542 Givilrechtspflege.

Civilpartei, d. h. an den Bund zu Verurteilen, mochte dieser nun
als Schweizerische Eidgenossenschast, Bund, Bundesfiskus oder als
Schweizerische Bandes-bahnen bezeichnet werden. Dass dies nicht
geschah ist umso unbegreiflicher, als die Restitution der bei Scholl
beschlagnahmten Gegenstände an deren Eigentümerin, die Schweizerische
cLsiiJgenossertschaftE versügt worden isf, trotzdem in dieser Beziehung
auch keine andern Rechtsbegehren als das vom Vertreter der Civilpartei
Name-ns der Schweizerischen Bundesbahnen gestellte vorlagen. Demnach hat
das Bandes-gerächt erkannt:

In Gutheissung der Berufung werden Niklaus Scholl und Johann Zurbuchen
solidarisch zu einer Entschädigung von 1755 Fr. und Niklaus Scholl
allein zu einer solchen von 1546 Fr. 87 (Bis beides nebst 5 0/0 Zins
seit 14. Juli 1904, an die Schweizerischen Bundesbahnen verurteilt.

Vergl. auch Nr. 72.VII. Givilstreitigkeiten zwischen Kantonen und
Privaten, etc. N° 71. 543

VII. Civilsbreitigkeiten Zwischen Kantonen einerseits und. Privaten oder
Korporationen anderseits. Difl'érends de droit civil entre des cantons
d'une part et des particulier-s ou des corporations d'autre part.

71. get-teil vom 17. Juli 1905 in Sachen gogh-gener, Kl., gegen Haut-m
Yaselftadt, Bekl.

Schadenersatz aus Eigentumsbeschränkung, spec. Beschränkung des
Grundeigentum durch Ziehung von Strassenund Baulim'en. Art. 5 K chm
Baseismdé ; g 1 baselstddt. Ges. über Abéîssetzmg mm Liegen-schaften,
von 1837; baSelséeäsit. Grossmtsdekret vom 11. Jemi 1896
bet-r. Ergänzung ask-IF Empropriatimzsgesgtzgs um 1837. g 13 litt. d
baseèstddt. Strasseeegesetz wei1909. Kompetenz des Bundesge-réchts,
Art. 48 Z. 4 OG; Civélrecktsstreitigkeit .

A. Am 22. Februar 1893 setzte der Regierungsrat des Kanfons Baselstadt,
in Anwendung von § 1 des baselstädtischen Gesetzes vom 29. August 1859
über Anlage und Korrektion von Strassen und über das Bauen an denselben,
die Bauund Strassenlinien für die Verlängerung der Maiengasse zwischen der
Mittleren Strasse Und der Hebelstrasse fest. Durch diese Baulinien wurde
auch die daselbst gelegene Liegenschast Sekt. I Parzelle 3565 betroffen,
die am 10. Juli 1895 der Kläger Reinhard Koch-Zeller in Basel käuflich
erwarb. Die Liegenschast bildete ein ungesähres mit den schmalen Seiten
an die Mittlere und an die Hebelstrasse anstossendes Rechteck von etwa-Z
über 70 Meter Länge und zirka 21 Meter Breite. Die gegen die erstere
Strasse zu gelegene Hälfte der Liegenschast ist zu einem grossen Teil
überbaut, der Rest dagegen nicht. Die damals projektierte und jetzt
ausgesährie Maiwgasse schneidet die Liegenschaft der ganzen Länge nach
an und reduziert die ursprüngliche Fassadenbreite an der Hebelstrasse
von 204/2 aus THIS Meter. Der Kläger drängte bei den Baubehörden

54-4 Civilrechispflege.

von Basetstadt daraus, dass die Bauund Strassenlinien aufgehoben oder
dass ihm sein Grundstück ganz oder teilweise abgenommen werde, jedoch
ohne Erfolg. Ein Baubegehren, das er im April 1900 einreichte, wurde
vom Baudeparteinent von Basel wegen Kollision mit den Baulinien der
Untern Maiengasse abgewiesen. Der Regierungsrat, an den der Kläger
hiegegen rekurrierte, trat in neue Verhandlungen mit ihm ein, die
jedoch nicht zu einer Änderung des bestehenden Zustandes führten. Der
Regierungsrat kam zwar in der Folge beim Grossen Rat um Bewilligung des
erforderlichen Kredites ein, um im Jahre 1901 bie Strasse durchzuführen
Allein der Grosse Rat lehnte mit Beschluss vom 23. Januar 1902 das
Kreditbegehren ab. Am 7. Februar 1902 reichte hierauf der Kläger beim
Baudepartement neuerdings ein Baubegehren ein für zwei Wohnhäuser nebst
Hintergebäuden an der Hebelstrasse. Mit Erkenntnis vom 10. Febmar 1902
wies das Baudepartement das Begehren wiederum ab, da die Projektierten
Gebäude zum grössten Teile in das Areal der Maiengasse zu stehen
kämen, deren Bauund Strassenlinien vom Regierungsrat am 22. Februar
1893 genehmigt worden seien, und da für die Erstellung von Gebäuden
und baulichen Einrichtungen nach § 1 des Hochbaugesetzes vom 27. Juni
1895 die von der zuständigen Behörde gezogenen Bauund Sirassenlinien
massgebend seien. Auch gegen diesen Entscheid rekurrierte der Kläger an
den Regierungsrat, erhielt aber unterm 15. Februar einen ablehnenden
Bescheid, mit der Bemerkung, der Regierungsrat habe die Frage einer
Aufhebung der Baulinien in Erwägung gezogen, aber beschlossen, sie
aufrecht zu erhalten. Nunmehr gelangte der Kläger an den Grossen Rat
des Kantons Baselstadt mit dein Begehren: Es sei dein vom Rekurrenten
am 7. Februar 1902 dem Baudepartement eingereichten Baubegehren zu
entsprechen, dem Rekurrenten zu gestatten, aus seiner Liegenschaft
die in jenem Baubegehren projektierten Gebäulichkeiten zu erftellen
und es sei dementsprechend die Bauund Strassenlinie der Maiengasse
zwischen Mittelstrasse und Hebelstrasse zu kassieren, insoweit fie die
Liegenschaft des Rekurrenten betrifft. Eventuell sei dein Regierungsrat
der zum gütlichen oder gerichtlichen Erwerb der Liegensehaft des
Unterzeichneten erforderliche Kredit pro 1902 zu bewilligen und der
Regierungsrat anzuweisen, die auf der ge-Vil. Civilstreitigkeiten zwischen
Kantonen und Privaten, etc. N° 71. 545

nannten Liegenschaft liegende Bauund Strassenlinie besörderlichst

,zu bereinigen. Alles unter Vorbehalt aller weiteren Rechte !

