
sich der Klage nicht an, indem der Einwohnerrat sich dahin entschied,
die Durchführung des Rechtsftreites der Gemeinde Unterägeri zu überlassen.

C. Zur Begründung der Klage werden folgende Von dem Beklagten nicht
bestrittene Tatsachen angeführt:

Jm Jahre 960 vergabte Gras Kund von Lenzburg dem Stiste Einsiedeln ein
Gut in Ägeri mit einem ertragreichen Fischereirechte. Demselben Stifte
vergabte Graf Amazo von Lenzburg noch ein anderes Fischereirecht im
Ägerisee. Das Stift Einsiedeln verband diese Fischereirechte mit den
Gütern, welche es im Ägerital besass und verpachtete (Geschichtsfreund
I, S. 110 und 391; XIX, S. 101). Am Sonntag vor St. Laurenztag 1316
versprach Herzog Leopold von Osterreich dem Ritter Heinrich von Stein
als Ehesteuer seiner Tochter dreissig Mark Silber und setzte hiesiir zu
Pfand zn Zuge in dem Ampt achthundert balche viir acht Stoffe geltes,
fünfhundert Röteln vür zehen siukke geltes, und in dem ampi zu Egere
vierhundert Roten für zehen stukke geltes, vierhundert Kettlinge vür
vier schillinge geltes und zwels (Sile vür sechs schillinge geltes .....
(Urkunde im Stadtarchiv Zug.) Im Hofrecht von Ägeri vom Jahre 1407
(Grinnns Weisthümer I, S. 159) heisst es, dass wir (die Talleute) unserm
Herren von Osterrich niit eigen sien und wir sien vogtlüt warent, ee wir
eidgenossen wurden. Wir sind aber eigen des geizhuses Zürich sant Felix
und Sant Regulen und zu urkund, dass wir der heiligen eigen find, so
gebent wir jerlich der aptissin des gotzhuses Zürich dreissig retten und
sond wir damit ze Zürich verzollet han alle die fous die wir in der stat
Zürich koufent.... Auch hat min her von Osterrich sin rechtung hie gehebt;
do wir fin vogtlüt warent. Das stund an vier stuckinen: an Zinshabern und
an Zinspfenningen und an zinsvischenn, an der finn... Die hier erwähnte
Abgabe von 30 Röteln an die Fraumiinsterabtei in Zürich wurde bis in den
Anfang des 19. Jahrhunderts geleistet Im Jahre 1421 verkaufte Ritter von

Grünenderg das dem Ritter von Stein im Jahre 1316 bestellte
_IX. Civilslreiiigkeiten zwischen Kantonen und Privaten, etc. N° 0. 869

Pfandrecht, das durch Erbgang auf ihn übergegangen war, dem Ammann und
Rat der Stadt Zug und den Talleuten zu Ägeri und zwar den ersteren das
Recht bezüglich des Zugersees und den letztern dasjenige bezüglich des
Ägeri-Sees. In der Urkunde (Ztadtarchiv Zug) ist gesagt, dass die Käuser
die genannte Giilt mit aller Zubehör von jetzt an inhaben, nutzen,
besetzen und entsetzen sollen-, zugleich quittiert der Verkaufer über
den Kaufpreis Aus dem Jahre 1431 ist der sogen. Seebrief der Tallente
von Ågeri vorhanden, der Vereinbarungen Über die Benutzung des Sees
enthält. (Das ist der Seebrief welch die Thallüt von ?Igeri) vor Zeiten
mit einander off und angenommen haben. ,Jm Jahr l431) Darin sind die
Fische erwahnt, die jahrlich den Klöstern Einsiedeln und Fraumünster in
Zürich zu leisten sind Wer zuerst die Fischgarn zu den Rotten zeucht zu
Ägerh in dem See, der solle die Talleute trosten, dass er jene Fische
gäbe. Am Schlusse heisst es: Doch haben wir es in allen ob geschriebenen
Sachen vorbehalten, das wir und unser Nachkommen oder der Mehrteil unter
uns sölten und mögent die Egetsachen (wohl: vorher genannte Sachen)
enderen, minbeten oder mehren und unser See. besetzen und entsetzen
als uns dan füglich isf. Als später Streitigkeiten entstanden zwischen
den Leuten der obern Gemeinde und denen zu Wylen (Unterägeri), wurde im
Marchbries des Sods und Bergs von 1575 durch Schiedsspruch bestimmt: dass
wann nun fürhin in künstigen Zeiten einer oder wer von der Obergemeinde
Rinder oder anderes Vieh auf den Sod tun würden, wie sie solches zu tun
Gewalt haben und solches Vieh denen von Wylen auf ihrer Allmend schaden
täten, das dann die von der obern Gemeinde, mann die von Wylen das
begehren werden, ihnen sollen helfen gönnen, soweit der Sod hinausgeht
und jedwede Gemeinde den Hag zur Hälfte machen und so viel dann den
Holzbau bedars dass sy denselben derglhchen den See miteinander haben,
nutzen und niessen sollen. (Urkunde im Archiv zu Qberägeri.) Das Stift
Einsiedeln hatte in den Gemeinden Menzingen und Ägeri mehrere Besitzungen,
welche es gegen bestimmte Abgaben zu Erblehen übergeben hatte, und es
hatte über die Gotteshausleute die Gerichtsbarkeit. Am 13. Januar 1679

sm Civilrechtspflege.

verkaufte das Skift Einsiedeln einer ganzen löblichen Gemeindt Menzingen
undt den gesainbten Gotteshansleuten zue Ägeri dass bis anhin also
genannte Gotteshausgericht mit allem in dein Hosrodel begriffnen und
geübten Rechten sambt bisherd auf die Gotshausieut undt in des Gotshauses
Urbar beschriebene Güter in den löbl. Gemeinden Egeri, Menzingen und Baar
gehabter "Fais und Ehrschatz-Gerechtigkeit, wie solche das Gotshaus bisher
besessen und was diesen Rechten anhenig ist, sambt den Fastnachtshüenern,
der Gotshänser GeldGrundtund Boden-Birne allein vorbehalten und
ausgenommen, zu Der Kaufpreis betrug 8200 Gulden anerwährung, woran die
Gemeinde Menzingen 4200 und die Gotshausleut zu Egeriii 1600 bar bezahlten
und der Rest im November 1679 erlegt wurde. Laut einer Urkunde von 1628
besass Seckelmeister Meier ein Fischereirecht im Tronthath, einem kleinen,
in den Ägerisee einmündenden Bache, und zwar einen Steinwurf weit; dagegen
ist er verpflichtet, die Brücke über den Trombach zu unterhalten Nach der
Urkunde bestand das Fischereirecht von Alters her wegen des Unterhalts
der Brücke. Die Klägerin nimmt an, dass sich das Fischereirecht auch
aus das Seegebiet bei der Einmündung des Trombachs erstreckt habe und
bezeichnet es als unzweifelhaft, dass dieses als Entgeit für den Unterhalt
der Brücke bestehende Fischereirecht von der Talgemeinde verliehen worden
ist. Am 1. August 1733 wurde zwischen der obern und der untern Gemeinde
das Allmendland genannt Sod geteilt und bestimmt, dass der Markbries
von 1575, soweit den Sod betreffend, aufgehoben sei, was aber gemelter
Brief des Sees und Berges in sich begreift, solle er bei seinen Kräften
verbleiben. Aus den Protokollen der Gemeinde Oberägeri ergibt sich, dass
schon in den Jahren 1738, 1750 und später wiederholt von der Gemeinde
Veranstaltungen getroffen wurden, um die Lorze beim Ausfluss aus dem
See etwas abzugraben, zu säubern und Hindernisse des Wasserabflusses zu
beseitigen, ferner um die Strasse um den See zu verbessern. Weiter-hin
ist aus den Protokollen ersichtlich, dass die Fischenz in der Lorze und
den Bächen jeweilen von der Gemeinde verpachtet wurde. Sodann enthält eine
von Josef Jiten, Rats-schreibstunter-zeichnete Urkunde, benannt Projekt,
vom 10. Mai 1776,LX. Civilstreitigkeiien zwischen Kantonen und Privaten,
etc. N° 110. 871

