10 A. Staatsrechtl. Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.
auprés du Tribunal federal contre la double imposition dont il a été
l'objet; se fondant sur l'article 46 de la Constitution federale, il
conclut à ce que l'Etat de Vaud soit eondamné a lui rembourser l'impòt
percu pour les huit derniers mois de l'exercice 1876, on 'a ce que l'Etat
de Neuchatel soit déiiouté de ses prétentions.
Invite a présenter ses observations sur ce recours, le Conseil d'Etat
du Canton de Vaud, par office du 26 Janvier 4877, estime, qu'aucune
declaration n'ayant été faite a la Mnnicipalité d'Ollon par Ethénoz lors
de son changement de domicile, ce contribuable doit etre considéré,
'a teneur des articles 26 et 29 du Code civil vaudois, comme ayant
encore son domicile legal a Saint Tri phon pendant une année après qu'il
a quitte cette localité; que dès lors l'impòt percu du reconrant doit
demeurer acquis au Canton de Vaud.
Stamani sur ces faits et considémnt en droit:
1° Le Tribunal fédéral se trouve évidemment, dans l'es*pèce, en présence
d'un cas de double imposition, puisque, d'une part, il est constant que
le recourant a payé à l'Etat de Vaud le montant entier de l'impòt sur
la fortune mobiliere pour 1876 et que, d'autre part, l'Etat de Neuchatel
reclame du meme contribuable le montant de l'impòt direct sur la fortune
et les ressources pour la dite année.
20 La jurisprudence constante du Conseil fédéral, aussi 'hien que du
Tribunal fédéral, a posé le principe que lorssiqu'un contribuahle a
été domicilié snccessivement dans deux Cantons pendant le courant de
la méme année, il ne peut ètre frappè par l'impòt, par chacun de ces
Cantone, qu'au prorata de la durée effective de son étahlissement sur
leur territoire respectif. Or, comme il est constant que le reconrant
a transporté son établissement réel de Vaud à Neuchatel dans le conrant
d'Arril 1876, il en résulte que le droit de ce dernier Canton d'exiger
d'Ethénoz l'impòt afferent aux huit derniers mois de cette année ne
saurait ètre contesté.
3° Il en résulte également qu'il n'y aurait pas lieu d'admettre l'Etat
de Vaud à réclamer aujourd'hui du recourantI. Doppelbesteuerung. N°
2 n. 3. 11
l'impòt imputable à une période pendant laquelle il était domicilié a
Neuchatel. La question se présente toutefois, dans le cas particulier,
d'une maniere essentiellement différente: Ethénoz 3, en effet, payé
spontanément à l'Etat de Vaud le montant integral de l'impòt pour
l'exereice entier de 1876, sans qu'on voie qu'il ait accompagné ce
payement d'une réserve ou condition quelconque; il l'a opéré en outre à
une époque où, domicilie dans le Canton de Neuchatel depuis près de trois
mois, il devait savoir qu'il était astreint à l'impòt dans ce Canton. La
revendication de sa part, du montant qu'il estime avoir payé a tort, soit
à double a l'Etat de Vaud, apparaît dès iors comme une question civile
dont Ia solution, appelant l'application des principes juridiques sur
'la répétition de l'indu, est réservé à. la connaissance des
Tribunaux vaudois compétents.
Par ces motifs, Le Tribunal fédéral
prononce: 1° Le recours, pour autant qu'il conclut à liberation de la
prétention formulee par l'Etat de Neuchatel et tendant à percevoir du
recourant la portion de l'impòt direct afferente aux huit derniers mois
de 1876, est écarté comme mal fondé. 20 Le recourant Ethénoz est renvoyé
à intenter devant les Tribunaux civile du Canton de Vaud, s'il le juge
convenable, son action en restitution des deux tiers des impöts payés
par Im dans ce Canton pour l'exercice de l'année 1876.
3. Urtheil Vom 31. März 1877 in Sachen der Erben MBM.
A Am 14. Mai 1873 starb im Jrrenhaufe zu Mailand Peter Mol: von Madulein,
mit Hinterlassung eines Vermögens, welches von den Erben auf 800000 Fr.,
von der Gemeinde Madatem "EW Wi 1 1/2 Millionen Franken geschätzt wird
und grösstentheils aus Liegenschaften besteht, die sich in Italien und
nur zu einem kleinen Theile im Kenton Graubi'mden, in den Ge-
TZ A. Staatsrechtl. Entscheidung-zu I. Abschnitt. Bundesverfassung.
meinden Bevers und Samaden, befinden. Peter Möli hatte sich seit 1824 in
dem Jrrenhause zu Mailand aufgehalten und war auch in jenem Jahre von der
heimatlichen Vormundschaftsbehörde unter Vormundschaft gesetzt worden. Wo
derselbe Vorher seinen Wohnsitz gehabt hat, geht aus den Akten nicht
sicher hervor; es scheint indessen, dass er früher abwechselnd in Bevers
und in Mailand gewohnt habe. Seine Verlassenschast fiel verschiedenen
Verwandten von der Vaterund Mutterseite zu, die theils in Graubünden,
theils im Kanton Zürich, theils im Auslande, namentlich in Italien,
wohnen.