und Ansprüche des Unterzeichneten Der grosse Rat ging laut Beschluss
vom 10. Juli 1902 auf Antrag seiner Petitionskoin-

mission über den Rekurs Koch zur Tagesordnung fiber. Nach dein

Berichte der Petitionskominission beruhte der Beschluss auf der Erwägung,
der vom Rekurrenten angeführte Grund, daiz er in verfassungs-widriger
Weise in der Ausubung vseiner Rechte als Eigentümer gehindert werde,
sei nicht itichhaltig,spund auchmtp teriell sei der Antrag aus Aufhebung
der fraglichen Yaulitiien nicht begründet; das eventuelle Begehren tonne
ebenfalls nicht gutgeheissen werden da das Gesetz den Landeigentumern
nicht das Recht gebe, die Durchführung der Baulinien auf einen bestimmten
Zeitpunkt zu verlangen. Gegen diesen Beschlutz des Grossen Rates erhob der
Kläger den staatsrechtlichen Rekurs ans Bundesgericht mit dein Begehren,
es seien in Aufhebung des Beschlusses die Strasseiilinien der Maiengasse
zwischen Mittlerestrasse und Hebel-. strasse, soweit die Liegenschaft des
Klägers betreffend, zu kasiieren, eventuell es sei der Regierungsrat zur
Einleitung des Erfordpriationsverfahreiis für die projektierte Strasse
mnert Instaanhalten. Als Veschwerdegrund wurde geltend gemacht, dass
kanninale Gesetze, die im Widerspruch mit der Kantonsverfassung stehen,
im Einzelfall auf den Kläger angewendet worden seien. Die Ziehung von
Strassenund Baulinienz wie sie sowohl im alten Gesetze über Anlage
und Korrektion von Strassen und nber das Bauen vom 29. August 1859,
wie auch in dem an dessen Stelle getretenen Gesetze vom 13. Februar 1902
vorgesehen sei, enthalte zwar eine an sich nicht unzulässige Beschränkung
des Eigentums-. Allein dein Grundsatz des § 5 der Basler Verfassung
widerspreche es, wenn nicht das gleiche Gesetz den Staat verpflichte,
einerseits entweder in normaler Frist zur Erprosiriationv desnbelasteten
Grundstückes zu schreiten, oder, sofern er dies nicht furtunlich erachte,
die Strassenlinic wieder aufzuheben, und anderseits dem in der Benutzung
seines Grundstückes gehinderten Privaten alien ihm durch die Verfügung
entstandenen Schaden zu ersetzen. SZ feinem, den Rekurs abweisenden,
Urteil vom 20. November 1902

* In der Amt]. Samml. nicht publiziert. (Anm. d. Hed.f. Publ.)

546 Civil roch ts pflege .

stellte das Bundesgericht fest, dass die baselstädtische Gesetzgebung,
indem sie die mit der Festsetzung von Baulinien verbundenen
Eigentumsbeschränkungen nicht zeitlich beschränke, bezw. die Behörden
nicht verpflichte, eine Strasse, für welche die Baulinien festgelegt sind,
innert bestimmter Frist auszuführen oder die Baulinien aufzuheben, an sich
keine Verletzung der in § 5 der Basler KV aufgestellten Eigentumsgarantie
enthalte, weil (wosür auf Amtl. Samml. d. bg. E., Bd. XVII, S. 58
ff. verwiesen wurde) eine Begrenzung der zeitlichen Wirksamkeit solcher
Beschränkungen nicht erforderlich fei, um sie als in Einklang mit der
Unverletzlichkeit des Eigentums stehend erscheinen zu lassen, zumal
auch der gemeinwirtschaftliche Zweck derselben oft vereitelt würde,
wenn die Dauer der Beschränkung von vorneherein eine limitierte wäre. Die
Frage sodann, oh der Rekurrent einen verfassungsmässigen Anspruch darauf
habe, überhaupt und jetzt schon für die Baubeschränkungen Entschädigung
zu verlangen, oder ob er sich auf den Zeitpunkt der Durchführung des
Exprovriationsverfahrens, Bezw. der Aufhebung der Baulinien vertrösten
lassen müsse, sei nicht zu prüfen, da ein Entschädigungsanspruch vom
Rekurrenten bis jetzt gar nicht erhoben worden sei.

Im Jahre 1903 beschloss der Grosse Rat die Durchführung der Maiengasse
zwischen Mittlerestrasse und Hebelstrasse und bewilligte dem Regierungsrat
das Expropriationsrecht hiefür. Die Schätzungskommission als erste Instanz
im Expropriationsverfahren sprach durch Urteil vom 1. März 1904. dem
Kläger für 491 m?an die Strasse abzutretendes Land eine Entschädigung von
26,867 Fr. 50 Ets. zu und legte ihm einen Beitrag an die Strassenkosten
von 7179 Fr. 70 Ets. auf. Der Kläger hatte u. a. auch folgenden Antrag
gestellt: Es sei ihm die Geltendmachung seiner sämtlichen aus der Ziehung
der Strassenlinie und der Verzögerung der Expropriation entstehenden
Schadeuersatzanspräche gegen die Einwohnergemeinde Baselstadt bezw. den
Kanton Baselstadt vor den ordentlichen Gerichten vorzubehaltenz eventuell
falls die Schätzungskommission sich zu deren Beurteilung kompetem:
erklären sollte, so sei ihm eine Entschädigung von 18,065 Fr. 50
Ets. zuzusprechen. Hier ist im Urteil der Schätzungskommission bemerkt:
Die Frage zu entscheiden, ob Koch einen VII. Civilstreitigkeiten zwischen
Kantonen und Pm'vaten, etc. N° ?'1. 547

Schadenersatzanspruch geltend machen kann aus der Ziehung der
Strassenliuien, ist nicht Sache des heutigen Verfahrens, da sich dieses
nur mit den Folgen der Enteigung zu befassen hat Das Appellationsgericht
des Kantons Baselstadt bestätigte als zweite Instanz durch Erkenntnis vom
28. April 1904 das Urteil der Schätzungskommission mit einigen wenigen
hier nicht in Betracht kommenden Abweichungen.