die Anträge enthält, wie das Vermögen der Talgetneinde geäuffnet
werden könnte, den Vorschlag: dass auch der Rötelsatz gleich wie die
Lorzen könnte verlehnt werden und item weil solches auch von altem her
geschehen seye; im gleichen auch die Bäch soweit es sich tun lasse.
Die Klägerin bemerkt hier, dass der Ausdruck ä)iötelsatz sich nur aus
den See beziehen könne, da die Rötel sich nicht in Flüssen oder Bächen
aushalten. Aus den Gemeindeprotokollen von Ober-Ågeri ans den Jahren 1723
bis 1814 ist ausserdem ersichtlich, dass den Fremden und Hintersässen das
Fischen gänzlich verboten war. So lautet ein Beschluss der Gemeinde, es
dürfe nicht anders gefischt werden als mit der Angel und Bären und When,
hingegen soll alles Fischen Fremden gänzlich verboten sein. In der Folge
wurden von einzelnen Grundbesitzer-n private Fischereirechte in Anspruch
genommen, und es ergaben sich hieraus verschiedene Streitigkeiten Am
19. September 1813 erschien Fischer Thomas Jten vor dem Gemeinderat
Unterägeri und verlangte, dass ihm ein Zeugnis oder eine Bewilligung
erteilt werde, dass er seine Fischenzen könne kanzleiisch versichern
lassen; hierüber wurde erkannt, dass es eingestellt sei, bis der
Gemeinderat von der ganzen Gemeinde beisammen fei. Als derselbe Jten
am 12. März 1814 sein Begehren erneuerte, wurde erkannt: dass bis und
solange der ganze Gemeinderat von beiden Gemeinden hierüber Beratung
gehalten habe, so sei seinem Verlangen nicht entsprochen, insofern
aber dargetan werden könne, dass diese Fischenzen von der Gemeinde
verkauft worden, oder es erlaube es die ganze Gemeinde Ägeri. Zin
Jahre 1825 hatten Alois Jten Metzgers und Peter und Karl Josef Jten
Streit wegen Entwendung von Fischnetzen. Alois Jten berief sich auf
eine Bescheinigung der Gemeindekanzlei Unierägeri vom 11. März 1820,
wonach Karl Peter Senz ihm seine Fischenzen im See vom Neubächli bis an
Joses Letters Riedmatten verkauft habe. Der Streit kam am 24. November
1825 vor dein Kautonsrate von Zug zur Verhandlung, und es wurden laut
dessen Protokoll die Gemeinderate von Oberund Unterägeri eingeladen, mit
den Ansprechern der Fischenzen auszumachen, wie weit oder bis wo Netze
im See gesetzt werden dürfen. Gestützt hieraufsi' wurde am 23. Oktober
1826 zwischen den Gemeinderäien von

872 Civilrechtspfiege.

Oberund Unterageri mit Genehmigungsvorbehalt und dein Fischer Jten ein
Übereinkommen betreffend die Grenzen seiner

Fischenz getroffen Dieses Übereinkommen wurde Von der Ge-

meinde Oberageri angenommen, von der Gemeinde Unterägeri aber am
ò. Dezember 1826 abgelehnt. In der Kantonsratssitzung vom 2. Mai 1827 kam
die Sache neuerdings zur Verhandlung und es beschloss der Kantonsrat laut
Protokoll einmütig: Da dieser nun zwischen Alois Jten als Inhaber eines
Fischenzenrechtes und der löbl. Gemeinde Unterägeri waltende Streit,
wie nahe ersterer die Fischnetze an die Lorzenmündung hinsetzen dürfe,
weil das Recht zu fischen nicht, wohl aber die Ausdehnung desselben
widersprochen, ein Marchstreit sei, also es sich unt Mein und Dein
handle, sei der betreffende Streit an das Kantonsgerichi gewiesen. "
Seit einigen Jahren beanspruchte Fischer Merz im Eier-hats Oberageri,
ein ausgedehiites Fischereirecht im Ägerisee, wovon er einen Teil im
Jahre 1855 von Christian Müller zu Raus, Oberageri, gekauft hatte
welcher Vertrag vom Gemeinderat von Oberägeri ratifiziert worden
war. Im Jahre1856 wurde ein Prozess geführt zwischen der Gemeinde
Unterägeri und einzelnen Bürgern von Oberägeri, als Kläger, und Fischer
Merz, als Beklagten, über die Frage, ob der letztere pflichtig fei,
gegenüber den Klägern das Recht des Fischschiesseiis auf dein ganzen
Umsange der Fischereigerechtigkeit anzuerkennen Die Aktivlegitimation
der Gemeinde Unterägeri bezüglich dieser Klage wurde nicht bestritten,
die Klage jedoch mangels genügenden Beweises für das beanspruchte Recht
abgewiesen Der gleicheFischer Merz liess am 8. September 1861 alles
Fischen in seinerFischenze mit einziger Ausnahme des Fischens Vom Ufer
aus mit fliegender Angel jedermann rechtlich verbieten. Der Gemeinderat
von Oberägeri erhob hiegegen Einsprachet Da seit urdenklicher Zeit jeder
Geineindebürger das Recht habe, im ganzen Umfang-e des Ågerisees nach
Belieben auf jede Art von Angel zu fischen und stets die Gemeinde über
die Art und Weise des Fischfanges im See und in den Bächen zu beschliessen
pflegte. Am 11. Mai 1862 schloss die Gemeinde Oberägeri mit Fischer Merz
einen Vergleich; darnach zahlie er der Gemeinde 1000 Fr., wogegen aber den
Bürgern einzig das Recht vorbehalten blieb, in denEX. Civilstreitigkeiten
zwischen Kantonen und Privat-en, etc. N° 110. 873

Fischenzen des Merz am Angel, sei es vom Ufer aus, oder .an dem See
zu fischen. Die Klägerin hebt hervor, dass die Gemeinde Oberägeri in
diesen Streitigkeiten mit ihrem Bürger Merz eigenmächtig gehandelt habe,
statt sich, wie das früher geschehen sei, mit der Gemeinde Unterägeri
in Verbindung zu setzen.

Arn 18. März 1888 beschloss die Korporationsgeineinde Unterägeri: Es sei
das Seegebiet mit Inbegriff aller damit verbundenen Fischereirechtssamen,
unter Wahrung aller der Korpounion noch als Seeansiösserin gehörenden und
zukommenden Rechtsamen, in Nutzen und Beschwerden der Einwohnergemeinde
Unterägeri zu überlassen.

Aus den angeführten Tatsachen zieht die Klägerin den Schluss, dass
der Ägerisee trotz seines bedeutenden Flächeninhalts von zirka sieben
Quadratkilometer kein öffentliches Gewässer im Sinne des § 164 des
zug. PGB, sondern Privateigentum der Talgemeinden sei, indem er von jeher
als Bestandteil des Korporationsgutes des Tales Ågeri betrachtet worden
und von der Korporation auf die Einwohergemeinde Oberund Unterägeri
übergegangen sei. Aus dem Privateigentum der beiden Gemeinden am See
soll sich ohne weiteres ergeben, dass ihnen auch das Fischereirecht
daran, soweit nicht andere wohlerworbene Fischereirechte nachweisbar
find, zustehe. Eventuell wird das Fischereirecht im ganzen See als
selbständiges wohlerworbenes Privatrecht der Gemeinden in Anspruch
genommen, indem aus den angerufenen Tatsachen sich ergebe, dass die
beiden Talgemeinden Fischenzenrechte zu Privateigentum erworben oder
solche seit nnvordenklichen Zeiten wie Genossengut behandelt und benutzt
haben. Ganz eventuell wird ein privates Fischereirecht geltend gemacht,
soweit das Grundeigentum der beiden Gemeinden vor der Teilung an den
See stiess, nämlich vom Naseggen bis zum Ausfluss der Lorze Im einzelnen
ist die Argumentation der Klage, soweit notwendig, aus den nachfolgenden
Erwagungen er ichtlich

D. Der Kanton Zug als Beklagter hat sich auf folgende wiederum nicht
streitige Tatsachen berufen: ·

Am l?. Januar 1862 haben die Präsidenten der Gemeinden Oberund
Unterägeri folgende (an der Gemeindekanzlei Phaiigeri liegende) Erklärung
unterzeichnet: Unterzeichnete Behorden

8 (4 Civilrechtspflege.

urkunden hiemit, dass laut älteren und neuen Protokollen und Beschli"isfen
die ganze Gemeinde Ägeri resp. beide Gemeinden

