220 Civilrechtspflege.

Die Berufung des Beklagten ist daher abzuweisen und das Urteil des
Obergerichts des Kantons Thurgau im vollen Umfange zu bestätigen

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Die Berufung des Beklagten wird als unbegründet abgewiesen und das Urteil
des Obergerichts des Kanto-ns Thurgau vom. 16. Januar 1904 bestätigt

29. gilt-teil vom 19. Mai 1901 in Sachen 51mm, Bekl. u. Ber.-Kl., gegen
gnare, Kl. u. Ver.-Bekl.

Verjährung der Haftpflichtansprüche, Art. 12
SR 611.0 Bundesgesetz vom 7. Oktober 2005 über den eidgenössischen Finanzhaushalt (Finanzhaushaltgesetz, FHG) - Finanzhaushaltgesetz
FHG Art. 12
1    Bundesversammlung und Bundesrat halten die Ausgaben und Einnahmen auf Dauer im Gleichgewicht; dabei richten sie sich nach Artikel 126 der Bundesverfassung (Schuldenbremse).
2    Sie tragen bei der Führung des Bundeshaushalts sowohl der Finanzierungs- als auch der Erfolgssicht Rechnung.
3    Sie stimmen soweit möglich die Sach- und Finanzierungsentscheide aufeinander ab.
4    Bundesrat und Verwaltung führen den Bundeshaushalt nach den Grundsätzen der Gesetzmässigkeit, der Dringlichkeit und der Sparsamkeit. Sie sorgen für einen wirksamen und wirtschaftlichen Einsatz der Mittel.
Abs. J FHG. Beginn, Art. 8
Abs. 4 Nov. 3. F HG: Anzeige nach Forma-Zar A oder nuale Formula-TB
? -Genug-entler Anzeige nach Formular 8. Verzicht auf die Einrede der
Veejdlzsrung? Tatbestandfeststellzmg, Art. 81
SR 611.0 Bundesgesetz vom 7. Oktober 2005 über den eidgenössischen Finanzhaushalt (Finanzhaushaltgesetz, FHG) - Finanzhaushaltgesetz
FHG Art. 12
1    Bundesversammlung und Bundesrat halten die Ausgaben und Einnahmen auf Dauer im Gleichgewicht; dabei richten sie sich nach Artikel 126 der Bundesverfassung (Schuldenbremse).
2    Sie tragen bei der Führung des Bundeshaushalts sowohl der Finanzierungs- als auch der Erfolgssicht Rechnung.
3    Sie stimmen soweit möglich die Sach- und Finanzierungsentscheide aufeinander ab.
4    Bundesrat und Verwaltung führen den Bundeshaushalt nach den Grundsätzen der Gesetzmässigkeit, der Dringlichkeit und der Sparsamkeit. Sie sorgen für einen wirksamen und wirtschaftlichen Einsatz der Mittel.
OG.

A. Der im Jahre 1856 gebotene Kläger Fritz Mori, Zimmermann, erlitt am
28. Mai 1900 im Dienste des Beklagten Kindler einen Unfall, indem er bei
einer Umbaute aus beträchtlicher Höhe herabstürzte und sich hiebei einen
linken Fersenbeinbruch zuzog. Über diesen Unfall erstattete der Beklagte
am 31. Mai 1900 ans Regierungsstatthalteramt Nidau die vorgeschriebene
Anzeige (For: mular A).

Am 23. Oktober 1900 wurde dem Kläger durch die schweizerische
Gewerbe-Unfallkasse in Zürich eine Entschädigung von 1645 Fr. 85 Età,
worunter 1000 Fr. für temporäre Invalidität auf die Dauer von zwei Jahren,
ausbezahlt und zwar gestützt aus einen Bericht von Dr.med. Kaufmann in
Zurich, der die Folgen des Fersenbeinbruches, den der Kläger erlitten,
als mit sz eines vollen Jahreslohnes ausgeglichen erklärt: bei dieser
Verletzung bestünden nämlich noch kürzere oder längere Zeit Schmerzen
beim Auftreten und anhaltenden Stehen und Gehen, die sich jedoch
erfahrungsgemäss ganz von selbst bei konsequentem Gebrauch des Fusses
verlören, so dass nur ein vorübergehender,IV. Haftpflicht für den
Fabrikund Gewerbebetrieb. N° 29, 221