B. Mit Klage vom 18. Juli 1904 hat R. Koch-Zeller gegen den Kenton
Baselstadt beim Bundesgericht folgendes Rechtsbegehren gestellt: Beklagter
sei zu verurteilen, dem Kläger 16,000 Fr. plus 5 0/Ü Zins vom Tage des
Eingangs der Klage an gerechnet auszuzahlen Die Begründung der Klage
stützt sich im wesentlichen auf Art. 5 KV von Baselstadt (das Eigentum
soll vor willkürlicher Verletzung gesichert sein Für Abtretungen, die der
allgemeine Nutzen erfordern sollte, ist nach gesetzlichen Bestimmungen
gerechte Entschädigung zu leisten), § 1 des bafelstädtischen Gesetzes über
Abtretung von Liegenschaften zum allgemeinen Nutzen von 1837 (Wenn der
Staat Veränderungen oder Verbesserungen an Strassen oder Verbindungsrvegen
irgend einer Art vornimmt, oder wenn deren neue angelegt, und wenn zu
diesem Behnf die Abtretung von Gebäuden oder Grundstücken notwendig
wird, so ist jeder Eigentümer verpflichtet, die betreffende Liegenschaft
gegen vollständige Entschädigung abzutretenitJ und § 13 litt-. d des
Strassengesetzes von 1902 (Dem Expropriaten ist zu vergüten: d. Eine
Entschädigung für den allfällig aus der Beeinträchtigung der bisherigen
gewerblichen oder sonstigen Benutzung der Liegenschaft, sowie für jeden
andern aus der Erpropriation erwachsenden Nachteil). Wenn nun auch, so
wird ausgeführt, nach den Strassengesetzen von 1859 und 1902 die Ziehung
von Strassenund Baulinien vorgängig der Erpropriation zulässig sei
und hierin (nach dem Urteile des Bundesgerichts vom 26. November 1902)
eine verfassungs-widrige Eigentumsbeschräukuug nicht gefunden werden
könne, so entspreche es doch dem verfassungsmässigen und gesetzlichen
Postulat der gerechten Entschädigung-C der Entschädigung jedes Nachteils
aus der Expropriation, dass für den aus solcher Eigentumsbeschränkung
dem Eigentümer erwachsenden Schaden Ersatz geleistet werde. Denn die
Legung einer

548 ciriirechtspilege.

Strassenund Baulinie sei eine die Erpropriation vorbereitende Handlung,
und der Schaden hieraus gehöre mit zu dem aus der Abtretung entftehenden
Schaden im Sinne der Kantonsverfassung und des Erpropriationsgesetzes, für
den gerechte Entschädigung zu leisten sei. So gut wie der (Eigentümer, bei
dem die Ziehung der StrassenUnd Baulinien mit der Expropriation zeitlich
zusammenfalle, voll entschädigt werde, ebenso gut müsse ein Eigentümer
voll entschädigt werden, auf dessen Grund und Boden saht-zehntelang vor
der Abtretung ein Bauverbot gelasiet habe. Den Grundsatz, dass derartige
Bauverbote den Staat zum Ersatz des daraus resultierenden Schadens
verpflichten, habe der baselstädtische Gesetzgeber in einem Einzelfall
anerkannt, der mit der Abtretung zum gemeinen Nutzen nicht einmal, oder
doch nur indirekt im Zusammenhange stehe. Durch Grvssratsbeschluss vom
11. Juni 1896 eireffend Ergänzung des Expropriationsgesetzes von 1837
sei bestimmt worden, dass der Regierungsrat schon dann ein provisorisches
Bauverbot auf eine Privatliegenschast legen könne, wenn eine bundesoder
kantonalrechtliche Erpropriation zu gewärtigen, das Expropriationsrecht
aber noch nicht bewilligt sei, und dass die Eigentümer von Liegenschaften,
denen dergestalt die Ausführung von Bauten oder die Vornahme von
Veränderungen verboten wird, berechtigt seien, Ersatz für denjenigen
Schaden zu verlangen, der ihnen durch das provisorische Bauverbot
entsteht. Damit habe der Gesetzgeber anerkannt, dass mit der Abtretung
zusammenhängende, vor deren Durchführung bestandene Baubeschränkungen
den Staat zum Ersatze des Schadens verpflichten Umso mehr müsse dies bei
Baubeschränkungen infolge von Bauund Strassenlinien gelten, die definitiv
seien und in der Folge sicher zu einer Erpropriation führten Nun werde
aber im Expropriationsverfahren eine Entschädigung nur für den Wert von
Grund und Boden und die damit in direktem Zusammenhang stehenden Nachteile
der Abtretung vergütetz dagegen seien die Expropriationsinstanzen, wie
sich aus dem Urteil der Schätzungskommisfion ergebe, nicht kompetent
zur Beurteilung der Frage, ob dem Expropriaten für die der Abtretung
vorangehende Baubeschränkung eine Entschädigung gebühre. Der Kläger sei
daher genötigt, den letztern Schaden mit einer besondern Klage geltend zu
machen,Yll. civilstreitigkeiien Zwischen Kantonen und Privaten, etc. N°
71. 549

zu deren Behandlung das Bundesgericht nach Art. 48 Ziff.4OG
kompetent sei. Der Kläger beruft sich beiläufig und ohne nähere
Begründung auch aus Art. 9 KV, wonach Behörden und Beamte für ihre
Verrichtungen verantwortlich und für Schaden haftbar sind und daherige
Schadenersatzansprüche unmittelbar gegen den Staat gerichtet werden
können. Den aus der Eigentumsbeschränkung und der daherigen Unmöglichkeit
der baulichen Ausnutzung des Landes ihin erwachsenen Schaden bezisfert der
Kläger auf Grund einer detaillierten Aufstellung, für deren Richtigkeit
er sich auf Expertise beruft, auf 16,000 {gr.

