342 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. IV. Abschnitt. Staatsvertrà'ge.

Vierter Abschnitt.. Quatriéme section. staatsveriräge der Schweiz mit
dem Ausland. Traités

de la Suisse avec l'étranger.

n q-

I. Staatsverträg'e über civilrechtliche Verhältnisse. Traités concernant
les rapports de droit civil.

Vertrag mit. Frankreich vom 15. Juni 1869. Traité avec la France du 15
juin 1869.

59. Urteil vom 16. Juni 1904 in Sachen Baumann & Eie. gegen Galula.

Form. spec. Begründung des staaisrechtlicken Rekmssses; Art. 178 Zifi. 3
OG. Rechtliches Gehör bei verfiel-nme? Voélstreckbavrfceit eines Urteils;
Gerichtsstandseertmg, Art. 16 u. f., Art. 17 Abs. 2. Erteilung der
Rechtsòffnusing oft-ne Enquiicrstnwerfnirreu,verstässt sie gegen den
Gerichtsstssndsvertrag, oder stellt sie sich als Rechtsverweigerung
dar? Voraussetzungen der Vollstreckbarkeit nach dem citierten Vertrag
; Art. 17 Z ifi". i u. 2 desselben. Kontumazfalurteil. Art. 15 ;
is Ziff. 3; 17 Ziff. 3 Geréchtssteams vertrag; Art. 156 [T., spez. 159
franz. (1390: Unteî'èfrechemg der Caducitdt eines franz. Kontamazmssteils
(leechin der Schweiz eorgenommene Vollstreckungshandlungen. Art. 12
Gericätsstandsverto'ag.

A. Der Rekursbeklagte Jules Galula in Marseille hatte als Verkaufer
mit der Rekurrentin, der Firma Baumann & Eie. in Bern, als Käuserin,
unterm 28. Juli 1902 einen Lieferung-,B;I. diantsveriräge über
civilrechtl. Verhältnisse. Mit Frankreich. N° 59. 343

vertrag über Hafer abgeschlossen, der unter anderm folgende Bestimmung
enthält: Les echeteurs font election de domicile pour tout ce qui
concerne la bonne execution du dit con trat chez M. Jules Manite à
Marseille; toutes contestations a sei-out réglées par amis commnns
suivant l'usage de la. place de Marseilie et à Marseille; les parties
contractantes acceptent la jnridiction du tribuna] de Marseille.
Im Dezember 1902 belangte der Rekursbeklagte die Rekurrentin vor
Handelsgericht Marseille aus Bezahlung des Kaufpreises im Betrage von 6524
Fr. 80 (Cià, sowie der durch den Zahlung-Zverzug entstandenen Kosten im
Betrage von 200 Fr., beides mit Zins seit dem 6. November 1902. Durch
Citation vom 24. Dezember 1902, der Rekurrentin zugestellt an ihrem
Prozessdomizil bei Jules Manite in Marseille, wurde die letztere zum
Termin vom 9. Januar 1903 vor Handelsgericht vorgeladen, und da sie
hier weder persönlich erschien, noch vertreten war, verurteilte sie das
Haudelsgericht durch Kontumazialurteil vom gleichen Tage zur Bezahlung
der Klagesumme und der Kosten im Betrage von 680 Fr. 15 Cité. Gegen
dieses Urteil, das ihr am 19. Februar 1903 in ihrem Domizil bei Jules
Manite in Marseille notisiziert worden ist, hat die Rekurrentin bei den
Behörden in Marseille keine Opposition eingelegt Durch Zahlungsbefehl
vom 8./9. Mai 1903 betrieb der Rekursbeklagte die Rekurrentin in Bern
für die ihm durch jenes Urteil zugesprochene Summe von 6724 Fr. 80 Cas.,
nebst ö 0,10 Zins seit 26. November 1902 und 6 Fr. 95 Cis-. Kosten, und
erhob, nachdem die Betriebene Recht vorgeschlagen hatte, am 25. Juni
1903 beim Gerichtspräsidenten in Bern die Klage auf Rechtsöfsnung,
die am 26. Juni der Rekurrentin zugestellt wurde. Diese setzte der
Klage im wesentlichen folgende Einwendungen entgegen: 1. Das Urteil des
Handelsgerichts von Marseille sei im Kanten Bern nicht vollitreckbar,
weil das in EUR 388 des bem. Gesetzes über das Gerichts-verfahren bei
Civilrechtsstreitigkeiten vorgeschriebene Exequatur nicht nachgesucht
worden sei; 2. das Handelsgericht von Marseille sei zur Aussällung des
Urteils nicht kompetent gewesen, a) weil der Vertrag vom 28. Juli 1902
nicht von beiden Parteien unterzeichnet und daher ungültig sei; h) weil,
auch wenn eine gültige

344 A. Staats-rechtliche Entscheidungen. IV. Abschnitt. Staatsverträge.

Prorogation angenommen werde, nach ausdrücklicher Bestimmung des Vertrages
zuerst eine Regelung der Angelegenheit durch gemeinsame Freunde (amis
communs) hätte versucht werden müssen3. die Rekurrentin sei zum Termin
in Marseille nicht in gesetz-, licher Weise geladen worden, und zwar
weder nach den Vorschriften der Bern. CPO welche nach der Praxis des
Bundesgerichts Regel machten , noch nach jenen des französischen Opc;
insbesondere sei ihr die Ladung nicht, wie am. 73 des letztgenannten
Gesetzes vorschreibe, einen Monat vor dem Termin zugestellt worden,
und dieser habe, in Widerspruch mit Art. 61 ,leg. cit., auch kein
Rechtsbegehren enthalten; 4. das Urteil sei unwirksam geworden, da seit
dessen Ausfällung mehr als 6 Monate verflossen seien, ohne dass es zur
Vollziehung gelangt sei (Art. 156 und 643 Opc); 5. das Urteil sei der
Rekurrentin nicht in gesetzlicher Weise, d. h. nach den Formen des hiefür
zur Anwendung gelangenden bernischen Rechts eröffnet worden.

