814 A. Staatsreehtl. Entscheidg. HI. Abschnitt. Kantonsvefiässungen.
waren. Bezüglich des zweiten Theiles jener Gesetzesbestimmung durften
aber Rekurrenten füglich von einer Beschwerde so lange absehen, als nicht
dritten Personen, wie dies nunmehr durch den Regierungsbeschluss vom
4. Oktober 1876 geschehen, die Befugniss zum Schneiden der Rohre wirklich
ertheilt wurde, indem vorher eine die Verfassung verletzende Thatsache
nicht vorlag. Was aber jenen Beschluss betrifft, so waren Rekurrenten
nicht gezwungen, sofort gegen denselben den Rekurs an das Bundesgericht zu
ergreifen, sondern befugt, vorerst diejenigen Rechtsmittel zu erschöpfen,
welche ihnen die kantonale Gesetzgebung an die Hand gab, und muss daher
die in Art. 59 des citirten Bundesgesetzes eingeräumte Rekursfrift als
gewahrt angesehen werden, da die Beschwerde hierorts innerhalb sechzig
Tagen nach Eröffnung des Entscheides des luzernischen Obergerichtes
eingereicht worden ist.
3. Dagegen kann der Rekurs, wenigstens zur Beit, materiell nicht als
begründet erachtet werden. Rekurrenten stützen ihr Begehren darauf, dass
sie Eigenthümer desjenigen Schilses seien, welches abzuschneiden die
Regierung von Luzern den Fischern bewilligt hat. Allein die Richtigkeit
dieser Eigenthumsansprache ist bestritten und nicht bewiesen. So lange
aber dieser Punkt nicht zu Gunsten der Reknrrenten festgestellt ist,
hat das Bundesgericht keine Veranlassung zur Erörterung der Frage, ob die
rekurrirten Schlussnahmen des Regierungsrathes und des Obergerichtes einen
verfassungswidrigen Eingriff in das Eigenthum enthalten, und wird es daher
Sache der Rekurrenten sein, zunächst den Nachweis für ihr behauptetes
Privatrecht aus dem Wege des ordentlichen Civilprozesses zu erbringen.
4. Wenn Rekurrenten schliesslich noch geltend machen, dass sie durch
die angefochtenen Schlussnahrnen aus dem Besitze Verdrängt und ihre
Stellung als Kläger sehr erschwert werde, so ist hingegen zu entgegnen,
einerseits, das; auch für ihren bisherigen Besitz ein Beweis nicht
erbracht ist, und anderseits, dass Verfügungen kantonaler Behörden,
welche bloss auf Besitzesfragen sich beziehen, jedenfalls nur dann wegen
verfassungswidriger Verletzung des Eigenthumes an das Bundesgericht
rekurrirt werden können, wenn darin ein willkürlicher Besitzesentzug
unbestrittenen EigenthumesEingriffe in garantirte Rechte. N° 53. 315
einer Partei liegt, wovon nach dem oben Gesagten in concreto keine Rede
ist. Demnach hat das Bundesgericht erkannt :
Die Beschwerde ist zur Zeit abgewiesen
53. Urtheil vom 26. Mai 1877 in Sachen der Wasch-und Badanstalt
Winterthur.