C. Der Kanton Baselsiadt hat in seiner Klageantwort auf Abweisung
der Klage angetragen. Die Begründung geht davon aus, dass nach
bundesgerichtlicher Praxis aus Gesetz beruhende Eigentumsbeschränkungen,
wie sie z. B. aus Strassenund Baulinien resultieren, mit der
Verfassungsgarantie des Eigentums vereinbar seien und dass der Eigentümer
speziell keinen verfassungsmässigen Anspruch daraus habe, dass nach
Festsetzung von Strassenund Baulinien für Strassenanlagen sofort oder
innert einer gewissen Frist zur DurchführungL der Strassenbaute und zur
Expropriation hiefür geschritten werde. Es sei aber auch ein Postulat der
zweckmässigen Regelung der baulichen Entwicklung einer Stadt, dass die
Bauund Strassenlinien für Strassen über das momentane Bedürfnis hinaus
festgesetzt werden könnten. Das baselsiädtische Strassengesetz von 1859,
wie auch dasjenige von 1902, ermächtigten die Behörden zur Aufstellung von
Bauund Strassenlinien, ohne sie zur Ausführung der betreffenden Strassen
sofort oder innert Frist zu verpflichten Eine solche Verpflichtung sei
vielmehr mit aller Deutlichkeit ausgeschlossen, indem das Gesetz von
1859 und ähnlich auch dasjenige von 1902 zwischen der Festsetzung der
Strassenund Baulinien und ihren Folgen einerseits und der Ausführung der
Strasse11bauten anderseits scharf unterscheide, und in § 5 diese beiden
Momente als zeitlich auseinanderliegend bezeichne. Die Gesetzgebung
von Baselstadt habe also von der verfassungsmässigen Befugnis Gebrauch
gemacht und die Festsetzung von Bau: und Strassenlinien für zukünftige
Strassenanlagen vorgesehen, ohne die damit verbundene Beschränkung der
Liegenschaftseigentümer zeitlich irgendwie zu begrenzen.

550 civilreehispiiege.

Was die Entschädigungssrage anbetreffe, so werde von den beiden
Strassengesetzen von 1859 und 1902 eine Entschädigung nur für den
Entzng des Eigentums zugebilligt und nicht für eine vorangehende
Eigentumsbeschränkung. Das Gesetz von 1859 verweise in dieser Beziehung
auf das Erpropriationsgesetz von 1837, das dem Expropriaten den Ersatz
des wahren Wertes der abzutretenden Liegenschaft und alles weitern mit
der Abtretung verbundenen Schadens zusichere, und auch das neue Gesetz
von 1902 beschränke den Anspruch des Expropriaten auf den Ersatz der
abgetretenen Bermögenswerte und des weitern durch die Exprovriation
erwachsenden Nachteils. Ein Anspruch entstehe also erst mit der Abtretung
und durch diese. Es gehe danach nicht an, die Festsetzung von Strassenund
Baulinien als einen zur Erpropriation gehörenden Akt zu behandeln, zumal
auch eine solche Eigentumsbeschränkung etwas von der Enteignung durchaus
verschiedenes sei, indem der Staat nicht wie bei der letztern Befugnisse
des Eigentümers an sich ziehe. Auch die Berufung auf Art. 5 , KV gehe
daher fehl, weil es sich eben nicht um eine Entschädigung aus Abtretung
handeln könne. Ebensowenig könne der Hinweis aus das Grossratsdekret vom
11. Juni 1896 die Klage stützen; denn das dort vorgesehene Bauverbot
gehe über den Begriff einer Eigentumsbeschränkung insofern hinaus,
als es die Dispositionsbesugnis des Eigentümers über die Liegenschast
eigentlich suspendiere. Diese einschneidende Wirkung habe den Gesetzgeber
veranlasst, die Massregel zeitlich zu beschränken und dem Staate eine
Entschädigungspflicht auszulegen. Vorliegend seien die streitigen Bauund
Strassenlinien auch unbestrittenermassen von den zuständigen Behörden
und in gesetzlicher Weise aufgestellt, und die Entschädigung des Klägers
als Expropriaten sei von den kaumnalen Jnstanzen in unanfechtbarer
Weise Unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Verhältnisse
festgestellt worden. Bei dieser Sachlage sei eine weitere Forderung
nur denkbar, wenn sie gestützt werden könnte auf eine Schädigung durch
widerrechtliche Handlungen von Organen der öffentlichen Verwaltung
(am. 9 KV); doch könne von einer solchen Widerrechtlichkeit, die vom
Kläger auch gar nicht einmal behauptet werde, nach dem gesagten keine
Rede sein. Eventuell hat der Beklagte die klägerische Schadensberechuung
bestritten VII. Civilstreitigkeiten zwischen Kantonen und Privaten,
etc. N° 71. 55}