Durch Urteil vom 2. September 1903 wies der Gerichts-prästdeni von Bern
die Rechtsöffitungsklage ab, weil das Urteil des Handelsgerichts von
Marseille, da es nicht innert 6 Monaten zur Exekution gelangt sei,
erloschen sei. Der Appellationsund Kassationshof des Kantons Bern
dagegen bewilligte auf Appellation des Retursbeklagten hin durch
Urteil vom 2. März 1904 die Rechtsbfsnung In der Begründung wird,
was den ersten Einwand der Reiurrentin anbetrifft, festgestellt,
dass nachder Praxis ein in Frankreich ergangenes Urteil im Kanton
Berti direkt, d. h. ohne vorausgegangenes Ereauaturverfahren,
im Sinnedes Art. 388 CPO zur Vollstreckung gebracht werden könne,
indem die im Staatsoertrag mit Frankreich vorgesehenen Einreden beim
Rechtsöffnungsrichter anzubringen seien. Es würde dem Zweck des Vertrages,
Urteile des andern Vertrags-staates den einheimischen für die Exekution
möglichst gleichzustellen, zuwiderlaufen, wenn für französische Urteile
im Kanton Bern zuerst das Exequatur nachgesucbt werden müsste, bevor
Vollziehung verlangt werden könnte. Auch hätte ein besonderes vorgängiges
Exequaturverfahren praktisch keinen Sinn, weil die hiebei zu prüfend-en
Einreden nach Art. 81 Abs. 3
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 81 - 1 Beruht die Forderung auf einem vollstreckbaren Entscheid eines schweizerischen Gerichts oder einer schweizerischen Verwaltungsbehörde, so wird die definitive Rechtsöffnung erteilt, wenn nicht der Betriebene durch Urkunden beweist, dass die Schuld seit Erlass des Entscheids getilgt oder gestundet worden ist, oder die Verjährung anruft.
1    Beruht die Forderung auf einem vollstreckbaren Entscheid eines schweizerischen Gerichts oder einer schweizerischen Verwaltungsbehörde, so wird die definitive Rechtsöffnung erteilt, wenn nicht der Betriebene durch Urkunden beweist, dass die Schuld seit Erlass des Entscheids getilgt oder gestundet worden ist, oder die Verjährung anruft.
2    Beruht die Forderung auf einer vollstreckbaren öffentlichen Urkunde, so kann der Betriebene weitere Einwendungen gegen die Leistungspflicht geltend machen, sofern sie sofort beweisbar sind.
3    Ist ein Entscheid in einem anderen Staat ergangen, so kann der Betriebene überdies die Einwendungen geltend machen, die im betreffenden Staatsvertrag oder, wenn ein solcher fehlt, im Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987159 über das Internationale Privatrecht vorgesehen sind, sofern nicht ein schweizerisches Gericht bereits über diese Einwendungen entschieden hat.160
SchKG im Rechtsöfsnungsverfahren nochmals
erhoben werden könnten, also zwei voneinander

I. Staatsverträge über civilrechti. Verhältnisse. Mit Frankreich. N°
59. 345

unabhängige Behörden über die Vollstreckbarkeit eines französischen
Urteiles zu entscheiden hätten, während doch nach Art. 16
Schlussalinea des Staatsvertrages in der Schweiz der Entscheid über
die Exequierbarkeit eines französischen Urteils durch die kompetente
Behörde zu erfolgen habe. Kompetent sei danach nur eine Behörde, und
das sei seit der Einführung des Schnldbetreibungsund Konkursgesetzes
der Rechtsöfsnungsrichter. Im weitern wird konstatiert, dass der
Rekursbeklagte die drei in Art. 16 des Vertrages verlangten Urkunden
vorgelegt habe, weshalb aus das Rechtsöffnungsbegehren einzutreten
sei. Sodann wird der Einwand, das Handelsgericht in Marseille sei
nicht kompetent gewesen, zurück-gewiesen mit dem Hinweis darauf, dass
die Reimrentin vertraglich Domizil in Marseille gewählt und sich der
Jurisdiktion der dortigen Gerichte unterworer habe. Der Vertrag vom
22. Juli 1902 sei aber gültig, weil es nach französischetn Recht
bei zweiseitigen Verträgen genüge, wenn, was hier der Fall sei,
das Vertragsexemplar jeder Partei die Unterschrift der GegenIpartei
trage. Schliesslich könne in der Klausel: toutes contes tations seront
réglées par amis communs suivant. l'usage de la. place de Marseilie et
à Marseille auch keine Bedingung der Prorogation des Gerichtsstandes
gefunden werden, da ja unmittelbar nachher die Kontrahenten sich
vorbehaltlos der Gerichtsbarkeit in Marseille unterwerfen. Zum
fernern Einwand der nicht richtigen Ladung wird ausgeführt, dass, da
die Rekurrentin in Marseille Domizil gewählt habe, für die Vorladung
die Vorschriften des französischen und nicht des bernischen Rechts
massgebend seien. Die von der Rekurrentin behauptete gegenteilige
Praxis des Bundesgerichts bestehe nicht. Die Ladungsvorschriften des
französischen Code de procédure civile seien aber beobachtet worden. Nach
Art. 72 ibid. betrage nämlich die ordentliche Vorladungsfrist sür in
Frankreich domizilierte Personen -und als solche habe die Rekurrentin
nach ausdrücklicher Vertragsklausel zu gelten 8 Tage, und diese Frist
sei vorliegend gewahrt worden. Auch werde im Urteil des Handelsgerichts
festgestellt, dass die Ladung das Rechtsbegehren enthalten habe und
überhaupt, dass die Nekurrentin regelmässig eitiert worden sei (quoique
cités réguiièrement). Folglich seien die beiden Voraussetzungen, nach