-Oberund Unterägeri die Artikel betreffend das Fischen im-

See und den Bächen festsetzten und behandelten, und dass bis jetzt
noch nie eine Teilung über den See stattgehabt, vielmehr der-selbe als
ein gemeinsames politisches Gut mit dem Hoheit-Jrechi beider Gemeinden
anerkannt worden ist. Eine Zuschrift des Einwohnerrates von Unterägeri
an den Regierungsrat von Zug vom 28. Januar 1892, worin diese Behörde
gegenüber den vorn Regierungsrat bewilligten Landanlagen am Ägerisee das
alt geübte Begehungsrecht um den See wahren will, enthält den Passus:
dass auf dieser Strecke der freie Verkehr mit dem See wohl für jedermann
da und hergestellt sei, als naturgemässe Verbindung der öffentlichen
Verkehrsstrasse als Anstösserin eines öffentlichen Geiväfser "'. Jtn März
1882 erliess der Regierungsrat eine Bekanntmachung betreffend Bewilligung
für Landanlagen an öffentlichen Gewässern, welche u. a. bestimmt,
dass in Ausübung des dem Staate zukommenden Oberaufsichtsrechts über
sämtliche öffentliche Gewässer im Kanton die nach § 160 des Sachenrechts
vorgesehene behördliche Bewilligung für Eriverbung von Eigentum an neuen
Landanlagen im vorinaligen Seeund Flussgebiet vom Regierungsrat erteilt
wird. Durch Reglement vom 14. August 1879 regulierte der Regierungsrat
des Kantons Zug den Wasserstand des Baget: und des -Ägerisees. § 7 dieses
Reglementes lautet: Im Egeri-See ist ein Pegel zu erstellen und amtlich
zu kontrollieren, damit auch dort die Wasserabflussverhältnisse auf dem
Verordnungswege geregelt werden können."

Die Ausführungen des Beklagten, die im einzelnen, soweit notwendig, aus
den nachfolgenden Erwägungen ersichtlich find, gehen dahin, dass der
Nachweis eines privaten Eigentumsrechts am See seitens der Gemeinden
Ågeri durch die von der Klägerin angeführten Tatsachen nicht erbracht
sei, und dass deshalb der Seeals das zu erklären sei, was er seiner
Grösse und Bedeutung nach sei: ein öffentliches Gewässer, in welchem,
gemäss § 1 der kaut Vollz.-Bestimmungen zum BG betr. Fischerei, das
Fischereirecht, wohlerworbene Privatrechte vorbehalten, dem Staate
zustehe. Auch ein bestimmtes, der Einwohnergemeinde Unterägeri im
Ägeri-IX. civilstreitiglieiten zwischen Kantonen und Privaîen, etc. N°
110. 875 see zustehende Privatrecht auf Fischerei sei nicht-dargetau,
weder in Bezug auf den ganzen See pro partlbus indivis1s mit Oberägeri,
noch in der Ausdehnung des ehemaligen .Korporationslande 5. Die
Fischerei sei nicht von den Gemeinden betrieben worden, sondern es sei
der Fischfang, unter Rleufsicht und Verdrdnnngsgewalt der Gemeinden
als Tsriiger offentticher Gewalt, der allgemeinen, beliebigen Ausübung
sreigegeben geme-fen.

E. Aus der Gesetzgebung des Kantons Zug ist ausser den bereits zitterten
Bestimmungen noch folgendes hervorzuheben:

Das Privatrechiliche Gesetzbuch für den Hanton Zug, III. Buch,
Sachenrecht, vom 22. Dezember 1873, bestimmt: .... .

§ 160: Die durch Anspielung oder Zurucktreten offentlicher Gewäfser
erfolgte Erweiterung des [Mets machu, mit'VorBe'halt wasser- polizeilicher
Bestimmungen, dem anstossenden Grundeigentfuin zu:

, Das Eriverben von Eigentum-an neuen Zandanlagen mi vige: mungen Seeund
Flussgebiet mitäelst Llussullung setzt die e-

"rdli e Bcivilli un hie u voran . sssshîîmeé dem Titä dger gisetzlichen
Beschränkungen des Grundeigentuiiis. a) Mit Rücksicht auf das öffentliche
Bedursnis. II.

-" ' ' enn un : GTTCIZLLBNiitzchtgerweislich dem Privateigentum
iiiiheizngefallene Gewässer (silùsie, Seen, Baches, Strassen, Yruckem
Platze u. ska können,. ils zu öffentlichem Gebrauche bestimmte Seche? mt
Vorbehaäs. polizeilicher Verordnungen, von jedermann frei enn-gwerben.
So lange sie ihre Bestimmung, dem offentlichen Gewbrauche zu vie-nen,
nicht verlieren, können besondere Privatbe::rechtigungen an denselben
gegenüber dem Staat, beziv.tdetlillgee-) ineinden nur durch ausdrückliche
(unentgeltliche oderd en Egei un Kouzessionen dersetben, nicht aber
durch Zueignung o er rf tz g en iei·den. . . Isssséss-ÎÈWÎWM an einem
öffentlichen Geivässer eine Privat-

berechtigung erworben hat ist verpflichtet, dieselbe Tir-JDIF;

auszndehnen, als es feine Konzessioii tinzweitelhanftrzntass ssrin er.

;,sein Bedürfnis notwendig erheischt, und sie mit mag ichs ge g

Beschränkung des öffentlichen Gebrauchs auszunben, wogegen

auch die Gemeinde nicht durch neue Konzesitonserteisnngen seine

:wohlerivorbene Privatberechtigung verkümmern dars.

876 Civilrechtspflege.

Das Wasserpolizeigesetz vom 21. Juni 1883, erlassen in Vollziehung des
Bandes-gesetzes betr. die Wasserbau-Polizei im Hochgebirge vom 22. Juni
1877, oindiziert in § 1 dem Staate die polizeiliche Aufsicht über die
sämtlichen im Kamen befindlichen Gewässer.

Die regierungsrätliche Vollziehungsverordnung vom 17. Dezeruber 1883
zum Bundesgesetz über die Fischerei vom its. September 1875 enthält in §
8 die Vorschrift:

Die Regierung wählt je nach Bedürfnis auf Vorschlag der mitinteressierten
Gemeinderate die nötige Anzahl von Fischereiagenten und bestimmt ihre
Geschäftskreise sowie ihre Amtsdauer.

F. In der heutigen Hauptverhandlung vor Bundesgericht haben die
Parteivertreter die gestellten Rechts-begehren wiederholt und neuerdings
begründet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Die Kompetenz des Bundesgerichts zur Beurteilung der Klage folgt aus
Art. 48 Ziff. 4 OG. Parteien sind eine Korporation und ein Kanton. Die
Streitigkeit ist civilrechtlicher Natur, indem die Klage auf Anerkennung
von Eigentum, eventuell eines privaten Fischereirechtes geht, und der
Wert des Streitgegensiandes, des Anteils der Klägerin am Ågerisee,
eventuell am Fischereirecht auf diesem übersteigt augenscheinlich und
unbestrittenerinassen 3000 Fr. Was die Gegenrechtsbegehren des Kantons
Zug anbetrifst, die auf Anerkennung des Ägerisees als eines öffentlichen
Gewässers und des staatlichen Fischereiregals daran zielen, so bedarf
die Kompetenzfrage keiner Erörterung, weil diese Begehren offenbar
nicht die Bedeutung einer eigentlichen und selbständigen Widerklage
haben, sondern sich lediglich als Negation der Klage darstellen. Dem
Anspruch der Klägerin auf das Privateigentum am See und die privaten
Fischereigerechttgkeiten daran hält der Staat den öffentlichen
Charakter des Sees und sein Fischereiregal entgegen, ohne hierüber
einen selbständigen Entscheid, ganz abgesehen vom Schicksal der Klage,
verlangen zu wollen. Die Gegenrechtsbegehren sind daher auch nicht
in einein besondern Dispositio, sondern in den Urteilserwägungen zu
erledigen.IX. civilstreiiigkeiien zwischen Kantonen und Privaten, etc. N°
HO. 877

Der Umstand, dass die eingeklagten Rechte der Klägerint nicht allein,
sondern gemeinsam mit der am Prozesse nicht beteiligten Gemeinde
Oberägeri zustehen würden, bildet kein Hindernis sur die Behandlung der
Klage. Einmal ist eine inateriellrechtliche kantonale Bestimmung, wonach
ein derartiges gesondertes gerichtliches Auftreten eines Miteigentümer-Z
oder ähnlichen Mitberechtigteu ausgeschlossen wäre, nicht vorhanden;
vielmehrist nach g 1130 des PGB von Zug jeder Miteigentümer befugt,
uber sein Teilrecht frei zu verfügen, dasselbe zu veräussern u. s'.w.,
und sodann ist das gleichzeitige Auftreten aller Mitberechtigten als
Kläger nach eidgen. Civilprozessrecht keine von Amtes wegen zu prüfende
Prozessvoraussetzung Die in Art. 8 BCP vorgesehene Einrede mehrerer
Streitgenossen, die übrigens den Beklagten nicht von der Einlassung
befreit, sondern nur bewirkt, dass der fRichter den Streitgegenstand
teilt, oder einen den Beklagten sichernden Vorbehalt dem Urteil beifügt,
oder endlich die Klage einstweilen abweist, ist vom Kanton Zug nicht
erhoben worden.