B. Als diese Erben im September 1874 eine Versteigerung der in der
Gemeinde Bevers liegenden Nachlassgrundstiicke abhalten wollten,
belegte das Kreisamt Oberengadin unterm 16. gl. MB. ans Begehren der
Gemeinde Madulein für eine Erbschastssteuersorderung, welche dieselbe im
Betrage von 45 000 Fr. an die Mölische Verlassenschaft geltend machte,
alle im Engadin liegenden Bestandtheile der letztern mit Arrest, welcher
sodann unterm 3. Mai 1875 vom Bezirksgerichte Maloja definitiv bestätigt
wurde. Darauf ergriffen die Erben sowohl gegen die Steuersorderung,
als auch gegen den Arrest den Rekurs an den Kleinen Rath des Kantons
Grauben, indem sie behaupteten, die Steuerberechtigung einer
Gemeinde als Ausfluss ihrerTerritorialhoheit reiche nicht über das Gebiet
derselben hinaus, und daher der Gemeinde Madulein das Recht, in Italien
liegendes oder von dort wohnhaften Personen besessenes und aus answärts
wohnende Personen fallendes Vermögen mit irgend welcher Gemeindesteuer
zu belegen, bestritten, zumal das in Italien liegende Vermögen die
zutreffende Erbschastssteuer bereits an den Staat bezahlt habe und eine
Doppelbesteuerung sowohl nach bnerischem Steuergesetz, als durch
die Bundesversassung und Bundesgesetzgebung, wie durch Staatsverträge
mit Italien ausgeschlossen sei. Eventuell erboten sich die-Erben Möli,
von dem im Kanton Grauben liegenden Vermögen eine Erbschaftssteuer
von 2 fo in Madulein zu entrichten.
Durch Beschluss vom Bl. Dezember 1875 wies jedoch der Kleine Rath
die Beschwerde als unbegründet ab und erklärte die Gemeinde Madulein
berechtigt, eine Erbschaftssteuet vom ganzen
I. Doppelbesteuerung-. N° 3. ' 13
im Jnund Auslande gelegenen reinenVermögen nach Massgabe das
Gemeindestatuts zu erheben.
Dieser Beschluss stützt sich auf folgende Erwägungen: Nach Art. 2 des
Erbschaftssteuerstatutes von Madulein habe jede Hinterlassenschast
eines ohne Leibeserben verstorbenen Bürgers zu Gunsten des Kirchenund
Schulsonds eine Erbschaftssteuer Von 1 3 "0 an die Gemeinde zu entrichten;
diese Steuer treffe somit das ganze hinterlassene Vermögen eines
verstorbenen Bürgers, ohne Rücksicht aus die bürgerliche Angehörigkeit
und den Aufenthalt der Erben, oder auf den Bestand und die Lage der
Vermögenstheile, so dass das fragliche Gemeindestatut die Erbschastssteuer
ebenfalls aus die im Auslande befindliche Hinterlassenschaft ausdehne,
wie solches auch bisher in Anwendung gekommen sei. Nach anerkanntem
Grundsatz des schweizerischen Staatsrechtes ge-
höre die Gesetzgebung über Staats und Gemeindesteuern in den
Bereich der Kantonalsouverainetät und nach Art. 27 der blindnerischen
Kantonsverfassung stehe jeder Gemeinde das Recht zu, die in ihre
Verwaltung einschlagenden Ordnungen selbst festzusetzen, soweit dadurch
weder Bundesnoch Kantonsgesetze verletzt werden, was in concreto nicht
der Fall sei, indem weder eine Verfassungsnoch eine Gesetzesvorschrift
die Gemeinden in Erhebung von Erbschaftssteuern, zumal zur Aeusfnung
der öffentlichen Güter, beschränke Der durch die Bundesversassung und
bundesrechtliche Praxis festgestellte Grundsatz der Unstatthastigkeit
einer Doppelbesteuerung gelte nur für solche Fälle, wo das gleiche
Vermögensobjekt in verschiedenen Kantonen der Schweiz besteuert werden
wolle, sinde dagegen keine Anwendung aus die bezüglichen Verhältnisse
zwischen der Schweiz und dem Auslande, resp. Italien, in welcher Beziehung
einzig die Verträge massgebend seien. Der Staatsvertrag der Schweiz
mit Italien beschlage aber lediglich Niederlassungsverhältnisse und
werde durch das Statut Von Madulein nicht verletzt Die Ermittlung der
Grösse der Hinterlassenschast und des Steuerbetrages sei endlich nicht
Sache des Kleinen Rathes, sondern der Gerichte, und ebensowenig stehe
dem Kleinen Rathe ein Entscheid zu über die Begründetheit des von der
GemeindesMadulein ausgewirkten Arrestes. Zudem liege ein eigentlicher
Rekurs gegen den Entscheid des Bezirksgerichtes Ma-
14 A. Staatsrechtl. Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung. --
loja vom B. Mai 1875 nicht vor und erscheine ein solcher daher Ver-wirkt.