aber kein bleibender gewerblicher Nachteil zu befürchten sei. Auf
der Quittung erklärte der Kläger ausdrücklich, auf weitere
Haftpflichtansprüche an den Beklagten zu verzichten. Am 27. Dezember
1900 sandte sodann der Beklagte an das Regierungsstatthalteramt Nidau
die Anzeige über den Ausgang und die Erledigung des Unsalles (Formulae
B). Er gab hiebei an, dass der Kläger für die Zeit vom 28. Mai bis
22. Oktober 1900 arbeitsunfähig gewesen fei, bemerkte bei der Rubrik:
bleibender Nachteil: Es kann noch nicht gesagt werden, ob bleibender
Nachteil vorhanden, und motivierte die Entschädigung von 1000 Fr. für
temporäre Invalidität wie folgt: Die Versicherung zahlt dem Verletzten
zum Voraus für 100 Tage den ganzen und für 200 Tage den halben Lohn; bis
nach Ablauf dieser Zeit ist von den Ärzten gänzliche Heilung angenommen-
Auf der Anzeige ist sodann noch beigefügt: NB. Wenn erforderlich,
wird nach Ablauf der 300 Tage ein zweites Fortnular B ausgefüllt. Diese
Unfallanzeige trägt mit Blaustift, offenbar von der Hand eines Beamten,
den Vermerk: Provisorisch. Als das Regierungssiatthalteramt im August 1901
eine definitive Schlussanzeige über den Unfall des Klägers beim Beklagten
reklamierte, antwortete dieser, der Aufenthalt des Klägers sei ihm
unbekannt; er könne daher keine nähere Auskunft über dessen Zustand geben.

Mit Klage vom 21. April 1902 (die Ladung zum amtlichen Sühneversuch
erfolgte am 7. Mai 1902) belangte der Kläger den Beklagten vor Amtsgericht
Nidau auf Zahlung einer Haftpflichtentschädigung für die Folgen des
Unfalles vom 28. Mai 1900 im Betrag von 3800 Fr., nebst 5 0/0 Zins seit
20. Februar 1902, indem er geltend machte: Die Parteien hätten vereinbart,
dass dem Kläger, falls er am 22. Oktober 1901 noch nicht gänzlich
geheilt sei, weitere 1000 Fr. für partielle Arbeitsunfähigkeit bezahlt
würden, und dass eine nach Ablauf eines weitern Jahres noch vorhandene
Invalidität als dauernd betrachtet und entschädigt werden solle. Nun sei
beim Kläger infolge des Unfalles eine dauernde Erwerbseinbusse von 20
0/0 vorhanden. Der Beklagte stellte der Klage die Einrede der Verjährung
und eventuell diejenige des Verzichtes gestützt auf die vom Kläger der
Gewerbeunfallkasse ausgestellte Quittung entgegen.