A. Die unter der Firma Waschund Badanstalt in Winterthut bestehende
Aktiengesellschaft besitzt an genanntem Orte Gebäulichkeiten im
Assekuranzwerthe von 159 000 Fr. Gemäss Art. 137 litt. c.des zürch
Gemeindegesetzes vom 20. April 1875, welcher lautet : An die übrigen
Gemeindelasten find steuerpflichtig : 0.Aktiengese"llschaften für
den vollen Werth ihres in der Gemeinde befindlichen Grundeigenthums,
wurde dieselbe daher von der Stadtgemeiude Winterthur für jene Summe
in Besteuerung gegegen, wogegen sie die Appellation an den Bezirks und
Regierungsrats) ergriff, jedoch ohne Erfolg Der regierungsräthliche
Entscheid vom li./23. November v. J., durch welchen die Appellation
les-stinstanzlich abgewiesen wurde, beruht im Wesentlichen auf
folgender Begründung : Der Art.13'7 liu... c. leg-. cit. begründe die
Steuerpslicht für das in einer Gemeinde liegende Grundeigenthum einer
Aktiengesellschaft für dessen vollen Werth, d, h. ohne Abzug weder
der Akhen, noch von der Gesellschaft ausgegebenen Obligationen, seien
dieselben grundversichert oder nicht. Die Ansicht der Appellantin, Dass
nur ausser der Domiztlgemeinde der Gesellschaft liegendes Grundeigenthum
und zwar unter Abrechnung darauf haftender Passiven steuerpflichtig wäre,
sei unrichtig Die in Frage stehende Gesetzesbestimmung stehe auch im
Einklange mit Art. 19 der Staatsverfassung Einerseits sei durch eben
diesen Artikel, Abs. ö, die Ordnung der Steuers-flicht an die Ausgaben
der Gemeinden der Gesetzgebung zugewiesen, anderseits haben nach Abs. 1
desselben Artikels alle Steuerpslichtigen im Verhältnis; der ihnen zu
Gebote stehenden Hülssmittel an die Staatsund Gemeindelasten beizu-
316 A. StaatsrechtL Entscheidg. Hl. Abschnitt. Kantonsverfassungen.
tragen. Ein Besteuerungsmodus im Sinne der Appellation würde geradezu
zur wenigstens theilweier Steuerbefreiung der Aktiengesellschaften führen.
B. Die Badund Waschanstalt führte gegen diesen Entscheid
beim Bundesgerichte Beschwerde und Verlangte, dass derselbe als
verfassungswidrig und auch im Widersprüche stehend mit Art. 132 und 145
des Gemeindegesetzes aufgehoben werde. Zur Begründung dieses Begehrens
führte sie an : Um die Steuerforderung der Stadt Winterthur richtig zu
finden, müsse dem Gemeindegesetz eine solche Interpretation gegeben
werden, welche dasselbe als Verfassungswidrig erscheinen lasse. Die
Verfassung des Kantons Bin-ich kenne nur die direkte Vermögensund
Einkommenssteuer, von einer Grundsteuer sei überall nicht die Rede. Auch
das Gemeindegesetz spreche nur von Vermögens-, Haushaltungsund Mannssteuer
und lege das Staatssteuerregister zu Grunde. Die Bestimmung des 5. 137
litt. c. könne also nur den Sinn haben, dass Gesellschaften, welche für
ein gleich grosses Vermögen die Staatssteuer bezahlen, ihre Liegenschaften
in der Gemeinde zu versteuern haben, wo sie sich befinden. Wo nun, wie bei
der Rekurrentin, effektiv kein Vermögen vorhanden sei und folgerichtig
ein Ansatz ins Staatssteuerregister nicht aufgenommen werden könne,
dürfe auch die Gemeinde nicht eine Steuer erheben, welche nicht als eine
Vermögens-, sondern als Grundsteuer qualifizirt werden müsste. Die Bad-und
Waschanstalt habe nämlich Passiven im Betrage von 217 650 Fr., und seitdem
dieselbe bestehe, haben die Aktionäre nie einen Rappen Zins erhalten,
weil die Einnahmen knapp ausreichen zur Bestreitung der Betriebsausgaben.
G. Die Regierung des Kantons Zürich bemerkte in ihrer Vernehmlassung,
in welcher sie auf Abweisung der Beschwerde antrug: Dass der rekurrirte
Beschluss nicht mit dem Gemeindegesetz in Widerspruch stehe, gehe schon
aus den Erwägungen desselben hervor. Was die Verfassung betreffe, so
seien die massgebenden Bestimmungen in Art. 19 enthalten, welche sagen:
"E emma 1. Alle Steuerpflichtigen haben im Verhältniss der ihnen zu
Gebote stehenden Hülssmittel an die Staatsund Gemeindelaften beizutragen-
L e mma 5. Für die Gemeindelasten kann das Vermögen nurEingrifi'e in
garantirte Rechte. N° 53. 317
proportional in Anspruch genommen werden. Im Uebrigen wird die
Steuerpflicht an die Ausgaben der Gemeinden durch die Gesetzgebung
geordnet.