C. Ueber diesen Beschluss beschwerten sich die Erben Möli sowohl beim
Bundesgerichte als beim Grossen Rathe des Kantons Graubünden. Ersteres
beschloss jedoch, auf die Beschwerde so lange nicht einzutreten, bis
der Grosse Rath über dieselbe entschieden habe. Dagegen bestätigte der
bündnerische Grosse Rath unterm B. Juli 1876 den Entscheid des Kleinen
Rathes und zwar gestützt auf die in letzterm aufgestellten Erwägungen,
welchen lediglich beigefügt wurde, dass das Besteuerungsrecht der Gemeinde
das natürliche Korollar der Verpflichtung der Gemeinde zur Unterhaltung
ihrer bürgerlichen Angehörigen sei und dass diese Erbschaftssteuer durch
die Erhebung einer Handänderungsgebühr am Wohnorte des Verstorbenen
nicht beeinträchtigt werden könne.
D. Gestützt auf diesen Abweisnngsbeschluss verlangten die Erben Möli
nunmehr den Entscheid des Bundesgerichtes, indem sie ihre Beschwerde
zugleich auf die Schlnssnahme des Grossen Rathes ausdehnten und zur
Begründung anführten:
1. In thatsächlicher Hinsicht : die Erbschaft des P. Möli sei in Italien
eröffnet , getheilt und gemäss dem italienischen Erbschaftssteuergesetz
versteuert worden. Von den Erben Möli wohne keiner in Madulein und es
befinden sich auch keinerlei Nachlassaktiven in dieser Gemeinde.
2. In rechtlicher Hinsicht : der Entscheid des Kleinen Rathes sei
aus zwei Gründen nicht zulässig, einmal weil die Liegenschaften in
Italien sich befinden und sodann weil dort die gleichen Objekte mit
Erbschastsstenern belegt worden seien. Das allgemeine Staatsrecht
kenne zur Begründung von Steuern jeder Art kein anderes Fundament,
als die Staats resp. Gemeindehoheit. Erbschaftssteuern fallen unter
den allgemeinen Begriff von Vermögenssteuern , die von unentgeldlichen
Bermögensübertragnngen bezogen werden. Sie gleichen darin zunächst
den Handänderungsund Einregistrirungsgebühren, namentlich wo sie sich
aus Liegenschaften beziehen. Auch das italienische Gesetz fasse sie in
dieser Weise auf und sie können nach keinen andern Grundsätzen bezogen,
resp. wissenschaftlich begründet werden, als andereI. Doppelbesteuerung N°
3. 15
solche Steuern. Soweit also "nach allgemeinen Begriffen die Staatsresp.
Gemeindehoheit reiche, soweit können Steuern be-
szogen werden, weiter nicht. Dieses Hoheitsrecht gehe aber über
das Territorium nicht hinaus. Diese allgemeinen Grundsätze
des-·Staatsrechtes seien auch bisher in Granbünden jederzeit anerkannt
worden und zwar sowohl in der Gesetzgebung als in der Praxis. Zwar
beziehe der Kanton dermalen keine Erbschaftssteuer, dagegen dehne sich
die gewöhnliche Vermögenssteuer nicht auf Liegenschasten ausser dem Kanton
aus. Was die Praxis anbelange, so sei ein Fall genau wie der vorliegende
noch nie entschieden worden;allein in einem frühem Falle (Entscheid des
Kleinen Rathes vom 29. März 1867 in S. Mini) habe sowohl der Kleine als
der Grosse Rath das Steuerrecht der Gemeinden ganz ausdrücklich von ihrer
territorialen Hoheit abhängig gemacht und es müssen wohl die für den Staat
proklamirten Stenergrundsätze auch für die Gemeinden gelten. Der Art. 27
der Kantonsverfasfung könne also offenbar nicht soweit geltendgemacht
werden, dass die Gemeindesouverainetät in irgend einem Falle über ihr
nicht unterworfene Personen und Gegenstände hinausreiche. ss
Wenn aber selbst einer solchen Gemeinde das Recht zustehen sollte,
innerhalb des Kantons ein anderes Steuerrecht zu schaffen, als es
die übrige civilifirte Welt besitze, so stehe ihr dies; doch ohne
Zweifel nicht zu in interkantonalen und internationalen Verhältnissen,
gegenüber Erbschasten und Erben, die in andern Kantonen der Schweiz
oder in bestimmten Staaten des Anstandes sich befinden, und nun sei es
wesentlich diese Seite der Frage, wesshalb das Bundesgericht angerufen
werde. Der Grundsatz, dass Liegenschasten mit jeder Art Von Steuern, auch
Erbschaftssteuern, nur da belegt werden dürfen, wo sie sich befinden,
sei ein durchaus festgestellter, wofür auf die ältere Praxis der
Bundesbehörden (abgedruckt bei Ullmer, staatsrechtliche Praxis, Bd. II,
p. 10, 15 und 589), wie auf die Entscheidungen des Bundesgerichtes,
besonders im Falle Blumen abgesteckt werde.