222 Civilrechtspflege.

Die Klage wurde vom Amtsgerichi Nidau im Betrag von

3500 Fr., abzüglich bezahlte 1000 Fr·, nebst 50/0 Zins seit Februar 1902
gutgeheiszen. Der Appellationsund

Kassationshof des Kautons Bern, als II. Instanz, hiess durch Urteil
vom 14. Januar 1904, in wesentlicher Bestätigung des erstinstanzlichen
Urteils, die Klage im Betrage von 2000 Fr. nebst 5 0/0 Zins seit
20. Februar 1902 gut. In diesem Urteil wird die Verjährungseinrede des
Beklagten mit der Begründung verworfen, dass nach richtiger Auslegung
des Art. 8
SR 611.0 Bundesgesetz vom 7. Oktober 2005 über den eidgenössischen Finanzhaushalt (Finanzhaushaltgesetz, FHG) - Finanzhaushaltgesetz
FHG Art. 8 Erfolgsrechnung - Die Erfolgsrechnung weist den Aufwand und den Ertrag einer Rechnungsperiode aus; sie zeigt namentlich das operative Ergebnis und das Ergebnis aus Beteiligungen.
Schlussalinea des erw. FHG die Verjährungsfrisi spätestens
drei Monate nach Eingang der Unfallanzeige über denAusgang des Unfalls
(Formulae B) ablaufe und dass der Beklagte eine den gesetzlichen
Erfordernissen entsprechende vollständige Anzeige nach Formulae B noch
nicht erstattet habe. Die Anzeige vom 22. September 1900 habe nämlich
eines notwendigen Bestandteils ermangelt, indem damals noch nicht habe
angegeben werden können, ob ein bleibender Nachteil eintrete. Was die
Einrede des Verzichtes anbetrifft, so wird der dem Kläger obliegende
Beweis für die der Unfallquittung widersprechende Parteikonvention als
nicht erbracht bezeichnet, da die hierüber einvernommenen Zeugen und
auch der Beklagte als Eidesdelat die Darstellung des Klägers in Abrede
gestellt hätten und auch aus den Angaben des Beklagten auf Formular B eine
Verpflichtung zu allsällig weiterer Entschädigung nicht könne abgeleitet
werden. Dagegen wird der Verzichtdes Klägers auf weitere Entschädigung
als für diesen nach Art. 9 Abs. 2 leg. cit. nuverbindlich erklärt. Die
dauernde Erwerbseinbusse wird, gestützt auf ein ärztliches Gutachten,
auf 17 £/2 M, angenommen und demnach der Betrag, aus den der Kläger noch
Anspruch hat, auf 2000 Fr. festgesetzt

B. Gegen das Urteil des Appellationsund Kassationshofes hat der
Beklagte Kindler rechtzeitig und in richtiger Form die Berufung an das
Bundesgericht ergriffen und beantragt, es sei die Klage abzuweisen. Der
Kläger hat aus Abweisung der Berufung und Bestätigung des angefochtenen
Urteils angetragen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Der Beklagte hat der Klage die Einrede der Verjährung entgegengesetzt
gestützt ans Ari. 12 FOG, wonach Haftpflicht-IV. Haftpflicht für den
Fabrikund Gewerbebetrieb. N° 29. 223

ansprüche nach einem Jahre vom Tage der Tötung oder Verletzung
an verjähren. Diese Frist war hier vor der Ladung zum Sühneversuch
abgelaufen, und eine wirksame Unterbrechung der Verjährung nach Art. 154
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 154 - 1 Ein Vertrag, dessen Auflösung vom Eintritte einer Bedingung abhängig gemacht worden ist, verliert seine Wirksamkeit mit dem Zeitpunkte, wo die Bedingung in Erfüllung geht.
1    Ein Vertrag, dessen Auflösung vom Eintritte einer Bedingung abhängig gemacht worden ist, verliert seine Wirksamkeit mit dem Zeitpunkte, wo die Bedingung in Erfüllung geht.
2    Eine Rückwirkung findet in der Regel nicht statt.

OR wird nicht behauptet Dagegen bernft sich der Kläger der Einrede
gegenüber in erster Linie auf Art. 8
SR 611.0 Bundesgesetz vom 7. Oktober 2005 über den eidgenössischen Finanzhaushalt (Finanzhaushaltgesetz, FHG) - Finanzhaushaltgesetz
FHG Art. 8 Erfolgsrechnung - Die Erfolgsrechnung weist den Aufwand und den Ertrag einer Rechnungsperiode aus; sie zeigt namentlich das operative Ergebnis und das Ergebnis aus Beteiligungen.
des erw. FHG, indem er geltend macht,
die Verjährungsfrist laufe nach Al. 4 ibid. erst 3 Monate nach Abgabe
der Anzeige über den Ausgang des Unsalles durch den Arbeitgeber ab und
diese Schlussanzeige sei vorliegend vom Beklagten noch nicht erstattet
worden Es ist zu priifen,