846 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. IV. Abschnitt. Staatsverträge.

denen gemäss Art. 17 Biff. 1 und 2 des Staatsvertrages die
Vollstreckuug verweigert werden könne, nicht gegeben. Der Einwand
der nicht formrichtigen Notifikation des Urteils sei im Staatsvertrag
nicht vorbehalten und könne daher im Exekuiionsverfahren nicht gehört
werden. Dagegen sei auf den Einwand, das Urteil sei gemäss Art. 156
Cpe erloschen, einzutreten, obgleich er im Staatsvertrag auch nicht
vorgesehen sei, weil, wenn das uma, wie behauptet, hinfällig sei,
ein zu Recht bestehendes Urteil, dessen Vollstreckung verlangt werden
könne, überhaupt nicht mehr vorliege. Nun könne sich die Frage, ob das
Urteil im Sinne des Art. 156 leg. cit. rechtzeitig zur Vollstreekung
gelangt sei, nur nach schweizerischem und nicht nach französischem
Rechtentscheidenz denn das Urteil müsse in der Schweiz erequiert und
könne hier nur in den vom schweizerischen Recht vorgesehenen Formen zur
Vollstreckung gebracht mei-den. Der Rekursbeklagtes habe nun auch innert
der sechsmonatlichen Frist vom Urteil hinweg Vollstrecknngshandlungen
in der Schweiz vorgenommen, nämlich die Betreibung vom S.,/9. Mai und
die Ladung zur Verhandlung über die Rechtsöffnungsklage vom 26. Juni
1903. Damit habe er zweifellos das nötige getan, um das Erlöschen
des Urteils zu verhindern. Auch hätte der Rekursbeklagte, wenn der
erstinstanzliche Richter gemäss gesetzlicher Vorschrift (Art. 84
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 84 - 1 Der Richter des Betreibungsortes entscheidet über Gesuche um Rechtsöffnung.
1    Der Richter des Betreibungsortes entscheidet über Gesuche um Rechtsöffnung.
2    Er gibt dem Betriebenen sofort nach Eingang des Gesuches Gelegenheit zur mündlichen oder schriftlichen Stellungnahme und eröffnet danach innert fünf Tagen seinen Entscheid.
SchKG)
die Rechtsössnungsklage innert ö Tagen erledigt hatte, noch innert der
sechsmonatlichen Frist die Betreibung fortsetzen können.

B. Gegen das Urteil des Appellationsund Kassationshofess hat die Firma
Baumann & Cie. rechtzeitig den staatsrechtlichen Rekurs ans Bundesgericht
ergriffen mit dem Antrag, es sei das Urteil wegen Verletzung der
Art. i und 58 BV und Art. 72 (Rechtsgleichheit) und 75 (Garantie des
ordentlichen Richters) der bernischen KV, sowie wegen Verletzung des
Gerichtsstandsvertrages mit Frankreich aufzuheben Zunächst wird als
Verweigerung des rechtlichen Gehörs geriigt, dass die Rekurrentim entgegen
der Bestimmung des Art. 16 am Schluss des Staatsnerii-ages, von Tag und
Stunde des Eutscheides nicht in Kenntnis gesetzt und ihr auch sonst keine
Gelegenheit, sich zu äusserngeboten worden sei, während die Gegenpartei
die Möglichkeit ge-[. staatsrerträge über civilrechtl. Verhältnisse. Mit
Frankreich. N° 59. 34?

habt habe, ein Gutachten eines bernischen Professors einzuschmuggeln,
wovon die Rekurrentin erst nachträglich Kenntnis erhalten habe. Ferner
soll eine Rechtsverweigerung und Verletzung des Staatsvertrages darin
liegen, dass ein vorgängiges Exekutionsverfahren, wie es sowohl das
bernische Gesetz betreffend das Civilrechtsversahren (% 388 Abs. 2), als
auch der Gerichtsstandsvertrag seinem ganzen Jnhalt nach verlange, nicht
stattgefunden habe. Die entgegengesetzte Auffassung habe insbesondere auch
zur Konsequenz, dass die Anwendung des Art. 19 des Vertrages unmöglich
sei. Denn wenn, wie vorliegend, der erstinstanzliche Richter