Was das Mobiliarvermögen betreffe, so sei dasselbe zwar im vorliegenden
Falle von untergeordneter Bedeutung, immerhin aber der Steuerhoheit der
Gemeinde Madulein nicht unterworfen, in-
Dis A. staatsrechtl. Entscheidungen. I. Abschnitt-. Bundesverfassung.
dein der bundesrechtliche Grundsatz dahin gehe, dass das MobiLliarvermögen
da versteuert werden müsse, wo die Person, der es angehöre, wohne. Nun sei
aber weder diefGrbschasn in Madulein eröffnet worden, noch befinde sich
Mobiliarverniogenuoder ein Erbe in dieser Gemeinde. Aus die Vormundschast
Yonne sich Madnlein um so weniger Berufen, als dieselbe von dem Kreise und
der Kreisbehörde, nicht von der Gemeinde Maduleinz die damit gar nichts zu
thun gehabt, ausgegangen seisz Vormunder und Vormundschastsbehörden haben
ihren Sitzmie in Madulein gehabt; allein wenn dies; sogar der Fall gewesen
ware, so finde ein solches sog. fiktives Domizil der Bevormundeten keine
Anwendung aus Steuerverhältnisse. Der Erblasser habe denn auch während
seines Lebens mit Ausnahme der dort befindlichen Liesgenschasten nie
irgend welches Vermögen im Engadin versteuert; in Madulein gar nichts. _
Wenn der Kleine Rath sich weigere, die bisher erörterten Grundsätze
gelten zu lassen, weil es sich im vorliegenden Falle nicht um
einen Schweizerkanton, sondern um Italien handle, so verkenne er die
bestehenden Staatsverträge, welche deutlich den Grundsatz feststellen,
dass Italien in Bezug auslsolche Verhaltnisse gegenüber Grauben
genau in der rechtlichen Stellung eines andern Schweizerkantons sich
befinde. Der sog. Immervertrag vorn 16. März 1816 habe in Art. 16 einen
bestimmten Passus, wonach alle HeimsallsAbzugsoder andere gleichartige
aus Verlassenschaft Bezug habende Rechte, worin die gegenseitigen
Bürger nicht gleichgehalten würden, aufgehoben sein sollen: Der Vertrag
zwischen Sardinien und der Schweiz vorn 8.Juli 1851 enthalte in Art. 1
und 2 die vollständige gegenseitige Gleichstellung und am 11. August
und 11. September 1862 sei vereinbart worden, dass alle sardinischen
Verträge auf ganz Italien Anwendung finden sollen. Unter gleichem Datum
sei auch noch eine Erläuterung mit Bezug aus Erbschasten beigesugt
worden, wonach auch hierin Jtaliener den Schweizerbiirgern vollig
gleich zu halten seien. Jedenfalls aber lassen die Art.1, 3 und 5 des
Niederlassungsvertrages vom 22. Juli 1868 keinen Zweifel daruber, dass
eine Vergegenrechtung in dem Sinne bestehe, dass nicht nur die Bürger
beider Staaten im Allgemeinen gleich gehaltenI. Doppelbesteuerung-. N°
3. {7
werden müssen, wie die eigenen, sondern überhaupt Jtalien als Staat in der
Schweiz gewissermassen diejenige rechtliche Stellung ansprechen dürfe,
welche einem andern Kantone der Schweiz insbesonders zugestanden werden
müsse. Massgebend sei in concreto der Art. 5. In Bezug aus Frankreich ,
welches zu der Schweiz in ganz gleichem Verhältnisse stehe, wie Italien,
habe die bundesrechtliche Praxis bereits einen völlig zutreffenden
Präcedenzsall in der Sache Braun. (Ullmer II, 589.)
Endlich haben gewiss Erben, welche in Italien, Frankreich, Wirrtemberg
und Belgien wohnen und theilweise Bürger dieser Staaten, theilweise aber
Schweizer anderer Kantone seien, das Recht, sich auf die bundesrechtlichen
Grundsätze über Doppelbesteuerung zu berufen und zu verlangen, dass keine
Gemeinde des Kantons Grauben berechtigt erklärt werde, die ganz
gleichen Erbschaftsobjekte nochmals mit 41000 Fr. Erbschaftssteuer zu
belegen, für die bereits über 80 000 Fr. in Italien bezahlt worden seien.
Der Arrest verstosse gegen Art. 59 der Bundesversassung und die
Staatsverträge mit den vergegenrechteten Staaten; denn es könne nicht
Bürgern von Zurich, die in Zürich wohnen, solchen
die in Italien wohnen, Jtalienern die in Italien wohnen, Bel-
giern die in Belgiem Bündnern die in Frankreich oder Italien Wohnen,
Würtembergern die dortselbst wohnen, ihr Eigenthum willkürlich arrestirt
werden für F o r d e r u n g e n.
Nekurrenten stellten demnach das Gesuch:
1. Dass die Dekrete des Kleinen Rathes und des Grossen Rathes von
Graubünden aufgehoben und der Gemeinde Madu{ein die Befugniss zur Erhebung
einer Erbschaftssteuer nicht zuss gesprochen, und
2. die Arrestfrage dahin entschieden werde, dass ein Arrest für, irgend
welche Steuersorderung der Gemeinde Madulein nicht stattfinden dürfe.