a) ob unter der Anzeige im Sinne von Art 8 Abs. 4 leg. cit., bei deren
Verspätung die Verjährungsfrist suspendiert ist, die Anzeige über den
Unfali selber (nach Formular A), oder diejenige über den Ausgang des
Unfalles (nach Formular B) zu verstehen ist; bei der erstern Lösung wäre
die Klage von vornehereiu verjährt, da der Beklagte die Unsallanzeige
A sofort, d. ). am 31. Mai 1900, gemacht hat;

b) ob, falls die Schlussanzeige gemeint ist, beim Beilagten von
verspäteter (d. I). noch nicht erstatteter) Anzeige gesprochen werden
kann, oder ob nicht vielmehr die am 27. Dezember 1900 vom Beklagten
gemachte Anzeige B den gesetzlichen Anforderungen genùgt.

Ad a. Die erstere Frage ist in Übereinstimmung mit der Vorinstanz
und wie das Bundesgericht schon im Falle Wolf gegen Bucher und Durrer
(Amtl. Samml., Bd. XVII, S. 750 Crw. 2) ausgesprochen hat, dahin zu
beantworten, dass sich die Vorschrift des Art. 8 leg. cit. auf die
Anzeige nach Formular B bezieht. (Zn dem Entscheide, Amtl Samml·,
Bd. XXIII, S. 939, der sich für das Forknular A ausspricht ist die
Frage nur beiläufig und ohne Not behandelt worden.) Diese Lösung folgt
zwingend aus Wortlaut und Zweck des Gesetzes-. Art. 8 verpflichtet die
haftpflichtigen Arbeitgeber, neben der sofort nach jedem Betriebsunsall
der kompetenten Lokalbehörde zu machenden Anzeige (siehe Art. 4 FG), für
die das Formular A besteht, zu einer weitern Anzeige (Formular B) über den
Ausgang des Unfalles, die ausgerichtete Entschädigung und deren Quelle,
welche Anzeige spätestens 9 Monate nach dem Unsall -3 Monate vor Ablauf

224 Civilrechtspflege.

der Verjährungssrist zu erstatten ist. In Absatz 3 und 4 sind die
strafrechtlichen und civilrechtlichen Folgen für den Unterlassungsfall
normiert. Und wenn nun speziell bestimmt ist, dass bei der verspäteten
Anzeige die Verjährungsfrist erst 8 Monate nach Eingang der Anzeige
abläust, so kann nach dem ganzen Zusammenhang nur das Formular B und
nicht die Unfallanzeige A, die ja auch sofort und nicht spätestens 9
Monate nach dem Unfall zu erstatten ist, gemeint sein Der Zweck der
Anzeige B ist aber, wie speziell Art. 9 zeigt, der: den Behörden von
der Erledigung der Haftpflichtfälle Kenntnis zu verschaffen, wesentlich
damit sie die ausgerichtete Entschädigung aus ihre Angemessenheit
prüfen und den Geschädigten, der nach ihrer Ansicht eine unzulängliche
Entschädigung im Sinne des Art. 9 Abs. 2 erhalten hat, hierauf aufmerksam
machen können, und die Suspendierung der Verjährung bei verspätete-:
Anzeige B soll hiebei dem Geschädigten die gerichtliche Geltendmachung
weiterer Ansprüche noch ermöglichen.

Ad b. Der Anzeige B soll nach Art. 8 Abs. 1 leg. cit. der Ausgang
des Unsalles zu entnehmen sein. Die Vorinftanz schliesst hieraus,
dass die Anzeige B erst gemacht werden könne, wenn die Unfallsfolgen
definitiv feststehen und dass die Verjährungsfrist vor Z Monaten nach
Eingang dieser vollständigen Anzeige nicht ablaufe. Darnach wäre dann
allerdings der Anpruch des Klägers nicht verjährt, da der Beklagte in
seiner Anzeige vom 27. Dezember 1900 die Frage des bleibenden Nachteils
als noch ungewiss bezeichnet und eine weitere Anzeige seither nicht
mehr erstattet hat. Allein dieser Auffassung kann nicht beigetreten
werden. Sie würde dem Arbeitgeber-, und zwar auch unter Straffolgen
(Art. 8 Abs. 3), zur Pflicht machen, in all' den zahlreichen Fällen, wo
der Unfallausgang erst nach längerer Zeit sich endgültig feststellen
lässt, die Ungewissheit aber von den Parteien dem Betrage nach
abgeschätzt und der Haftpflichtfall demgemäss liquidiert worden ist,
sich um den weiteren Gesundheitszustand des Verletzten beständig
zu kümmern, um rechtzeitig die Anzeige B erstatten zu können, eine
Zumutung, der nachzukommen vielfach schlechterdings unmöglich wäre,
während die Behörden, falls sie nähere Auskunft über den Ausgang des
Un-IV. Haftpflicht für den Fadrikund Gewerbebetrieb. N° 29. 225