D. In der Replik hat der Kläger daran festgehalten, dass zur
gerechten Entschädigung im Sinne der Kantonsverfassung und des
kantonalen Erpropriationsgesetzes auch der Schadenersatz für eine
Eigentumsbeschränkung wie die in Frage stehende gehöre. Es müsse daher
dem Expropriaten das Recht zustehen, die Gerechtigkeit der Entschädigung
anzufechten. Allerdings könne er vor Bundesgericht nicht die auf freier
Würdigung des Expropriationsgerichts beruhende Bemessung eines Schadens
anfechten. Wohl aber sei er berechtigt, eine prinzipielle Ungleichheit,
welche mit dem Begriffe gerechter Entschädigung unvereinbar sei und wie
sie hier vorliege, zu rügen.Die Legung von Strassenliuien bereite die
Expropriation vor. Jhr Zweck sei einzig und allein der, die zukünftige
Abtretungspflicht des davon Betroffenen zu konstatieren Das liege
im Interesse des Staates; denn nunmehr sei der davon Betroffene an
der Bebauung des betreffenden Landes verhindert. Wenn es dann zur
Expropriation komme, so sei die Entschädigungspslicht des Staates eine
geringere; denn er brauche nur Grund und Boden, nicht auch den Wert von
allsällig nachher errichteten Gebäulichkeiten zu ersetzen. Dagegen gehe
es keinesfalls an, die Legung von Strassenlinien von der Durchführung
der Strasse dergestalt zu trennen, dass gesagt werde, nur für diese,
nicht für jene werde Entschädigung geschuldet. In diesem Grundsatz würde
vielmehr eine Ungleichheit liegen, welche mit dem Prinzipe gerechter"
Entschädigung unvereinbar wäre. Denn es sei zweifellos ungerecht,
wenn im einen Falle, bei sofortiger Expropriation, volle, iin andern
Falle, bei vorangehender langandauernder Baubeschränkung, nur teilweise
Entschädigung geleistet werde. Zur Dutdung dieser Strassenlinie könne das
Gesetz den Eigentümer allerdings verpflichten, und zwar auf unbestimmte
Beit; aber die von der Verfassung garantierte gerechte Entschädigung könne
es nicht in Wegfall bringen. Der vom Beklagten behauptete prinzipielle
Gegensatz zwischen dem provisorischen nach positiver Gesetzesvorschrift
den Staat zur Entschädigung verpflichtenden Bauverbot und einer ans
Strassenund Baulinien resultierenden Eigentutnsbeschränkung bestehe
nicht. Gerade im vorliegenden Falle habe die Strassenlinie den Kläger
im gleichen Umfang an der Bebauung feines Landes gehindert, wie es ein
provisorisches Bauverbot getan hätte. Zn beiden Fällen handle es

552 Civilrechtspflege.

sich um eine von der eventuellen Abtretungspslicht des Betroffenen
bedingte Massregel, die hier wie dort nach dem Grundsatz derVerfassung
prinzipiell die Entschädigungspsiicht des Staates begründen müsse-

E. In der Duplik hat der Beklagte die Ausführungen der Klageautwort
bestätigt.

F. Beim Rechtstag haben sich die Parteien damit einverstanden erklärt,
dass das Bundesgericht in erster Linie die prinzipielle Frage der
Schadenersatzpslicht entscheide und von einer Beweiserhebung durch
Expertise über Eristenz und Umfang eines Schadens vorerst Umgang
genommen merde.

G. In der heutigen Hauptverhandlung vor Bundesgericht haben die
Parteivertreter ihre Anträge wiederholt und neuerdings begründet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

i. Die Kompetenz des Bundesgerichts zur Behandlung des vorliegenden
Rechtsstreits, die von Amtes wegen zu prüfen ist, ist nach Art. 48
Ziff. 4 OG, wenigstens zu einem Teil, gegeben. Parteien sind ein
Privater und ein Kanton, der erforderliche Streitwert von 3000
Fr. ist vorhanden, und der mit derKlage geltend gemachte Anspruch
auf Ersatz des Schadens, derdem Kläger aus der mit der Ziehung einer
Strassenund Baulinie verbundenen Eigentumsbeschränkung erwachsen ist,
erscheint als ein zivilrechtlicher im Sinne des Organisationsgesetzes
(undder Bundesverf. Art. 110). Ein derartiger Schadenersatzanspruch aus
Bauverbot ist nämlich seinem rechtlichen Charakter nach dem Anspruch
aus Entschädigung bei der Enteignung durchaus verwandt, indem beide auf
Ausgleich des Vermögensnachteils gerichtet sind, den der Eigentümer
einer Liegenschaft infolge eines (gesetzlich-zulässigen) Eingriffs
der öffentlichen Verwaltung oder einer öffent- lichen Unternehmung
erleidet, nur dass der Eingriff in letztern Fall viel intensiver ist,
als im erstern. Die Entschädigungspflicht bei der Erpropriation,
deren juristische Natur in der Doktrin allerdings bestritten ist
(s. z. B. O. Mayer, Verwaltungsrecht II, S. 43 einerund Wa ch,
Handbuch des Civilprozessrechts I, S. 97 anderseits), ist aber in der
bundesgerichtlichen Praxis von jeher als dem Privatrecht angehörig
betrachtet worden, und dass sie speziell als zivilrechtlich im Sinne
des Art. 48 I. c.. zu bezeichnen ist, ergibt sich zwingend daraus, dass
das Gesetz vonVII. Civilstreitigkeiten Zwischen Kantonen und Privaten,
etc.. N° 71. 553

der Bestimmung der Ziffer 4 eigentliche Erpropriationsstreitigkeiten
ausdrücklich ausschliesst und zwar, wie die Entstehungsgeschichte der
ANAS zeigt (s. Botschaft d. Bundesrates zum OG, S.27 ff.), nicht etwa,
weil Zweifel über deren zivilrechtlichen Charakter bestanden hätten,
sondern weil und soweit in den Kantonen hiefür ein besonderes Verfahren
besteht, neben welchem eine konknrrierende Kompetenz des Bundesgerichts
als unzweckmässig und entbehrlich erschien. Das Bundesgericht wäre
vorliegend allerdings dann unzuständig, wenn es sich nicht bloss um eine
ihrer rechtlichen Natur nach dem Entschädigungsanspruch des Erstropriaten
verwandte, sondern um eine eigentliche @):prriationsytreitigfeit, d. h. um
eine nach vositivem kantonalem Recht im besondern Erdwpriationsverfahren
zu erledigende Streitigkeit handeln würde. Dies ist aber, wie sich aus
den nachfolgenden Erwägungen ergeben wird, nach der Art und Weise der
Klagebegründung nur zu einem Teil der Fall, so dass jedenfalls im übrigen
auf die Klage einzutreten ist.