E. Die Gemeinde Madulein, deren Vernehmlassung sich auch die
graubnerischen Kantonsbehörden anschlossen, trug auf Abweisung der
Beschwerde an. Sie stützte sich hieer im Wesentlichen ans die Begründung
der rekurririen Verfügungen, welcher sie noch Folgendes beisiigte:
1. Was das allgemeine Staatsrecht betreffe, so seien die diess-
G)
18 A. Staatsrechti. Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.
bezüglichen Anschauungen noch keineswegs konsorm und werde wenigstens
praktisch noch vielfach der Grundsatz der Nationalität festgehalten
Uebrigens komme es in concreto nur darauf an, wie es bisher in der
Schweiz und insbesondere im Kanton Granben gehalten worden sei
und nun gelte dort bis auf den heutigen Tag das Nationalitätsprinzip
und seien es namentlich die Gemeinden, welche dasselbe vermöge ihrer
Autonomie und unter Anerkennung der Staatsbehörden von jeher zur
Anwendung gebracht haben. So finde auch das blind-tierische Privatrecht
gemäss §. 1 des bürgerlichen Gesetzbuches auf alle Erbschaften, die von
Kantonsangehörigen her-richten, Anwendung, sofern Kantonsbiirger dabei
betheiligt seien. Auch das kantonale Steuergesetz habe nur theilweise
den Grundsatz der Territorialität angenommen, indem auch auswärts
befindliche Betriebsfonds und Kapitalien zur Steuer herangezogen
werden; in Beziehung auf Erbschaftssteuern sei aber stets das Prinzip
der Nationalität anerkannt und zur Anwendung gebracht worden und es
könne auch das kantonale Steuergesetz stir die politischen Gemeinden
des Kantons in keiner Weise massgebend {ein.
2. Ebenso unrichtig sei die Behauptung, dass das Statut von Madulein
aus dem Standpunkte der Bundesversassung nicht haltbar sei. Der Art. 46
der Bundesverfassung könne sich nur ans interkantonale Verhältniss e,
von Kanton zu Kanton, beziehen und nicht aus Verhältnisse und Objekte
erstrecken, die ausserhalb seinem Bereiche liegen. Folgerichtig komme
der Bundesverfassung und Bundesgesetzgebung auch kein Einfluss aus den
angeblichen Thatumstand zu, dasz die im Nachlasse des V. Möli befindlicher
in Italien belegenen Immobilien bereits dort mit einer Erbschaftsstener
belegt worden seien. Ein solcher Nachweis sei übrigens nicht geleistet
worden; das bezügliche Gesetz beweise nur, dass beim Uebergang von
Vermögen mortis eausa eine sog. Einregistrirungsgebühr, wie bei allen
andern Handändernngen mortis causa bezogen werde und zwar zum Zwecke
ossizieller Konstaiirung des Eigenthumsüberganges, wesshalb diese Gebühr
von der von Madulein zu beziehenden Erbschaftssteuer total verschieden
sei. Möge es sich aber verhalten wie immer, so beziehe sich jedenfalls
die Bundesverfassung nicht aus solche Vorgänge inI. Doppelbesteuernng. N°
3. 19
einem auswärtigen Staate und speziell werde no be '
der Bund irgend wie das Besteuerungsrecht der Zemxiirlbxiil,hkrbk
uormrren wollen, während es sich hier um eine souveraine GemeändeDdes
Kantons Grauben handle.