falles wünschen, sich solche jederzeit durch Anordnung einer
Untersuchung verschaffen können. Namentlich aber ergäbe sich aus der
Auslegung der Vorinstanz ein ganz anderes System der Verjährung für
die Hastpflichtansprüche, als das in Art. 12
SR 611.0 Bundesgesetz vom 7. Oktober 2005 über den eidgenössischen Finanzhaushalt (Finanzhaushaltgesetz, FHG) - Finanzhaushaltgesetz
FHG Art. 12
1    Bundesversammlung und Bundesrat halten die Ausgaben und Einnahmen auf Dauer im Gleichgewicht; dabei richten sie sich nach Artikel 126 der Bundesverfassung (Schuldenbremse).
2    Sie tragen bei der Führung des Bundeshaushalts sowohl der Finanzierungs- als auch der Erfolgssicht Rechnung.
3    Sie stimmen soweit möglich die Sach- und Finanzierungsentscheide aufeinander ab.
4    Bundesrat und Verwaltung führen den Bundeshaushalt nach den Grundsätzen der Gesetzmässigkeit, der Dringlichkeit und der Sparsamkeit. Sie sorgen für einen wirksamen und wirtschaftlichen Einsatz der Mittel.
FHG allgemein normierte:
wenn nämlich die Verjährung erst drei Monate nach Eingang der objektiv
vollständigen Anzeige B eintreten furm, so ist überall da, wo die Folgen
eines Unfalles während längerer Frist ungewiss sind, die Verjährung auf
unbestimmte Zeit, d· h. so lange jene Folgen nicht definitiv festgestellt
und vorschriftsgemäsz vom Arbeitgeber angezeigt sind, sistiert. Damit wäre
aber der anerkannte Zweck der einjährigen Verjährungsfrist vom Unfalltag
an gerechnet rasche Aquidation der Haftpflichtanspriiche so lange die
tatsächlichen Umstände, unter denen der Unfall eingetreten ist, sich noch
leicht feststellen lassen und damit der Unternehmer nicht in ihrer Höhe
noch unbestimmte Forderungen in seine Geschäftsbilanz einsetzen müsse
(s. Botschaft des Bundesrates zum Entwurf des Fabrikhastpflichtgesetzes,
S. 41 und 423 Amii. Samml., Bd.XXIII, S. 942) in weitem Umfang
vereitelt. Zieht man diese Konsequenzen in Erwägung, so erscheint die
Auffassung, dass die Anzeige B, um den gesetzlichen Erfordernissen zu
entsprechen, die definitiven Unfallfolgen objektiv richtig enthalten
müsse, unhaltbar-. Die Haftpflichtgesetze stehen ihrer ganzen Tendenz
nach einer prompten gütlichen Erledigung von Haftpflichtsällen mit
unsicherm Ausgang, wobei die Ungewissheit von den Parteien zahlenmässig
veranschlagt wird, nicht entgegen. Hat nun aber, wie vorliegend (über
die angebliche Parteikonvention siehe unten), eine solche desinitive
Liquidation stattgefunden, so muss der Arbeitgeber berechtigt sein,
in diesem Moment, da die Angelegenheit für ihn abgeschlossen ist, die
Anzeige B zu erstatten und es muss hiebei genügen, wenn die Angaben über
die Unfallfolgen dasjenige enthalten, was in jenem Zeitpunkt objektiv
feststeht (s. auch das Urteil des zürcherischen Obergerichtes, Blätter für
handelsrechtl. Entsch., Bd. XIX, S. 313). Dass die vom Gesetze verlangte
Mitteilung über den Ausgang des Unfalls in diesem Sinne zu verstehen isf,
zeigt auch das fernere gesetzliche Postulat, dass aus der Anzeige die
ausgerichtete Entschädigung und die Quelle, aus welcher