I. Die Talleute von Ågeri, d. h. die Angehörigen der beiden heutigen
Gemeinden Oberund Unter-Ägeri, bildeten unstreitig in früherer Zeit eine
einheitliche Markgenossenschaft, die ursprünglich wohl grundherrlichen
Charakter gehabt haben _mug, der es aber im Laufe der Zeit gelungen war,
die grundherrlichen und auch die vogteiherrlichen Lasten abzuschütteln
und zu einer freien Markgenossenschaft zu werden. Die Einkünfte
von 400 "Noten", 400 Kettlingen und 12Elen aus dein ampt zu Egere ,
die Herzog Leopold von Osterreich im Jahre 18,16 dem Ritter Heinrich
von Stein u. a. verpfändete und die Ritter von Grutienberg im Jahre
1421 denTalleuten von Agen verkaufte, sind zweifellos eine dein
Hause Osterreich als den Vogterherren geschuldete Abgabe, die in ader
genannten Weise abgelost wurde. Sonstige Vogtlasten an Osterreich mögen
dahmgesallenf fem, als die vier den Staat Zug bildenden Gemeinden -die
Stadt, Ågeri, Menzingen, und Baar im Jahre 1415 infolge der auf Herzog
Friedrich von Osterreich gelegten Peichsacht durch Kaiser Sigismund
von allen Pflichten gegen dieses Haus losgesprochen wurden (s. Renaud,
Stunts: und Rechtsgeschichte von

Zug, S. 13); das Hofe-echt zu Agen, das wohl aus dem Anfang

878 Civilrechispflege.

des 15. Jahrhunderts stammt, erwähnt in dem in der Klage angeführten
Passus die österreichische Vogtei und die Vogteilasten

bereits als eine der Vergangenheit angehörige Sache. Grund-'

herren im Tale von Ägeri scheinen die Klöster von Einsiedeln und
zum Fraumünster in Zürich gewesen zu sein, so dass die Talbewohner
als Gotteshausleute sich dem Stande der Freien schon friihe genähert
haben mögen (s. Quellen zur Schweizer Geschichte, XV, ?, S. 594). Die
Grundherrschaft des Klosters Einsiedeln wurde jedenfalls spätestens
dadurch beseitigt, dass die Gotteshausleute zu Ägeri durch den in der
Klage erwähnten Vertrag vom Jahre 1679 dein Kloster alle Rechte, die es
zu Ägeri besass, um den Preis von 1600 Gulden Zugerwährung abkaufterg
und die ursprünglich grundherrliche, aber ganz Unbedeutende Abgabe Von
30 Röteln an das Fraumünster in Zürich wurde zwar bis in den Anfang
des 19. Jahrhunderts geleistet, hatte aber zweifellos schon lange den
Charakter einer dinglichen Last angenommen

3. Das Gebiet der Markgenossenschafl Ägeri umfasst das gesamte Ägerital
(s. Rüttimann, Die zugerischen Allmendkorporationen, S. 98) und umschloss
daher den Ågerisee in seiner ganzen Ausdehnung Schon diese Tatsache
begründet trotz der Grösse des Gewässers eine gewisse Vermutung dafür,
dass der See Bestandteil der gemeinen Mark war, als Allmende betrachtet
und benutzt wurde. Denn im allgemeinen waren die innerhalb der Gemarkung
liegenden Gewässer, soweit die Art ihrer Nutzung nicht entgegenstand,
wie die Wälder und Weiden, Gemeingut der Genossen und gleich diesen
Allmend (S. F. v. Wyss, Zeitschrift f. schweiz. Recht, I, S. 26;
Gierke, Deutsch-as Privatrecht,1, S. 579; Heusler, Institutionen des
deutschen Privatrechtes, I, S. 365 und II, S. 31; Maurer, Einleitung zur
Geschichte der Markze. Verfassung, S. 91.) War aber der Ägerisee gemäss
dieser Vermutung als geschlossenes Gewässer innerhalb der Mark Teil
der Allmende, so befand er sich, mag man in der Markgenossenschaft als
solcher (mit Heusler, a. a. O., S. 262 ff.) ein rein privatrechtliches
oder (mii Gierke, a. a. O., S. 577) ein gemischtes Gebilde, bei dem
privates und öffentliches Recht untrennbar verwoben sind, erblicken,
wie anderes Korporationsgut zweifellos im Privateigentum, und zwar,
je nach der rechtlichen KonstruktionIX. Civilstreitigkeiten zwischen
Kantonen und Privaten, etc. N° 110. 879

des Verhältnisses, der Markgemeinde als juristischer Person oder
der Genossen in ihrer Gesamtheit An der privatrechtlichen Natur der
Verhältnisse würde auch dadurch nichts geändert, dass die Gemeinde Ägeri
in erheblichem Masse Träger öffentlich-rechtlicher Beziehungen war und
sogar staatsrechtliche Funktionen ausübte, indem sie als selbständiges
Glied des Standes Zug (bis in die Mitte des 18. lJahrhunderts-) an
der Landesregierung teilnahni (s. Renaud, a. a. O., S. 13 ff.). Dass
nun jene auf das Wesen und die Ausgestaltung der Marrgenosseuschaft im
allgemeinen in Verbindung mit den besondern örtlichen Verhältnissen sich
gründende Vermutung den wirklichen Tatsachen entspricht, ist dem von der
Klägeriu beigebrachten Beweis-materiell mit hinlänglicher Deutlichkeit
zu entnehmen.

4. Zunächst kann freilich in diesem Sinn nicht verwertet werden, dass
die Talleute von Ägeri an Osterreich als Vogteilast u.a. eine jährliche
Naturalabgabe in Fischen und an das Kloster zu Einsiedeln und die Abtei
zu Frautuünster in Zürich ähnliche Abgaben grundherrlichen Ursprungs zu
leisten hatten. Daraus erhellt nur, dass die Talleute tatsächlich im See
fischten, nicht aber, ob sie dies in Betätigung einer genossenschaftlichen
Nutzung oder in blosser Ausübung des Gemeingebrauchs an einem freien
öffentlichen Gewässer taten. Wichtig für die Rechtsverhältnisse am
Agerisee ist dann aber vor allem der in der Klage angerufene sogenannte
Seebrief vom Jahre 1481, der Bestimmungen über den Fischfang und die
an Einsiedeln und Zürich geschuldeten Fische enthält und worin sich
die Talleute zum Schlusse vorbehalten, diese Bestimmungen zu ender-en,
minderen oder mehren und aussprechen, dass sie und ihre Nachkommen nnser
See besetzen und entsetzen, als uns das füglich ist Diese Erklärung der
Talleute kann kaum, wie der Kanlon Zug meint, im Sinne einer politischen
Herrschaft der Gemeinde über den See verstanden werden: sondern sie
ist offenbar nichts anderes als der Ausdruck der Verfügungsgewalt der
Markgenosfen über den See als eines Teils der der genossenschaftlichen
Nutzung unterliegenden Allmendstcss ist gewiss nicht anzunehmen,
dass die Talleute mit der kraftigemFormel besetzen und entsetzen,
die in diesem Zusammenhang ]rel perfügen" bedeuten muss, bloss eine
öffentlich-rechtliche und nicht die

880 Civilrechispflege.

viel intensivere privatrechtliche Herrschaft über den See als Allmend
hätten konstatieren wollen. Der fragliche Passus des Seebriefes
kann also unbedenklich als Ausfluss markgenossenschafti licher,
d. h. privatrechtlicher Herrschaft angesehen werden Und wenn nun auch im
Jahre 1431 Ägeri noch grundherrliche Mark von Einsiedeln und der Abtei
Fraumünster in Zürich gewesen sein und der Seebrief sich insofern als
eine Art hosrechtlichen Weistums darstellen sollte, so ist die Urkunde
hier doch deshalb von grosser Wichtigkeit, weil sie zeigt, dass der See
damals als hofrechtliches Eigen der Gemeinde galt, woraus dann mit dem
Wegfall der Grundherrschaft freies, landrechtliches Eigen der Markgemeinde
werden musste.