. ie von den Rekurrenten angerufenen Verträ 'e v
1851 und 1862 haben ans das in Rede stehende Vekhälsiikisslfügt den
mindesten Bezug. Dieselben beziehen sich auf die sogenannten Abzugsund
Heimfallsrechte im Auslande angefallener Erbschaften und es liesse
sich aus ihnen viel eher herleiten, dass Italien nicht befugt sei, eine
solche Einregistrirungsgebühr von einer von einem Bundner der Mehrzahl
nach Schweizerbürgern angefallenen Erbschaft zu beziehen. Auch der
Konsularvertrag von 1868 habe den vorliegenden Fall nicht im Ange. Es
könne sich bei der Frage, ob dieser Vertrag verletzt sei, lediglich darum
hanbelin, oBQaB'gesehen davon, dass die Erbschaft als solche besteuert
werde, emrtalienischer Erbe anders und nachtheiliger behandelt worden sei,
als ein Bündner oder ein Schweizer in einem ana.logen Falle behandelt
würde. Diess sei nun keineswegs so und falle daher Jede Beschwerde
auf dem Standpunkte dieses Vertrages .dahm, wie das Bundesgericht
im Falle Riccono unterm 23 April 1875 ausgesprochen habe. Von einer
analogen Anwen; dng des Staatsvertrages zwischen Frankreich und
der Schweiz Sonne keine Rede sein; denn Frankreich habe sich in den
mit der Schweiz abgeschlossenen Verträgen unter allen Umständen die
Inrrsdiktron nber die auch von einem Schweizer herrührenden m Frankreich
befindlichen Immobilien reservirt (Art. 5 des Ver-: trages vom 15. Juni
1869), während dies im italienischschweizerischen Nrederlafsungsund
Konsularvertrage nicht geschehen sei und daher Italien auch nicht die
ausschliessliche Jurisdiktion über von einem Schweizer herrührende und
in Italien belegene Liegenschaften beanspruche und festhalte, sondern
gegentheils dieselbe nach Art. 17 alinea 3 und 4 des Vertrages der
schweizerischeu respssfantonaîen und gemeindlichen Jurisdiktion und
Gesetzgebung anheimstelle Uebrigens habe in dem von den Rekurrenteu
angezogenen Falle Braun der Kanten Waadt von den in Frankreich Fliege-neu
Liegenschaften eine Erbschaftsstener nicht erheben wollen n set daher
nicht entschieden worden, ob er dazu berechtigt
20 A. Staatsrechtl. Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.
wäre oder nicht· Auf dem Standpunkte des italienischen Vertrages seien
die Gesetze und die Jurisdiktion der Schweiz hinsichtlich der von einem
in Jtalien verstorbenen Schweizer herrührenden Erbschaft ausdrücklich
anerkannt worden und Unter keinen Umständen erscheine daher ein Erbe, der
Staatsangehöriger von Italien sei, zu einer Einrede gegen die von Madulein
beanspruchte Steuer legitimirt, ebensowenig aber auch ein Schweizer, der
der Jurisdiktion und der Steuerhoheit des betreffenden Kantons unterworfen
sei; am allerwenigsten aber ein Erbe, welcher-, weder Jtaliener noch
Schweigen unter gar keinem nur denkbaren Gesichtspunkte sich auf einen
zwischen Italien und der Schweiz abgeschlossenen Staats-Vertrag berufen
könne. Uebrigens werden nicht die Erben, sondern die Erbschaft als solche,
welche, so lange sie nicht getheilt sei, als heredjtas jacens durch den
Erblasfer Peter Möli repräsentirt werde, besteuert·
4. Endlich habe Peter Möli als geisteskranker Bevormundeter seinen
rechtlichen Wohnsitz am Orte der Vormundschaftsbehörde resp. in seiner
Heimatsgemeinde Madulein gehabt (Art. 23 litt. h des bündnerischen C. O.),
und sei daher diese Gemeinde auch auf dem Standpunkte der Beschwerde
befugt, das bewegliche, selbst in Italien liegende, Vermögen des P. MW
mit der Erbschaftssteuer zu belegen. ss
5. Was die Arresifrage betreffe, so liege in dieser Hinsicht vollkommene
res judicata vorK indem diese Frage vor dem hiezu kompetenten Ausschuss
des Bezirksgerichtes Maloja verhandelt und entschieden worden sei;
die Erben Möli haben sich einredelos auf die diessfällige Verhandlung
eingelassen und den Entscheid Vom 5. Mai 1875 anerkannt Ein Rechtsmittel
gegen diesen Entscheid sei bei den kantonalen Gerichten nie ergriffen
worden und habe daher weder der Kleine Rath noch der Grosse Rath darauf
eintreten können. Ein direkter Rekurs an das Bundesgericht sei längst
verspätet und verwirkt.
Eventuell könne der ein. 59 der Bundesverfassung desshalb nicht angerufen
werden, weil derselbe von einem aufrechtstehenden Schuldner handle,
der in der Schweiz einen festen Wohnsitz habe. Sodann sei das Verbot der
Arrestlegnng kein unbedingtes und absolutes, indem nur für Forderungen
auf dasI. Doppelbesteuerung-. N° 3. 21 .
Vermögen ausser dem Kanton, in welchem der Schuldner wohnt, kein Arrest
gelegt werden dürfe. Es sei daher der kantonalen Gesetzgebung vorbehalten,
Fälle zu bestimmen, in welchen die AnIegung eines Sequesters auf Vermögen
eines im betreffenden Kantone wohnhaften Schweizers statthaft sei und nun
liege ein solcher Fall hier gemäss S. 480 des bündnerischen Privatrechtes
vor. Miifse sich nun aber ein im Kanton wohnhafter Schweizer dieser
Massregel unterziehen, so sei diess auch siir jeden Andern der Fall,
sei er Schweizer oder Nichtschweizer, wohne er in einein andern Kantone
oder im Auslande:
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
L Was in erster Linie die Frage betrifft, wo der verstorbene Peter
Möli bei feinem Ableben feinen Wohnsitz gehabt habe, so ist dieselbe
mit den Rekursbeklagten dahin zu beantworten, dass dieser Wohnsitz im
Kanten Grauben und zwar im Kreise Oberengadin gewesen fei. Denn
da V. Möli wegen Geisteskrankheit unter der Vormundschaft seiner
heimatlichen, graubnerischen Behörden gestanden ist, so trifft auf
ihn die Vorschrift des Art. 23 litt. b der bnerischen C. P. O. zu,
wonach bei Personen, die unter Vormundschaft stehen, der Gerichtsstand
des Domizils am Wohnsitze des Vormundes, oder, wenn dieser nicht im
Kanton wohnen sollte, am Sitze der Vormundschaftsbehörde angenommen
wird. Unbestrittenermassen hat nun aber der Vormund des P. MW in Italien
gewohnt und daher der Gerichtsftand des Bevogteten sich am Sitze der
Vormundschaft, also im Kreise Oberengadin, befunden.