226 Civilrechtsptlege.

sie geflossen ist, ersichtlich sein sollen. Es ist wohl ausser Zweifel,
dass das Gesetz eine rasche Mitteilung der letztern Daten im Auge hat;
unter dem gleichzeitig anzugebenden Ausgang des Unsalles kann daher
nur der von den Parteien für die Regelung der Entschädigungsfrage als
massgebend erachtete Ausgang gemeint sein und nicht der vielleicht
erst lange nachher konstatierbare definitive Gesundheitszustand des
Verletzten. Das Erfordernis absoluter Vollständigkeit der Anzeige B im
Sinne der Vorinstanz ist endlichauch mit der positiven Vorschrift in
Abs. 2 des Art. 8 leg. cit. unvereinbar, wonach die Anzeige spätestens
9 Monate nach dem Unsall zu machen ist; denn es ist Erfahrungstatsache,
dasssehr häufig in diesem Zeitpunkt die Folgen eines Unfalles für den
Gesundheitszustand des Ver-letzten noch nicht übersehen werden können. Der
Gedanke des Gesetzes, der aus jener Vorschrift in Verbindung mit Abs. 4
erhellt, ist vielmehr offenbar der, dass es in jedem Fall dem Unternehmer
anheimgestellt sein soll, eine Verlängerung der Verjährungssrist über
ein Jahr hinaus dadurch zu verhindern, dass er spätestens nach Verfluss
von 9 Monaten eine für damals richtige Anzeige B einreicht.

Nach diesen Ausführungen ist die Unfallanzeige B, die der Beklagte
am 27. Dezember 1900 nach gütlicher Erledigung des Haftpflichtfalles
gemacht hat, als genügend zu bezeichnen; die Angaben über die bleibenden
Unsallfolgen stützen sich ans den ärztlichen Befund und entsprechen
der Sachlage, wie sie damals bekannt war. Somit ist die Verjährung der
klägerischen Ansprüche am 28. Mai 1901, also lange vor der Einleitung
der Klage, eingetreten Hieran vermochte auch die Anmerkung des Beklagten
auf dem Formular: Wenn erforderlich, werde nach Ablauf von 300 Tagen ein
zweites Formnlar B ausgefüllt, nichts zu ändern; denn es leuchtet ein,
dass damit der Betlagte lediglich den Behörden gegenüber sich bereit
erklären wollte, auf deren Verlangen ein weiteres Formular einzureichen
und zwar mit Rücksicht darauf, dass die Rubrik bleibender Nachteil damals
noch nicht definitiv beantwortet werden konnte, und nichts spricht dafür,
dasser mit dieser Bemerkung im Verhältnis zum Kläger, das ja nach der
Meinung der Parteien definitiv geregelt war (s. Erw. 2 unten), die
Pflicht zu einer weitern Anzeige B, bis zu der dieVerjährung sistiert
sein sollte, habe anerkennen wollen.[V. Haftpflicht für den Fabrikund
Gewerbebetrieb. ND 29. 222