2. Der Kläger anerkennt mit Recht, dass die Behörden des Kantons
Baselstadt nach Verfassung und Gesetz befugt waren, die Strassenund
Baulinien der untern Maiengasse zu ziehen, ohne zur sofortigen
Ausführung der Strasse und zumaErfwerbe des hier erforderlichen Landes
auf dein Wege der Verstandigung mit den betroffenen Grundeigentiimern
oder der Enteignung· vespflichtet zu fein, und dass somit der aus der
Strassenltnie sur deu Kläger resultierende Eingriff in seine Befugnisse
als Grundeigentümer, der sich in einein Bauverbot in Bezug auf das kunfnge
Strassenareal äusserte, rechtlich zulässig war. Es steht denn auch in
der bundesgerichtlichen Praxis fest, dass derartige auf gesetzlicher
Grundlage beruhende Eigentumsbeschränkungen, die nian auch Legalservituten
oder öffentlich-rechtliche Grunddienstbarkeiten nennen mag, gegen die
Eigentumsgarantie, wie sie sich m den meisten Kantonsoerfassungen und
so auch in derjenigen von Baselstadt (Art. 5) findet, nicht verstossen,
und das Bundesgertcht hat dies insbesondere auch schon in baselftädtischen
Fallen ausgesprochen und zwar gerade für die Beschränkung der Baufreiheit,
die sich aus den in Anwendung des Strassengesetzes VW 1859 (53) gezogenen
Bauund Strassenlinien ergibt und speziell auch sur den Fall des Klägers
(s. das Urteil in Sachen Wettnauer, Amtl.

554 Givilrechtspflege.

Samml. XVII, S. 59 f. und das Urteil in Sachen des Klägers vom
20. November 1902). Der Kläger fordert also mit der Klage Ersatz des
angeblichen Schadens-, der ihm, nicht aus rechtswidrigem Verhalten der
Behörden, sondern aus der rechtmässigen auf Gesetz beruhenden Tätigkeit
der öffentlichen Verwaltung entstanden sein soll, und es muss daher der in
der Klageschrift beiläufig angerufene, in der Replik und in der heutigen
Hauptwehandlung dagegen stillschweigend übergangene Art. 9 der KV, der
die Schadeuersatzpflicht des Staates für Handlungen fehlbarer Behörden
und Beamten statuiert, als rechtliches Fundament der Klage ohne weiteres
dahinfallen. Im übrigen ist zuzugestehen, dass die Rechtmässigkeit des
Eingriffs die Entschädigungspflicht des Staates oder des Gemeinwesens
noch nicht ausschliesst Aber wenn es auch in vielen Fällen ein Postulat
der Gerechtigkeit sein mag, dem in den Gesetzgebungen in manigfacher
Weise Rechnung getragen ist, dass, wenn durch solche rechtlich zulässige
Eingrifse der Verwaltung den einzelnen der Allgemeinheit gegenüber
Opfer zugemutet werden, ein Ausgleich des Vermögensnachteils erfolge,
so kann doch ein allgemein gültiger Rechtssatz des Inhalts, dass Staat
oder Gemeinwesen für jeden aus der rechtmässigen Tätigkeit ihrer Organe,
und speziell der Verwaltung, entstandenen Nachteil dem Eigentümer Ersatz
schulden, nicht anerkennt werden, und es ist ein solcher Rechtssatz vom
Kläger, dem gemäss arms BEP der Nachweis des kantonalen Rechts oblag,
auch nicht etwa für Baselstadt behauptet worden. Vielmehr muss sich der
Anspruch auf Schadensausgleich im einzelnen auf eine besondere Rechtsnorm,
die für mehr oder weniger umsassende Tatbestände bestehen mag, stützen
können. Es ist daher zu prüfen, ob ein solcher Rechtssatz vorliegend
vorhanden isf, der für eine Eigentumsbeschränkung, wie sie dem Kläger
auferlegt war, Entschädigung gewährt.

3. Der Kläger macht geltend, dass die Ziehnng der Strassen-· linien
mit der später nachfolgenden Erpropriation für die Ausführung der
Strasse im engsten Zusammenhang stehe und dass die Vergütung des daraus
dem Grundeigentümer entstehenden Schadens mit zu der vollständigen
Entschädigung oder zur Entschädigung jeden aus der Expropriation
erwachsenden Nachteils- gehöre-, auf die der Abtretende nach dem
kantonalen ExpropriationsgesetzVII. Civilstreitigkeiten zwischen Kantonen
und Privaten, etc. N° 71. 555

von 1837 (§ 1) und auch nach dem Strassengesetz von 1902 {g 13
Iitt. (i) Anspruch hat. Die Klage wird somit u. a. auf die letztern
Gesetzesbestimmungen gestützt. Wenn diese Argumentation richtig wäre
und danach die dem Abtretenden für das Strassenareal geschuldete
Erpropriationsentschädigung auch jenen Schaden aus den schon vorher
bestehenden Strasseniinien und dem entsprechenden Bauverbot in
sich begreifen würde, so wäre der Schaden zweifellos im kantonalen
Expropriationsverfahren zu liquidieren und das Bundesgericht
könnte sich nach Arn-is Ziff-L Schlussalinea, OG, weil es sich
um eine Expropriationsstreitigkeit handeln würde, mit der Sache
nicht befassen. Der Umstand, dass die Schätznngskommission und
ihr folgend das Appellationssi gericht die Kompetenz der kantonalen
Gerichtsinstanzen im Ermopriationsverfahren in Bezug auf die betreffende
Schadenersatzforderung des Kiägers verneint haben (in welchem Sinn wohl
die Bemerkung der Schätzungskommission, es sei diese Frage nicht Sache des
damaligen Verfahrens, aufzufassen ist), könnte hiebei für die Frage der
Zuständigkeit des Bundesgerichts nichts verschlagen, weil eben bei der
gedachten Gesetzesauslegungadiese Kompetenzablehnung zu Unrecht erfolgt
ware. Die erwahnten Bestimmungen des baselstädtischen Expropriationsrechts
können daher ais rechtliches Klagefundament im Verfahren vor Bundesgericht
nicht weiter in Betracht kommen, und es ist nicht zu untersuchen, ob
die Interpretation, die ihnen der Kläger gibt, richtig ist.