Ein weiteres wesentliches Zeugnis dafür, dass der Ägerisee Bestandteil
der gemeinen Mark war und damit im Privateigentum der Markgemeinde
(oder der Markgenossen) stand, findet sich in dem Marchbrief des Sods
und Bergs vom Jahre 1575, der einen Schiedsspruch zwischen der oberen
Gemeinde und denen zu Wylen (Unterägeri) verurkundet und demnach aus
einer Zeit stammt, da die beiden Gemeinden Oberund Unterägeri sich aus
der ursprünglich einheitlichen Markgenossenschaft auszuscheiden begannen.
Aus diesem Marchbrief ergibt sich, dass das Weideland teilweise unter
die Gemeinden bereits geteilt war; dagegen wurde bestimmt, dass der
Berg (Wald) und der See gemeinschaftliche-s Eigentum beider Gemeinden
bleiben sollten (dass sy denselben dergiychen den See miteinander haben,
nutzen und niessen follett). In der Urkunde vom Jahre 1733 betreffend
die Teilung der Weide genannt Sod unter die Gemeinden, wurde sodann
neuerdings bekräftigt, dass Berg und See gemeinschaftliches Eigentum
beider Gemeinden seien und bleiben sollen (mass aber gemelter Brief [der
Marchbries von 1574] des Sees und Berges in sich begreift, solle er bei
seinen Kräften verbleiben). Die Gleichstellung des Sees mit dem Berg,
der doch ganz zweifellos Allmend war, sowie der Ausdruck miteinander
haben, nutzen und nieszen", schliessen auch hier die Annahme eines
blossen Hoheitsrechtes der Gemeinden am See aus und können wiederum nur
als Ausdruck der privatrechtlichen Herrschaft der Gemeinden an

der gemeinsamen Mark aufgefasst werden, und die Deutung des
_IX. Giviistreitigkeîten zwischen Kantonen und Privaten, etc. N° 0. 881

Kantons Zug, dass der See nicht geteilt worden sei, weil er nicht im
Privateigentum der Gemeinden, sondern unter deren Hoheit

gestanden habe und weil dieses Hoheitsrecht nicht teilbar sei,

widerspricht durchaus der geschichtlichen Entwicklung, wie sie
ans den besprochenen Urkunden, sowie aus dem Wesen der Markgrmeinde
ersichtlich ist und nach welcher man es mit privatrechtlicher Herrschaft
ursprünglich der einheitlichen Markgenossenschaft und nachher der beiden
ausgeschiedenen Gemeinden zu tun hat. Gegenüber dieser geschichtlichen
Entwicklung kann für die (frihrere) Eigenschaft des Ägerisees als
eines öffentlichen Gewässers auch tnicht der Name Aqua regia für Ägeri,
der sich in alten lateinischen Urkunden findet (s. gramm, Topographie
des Kantons Zug, III, S. 5) ins Feld geführt werden; der Name deutet
höchstens daraufhin, dass die Gegend einmal Königsgut gewesen ist,
was selbstverständlich nicht ausschliesst, dass der See im Laufe der
Entwicklung erst hoheitsrechtliches und dann landrechtliches Eigentum
der Markgemeinde wurde.

5. Die hauptsächlichste Nutzung des Sees war die Fisches-ei und diese
musste, wenn der See Allmend war, den Markgenossen als eine aus dem
Eigentum fliessende Nutzungsbefugnis zustehen. In der Tat ergibt
sich aus den von der Klägerin beigebrachten Gemeindeprotokollen
und sonstigen Materialien, dass die Gemeinde bezw. die Gemeinden in
einer der Regelung der Allinendnutzung entsprechenden Weise über die
Fischerei verfügt haben. Zwar ist in dieser Beziehung kein besonderes
Gewicht auf die Projekt betitelte Urkunde vom 10. Mai 1775 zu legen die
zur Verbesserung der Finanzverhältnisse u· a. den Vorschlag enthält,
dass auch der Rötelsatz gleichwie die Lorzen könnte ver-lehnt werden,
weil die Urkunde zwar in Ägeri ausgestellt ist, aber die Vorschläge sehr
wohl den ganzen Stand Zug betreffen können, so dass nicht sicher isi,
ob der Rötelsatz sich auf den Agerioder den Zugersee, oder vielleicht
auf beide bezieht. Wohl aber steht fest, dass durch eine Reihe von
Verfügungen der Gemeinden, die vom Anfang des 18. bis zum Anfang des
19. Jahrhunderts gehen, den Fremden und Hintersässen verboten wurde, imss
See zu fischen. Hierin sind nicht sowohl mit dem Kanton Zug Ausserungen
der Gewalt der Gemeinden über ein öffentliches Gewässer,

XXXI, '2. MOZ 58

882 Civilrechtspflege.

sondern ist vielmehr mit der Klägerin eine Verfügung der Genossen über
die Benützung der Allmend zu erblicken; denn es

entspricht dem Recht der Markgenossenschaft, dass die Teilnahme

an der Nutzng der Allmend auf die Genossen beschränkt ist und dass der
ausserhalb der Genossenschaft stehende Fremde, der ursprünglich überhaupt
rechtlos war, an der gemeinen Mark undderen Nutzung keinen Anteil hat,
wie ja noch nach heutige-m Recht der Nichtbürger zum Bürgernutzen
nicht zugelassen ist. Jene Verfügungen über den Ausschluss der Fremden
erklären sich also zwanglos aus dem privatrechtlichen Verhältnisse der
Gemeinden zum See als einer gemeinschaftlichen Allmend und bestätigen
eine solche Auffassung, während umgekehrt, wenn der See ein öffentliches
Gewässer gewesen wäre, der Fischfang normalerweise jedermann traft
des Getneingebrauchs hätte offen stehen müssen und nicht ersichtlich
ist, wie die Gemeinden dazu gelangt wären, die Nutzung in Ausübung
hoheitlicher Befugnisse auf die Markgenossen zu beschränken. Was sodann
das Entstehen privater Fischereiberechtigungen im See, auf die die
Gemeindeprotokolle zum Teil Bezug haben, anbetrifft, so lässt sich diese
Tatsache im allgemeinen weder für die Auffassung der Klägerin, dass die
Gemeinden fiber die Fischerei als Allmendnntzung verfügten, noch für
diejenige des Kantons Zug, dass sie dies lediglich in Betätigungeines
Hoheitsrechtes am See taten, nerwerten. Solche privaten Fischenzen
konnten am Ägerisee als öffentlichem, wie als privatem Gewässer
durch Verleihung, Ersitzung oder sonstwie entstanden sein, und aus
ihrer blossen Existenz kann daher kein Schluss auf die Eigenschaft des
Gewässers und auf die Natur der Verfügungsgewalt der Gemeinden über die
Fischerei gezogen werden. Durch das Urkundenmaterial sind aber in dieser
Hinsicht einige spezielle Momente erstellt, die wiederum dafür sprechen,
dass die Markgemeinde über die Fischerei als Allmendnutzung disponiert
hat. Einmal ergibt sich aus einem Rekognitionsbrief von 1628, der für
eine verloren gegangene Urkunde ausgestellt wurde und von der Klägerin
angeführt ist, dass die Marsgemeinde, die über die Erhaltung von Weg und
Steg in der Mark verfügte, einem Genossen, dem Seckelmeister Meier in
der Teufsetzt als Gegenleistung für den Unterhalt der Brücke über den
kx. Civilstreitigkelten zwischen Kantonen und Privaten, etc, N° HU. 883