2. Hieraus folgt gemäss Art. 27 des citirten Gesetzes-, dass der
Gerichtsstand in Oberengadin auch als Gerichtsstand der Mölischen
Erbschaft anerkannt werden muss, vor welchem alle die Erbschaft
betreffenden Angelegenheiten zu erledigen sind und die Erben für alle
an die Erbschaft gestellten Forderungen Ned' und Antwort zu stehen
haben. Denn nach der citirten Gesetzesftelle dauert der Gerichtsstand
des Erblassers nicht bloss als Gerichtsstand der ruhenden Erbschaft
bis zur Erbschaftsantretung, sondern auch für die Erben bis zur
gänzlichen Theilung des NachIasses fort und zwar sowohl für Klagen
Von Erbschaftsgläubigern Segen die Erbmasfe, wie für die eigentlichen
Erbschaftsstreitig-
22 A. staatsrechtl. Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.
keiten. Da nun die von der Gemeinde Madulein geforderte Erbschaftssteuer
sich auf die Erbschaft Möli bezieht, so verstösst der von dieser
Gemeinde gegen die letztere ausgewirkte Arrest keineswegs gegen den
Art. 59 der Bundesversassung, indem diese Verfassungsbestimmung nur
Arreste aus Vermögen ausser dem Kanton, in welchem der Schuldner wohnt,
als unzulässig erklärt, während im vorliegenden Falle der Arrest in dem
Gerichtsstande am Domizil der Erbschaft ansgewirkt worden ist
3. Aus dem Domizil des V. Möli im Kanten Graubtinden folgt aber
auch ferner, dass die Beschwerde, soweit sie gegen den Bezug der
Erbschaftssteuer seitens der Gemeinde Madulein vom gesammten beweglichen
Vermögen und den im KantonGrauben liegenden Grundstücken des
P. MW gerichtet ist, als unbegründet verworfen werden muss. Denn es
ist ein feststehender Grundsatz der bundesrechtlichen Praxis, dass
das gesammte bewegliche Vermögen einer Person in demjenigen Kanton,
in welchem dieselbe ihren Wohnsitz hat, beziehungsweise sofern es sich
um eine Erbschaftssteuer handelt, zur Zeit ihres Todes gehabt hat,
der Besteuerung unterliegt und si dass das unbewegliche Vermögen da
versteuert werden muss, wo dasselbe sich befindet. Nun ist es zwar
allerdings nicht der Kanton Grauben, welcher die Erbschaftssteuer
erheben wifi, sondern nur eine Gemeinde desselben; allein es ist diess
desshalb unerheblich, weil sobald das Besteuerungsrecht jenes Kantons
feststeht, die Frage, ob eine und resp. welche Gemeinde desselben zum
Vezuge einer Erbschastssteuer berechtigt sei, lediglich als eine kantonale
erscheint, welche daher nicht vom Bundesgerichte, sondern lediglich von
den graubnerischen Behörden nach der dortigen Gesetzgebung zu ent-
scheiden ist.
si 4. Anbelangend die ausser dem Kanten Grauben, in Italien
liegenden Nachlassgrundstiicke, so erscheint vorerst die Einrede der
Rekursbeklagten, dass von denselben in Jtalien eine Erbschastsstener
nicht erhoben worden sei und daher eine Doppelbesteuerung derselben gar
nicht eintrete, als unbegründet Denn offenbar hat die in Jtalien von
den dort befindlichen Liegenschaften bezahlte Handänderungsgebührr ganz
den gleichen Charakter, wie die von der Gemeinde Madulein geforderte
Erbschafts-I. Doppelbesteuerung-· N° 3. 23
steuer, indem beide sich aus die durch den Todesfall bewirkte Handänderung
gründen.
5. Frägt es sich nun, ob das Bundesgericht in der Lage sei, gegen diese
Doppelbesteuerung Schutz zu gewähren, so kann diess jedenfalls nicht
gestützt auf die bündnerische Gesetzgebung geschehen, indem, was die
bündnerische Verfassung betrifft, dieselbe keine Bestimmung enthält,
welche der Steuersorderung der Gemeinde Madulein entgegenstehen würde,
die Auslegung des bündnerischen Steuergesetzes aber lediglich Sache
der kantonalen Behörden ist und daher-der Entscheid des bündnerischen
Grossen Rathes, soweit er die Frage der Gesetzesverletzung verneint hat,
beim Bundesgerichte nicht angefochten werden kann.
6. Ebensowenig erscheint die Berufung der Rekurrenten auf die zwischen
der Schweiz und Italien bestehenden Staatsverträge, insbesondere den
Niederlassungsund Konsularvertrag vom 22. Juli 1888, begründet Dieser
Vertrag verpflichtet in Art. 1 und 5 die Schweiz lediglich, die Jtaliener
in jedem Kanton der Eidgenossenschaft hinsichtlich ihrer Personen und
ihres Eigenthumes ans dem nämlichen Fusse und auf die gleiche Weise
aufzunehmen und.zu behandeln, wie die Angehörigen der andern Kantone,
und aus das Eigenthum derselben keine andern oder höhern Taxenz Gebührren
oder Abgaben zn legen, als von dem gleichen Eigenthum gefordert würde,
wenn dasselbe einem Schweizerbiirger oder einem Bürger der am meisten
begünstigten Nation gehören würde. Dagegen bezieht sich der Vertrag
durchaus nicht auf die Verhältnisse der kontrahirenden Staaten zu ihren
eigenen Angehörigen, welche in dem andern Staate wohnen oder dort
Eigenthum besitzen, und bleiben dieselben daher ihren heimatlichen
Gesetzen unterworfen, soweit nicht andere Gründe deren Anwendung
entgegenstehen Im vorliegenden Falle handelt es sich nun aber um die
Besteuerung der Erbschaft eines Schweizers durch eine schweizerische
Gemeinde und kann daher lediglich in Frage kommen, ob nach Bundesrecht
die Besteuerung des im Auslande befindlichen und dort der Besteuerung
unterworfenen Grundeigenthumes eines Schweizerbürgers im Jnlande
unstatthaft sei oder nicht.