2. In zweiter Linie hat der Kläger geltend gemacht, dass ihm, trotz seiner
Verzichtleistung aus weitere Haftpflichtansprüche in der Ouittung vom
28. Oktober 1900, durch Parteivereinbarung das Recht gewahrt worden sei,
bei Verschlimmerung seines Zustandes weiteren Schadenersatz zu fordern. Jn
einer solchen Abrede wäre seitens des Beklagten ein Verzicht darauf,
die Einrede der Verjährung zu erheben, zu erblicken. Die Vorinstanz
führt jedoch aus, dass der Kläger den Nachweis für die angebliche
Parteikonvention nicht geleistet hat, und diese als aktenwidrig nicht
angefochtene tatsächliche Feststellung ist für das Bundesgericht
verbindlich (Art. 81
SR 611.0 Bundesgesetz vom 7. Oktober 2005 über den eidgenössischen Finanzhaushalt (Finanzhaushaltgesetz, FHG) - Finanzhaushaltgesetz
FHG Art. 12
1    Bundesversammlung und Bundesrat halten die Ausgaben und Einnahmen auf Dauer im Gleichgewicht; dabei richten sie sich nach Artikel 126 der Bundesverfassung (Schuldenbremse).
2    Sie tragen bei der Führung des Bundeshaushalts sowohl der Finanzierungs- als auch der Erfolgssicht Rechnung.
3    Sie stimmen soweit möglich die Sach- und Finanzierungsentscheide aufeinander ab.
4    Bundesrat und Verwaltung führen den Bundeshaushalt nach den Grundsätzen der Gesetzmässigkeit, der Dringlichkeit und der Sparsamkeit. Sie sorgen für einen wirksamen und wirtschaftlichen Einsatz der Mittel.
OG).

Die Verjährungseinrede des Vetlagten erweist sich nach dein Gesagten als
begründet, weshalb die Klage unter Aufhebung des angefochtenen Urteils
abzuweisen ist.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Die Berufung wird gutgeheissen und in Aufhebung des Urteils des
Appellationsund Kassationshofes des Kantons Bern vom i4. Januar 1904
die Klage abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 30 II 220
Datum : 16. Januar 1904
Publiziert : 31. Dezember 1904
Quelle : Bundesgericht
Status : 30 II 220
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 220 Civilrechtspflege. Die Berufung des Beklagten ist daher abzuweisen und das Urteil


Gesetzesregister
FHG: 8 
SR 611.0 Bundesgesetz vom 7. Oktober 2005 über den eidgenössischen Finanzhaushalt (Finanzhaushaltgesetz, FHG) - Finanzhaushaltgesetz
FHG Art. 8 Erfolgsrechnung - Die Erfolgsrechnung weist den Aufwand und den Ertrag einer Rechnungsperiode aus; sie zeigt namentlich das operative Ergebnis und das Ergebnis aus Beteiligungen.
12
SR 611.0 Bundesgesetz vom 7. Oktober 2005 über den eidgenössischen Finanzhaushalt (Finanzhaushaltgesetz, FHG) - Finanzhaushaltgesetz
FHG Art. 12
1    Bundesversammlung und Bundesrat halten die Ausgaben und Einnahmen auf Dauer im Gleichgewicht; dabei richten sie sich nach Artikel 126 der Bundesverfassung (Schuldenbremse).
2    Sie tragen bei der Führung des Bundeshaushalts sowohl der Finanzierungs- als auch der Erfolgssicht Rechnung.
3    Sie stimmen soweit möglich die Sach- und Finanzierungsentscheide aufeinander ab.
4    Bundesrat und Verwaltung führen den Bundeshaushalt nach den Grundsätzen der Gesetzmässigkeit, der Dringlichkeit und der Sparsamkeit. Sie sorgen für einen wirksamen und wirtschaftlichen Einsatz der Mittel.
OG: 81
OR: 154
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 154 - 1 Ein Vertrag, dessen Auflösung vom Eintritte einer Bedingung abhängig gemacht worden ist, verliert seine Wirksamkeit mit dem Zeitpunkte, wo die Bedingung in Erfüllung geht.
1    Ein Vertrag, dessen Auflösung vom Eintritte einer Bedingung abhängig gemacht worden ist, verliert seine Wirksamkeit mit dem Zeitpunkte, wo die Bedingung in Erfüllung geht.
2    Eine Rückwirkung findet in der Regel nicht statt.
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • monat • bundesgericht • tag • arbeitgeber • vorinstanz • richtigkeit • zins • frage • gesundheitszustand • kassationshof • dauer • frist • thurgau • kenntnis • voraussetzung • entscheid • unternehmung • begründung des entscheids • anschreibung
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