4. Der Klaganspruch wird sodann vor allem aus dem Satz in Art. 5 KV
hergeleitet, wonach für Abtretungen, die der allgemeine Nutzen erfordern
sollte, nach gesetzlichen Bestimmungen gerechte Entschädigung zu leisten
isf. Allein auch diese Verfassungsnorm ist nicht geeignet, der Klage als
Grundlage zu dienen. Einmal stellt sie nach ihrem Wortlaut lediglich
ab auf die einschlagigen expropriatiousrechtlichen Bestimmungen der
Gesetze,neben denen sie keinen selbständigen Enschädigungsanspruch
zu gewahren scheintWenn man aber auch annehmen wollte, dass aus der
Verfassung direkt auf Entschädigung geklagt werden könnte, so wäre doch
die Vorschrift, dass für Abtretung volle Entschädigung zu leisten )ei,
nur auf die Erpropriation zu beziehen, d. h. aut den Entng von Eigentum
(und eventuell dinglichen Rechten) seitens des Staates

.xxxl, 2. 4905 37

556 ' Civilrechtspflege.

oder einer öffentlichen Unternehmung und nicht aus die blosse Beschränkung
der Benutzung des Eigentums im öffentlichen Interesse, die mangels
eines Erwerbs auf Seite des Staates oder des Gemeinwesens unmöglich als
Abtretung bezeichnet werden kann, und die Frage könnte daher wiederum nur
die sein, ob ein Schaden aus einer Eigentumsbeschränkung der letztern Art,
wie sie hier vorliegt, wegen des Zusammenhangs mit der Expropriation
in der gerechten Entschädigung für die Abtretung untzuberücksichtigen
sei. Diese Frage wäre aber, wie sich aus der vorangehenden Erwägung
ergibt, im kantonalen Expropriationsverfahren zu lösen gewesen und sie
würde sich daher der Kognition des Bundesgerichts , als Civilinstanz auch
unter dem Gesichtspunkt einer Auslegung der Kantonsverfassung entziehen,
während sie vielleicht im Wege des staatsrechtlichen Rekurses gegen
die kantonalen Erpropriationsurteile dem Bundesgericht zur Entscheidung
hätte vorgelegt werden können.

5. Einen Satz des positiven Gesetzesrechts von Baselstadt, nach dem
für den Schaden infolge einer an der Feststellung der Strassenlinie
hängenden Eigentumsbeschränknng der vorliegenden Art unabhängig von
der Erpropriation Entschädigung zu leisten wäre, hat der Kläger nicht
behauptet. Ebensowenig kann ein Gewohnheitsrecht in Frage kommen; der
Vertreter des Klägers hat heute selber erklärt, dass ein ähnlicher Fall
noch nie von den kantonalen Gerichten entschieden worden sei, und er
hat auch nicht behauptet, dass andere Grundeigentümer unter analogen
Verhältnissen vom Staate entschädigt worden seien. Es kann sich daher
nur noch fragen, und das liegt jedenfalls mit in den Ausführungen
des Klägers, ob vorliegend die Ersatzpslicht des Staates auf einen
allgemein herrschenden Rechtsgrundsatz gegründet werden kann, der dem
Gemeinwesen für Schaden aus Eigentumsbeschränkung der vorliegenden Art die
Ersatzpslicht auferlegen und der beim Fehlen einer abweichenden Norm des
positiven Rechts auch für Baselstadt Gültigkeit beanspruchen würde. Aus
solchem Gedankengang ist es wohl zu verstehen, wenn der Kläger mit
Nachdruck auf das Grossratsdekret vom 11. Juni 1896 betreffend Ergänzung
des Erpropriationsgesetzes von 1837 verweist, wodurch das Institut
des provisorischen Bauverbotes für Liegenschasten, die nach kantonalem
oder eidgenössischetn Recht expropriiert werdenVII. Civilstreiiigkeiten
zwischen Kantonen und Privaten, etc. N° 71. 557

können, eingeführt worden ist und die betroffenen Liegenschaftseigentümer
schadenersatzberechtigt erklärt sind. Offenbar soll die letztere
Bestimmung als Ausfluss eines allgemeinen Prinzips in Anspruch genommen
werden, wonach auch bei definitiven Bauderboten aus Strassenlinien
Ersatz zu leisten ware. Indessen hat diese Argumentation von vornherein
die Erwägung gegen sich, dass man es bei jener Ersatzpslicht des Staates
ohne Frage mit einer gerade des provisorischen Charakters der Massregel
wegen aufgestellten Vorschrift, also mit einer Spezialnorm zu tun hat, aus
der doch wohl nicht im Wege der Analogie die Existenz eines umfassenden
Rechtssatzes gefolgert werden kann. Das Grossratsdekret liesse sich für
die vorliegende Frage viel eher im ent- gegengesetzten Sinn verwerten,
dass nämlich aus der Festsetzung der Enschädigungspslicht des Staates bei
dem bestimmten eng umschriebenen Tatbestand des provisorischen Bauverbots
die Nichtanerkennung der Ersatzpflicht bei gesetzlich begründeten
definitiven Bauverboten, insbesondere solchen aus Strassenlinien sich
ergebe. Im übrigen könnte ein allgemein gültiger Rechtsgrundsatz
mit dem angedeuteten Inhalt höchstens dann angenommen werden, wenn
in Gesetzgebung, Doktrin und Praxis gemeinhin zugestanden ware,
dass für eine Eigentumsbeschräukung der fraglichen Art Schadenersatz
zu leisten ist Gerade in dieser Beziehung hat es aber der Kläger an
allenNachweisen fehlen lassen, und es kann denn auch hievon keine Rede
sein. Einmal ist von einer herrschenden schweizerischen Rechtsanschauung
auf eidgenössischem oder kantonalem Gebiet in diesem Sinne gewiss nicht
zu sprechen. Jusbesondere kann hier am. 23 des eidg. Expr.-Ges. nicht
herangezogen werden, der von der Einschränkung des freien
Verfügungsrecht-Z infolge des Erpropriationsbannes, d. h. der Einleitung
der Expropriation und der hiefür zu leistenden Entschädigung handelt,
während vorliegend in Frage steht, ob für ein Bauverbot unabhängig von
der Enteignung Schadenersatz geschuidet werde. Und was die ausländische,
speziell deutsche Gesetzgebung, die hier namentlich in Betracht kommen
möchte, anbetrisst, so gilt es (wie der Zusammenstellung bei Stengel,
Handbuch des deutschen Verwaltungs-rechts II, Art. Strassenfluchtlinien,
S. 588, § 9 zu entnehmen ist) nach der Mehrheit der Gesetzgebungen als
Regel, dass für die Beschränkungen, denen Benutzung und Verwertung