das Begehren um Rechtsöffnung abweise, der zweitinstanzliche da-

gegen es gutheisse, so sei schwer zu entscheiden, bei welcher Vehörde
die in Art. 19 vorgesehenen Anstände anzubringen seienWeiterhin wird
neuerdings geltend gemacht, dass die Vollziehung nach Art. 17 des
Vertrages hätte verweigert werden müssen, weil das Urteil von einem
inkompetenten Richter gefällt und die Rekurrentin nicht gehörig eitiert
gewesen sei. Die Jnkompetenz des Handelsgerichts in Marseille wird in der
Rekursschrift wiederum daraus abgeleitet, dass nach der vertraglichen
Bedingung der Prorogation das Gericht in Marseille sich erst dann
mit der Sache hätte befassen können, wenn die vorgesehene Arbitrage
der gemeinsamen Freunde fruchtlos verlaufen gewesen wäre. Ein solcher
Sühneversuch sei aber gar nicht gemacht worden. Was die Erfordernisse
der gehörigen Ladung anbetrifft, so wird geltend gemacht, dass die
Ladungsfrist nach am. 75 Cpc für die im Ausland wohnende Rekurrentin einen
Monat betragen hatte; denn mit der Verzeigung eines Prozessdomizils in
Marseille habe die Rekurrentin auf die Jnnehaltung einer rechtzeitigen,
der grossen Entfernung vom Prozessorte Rechnung tragenden, angemessenen
Ladungsfrist nicht verzichtet. Die Ladung hätte daher in Bern an die
Reknrrentin direkt, selbstverständlich nach beruischem Recht, erfolgen
sollen. Schliesslich wird auch die Einwendung wieder aufgenommen, dass
das Urteil, bevor es zur Vollstreckung gelangt, erloschen sei. Unter
den Erekutionshandlungett, die nach Art. 156 Cpc die Verjährung eines
Kontumazialurteils unterbrechen, könne nämlich nur die Erekution im Sinne
des französischen Rechts verstanden werden, nicht aber eine solche nach
ausländischem, hier

348 À. Staatsrechtliche Entscheidungen. IV. Abschnitt. Staatsverlräge.

hernischem Recht. Wenn der Schuldner in Frankreich kein Vermögen und kein
Domizil habe, so könne der Gläubiger dem Erlöschen des Urteils dadurch
vorbeugen, dass er einen sogenannten procés-verhal de carenee aufnehmen
lasse. Dagegen sei hier die Betreibung und die Rechtsöffnungsklage in
Bern nicht geeignet gewesen, die Verjährung zu unterbrechen. Übrigens
habe der Rekursbeklagte weder behauptet noch nachgewiesen, dass die
Rekurrentin kein Vermögen (Forderungen) in Marseille besitze, in das
die Vollstreckung möglich gewesen wäre. Zum Schlusse wird bemerkt,
dass auch an denjenigen vor den kantonalen Instanzen eingenommenen
Standpunkten, die in der Rekursschrift nicht ausdrücklich geltend gemacht
würden, festgehalten werde. Worauf sich die Beschwerde wegen Entzuges
des verfassungsmässigen, ordentlichen Richters (Art. 58
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 58 Armee - 1 Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert.
1    Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert.
2    Die Armee dient der Kriegsverhinderung und trägt bei zur Erhaltung des Friedens; sie verteidigt das Land und seine Bevölkerung. Sie unterstützt die zivilen Behörden bei der Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit und bei der Bewältigung anderer ausserordentlicher Lagen. Das Gesetz kann weitere Aufgaben vorsehen.
3    Der Einsatz der Armee ist Sache des Bundes.18
BV und 75 KV)
bezieht, ist in der Rekursschrift nirgends gesagt.

C. Der Rekursbeklagte Galula hat auf Abweisung des Rekurses ungetragen

D Der Appellationsund Kassationshof des Kantons Bern hat in der
Vernehmlassung gegenüber dem Beschwerdegrund der Verweigerung des
rechtlichen Gehörs darauf aufmerksam gemacht, dass die Rekurrentin vor
erster Instanz ihren Standpunkt weitläufig habe vertreten können und
dass ihre zu Protokoll gegebene Begründung, wie aus dem angefochtenen
Urteil ersichtlich, von der obern Instanz in vollem Umfang gewürdigt
worden sei. Parteiverhandlungen vor zweiter Instanz fänden in
Rechtsöffnungsfachen nicht statt, und eine Pflicht des Gerichts,
den Parteien von Tag und Stunde der Urteilssällung Kenntnis zu geben,
bestehe nicht (é 4 (Sini: -.Ges z SchKG und § 3420 CRV). Ein Gutachten
eines berm chen Rechtslehrers sei allerdings vom Rekursbeklagten
produziert worden; es sei aber einfach act acta gelegt worden und habe
im Entscheid, wie dessen Vergleichung mit dem Gutachten zeige, keine
Berücksichtigung gefunden. Gegenüber der Einwendung der Rekurrentin, das
Urteil des Handelsgerichts in Marseille sei mangels einer Vollstreckung
innerhalb sechs Monaten erloschen, wird noch darauf hingewiesen, dass
nach beruischem Prozess-recht die Rechtsstreitigkeiten, die durch eine
Parteiladung eingeleitet werden, mit der Zustelluug der Ladung rechts-

]. Staatsverträge über civilrechtl. Verhältnisse. Mit Frankreich. N°
59. 349

hängig werden, welcher Grundsatz gemäss § 37 des Einf.-Ges. z, SchKG
auch für Rechtsöffnungsstreitigkeiten gelte.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1 Im staatsrechtlichen Rekursversahren liegt es der beschwerdeführ-enden
Partei ob, in der Rekursschrift selber die Grunde an- zugeben, auf welche
die Beschwerde gestützt wird. Ein blosser Hinweis auf Rechtsschristen an
kantonale Instanzen oder Protokolle solcher genügt, wie das Bundesgericht
wiederholt ausgesprochen hat (f. z. B. Amii. Samml. der bundesger. (Zurich
Bd. XXVII, 1. Teil, S. 481), dem in Art. 178 Ziff. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 58 Armee - 1 Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert.
1    Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert.
2    Die Armee dient der Kriegsverhinderung und trägt bei zur Erhaltung des Friedens; sie verteidigt das Land und seine Bevölkerung. Sie unterstützt die zivilen Behörden bei der Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit und bei der Bewältigung anderer ausserordentlicher Lagen. Das Gesetz kann weitere Aufgaben vorsehen.
3    Der Einsatz der Armee ist Sache des Bundes.18
OG enthaltenen
Erfordernis der Begründung staatsrechtlicher Rekurse nicht. Es. kann
daher nur auf die von der Rekurrentin ausdrücklich geltend gemachten
Beschwerdegründe eingetreten werden, während die von ihr Vor den
kantonalen Instanzen ausserdem eingenommenen Standpunkte, auf die in
der Rekursschrift Bezug genommen ist, unberücksichtigt zu bleiben haben.