Innerhalb dieser Beschränkungen sei also die Gesetzgebung für
die Gemeindesteuern völlig frei, namentlich in Bezug auf die Wahl
der Steuerarten. Aus der früher-n Gesetzgebung seien in das neue
Gemeindegesetz herübergekommen die Haushaltungsund die Mannssteueu von
denen der Art. 19 der Verfassung nicht spreche, trotzdem sie damals schon
bestanden haben. Wolle ein Gemeindegesetz eine förmliche Grundsteuer
einführen, so stehe der Durchführung ebenfalls nicht etwa der Umstand
entgegen, dass ihr Name nicht in Art. 19 der Verfassung enthalten sei. Die
positive Bestimmung des S. 137 litt. c. des Gemeindegesetzes besteuere
nun das Grundeigenthum in Händen einer Aktiengesellschaft anders als wenn
es in Händen einesjuristisch verschieden konstruirten Stenersubjektes
liege; es sei eine spezifische Besteuerung des Grundeigenthums der
Aktiengesellschaften zu Gemeindesteuerzwecken gesetzlich zugelassen,
beziehungsweise vorgeschrieben
Das Bundesgericht zieht in Erwägung :
1. Es steht dem Bundesgerichte, wie dasselbe schon in einer Reihe von
Entscheidungen ausgesprochen hat, nicht zu, Verfügungen kantonaler
Behörden wegen unrichtiger Anwendung kantonaler Gesetze aufzuheben
oder abzuändern. Die Bundesverfassung und das Bundesgesetz über die
Organisation der Bundesrechtspslege unterstellen dessen Beurtheilung
lediglich Beschwerden betreffend Verletzung verfassungsmässiger Rechte,
sowie betreffend Verletzungen von Konkordaten und Staatsverträgen (am. 113
Biff. Z der Bundesverfassung und Art. 59 des cit. Bundesgesetzes) räumen
aber den Bundesbehörden mit Bezug auf Streitigkeiten betreffend die
Anwendung und Auslegung kantonaler Gesetze keinerlei Kompetenzen ein
Es kann daher im Vorliegenden Falle hierorts einzig die Frage geprüft
werden, ob der rekurrirte Gntscheid des zürcherischen Regierungsrathes
gegen Art. 19 der zürcherischen Staatsverfassung verstosse; dagegen
fällt die Frage, ob jener EntWeib mit Bestimmungen des zürcherischen
Gemeindegesetzes in Widerspruch stehe, ohne Weiters ausser Betracht.
2Nun enthält der Art. 19 der zürcherischen Kantonsverfassung
318 A. Staatsrechtl. Entscheidg. IH. Abschnitt. Kantonsverfassungen.
bezüglich der Gemeindesteuern lediglich die von der zürcherischen
Regierung in ihrer Vernehmlassung hervorgehobenen, Fakt. C. wörtlich
ausgeführten Bestimmungen Nach denselben ist aber'bezüglich der
Steuerpflicht an die Ausgaben der Gemeinden in der Verfassung einzig
der Grundsatz ausgesprochen, dass das Vermögen an die Gemeindelasten
nur proportional in Anspruch genommen werden dürfe; dagegen ist die
Verlegung der Gemeindesteuern vollständig der Gesetzgebung überlassen,
so dass durchaus kein verfassungsmässiges Hinderniss entgegensteht,
für Gemeindezwecke eine Grundsteuer einzuführen und speziell das
Grundeigenthum der Aktiengesellschaften einer solchen Steuer zu
unterwerfen Jnsbesondere kann auch keine Rede davon sein, dass der an
der Spitze des Art. 19 stehende allgemeine Satz: Alle Steuerpflichtigen
haben im Verhältniss e der ihnen zu Gebote stehenden Hülssmittel an
die Staatsund Gemeindelasien beizutragen- die Gesetzgebung hindere, den
Gemeinden in grösserem oder geringerem Umfange das Recht der Besteuerung
der in ihrem Gebiete befindlichen Grundstücke ein-
zuräumen Demnach hat das Bundesgericht
e rf an n t: Die Beschwerde ist als unbegründet abgewiesen.