558 Ci vilrechtspflege.

der durch die Fluchtlinienfeststellung betroffenen Grundstücke
unterworfen sind, keine selbständige Entschädigung unabhiingig von
der Erpropriationsentschädigung zu gewähren ist. Dass sodann die
deutsche Gerichtspraris da, wo die Frage nicht durch Gesetz gelöst
ist, durchweg in solchen Fällen Entschädigung spreche, ist in keiner
Weise ersichtlich (s. z. B. O. Mayer, Verwaltungsrecht II, S. 175,
Note 14, und Gierke, Privati-echt H, S. 412, Nr. 37). Und in der
Doktrin endlich wird keineswegs allgemein oder überwiegend der
Satz als geltendes Recht vorgetragen, dass für derartige durch das
Gesetz auferlegte Eigentumsbeschränkungeu und speziell solche aus
Strassenlinienfeststellung, die sich in einem Bauverbot hinsichtlich
des künftigen Strassengebietes äussern, (selbständig) Schadenersatz
geschuldet merde. Soweit die Frage überhaupt behandelt wird, scheint
es vielmehr im entgegengesetzten Sinn zu geschehen, dass nämlich
das Prioatinteresse dem öffentlichen sich unterordnen müsse. Hiebei
wird, was speziell die Strassenlinien anlangt, u. a. betont, dass im
allgemeinen die dadurch vorbereiteten neuen Strassen in erster Linie den
Anstössern Vorteil bringen, indem sie namentlich bisheriges Hinterland
als Bauland erschliessen (diese Wirkung hat die Maiengasse in Bezug aus
das klägerische Grundstück in der Tat auch gehabt), welche Vorteile,
auch unter Berücksichtigung der Strassenbeitragspflicht, in der Regel den
Nachteil aus dem vorangehenden Bannerino! ausgleichen dürfen und dass
eine Entschädigungspflicht des Gemeinweseus nur in Frage kommen "kann,
wenn die Eigentumsbeschränkung dem Eigentümer besondere Opfer auferlegt,
d. h. gerade ihm speziell einen unmittelbar greifbaren Schaden bewirkt,
welche Voraussetzung durch eine auf Gesetz beruhende Belastung, mit der
jeder Grundeigentümer in gewisser Lage von vornherein rechnen muss und
zudem durch ein blosses zeitlich beschränktes Vauda-Bot, das nur die
Realisation eines künftigen, nicht einmal sichern Gewinns ausschliesst,
nicht wohl als erfüllt zu betrachten wäre (s. z. B. Leuthold, Das
deutsche Baupolizeirecht, in Hirths Annalen des deutschen Reichs,
S. 859; O. Mauer-, a. a. O. Il, S. 175 f., 851 ff.; A. Schweizer,
die modernen Baubeschränkungen mit besonderer Berücksichtigung der
schweig. Rechtsquellen, Zürich 1896, S. 110 ff.).

8. Nach diesen Ausführungen ist der
EntschädigungsanspruchVIII. Civilstreitigkeiten vor Bundesgericht als
forum prorogatum. N° 72. 559

des Klägers heute schon als grundsätzlich unbegründet abzuweisen, ohne
Rücksicht auf die nach gegenwärtiger Aktenlage nicht liquide Frage,
ob überhaupt ein Schaden entstanden sei. Hiebei soll immerhin die
Frage ausdrücklich vorbehalten werden, ob eine Ersatzpflicht bestehen
würde, wenn auf die Erstellung der Strasse, für die die Strassenlinien
festgestellt waren, nachträglich verzichtet, oder wenn die Ausführung
der Strasse und zwar vom Standpunkt des öffentlichen Interesses des
Gemeinwesens aus was vom Kläger hier nicht behauptet ist ungebührlich
verzögert wird. Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

VIII. Civflstreitigkeiten, zu deren Beurteilung das Bundesgericht von
beiden Parteien angerufen worden war. Difl'érends de droit civil portes
devant le Tribunal fédéral par conventions des parties.

72. germe vom 29. Heptemser 1905 in Sachen Inkra-Himpronsgsahngeleliiehaft
in Jiquidation, KL, gegen schweizetische Yaadesbahuem Bekl.

Séreite'gkeit aus dem Bückkaufvertmg des Bundes mit der
Jam-SimpéonBadngffseilschafl: Behandlung der Rücktrittsentschddigungen
cm die Direktionsmitglieder etc. Simi sie von der Gesellschaft (aus der
Rück-kaufssumme bezw. den Liguidationskoste-n } See Mitten-, oder sind
sie vom Bund {thema-mmm? Art. 1, 4, 7, 9, des Bäckkaufseertmges. -BGP
Art. 129, 130.

A. Im Verlaufe der Rückkaufsunterhandlungen des schweiz. Bundesrates
mit der Jaritt-SiniplomBahngesellschaft wurde am 5. Mai 1902
eine Präliminarvereinbarung abgeschlossen, inhaltlich deren die
Zum:SitnplonBahngeÎeflschaft ihr gesamtes bewegliches und unbewegliches
Vermögen- auf 1. Januar 1903
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 31 II 543
Datum : 17. Juli 1905
Publiziert : 31. Dezember 1905
Quelle : Bundesgericht
Status : 31 II 543
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 542 Givilrechtspflege. Civilpartei, d. h. an den Bund zu Verurteilen, mochte dieser


Gesetzesregister
OG: 48
Stichwortregister
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schaden • bundesgericht • frage • baulinie • regierungsrat • kv • eigentum • erwachsener • verfassung • weiler • schadenersatz • benutzung • kantonsverfassung • beklagter • frist • koch • wert • richtigkeit • postulat • charakter
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