2. Das Urteil des Appellationsund Kassationshofes wird in erster Linie
deshalb angefochten, weil es formell unter Verletzung

_ des Gerichtsstandsvertrages mit Frankreich und des Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV

zu stande gekommen sei. Nun leuchtet aber ein, dass die Bestimmung in
Art. 16 i. f. des Staatsvertrages, wonach der Partei, gegen welche
die Vollziehung verlangt wird, mittelst Rotifikation Tag und Stunde
des Entscheides zur Kenntnis zu bringen ist, nichts anderes verlangt,
als dass der Schuldner vor Erlass des Exequatururteils angehört werde,
welches Postulat sich auch schon aus dem bundesrechtlichen aus Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.

BV gefolgerten Grundsatz der Gewährung des rechtlichen Gehörs ergeben
würde. Diesem Erfordernis ist aber vorliegend zweifellos Genüge
geschehen. Denn die Rekurrentin hat vor erster Instanz hinlänglich
Gelegenheit gehabt, alle ihre Einwendungen gegen die Vollstreckung
vorzubringen Vor zweiter Instanz finden bei Rechtsöffnungsstreitigkeiten
im Kanton Bern, wie der Vernehmlassung des Appellationsund Kassationshofes
zu entnehmen ist, keine Parteiberhandlungen mehr statt, sondern es
wird auf der Grundlage der erstinstanzlichen Akten entschieden. Ein
solches Verfahren verstösst zweifellos nicht gegen den erwähnten
Verfassungsgrundsatz und ist speziell auch mit dem Staatsvertrag
vereinbar, dessen Art. 1? Abs. 2 ausdrückxxx, i. 4904 23

850 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. IV. Abschnitt. Staatsverträge.

lich vorschreibt, dass der Rekurs gegen ein die Vollstreckung
bewilligendes oder verweigerndes Urteil sich nach den gesetzlichen Formen
des betreffenden Vertrags-staates richte. In der blossen Tatsache endlich,
dass ein Gutachten des Rekursbeklagten, das ja nur rechtliche Ausführungen
enthielt, zu den Akten genommen worden ist, ohne dass der Rekurrentin Zeit
und Gelegenheit, ein Gegengutachten erstellen zu lassen, gegeben wurde,
kann eine Verfassungsverletzung Verweigerung des rechtlichen Gehörs
und ungleiche Behandlung jedenfalls nicht erblickt werden, und zwar um
so weniger, als die Reknrrentin auch gar nicht einmal behauptet hat,
dass das Gutachten den Entscheid beeinflusst habe.

3. Das beruische Gesetz über das Verfahren in Civilgerichtsstreitigkeiten
bestimmt in § 388, dass bei Urteilen ausländischer Gerichte über die
Zulässigkeit des Vollziehungsverfahrens vorerst durch den Appellationsund
Kassationshof zu entscheiden ist. Die Rekurrentin rügt es sowohl als
Verletzung des Staatsvertrags, als auch als Rechtsverweigerung, dass
vorliegend die Rechtsössnung erteilt worden ist, ohne dass vorerst ein
solches Exequaturversahren

im Sinn des § 388 stattgefunden hatte. Der Appellationsund

Kassationshof hat hiebei eine bestehende Praxis befolgt, nach der §
388 auf französische Urteile mit Rücksicht auf den Staatsvertrag keine
Anwendung findet, sondern über die Voraussetzungen der Vollstreckbarkeit
hier der Rechtsösfnungsrichter zu entscheidenhat. Da nun der Vertrag
in Art. 16 Abs. 2 lediglich bestimmt, dass in der Schweiz über die
Vollziehung französischer Urteile die kompetente Behörde entscheide,
und nicht behauptet ist, dass der bernische Rechtsöfsnungsrichter hier
nicht kompetent (s. auch Art. 81 Abs. 3
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 81 - 1 Beruht die Forderung auf einem vollstreckbaren Entscheid eines schweizerischen Gerichts oder einer schweizerischen Verwaltungsbehörde, so wird die definitive Rechtsöffnung erteilt, wenn nicht der Betriebene durch Urkunden beweist, dass die Schuld seit Erlass des Entscheids getilgt oder gestundet worden ist, oder die Verjährung anruft.
1    Beruht die Forderung auf einem vollstreckbaren Entscheid eines schweizerischen Gerichts oder einer schweizerischen Verwaltungsbehörde, so wird die definitive Rechtsöffnung erteilt, wenn nicht der Betriebene durch Urkunden beweist, dass die Schuld seit Erlass des Entscheids getilgt oder gestundet worden ist, oder die Verjährung anruft.
2    Beruht die Forderung auf einer vollstreckbaren öffentlichen Urkunde, so kann der Betriebene weitere Einwendungen gegen die Leistungspflicht geltend machen, sofern sie sofort beweisbar sind.
3    Ist ein Entscheid in einem anderen Staat ergangen, so kann der Betriebene überdies die Einwendungen geltend machen, die im betreffenden Staatsvertrag oder, wenn ein solcher fehlt, im Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987159 über das Internationale Privatrecht vorgesehen sind, sofern nicht ein schweizerisches Gericht bereits über diese Einwendungen entschieden hat.160
SchKG) sei, so kann jedenfalls
vom Standpunkt des Staatsvertrags aus gegen die Nichtanwendung des § 388
leg. cit. nichts eingewendet werden. Wieso die Rekurrentin speziell aus
Art. 19 des Vertrags das Gegenteil herleiten will, ist nnverständlich,
indem ja ihre Argumentation wenn von zwei Jnstanzen die erste die
Vollziehung verweigere und die zweite sie bewillige, so wisse man nicht,
an welche Behörde man sieh wegen der in Art. 19 genannten Anstände zu
wenden habe sich nur gegen die Zulässigkeit eines ,Jnstanzenzuges,
der doch in A1-t.17 Abs. 2 ausdrücklich vorgesehen ist, richtet. Ob
die erwähnte Auf-I. Staatsverträge über civilrechtl. Verhältnisse. Mit
Frankreich. N° 59. 351