54. Urtheil vom 22. Juni 1877 in Sachen Strehler.
. Der wegen Verschwendung unter staatlicher Vormuudschaft stehende
Rekurrent, geb. 1844, wurde, nachdem er einige Zeit in Jrrenanstalten
gewesen, Von den Vormundschaftsbehörden, Gemeindrath Hittnau und
Bezirksrath Pfäfsikon, erst in die Zwangsarbeitsanstalt Kalchrain und
sodann in diejenige von Uetikon verbracht, um zu verhüten, dass sein
bedeutendes Vermögen nicht trotz der Vormundschaft durch ihn zu Grunde
gerichtet werde und er selbst ins Zuchthaus komme.
Hiegegen rekurrirte Strehler an den zürcherischen Regierungsrath; allein
dieser wies die Beschwerde am 21. April P.I. ah, da sich aus dem Berichte
der Vormundschaftsbehörden und des Vormundes ergebe, dass Strehler ein
leichtsinniger, verkommener,Eingriffe in garantirte Rechte. N° 54. 319
und zu Verbrechen geneigter Mensch sei und daher die
Vormundschaftsbehörden mit Recht einfach auf §. 341 des
priv. r. Gefb. sich berufen, indem eine gehörige Vorsorge für die geistige
Und körperliche Wohlfahrt des Vögtlings und für fein Vermögen nur durch
eine Massregel, wie die getroffene, möglich sei.
B. Mit Rekursschrift vom 19. Mai d. J. verlangte Strehler beim
Bundesgerichte Aufhebung dieses Beschlusses und Anordnung seiner
Freilassung, indem seine Unterbringung in der Zwangsarbeitsanstalt
Uitikon eine Verletzung der in Art. 7 der zürcherischen Verfassung
garantirten persönlichen Freiheit enthalte und eine Massregel sei,
zu welcher die Behörden absolut kein Recht gehabt haben. Nach der
gegenwärtigen zürcherischen Gesetzgebung sei eine solche zwangsweise
Versorgung nur gegen liederliche Almosengenösfige zulässig; nun besitze
er, Rekurrent, aber ein Vermögen von 80 000 Fr. und sei daher keine
Voraussicht vorhanden, dass er dem Armengute zur Last fallen werde. Die
Berufung auf Art. 341 priv. Gesb. sei ganz unrichtig. Derselbe laute :
Der Vogt hat überdem für die geistige und körperliche Wohlfahrt des
Vögtlings nach Kräften Sorge zu tragen. Jusbesondere ist der Vormund
der Unmigen verpflichtet, für die gute Erziehung, für religiöse und
sittliche Entwickelung, und für eine der Fähigkeit, dem Vermögen und den
sonstigen Verhältnissen angemessene Berufsbildung seiner Bögtlinge wie ein
Vater zu sorgen. Dass dieser Paragraph auf den vorliegenden Fall nicht
passe, sei von vornherein klar, während gegenüber Art. 7 der Verfassung
unzweifelhaft eine bestimmte gesetzliche Vorschrift verlangt werden müsse.
C. Die Regierung von Zürich entgegnete in ihrer Vernehmlassung,
die Unterbringuug des Strehler in einer Zwangsarbeitsanstalt sei
keine verfassungswidrige Beschränkung der persönlichen Freiheit Diese
Anordnung sei vielmehr nach Massgabe der Bestlmmungen des zürcherischen
Privatrechtes (§. 341 und 3721jtt. d.) erfolgt und die einzige Massregel
gewesen, um die wegen Verschwendung über den völlig verkommenen Menschen
verhängte Vormundschaft nicht illusorisch werden zu lassen. -Die richtige
Anwendung der Kantonalgesetzgebung unterliege übrigens bloss der Aufsicht
der kantonalen Behörden.