Trombach ein Vorzugsrecht in der gemeinen Marknutzung, nämlich das Recht,
im Trombach und an dessen Mündung in den See unter Ausschluss anderer
Personen zu fischen, verliehen hats Ein anderer Vorgang, das Gesuch des
Fischers Jten in den Jahren 1813 und 1814 an den Gemeinderat Unterägeri,
es möchte ihm die kanzleiische Versicherung seiner Fischenzen bewilligt
werden, welches Gesuch an den ganzen Gemeinderat beider Gemeinden gewiesen
wurde, es sei denn, Jten weise nach, dass er die fraglichen Fischenzen
von der Gemeinde gekauft habe ist bezeichnend dafür, dass damals noch in
Unterägeri das Bewusstsein vorhanden war, nur die ganze Gemeinde Oberund
Unterägeri könne über Rechte am See verfügen und lässt sodann namentlich
durch den Ausdruck: Verkauf der Fischenzen die Rechtsauffassung als
herrschend erkennen, dass den Gemeinden die Fischerei kraft Privatrecht
zustehe. Eine Verfügung über die Fischer-ei ist ferner in dem Vertrag
zwischen der politischen Gemeinde Oberägeri und Peter Josef Merz vom
25. April 1862 zu erblicken, wodurch eine Fischereigerechtigkeit dem Merz
nach langen Streitigkeiten anerkannt wurde. Dabei hatte Oberägeri daran
erinnert, dass stets die Gemeinde Über die Art und Weise des Fischfangs
im See und in den Bächen zu beschliessen pflegte, und gleichzeitig
unter Berufung auf ein seit urdenklicher Zeit bestehendes Recht der
Gemeindebürger diesen die Befugnis gewahrt, in den Fischenzen des Merz
mit der Angel vom Ufer aus loder auf dem See zu fischen. (EB soll hier
die Frage unberührt bleiben, ob die Gemeinde Oberägeri befugt war, allein
und ohne Mitwirkung von Unterägeri in dieser Weise über die Seenutzung
zu disponieren.)

6. War nach den bisherigen Ausführungen der Agerisee Allmend und stand
somit im Privateigentum der ursprünglich einheitlichen, später in die
beiden Gemeinden Oberund Unterägeri geschiedenen Markgenosfenschaft des
Ageritals, so fragt es sich nunmehr, wie sich die Rechtsverhältnisse am
See geme}; der allgemeinen modernen Rechtsentwicklung, sowie derpositiven
Gesetzgebung des Kantons Zug gestaltet haben. Hiebet ist festzustellen,
dass der Ägerisee gegenwärtig ganz zweifellos nicht _mehsir em
Privatgewässer der betreffenden Gemeinden, sondern ein offent-

884 Civilrechtspflege.

liches Gewässer ist. Objekte dieser Art, wie Gewässer, Wege, Plätze,
Anlagen, die das ältere Recht als Bestandteile der Allmend betrachtet
hatte, sind nach heutiger Rechtsausfassung allgemein öffentliche Sachen,
und das Recht auf ihren Mitgebrauch

ist im allgemeinen und spezielle Nutzungen, wie die Fischerei etwa ,_

vorbehalten, nicht mehr ein genossenschaftliches Nutzungsrecht an der
Allmend, sondern fliesst aus dem Gemeingebrauch an einer öffentlichen
Sache (s. Gierke, a. a. O., II, S. 31 f.). Für den Agerisee muss dies
unter Vorbehalt der noch zu besprechenden Fischereiverhältnisse umsomehr
zutreffen, als er ein Gewässer von sehr erheblicher Grösse (zitta 7
Quadratkilometer) ist, worin sicherlich jedermann Wasser schöper und
an den hier bezeichneten Stellen baden, tränken und schwemmen darf
und das der freien Schiffahrt unstreitig offen steht und sogar oon
einem Dampfschiff zur Vermittlung des öffentlichen Verkehrs befahren
wird. Dass der See nach seiner Lage, Grösse und Bedeutung der allgemeinen
Benittzung unmöglich verschlossen werden kann, was doch die Konsequenz
des klägerischen Anspruchs auf Anerkennung des freien Privateigentums
daran wäre, muss auch die Klagerin zugeben, indem sie ausdrücklich
erklärt, dass sie den See, obwohl sie ihn gemeinsam mit Qberägeri als
Privateigentum beansprucht, doch, soweit die Bedlirfnisse es erfordern,
der allgemeinen Benützung preis-gebe Darin, dass der Gemeingebrauch
am See besteht und unabweisbar ist, zeigt sich schon nach allgemeiner
Rechtsansfassung gerade der öffentliche Charakter des Gewässers.

Zum selben Resultat führt auch eine Betrachtung der kantonalen
Gesetzgebung Zwar sind in dieser Beziehung die Gesetze und Verordnungen
ohne Bedeutung, welche die Gewässer der Staatsaufsicht unterstellen; denn
bei dieser aus der Polizeihoheit des Staates beruhenden Aufsichtsgewalt
wird kein Unterschied zwischen privaten und öffentlichen Gewässern
gemacht, und die blosse Tatsache, dass der Kanton Zug in neuerer Zeit
wiederholt durch Berfügungen polizeilicher Natur in die Verhältnisse
des Ågerisees angegriffen hat z. B. hinsichtlich der Regulierung des
Wasserstandes und des Wasserabflusses u. s. w. , lässt sich daher für den
öffentlichen Charakter des Sees noch nicht verwerten. Dagegen ist nach
dem zugerischen Privatr. Gesetzbuch (IH. Buch,IX. Civilstreitigkeiten
zwischen Kantonen und Privaten, etc. N° HO. 885

Sachenrecht, vom 22. Dezember 1873) der Ägerisee ohne Frage als
öffentliches Gewässer anzusehen. Dies folgt nicht nur aus einer Anwendung
des Gesetzes auf die Verhältnisse des Sees, sondern es darf unbedenklich
als Meinung des Gesetzes eingesprochen

werden, dass speziell der Ägerisee zu den öffentlichen Sachen ge-

höre. § 164 stellt in Übereinstimmung mit allgemeiner Rechtsanschauung für
die Bestimmung der öffentlichen Sachen auf deren Zweckgebundenheit für
den öffentlichen Gebrauch ab, welches Requisit, wie bereits ausgeführt,
vorliegend zutrifft, und er präzisiert den Begriff der öffentlichen
Gewässer durch die Bezeichnung Flüsse, Seen, Bäche. Da nun der Kanten
Zug nur zwei Seenden Zugerund den Ägerisee aufweist, so deutet der im
Gesetz enthaltene Plural daraufhin, dass beide, also auch der letztere,
von vorneherein als öffentliche Gewässer zu betrachten find. Ferner ist
in § 174, der von dem auch bei Seen in Betracht kommenden Wasserabfluss
handelt, nur von im Privateigentum stehenden Bächen und Quellen die Rede,
woraus zu schliessen ist, dass die Flüsse und namentlich die beiden Seen
nach der Meinung des Gesetzes öffentliche Gewässer find. Endlich steht
auch fest, dass der Ägerifee von den Behörden, und zwar ohne Widerspruch
der beiden Gemeinden Ågeri, wiederholt als öffentliches Gewässer behandelt
worden ist. Nach § 160 Abs. 2 setzt nämlich der Eigentumserwerb an neuen
Landanlagen, die im vormaligen Seeund Flussgebiet mittelst Aussüllung
entstanden sind, die behördliche Bewilligung voraus, und das Gesetz
hat hiebei zweifellos öffentliche Gewässer im Auge, wie sich aus dem
Zusammenhang mit Abs. 1, ber sich mit der Ufererweiterung infolge von
Anspülungen oder des Zurücktretens öffentlicher Gewässer befasst, sowie
aus der Erwägung ergibt, dass bei Privatgewässern Ausfüllungen ohne
weiteres dem Eigentümer gehören müssen. Solche Bewilligungen zum Erwerb
von Landanlagen sind aber, wie der Kanton Zug dargetan hatbeim-Ägerisee
in einer Reihe von Fällen an Useranstösser erteilt worden.

7. Mit der Feststellung, dass der Ägerisee ein öffentliches Gewässer ist,
ist nun aber ein Privateigentumsanspruch im Sinne des ersten klägerischen
Rechtsbegehrens, das auf Anerkennung des freien, unbeschwerten Eigentums
am See geht, unvereinbar.

886 civilrechtsptlege.