fassung des Appellationsund Kassationshofes über die Tragweite des %
388 leg. cit. in Bezug auf französische Urteile vom Standpunkt des
kantonalen Rechts aus zutreffend ist, hat das Bundesgericht nicht zu
untersuchen. Die im angefochtenen Urteile hiefür entwickelten Gründe
sind zweifellos ernstgemeint und nicht etwa bloss vorgeschoben, um die
Absicht arbiträrer Behandlung der Rekurrentin zu verbergen, so dass von
Rechtsverweigerung unter keinen Umständen die Rede sein farm.

4. Der Staats-vertrag soll, wie die Rekurrentin geltend macht, ferner
insofern verletzt sein, als der Appellationsund Kassationshos für das
Urteil des Handelsgerichts in Marseille zu Unrecht die Voraussetzung-am
unter denen die Vollziehung nach Art. i? Ziff. 1 und 2 zu verweigern ist,
nämlich die Jnkompetenz des Handelsgerichts in Marseille und die nicht
gehörige Ladung der Reknrrentin zur Gerichtsverhandlung daselbst,-als
nicht gegeben erachtet habe. Die Jnkompetenz des Handelsgerichts
in Marseille wird in der Rekursschrift nur noch ans der Klausel des
Meinungsvertrages der Parteien gefolgert, wonach Streitigkeiten durch
gemeinsame Freunde in Marseille nach den dortigen Usaneen zu schlichten
sind. Da aber einerseits neben dieser Klausel die Kontrahenten sich im
Vertrag dorbehaltlos der Jurisdiktion der Gerichte in Marseille unterworer
haben und anderseits die Reimrentin es an jeder nähern Ausführung über
die Bedeutung jener Klausel, insbesondere darüber, welche Rolle solchen
amis communs nach Marseiller Ortsgebrauch zukommt, ob darunter arbitri,
d. h. Schiedsrichter, oder arhitratores, d. h. Wert: und Preisermittler,
Schadeusermittler, zu verstehen sind, hat fehlen lassen, ist dieser
Einwand im angefochtenen Urteil mit Recht zurückgewiesen worden.

Ebenso unbegründet ist die Behauptung der Rekurrentin, sie sei zur
Gerichtsverhandlung in Marseille nicht gehörig vol-geladen worden. Es
genügt in dieser Beziehung, auf die durchaus zutreffenden Ausführungen
im angefochtenen Urteil zu verweisen. Der Praxis des Bundesgerichts,
wonach eine Ladung, um gültig zu sein, nach den gesetzlichen Formen des
Wohnortskantons des Beklagten zu erfolgen hat (s. Ath Samml. der bundes
gerichtl. Entsch Bd. XXIII, S. 62 und die dortigen Citate),

352 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. IV. Abschnitt. Siaalsvertrà'ge.

widerspricht eine am Wahldomizil der Rekurrentin nach den dortigen
Gesetzes-vorschriften ihr zugestellte Citation selbstverständlich nicht

5. Nach französischem Recht ist ein Kontumazialurteil null und nichtig,
wenn es nicht innert 6 Monaten seit Erlass vollsireckt wird (ils
les jugements par défaut seront executés dans les six mois de leur
obtention, sinon seront réputés non avenue; Opc, art. 156). Falls die
Partei, welche verurteilt worden ist, keinen Avoué hat und dies trifft
für die Rekurrenten zu , kann sie bis zur Vollstreckung gegen das Urteil
Opposition machen (Art. 158 leg. cit.). Art. 159 ibid. umschreibt sodann
wie folgt, was unter Vollstreckung zu verstehen ist: Le jugement est
réputé exécuté, lorsque les meubles saisis ont été vendus . . . ou que
le saisie d'un ou de plusieurs de ses immeubles lui (au condamné) a été
notifiée, ou que les frais ont été payés, ou enfin lorsqu'il y a queique
note alreng il ee'suäie neeessnrreenent qne l'exécution du jugement aété
comme de la partie défaillante . . . Die Rekurrentiu macht unter Berufung
auf diese Beimmungen, speziell Art. 156 leg. cit., geltend, dass das
Urteil des Handelsgerichts in Marseille nicht definitiv und rechtskräftig,
sondern erloschen und daher zur Vollstreckung in der Schweiz nach dein
Staatsvertrag nicht geeignet sei. Hierüber ist zu bemerken:

Nach am, 15 des Staatsvertrages sind nur solche Urteile des andern
Vertrags-staates vollziehbar, die definitiv und in Rechtskraft erwachsen
sind. Und wenn nun auch der Vertrag keinen Zweifel lässt (s. Art. 16
Ziff. Z und Art. 17 Biff. 3), dass auch Kontumazialurteile der Vollziehung
fähig find, so folgt doch für ein französisches jugement par défaut aus
der erwähnten Bestimmung des Art. 15, dass dessen Vollstreckung in der
Schweiz nur dann zu bewilligen ist, wenn es einerseits nicht erloschen
ist im Sinn des Art. 156 Opc (répnté non avena), und anderseits eine
Opposition des Verurteilten nicht mehr zulässig ist; denn sonst
wäre im erstern Fall überhaupt kein Urteil mehr vorhanden, und im
letztern könnte doch der Verurteilte durch blosse Oppositionserklärung
das Urteil unwirksam machen, sodass von einem definitiven und in
Rechtskraft erwachsenen Urteil wiederum nicht]. Staatsvertriige fiber
civill'echtl. Verhältnisse. Mit Frankreich. N° 59. 858

gesprochen werden könnte. Da nun nach Art. 156 in Verbindung mit Art. 159
leg. cit. beim französischen jugement par défaut einerseits das Erlöschen
des Urteils durch einen innerhalb sechs Monaten seit Erlass des Urteils
vorgenommenen und zur Kenntnis des Beklagten gelangten Erekutionsakt
ausgeschlossen wird und anderseits nach einem solchen Erekutionsakt
auch eine Opposition nicht mehr zulässig ist, so stellt sich die Frage
vorliegend so, ob, weil in Frankreich keine Vollstreckungshandlung
vorgenommen worden ist, die Betreibung der Rekurrentin in Bern und
deren Ladung zur Verhandlung über das Vollsireckimgsbegehren, d. h. die
Zustellung der Rechtsöffnuugsklage, die beide in die sechsmonatliche
Frist fallen und der Rekurrentin auch sofort bekannt geworden sind, als
Urteilsexekution im Sinn des Art. 159 leg. cit. zu betrachten sind, mit
andern Worten, ob auch Vollsireckungshandlungen in der Schweiz und nicht
bloss solche in Frankreich die in Art. 156 ff. leg. cit. vorgesehenen
Wirkungen haben.

Die Frage wäre wohl, wenn vom Staatsvertrag abgesehen wird, zu
verneinen, weil Art. 159 leg. cit. nach seiner ganzen Fassung nur die
in den Formen des französischen Rechts erfolgende Vollstreckung im Auge
hat. Indeser muss die Frage auf Grund des Staatsvertrages für die von
diesem Betroffenen Verhältnisse bejaht werden. Andernfalls wären nämlich
sranzösische jugements par défaut ohne vorgängige Erekutionshandlung
in Frankreich im Sinne des Art. 159 leg cit. in der Schweiz überhaupt
nicht vollziehbar, obgleich sie nach den unzweideutigen Bestimmungen
des Vertrags (Art. 18 Biff. 8, Art. 17 Biff. 3) gleich wie die andern
Urteile der Vollstreckung fähig sein sollen, soweit natürlich im übrigen
die Voraussetzungen des Vertragszutreffen. Der Gläubiger müsste hiernach,
falls der in der Schweiz wohnende Schuldner in Frankreich Vermögen hat,
zuerst in dieses die Vollstreckung suchen, während ein solcher Zwang
aus dem Vertrag nirgends ersichtlich ist, und falls der Schuldner
in Frankreich kein Vermögen hat, müsste der Gläubiger-, bevor er die
Exekution des Urteils in der Schweiz nachsuchen könnte, in Frankreich
eine rein fiktive Vollstreckungshandlung, einen sogenannten procès-verbal
de carence, vornehmen lassen, von

354 À. Staatsrechtliche Entscheidungen. lV. Abschnitt. Staatsverträge."

welchem Erfordernis der Exekution von Kontumazialurteilen der
Staatsvertrag wiederum nichts weiss. Zieht man diese mit dem System
des Staatsvertrags kaum verträglichen Konsequenzen in Erwägung, so wird
man anerkennen müssen, dass die auf Vollstreckung eines französischen
jugement par defeat in der Schwei gehenden prozessualen Handlungen,
was die Wirkungen für diz Frage des Erlöschen-Z des Urteils und der
Zulässigkeit der Opposition anbetrisft, durch den Staatsvertrag für die
von diesem beirn-netten Verhältnisse der Vollstreckuug in Frankreich
gleichgestellt worden find. (Vgl. über die Frage-: Boguin, conflits des
lois S. 823 ff., insbesondere S. see.) '

Darnach haben aber die Betreibung der Neknrrentin in Bern und
jedenfalls die Zustellung der Rechtsöfsnnngsklage an sie das Erlöschen
des Urteils des Handelsgerichts in Marseille verhindert und ist
auch eine nachträgliche Opposition gegen das Urteil, nachdem diese
Vollstreckungshandlungen stattgefunden haben, nicht mehr zulässig. Das
Urteil muss daher als definitiv und rechtskräftig im Sinn des Art. 15 des
Staatsvertrages betrachtet werden, und es erweist sich somit auch der
letzte Beschwerdegrund der Rekurrentin als unbegründet. Es könnte sich
höchstens noch fragen, ob der Rechtsdorschlag der Rekurrentin nicht als
Opposition gegen das Urteil, die nach sranzösischem Recht (Art. 162 Opc)
einfach auf der Yollstreckungsurkunde vorgemerkt werden kann, zu gelten
hate. Indessen bestimmt Art. 12 des Staatsvertrages ausdrücklich, dass
gegen ein Kontumazialurteil nur bei der Behörde des Landes, in welchem
das Urteil erlassen worden ist, sOpposition eingelegt werden kann, und
anderseits hat die Rekurrentin auch nicht behauptet, dass sie in der
in Art. 162 Abs. 1 i. f. leg. cit. vorgeschriebenen Form die Opposition
innert 8 Tagen bestätigt habe-