Wenn man auch bei öffentlichen Gewässern ein Rechtssubjekt annehmen mux},
welches eine der privatrechtlichen Herrschaft über die Sache ähnliche
Rechtsbefugnis ausübt (vergl. Gierke, a. a. Q:, H, S 49 ff., und O. May
er, Verwaltungsrecht, II, S. 60 ff.), so ist diese Herrschaftsbefugnis,
mag sie auch gewisse privatrechtliche Wirkungen haben (z. B. wenn eine
ursprüngliche öffentliche Sache nachträglich in den Verkehr gelangt),
doch wesentlich öffentlich-rechtlicher Natur-. Es kann hier dahingeftellt
bleiben, wem im Kanton Zug diese Befugnis zusteht, ob dem Staat oder den
Gemeinden Möglich ist auch, dass sie eine geteilte ist, und es sprechen
in der Tat manche Jndizien dafür, dass die historische Entwicklung des
Kantons, beeinflusst durch die ursprünglich vorhandene Souveränität
der vier Gemeinden, bei einem Zustand der Teilung stehen geblieben
isf; kommt doch die Wasserpolizeihoheit dem Staate zu, während den
Gemeinden die Erteilung von Konzessionen an öffentlichen Gewässerty
soweit § 167 des zugerischen privatrechtlichen Gesetzbuches gilt,
zusteht. Diese Frage braucht aber hier nicht gelöst zu werden; denn von
dem früheren Privateigentum der Markgenossenschaft, das die Gemeinden
am Ågerisee hatten, ist mit Ausnahme des Fischereirechtes, das ihnen,
wie weiter auszuführen sein wird, auch heute noch zusteht, infolge der
Umgestaltung der Natur der früher dem Privateigentum in ihrer Gesamtheit
unterstandenen Sache in eine öffentliche Sache kaum etwas übrig geblieben
Der Gemeinde Unterägeri kann also an der praktisch für das Privatrecht
wohl bedeutungslosen Frage der Anerkennung eines Privateigentumsrechts am
See nichts gelegen sein, und es kann daher nicht angenommen werben, dass
im Begehren auf Anerkennung des freien unbeschwerten Privateigentum-Z
am Ägerisee eventuell dasjenige auf Anerkennung eines durch die
öffentlich-rechtliche Last des Gemeingebrauchs geschmälerten und für
die Frage des Fischereirechtes vorliegend gleichgültigen Eigentums
inbegriffen sei.

8. Was weiterhin insbesondere die gegenwärtigen Rechtsverhältnisse
der Fischerei im Ägerisee, um die sich, wie gesagt, der vorliegende
Rechtsftreit im Grunde ausschliesslich dreht, anbetrifft, so
schliesst der öffentliche Charakter des Gewässers die Existenz
privater Fischereigerechtsamen und somit auch den Bestand
desIX. (iivilstreitigkeiten zwischen Kantonen und Privaten, ecc. N°
HO. 887

mit der Klage beanspruchten privaten Fischereirechtes der beiden Gemeinden
Ägeri im ganzen See auch nach zugertschem Recht nicht aus. Nach dem
PGB (§§ 164, 187) sind Privatberechtigungen an öffentlichen Gewässern
möglich, auch find. bei Schassung des kantonalen Fischereiregals
durch g 1 des niehrfachtkerwahnten Erlafses von 1891 wohlerworbene
Privartrechte ausdrucklich vorbehalten worden und ist in Abs. 2 daselbst
die Erpropriatton von Fischereirechten von Gemeinden ze. vorgesehen,
woraus erhellt, dass gerade solche Gerechtigkeiten zu Gunsten von
Gemeinden tm Kanton bestehen müssen. Die Entwicklung, nach welcher der
See aus einer gemeinschaftlichen Allmend, d. h. einem Privatgewässer der
beiden Gemeinden im Laufe der Zeit zu einem öffentlichen Getoasser wurde,
konnte aber auch nicht bewirken, dass das Fischereirecht am ganzen See,
das den Gemeinden ursprünglich als Ausflusztihres Privateigentums und
als dessen hauptsachlichtte Befugnis und lediglich beschränkt durch
allfällige private Fischenzen Dritter zustand, dahingefallen wäre. Der
Gemeingebrauch, die allgemeine Benutzung des Sees, welches Moment für
dessen Qualifikation als eines öffentlichen Gewässers bestimmend wurde,
brauchte sich ja keineswegs auf den Fischfang zu erstrecken, so dass
die Befugnisse der Gemeinden in Bezug aus die Fischerei 121 ganzen See
daneben sehr wohl fortbestehen konnten. In der nat wurde denn auch,
wie sich aus den Ausführungen in fErwagung O ergibt, das Fischereirecht
von den Gemeinden bis m die neueste Zeit ausgeübt, indem sie sich mit
privaten aAnsprechern von beschränkten Gerechtigkeiten auseinandersetzten,
uber die Fischereiverfügten und dabei namentlich auch die Rechte der
Gemeindeburger auf den Fischfang wahrten, ohne dass bis zu dem Vorgehen
des Regierungsrates im Jahre 1892, das dann Anlass zumwork liegenden
Prozess gab, seitens des Staates htegegen der geringste Einspruch
erhoben worden ware. Ubrigens hat der Kanton Zug in der anlik anerkannt,
dass den beiden Gemeinden ein Recht zum Fischfang im Ägerisee zusteht,
allerdings ohne sich uber Natur und Umfang dieses Rechtes auszusprechen
Steht man darin auch nur eine Anerkennung des im Kanten Zug dem Emzelnen
im öffentlichen Gewässer zustehenden Angelfischereirechtes so ist eben
auch darin eine Nachwirkung des aus dem Eigentum

888 Civilrechtspflege.

der Markgenosseuschaft sich ergebenden tliutzungsrechtes der Genossen
am Gewässer zu erblicken, die sich trotz des im Jahre 1891

eingeführten Fischereiregals des Staates geltend machte. Unerhebs

lich ist sodann für die Frage des gegenwärtigen Fischereirechtes der
Gemeinden auch die vom Kanton Zug beigebrachte Erklärung der beiden
Gemeindepräsidenten vom 17. Februar 1862, dass laut Protokoll und
Beschluss die ganze Gemeinde Ägeri, bezw. beide Gemeinden Ägeri die
Artikel betreffend das Fischen im See undin den Bächen festsetzten und
dass der See gemeinsames politisches Gut beider Gemeinden sei. Selbst wenn
man diese Erklärung dahin verstehen wollte, dass die Rechte der Gemeinden
in Bezug aus dies Fischerei nicht privatrechtlicher, sondern hoheitlicher
Natur seien welche Ansicht nach den bisherigen Ausführungen der ganzen
Entwicklung des Rechtsverhältnisses widersprechen würde, so ist doch
flat, dass durch eine solche aus irrtümlicher Rechtsaufsassung beruhende
Erklärung an den wirklichen Rechten der Gemeinden nichts geändert
werden konnte, und zwar schon deshalb nicht, weil dieGemeindepräsidenten
zweifellos gar nicht ermächtigt gewesen wären über wesentliche Rechte
der Gemeinden zu verfügen, ganz abgesehen davon, dass die Erklärung
festgestelltermassen lediglich zur Verwertung in einem damals pendenten
Prozesse-, an welchem der Kanten nicht beteiligt war, ausgestellt wurde.

Nimmt man an, dass der See auch als öffentliches Gewässer Eigentum der
Gemeinden geblieben sei, so wäre dieses Fischereirecht am ganzen See nach
wie vor als eine aus dein Eigentum fliessende Befugnis anzusehen Sollte
dagegen nach zugerischem Rechte der Staat Eigentümer aller öffentlichen
Gewässer und somit auchdes Ägerisees sein, so wäre jenes Recht zum
dinglichen Recht an. einer fremden Sache geworden.

Die besprochene Fischereigerechtigkeit gehörte zum Nutzungsgut
der Gemeinden und musste daher, als im Kanton Zug in derMitte
des 19. Jahrhunderts die Ausscheidung der ursprünglich allgemeinen
Gemeinden in die Einwohner-, Bürger-, Kit-cl): undKorporationsgemeinde
erfolgte, normaler-weise der letztern als der Nachfolgerin der alten
Nutzungsgemeinde, an die das Allmendgut überging, zufallen (EUR 20 d. KV
von 1848, Gemeindegesetz von 1865), wobei den Korporationsgemeinden von
Oberund Unter-IX. Civilstreiügkeiten zwischen Kantonen und Privaten,
etc. NO 110. 889

ägeri als juristischen Personen (mit öffentlich-rechtlichem Charaktgch
das Fischereirecht zustand (A. S., Bd. XXI, S. 386 fl.) Sn Unterägeri ist
sodann durch den Beschluss der Korporattousgemeinde vom 18. März 1888 das
Seegebiet mit Jubegrtff allerv damit verbundenen Fischereigerechtsamen
der Einwohnergememde überlassen und dadurch dieser das Fischereirecht
am See (ob auch das Eigentum, kann nach dem in Erwägung 8 gesagten
dahingestellt bleiben) abgetreten worden, welche Abtretung von der
Einwohnergemeinde offenbar stillschweigend angenommen wurde. Gegen die
Zulässigkeit einer solchen Abtretung die vom Standpunkte des zugerischen
öffentlichen Rechts aus vielleicht nicht unzweifelhaft sein mochte und
gegen die Gültigkeit und Rechtswtrksamkeit des Beschlusses (soweit er,
als aus das Fischereirecht sich beziehend, hier in Betracht kommt)
ist durch den Kanton Zug keine Einwendung erhoben worden Auf Seite von
Unteragert ist daher die Einwohnergemeinde, die auch im vorliegenden
Prozess als Klägerin aufgetreten isf, als Trägerin des den beiden
Gemeinden des Ägeritals gemeinschaftlich zustehenden Fischeretrechtes
anzuerkennen Ob in Oberägeri ein ähnlicher Ubergang des Rechts von
der Korporationsgemeinde auf die Einwohnergememde stattgefunden hat,
ist den Akten nicht zu entnehmen ' '

Durch das im Jahre 1891 neu geschaffene tantonale Fischereiregal ist
das Anrecht der Gemeinden auf die Fischere: un Agerisee nicht berührt
worden. Jenes ans dem Privateigentum der Markgemeinde am See als einer
Allmend hervorgegangene Recht Ist, wie ausgeführt, nach der ganzen
geschichtlichen Entwieklung privatrechtlicher Natur. Privatrechte sind
aber im Erlass dmn 2,8, Oktober 1891 dem staatlichen Fischereiregal
gegenüber ausdruckltch gewahrt. _

Was endlich den Umfang des Rechts anlangt, so entspricht eswiederum der
historischen Entwicklung und folgt auch aus der Art und Weise seiner
Ausübung und ist vom 'Kantdn Zug eventuell auch nicht bestritten,
dass es sich räumlichan den ganzen See erstreckt und inhaltlich
jede Art von Fischeret umfasst, soweit in beiden Beziehungen nicht
Fischereigerechttgketten Dritter, 'wtesie auch im zweiten Klagebegehren
ausdrücklich Vorbehalten sind, entgegenstehen Für das staatliche
Fischereiregal bleibt somit in

890 Civilrechtspflege.

Bezug auf den Ågerisee kein Raum. Die Klage ist daher gemäss dem zweiten
Klagebegehren gutzuheissen.

Welche gegenseitigen Befugnisse die beiden Gemeinden des Ägeri:

tals hinsichtlich des ihnen gemeinschaftlich zustehenden Fischereirechts
haben, ist im vorliegenden Prozesse, wo lediglich der Bestand des Rechtes
dem Staate gegenüber in Frage stand, nicht zu bestimmen Demnach hat das
Bundesgericht erkannt:

Der Einwohnergemeinde Unterägeri steht das Fischereirecht im ganzen
Ågerisee zu. Hiebei sind vorbehalten die Miteigentumsrechte, sei es der
Korporations-, sei es der Einwohnergemeinde Oberägeri, sowie allfällige
private Fischereigerechtigkeiten Dritter. Im übrigen ist die Klage
abgewiesen.

X. Civilstreitig-keiten zwischen Bund und Privaten. Différends de droit
civil entre la Confédération et des particuliers.

111. Arten vom 1. Youtube:: 1905 in Sachen geerntet @Bersandfiahuen,
JJ.-G., KL, gegen Eidgenoffensajafi, Bekl.

Streitigkeit über die Auslegung einer Eisenbahnkonzession: Begriff des ((
Reineré mges a-Zs Voraussetzuan einer Taxreduk'iion. UnzuStändigkeit des
Bundesgerichts, wenn und weil über die Tam-- retieaktion komessiansgemzîss
die Bumlesversammlng zu entscheiden hat. Eisenbaknges. Art. 35 ; 39
Abs. 2; Art. 48 2277". 2 OG.

A. Die Konzession der Berner Oberlandbahnen vom 29. April 1887 enthält
in Art. 24 die Bestimmung: Wenn die Bahnuuternehxnung drei Jahre
nacheinander einen 6 9/0 übersteigenden Reinertrag abwirft, so ist das
nach gegenwärtiger Konzession

zulässige Maximum der Transporttaren verhältnismässig herabwiegen. Kann
diessalls eine Verständigung zwischen dem Bundes-X. civilstreitägkeiien
Zwischen Bund und Privaten. N° lil. 89}.

rate und der Gesellschaft nicht erzielt werden, so entscheidet
darüber die Bundesversaminlung. Dieselbe Vorschrift findet sich
in der Konzession für die Schynige Platte-Bahn, die der Berner
Oberland-Bahngesellschaft gehört und von ihr betrieben wirdÅber die
Anwendung dieser Konzessionsbestimmung ergab sich zwischen dem Bundesrat
Und der Klägerin eine Meinungsverschiedenheit hinsichtlich der Frage,
wie das Wort Reinertrag auszulegen sei. Der Bundesrat wollte darunter
den Ertrag des Aktienkapitals verstanden wissen und erachtete, da in den
Jahren i901, 1902 und 1903 von der Klägerin mehr als 6 0/0 Dividende
ausgerichtet worden war, die konzessidnsmässige Voraussetzung für die
Tarreduktion als ergeben. Die Klägerin dagegen vertrat den Standpunkt,
dass mit dem Reinertrag der Bahnuuternehmung der Überschuss der
Betriebseinnahmen über die Betriebsansgaben nach Abzug der Verwendungen in
Abschreibungsrechnung und unter Prozenten des Reinertrags das Verhältnis
des Einnahmeüberschusses zum konzessionsmässigen Anlagekapital gemeint
sei. Nach den Berechnungen der Klägerin blieb ihr Reinertrag in diesem
Sinn bisher unter 6 00.

B. Mit Klage vom 31. März 1905 haben die Berner Oberlandbahnen gegen den
schweiz. Bundesrat als Vertreter derEidgenossenschaft beim Bundesgericht
folgende Klagebegehren gestellt: si Das Bundesgericht wolle erkennen: _

'l. Dass unter dem Reinertrag der Bahnunternehmung m Art. 24 der
Konzession der Klägerin vom April 1887 zu verstehen ist der Überschuss
ihrer Bahnbetriebseinnahmen über ihre Bahnbetriebsausgaben nach Abng der
Verwendungen In Abschreibungsrechnung, und unter den Prozenten dieses
Peinertrages das prozentuale Verhältnis dieses Einnahmeüberschusses zu
dem konzessionsmässigen AnlagekapitaL ' ss

2. Dass eine Reduktion der Taer von der Klägerin erst verlangt werden
farm, wenn drei Jahre nacheinander ihre Bahnbetriebseinnahmen nach
Abng der Bahnbetriebsausgaben und der für die Erneuerung der Anlage
bezw. den Erneuerungssondsvgæ machten Verwendung mehr als h' 0/0 ihres
konzessionsmasstgen Anlagekapitals abwerfen sollten. .

Die Klägerin leitet die Kompetenz des Bundesgerichts zur Ver-
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 31 II 866
Datum : 02. Dezember 1905
Publiziert : 31. Dezember 1905
Quelle : Bundesgericht
Status : 31 II 866
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 866 Civilrechtspflege. 110. Anteil vom 2l. Dezember 1905 in Sachen Einwohnergemeinde


Gesetzesregister
OG: 48
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
gemeinde • see • fischerei • eigentum • regierungsrat • bundesgericht • weiler • frage • gemeinderat • beklagter • berg • fischereiregal • charakter • benutzung • gemeingebrauch • geschichte • genossenschaft • 19. jahrhundert • bestandteil • rechtsbegehren
... Alle anzeigen