Demnach hat das Bundesgericht erkannt: Der Rekurs wird
abgewiesen.I. Staatsverträge über civilrechtl. Verhältnisse. Mit
Frankreich. N° 60. 855

60. Arrél du16 juin 1904, dans la cause Bouquette-Roman contre Trua-n.

Jugement par défeut. Prétendu déni de justice (rejet implicite

(le l'exoeption declinatoire}. Art. 11, 1 et 2 Conv. susindiquée. -
Residence. A. Le 31 décembre 1902 est intervenu entre Samuel

Rouquette-Roman, citoyen francais, propriétaire à Fons, Département du
Gard (France), et René Ghaliand, domicilié à Genève, un contrat indiqué
comme étant concia à. Genève, et par lequel Rouquette-déclarait créer
à Genève pour la Suisse et la Haute-Savoie, un dépòt de Vins dont il
confiait ia gérance à Challand comme fonde de pouvoirs ; aux termes
de ce contrat, Challand devajt consacrer tout son temps et toutes ses
facultés à la bonne marche de 13. maison et ne pouvait s'occuper
d'autre représentation sans l'assentiment de Rouquette ; les profits et
pertes devaient, sous certaines réserves, se partager également entre
parties; pour les frais de première installation, Rouquette faisait une
avance de 3000 fr.; Challand était spécialement charge de faire faire
la eomptabilité complète {in dépòt , comptabiiité qui devait comprendre
la tenue d'un certain nombre de livres Specialement déterminés; Challand
était autorisé à prélever sur les ilénéfices du dépöt les frais généraux,
et en particulier les frais de personnel , et, parmi ceux-ci, en première
ligne, le salaire d'un caissier-comptable. Cette convention était faite
pour une durée indeterminée, avec possibilité de résiliation en tout temps
moyennant un avertissement préalable de trois mois 011, en cas de pertes
d'une certaine importance, moyennant simple avis de l'nne 011 de l'autre
des parties. Enfin toutes les difficultés pouvant découler de ce contrat
devnient etre sonmises au jugement du Tribunal de première instance de
Genève dont les parties declaraient reconnaître et accepter la competence.

B. Le 7 janvier 1903 intervint à Genève, entre Chal-
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 30 I 342
Datum : 16. Juni 1904
Publiziert : 31. Dezember 1904
Quelle : Bundesgericht
Status : 30 I 342
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 342 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. IV. Abschnitt. Staatsvertrà'ge. Vierter


Gesetzesregister
BV: 4 
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
58
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 58 Armee - 1 Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert.
1    Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert.
2    Die Armee dient der Kriegsverhinderung und trägt bei zur Erhaltung des Friedens; sie verteidigt das Land und seine Bevölkerung. Sie unterstützt die zivilen Behörden bei der Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit und bei der Bewältigung anderer ausserordentlicher Lagen. Das Gesetz kann weitere Aufgaben vorsehen.
3    Der Einsatz der Armee ist Sache des Bundes.18
OG: 178
SchKG: 81 
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 81 - 1 Beruht die Forderung auf einem vollstreckbaren Entscheid eines schweizerischen Gerichts oder einer schweizerischen Verwaltungsbehörde, so wird die definitive Rechtsöffnung erteilt, wenn nicht der Betriebene durch Urkunden beweist, dass die Schuld seit Erlass des Entscheids getilgt oder gestundet worden ist, oder die Verjährung anruft.
1    Beruht die Forderung auf einem vollstreckbaren Entscheid eines schweizerischen Gerichts oder einer schweizerischen Verwaltungsbehörde, so wird die definitive Rechtsöffnung erteilt, wenn nicht der Betriebene durch Urkunden beweist, dass die Schuld seit Erlass des Entscheids getilgt oder gestundet worden ist, oder die Verjährung anruft.
2    Beruht die Forderung auf einer vollstreckbaren öffentlichen Urkunde, so kann der Betriebene weitere Einwendungen gegen die Leistungspflicht geltend machen, sofern sie sofort beweisbar sind.
3    Ist ein Entscheid in einem anderen Staat ergangen, so kann der Betriebene überdies die Einwendungen geltend machen, die im betreffenden Staatsvertrag oder, wenn ein solcher fehlt, im Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987159 über das Internationale Privatrecht vorgesehen sind, sofern nicht ein schweizerisches Gericht bereits über diese Einwendungen entschieden hat.160
84
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 84 - 1 Der Richter des Betreibungsortes entscheidet über Gesuche um Rechtsöffnung.
1    Der Richter des Betreibungsortes entscheidet über Gesuche um Rechtsöffnung.
2    Er gibt dem Betriebenen sofort nach Eingang des Gesuches Gelegenheit zur mündlichen oder schriftlichen Stellungnahme und eröffnet danach innert fünf Tagen seinen Entscheid.
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
frankreich • staatsvertrag • handelsgericht • weiler • bundesgericht • kassationshof • tag • frage • monat • kenntnis • frist • schuldner • verurteilter • einwendung • termin • rechtsbegehren • beklagter • gerichtsverhandlung • nichtigkeit • erste instanz
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