î. In dieser Hinsicht ist nun zu beachten, dass schon unter
24 A. Staatsreehfl. Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.
der Herrschaft der frühem Bundesverfassung, obschon dieselbe
keinerlei Vorschriften gegen Doppelbesteuerung enthielt, eine direkte
Doppelbesteuerung der nämlichen Person und für die glei-
chen Vermögensobjekte von den Bundesbehörden als unstatthaft-
erklärt und dabei der Grundsatz ausgesprochen worden ist, dass das
unbewegliche Vermögen eines Bürgers ausschliesslich in dem Kanton
besteuert werden dürfe, wo dasselbe liege. Die neue Bundesverfasfung
hat nun in Art. 46 Lemma 2 ausdrücklich das Verbot der Doppelbesteuerung
aufgenommen, indem sie es als Sache der Bundesgesetzgebung erklärt, die
erforderlichen Bestimmungen gegen die Doppelbesteuerung zu treffen. Damit
hat die frühere bundesrechtliche Praxis die verfassungsmässige Sanktion
erhalten, und kann daher keinem begründeten Zweifel unterliegen, dass
dieselbe bis zum Erlass des in Aussicht genommenen Bundesgesetzes Anspruch
auf Geltung hat.
& Nun geht schon der in den Jahren 1862/63 im Falle der Erben der
Luise Braun von den Bundesbehörden erlassene Entscheid offenbar von
der Anschauung aus, dass der Grundsatz, welchen die Bundesversammlung
in ihrem Rekursentscheid vorn 26.ss Heumonat 1862 in Sachen Diir
aufgestellt hatte, es dürfe die Erbschaftssteuer vorn Wohnsitzkanton
zwar vom gesammten beweglichen Vermögen, nicht aber auch von dem zu der
Erbschaft gehörenden Grundeigenthum, das in einem andern Kanton liege,
erhoben werden, dahin aufzufassen sei, dass das Recht der Besteuerung
des Grundeigenthums überhaupt nur demjenigen Kantone zustehe, in welchem
dasselbe gelegen sei, und daher kein Kanton Grundeigenthum besteuern
dürfe, welches ausser seinem Gebiete, sei es in einem andern Kanten,
sei es im Auslande, sich befinde. Denn wenn der Bundesrath in seinem,
von der Bundesversammlung bestätigten, Entscheide in Sachen der Erben
Braun sagt, dass gemäss dem in Sachen Diir aufgestellten Grundsatze und
Art. 1 des Staatsvertrages vom 30. Mai 1827, nach welchem die Franzosen
sowohl mit Bezug auf ihre Person als ihre Güter in jedem Kanton gleich
den Angehärigen der andern Kantone behandelt werden sollen, allfällig
in Frankreich befindliche Liegenschaften der in Lausanne verstorbenen
Französin Luise Braun vorn Kanten Waadt nicht mit der Erbschaftsfteuer
be-I. Doppelbesteuerung N° 3. 25
legt werden dürften, so muss er dabei offenbar von der Auffassung
ausgegangen sein, dass auch das in Frankreich, resp. im Ausland, gelegene
Grundeigenthutn eines in der Schweiz verstorbenen Schweizerbiirgers
hierorts jener Steuer nicht unterworfen werden dürfte, indem sonst die
Anrufung jenes Staatsvertrages gar keinen Sinn hätte. So hat auch das
Bundesgericht jenen Entscheid bei Erlass seines Urtheils vom 22. März 1875
in Sachen F. Blumer ausgelegt, indem dort in Erwägung 2, gestiitzt auf
den Entscheid der Bundesversammlung i. S. der Erben Braun, gesagt ist,
dass nach bisherigem Bundesrechte das Grundeigenthnm eines hiesigen
Einwohners, welches im Auslande liege und dort steuerpflichtig sei,
in der Schweiz nicht besteuert werden dürfe.
9. An diesem Grundsatze ist nun aber um so mehr festzuhalten,
als es einerseits ein beinahe allgemein anerkannter Grundsatz des
Völkerrechtes ist, dass für die Besteuerung von Liegenschaften unbedingt
das Territorialitätsprinzip entscheide und daher von Grrindstiicken nur
da Steuern gefordert werden dürfen, wo dieselben liegen, und anderseits
sowohl die bisherige bundesrechtliche Praxis als die oben angeführte
Bestimmung der gegenwärtigen Bundesverfassung hauptsächlich bezwecken,
den Bürger vor einer Ueberbürdung mit Steuern durch doppelte Besteuerung
des nämlichen Stenerobjektes zu schützen, soweit die Gewährung eines
solchen Schutzes im Jnlande möglich ist.
10. Dass im vorliegenden Falle nicht das Besteuerungsrecht eines Kantons;
sondern nur dasjenige einer Gemeinde in Frage steht, ist unerheblich,
indem selbstverständlich der Gemeinde Madulein kein besseres Recht
zusteht, als dem Kanton Grauben zuerkannt werden könnte, wenn er
die Erbschaftssteuer erheben di'-ollie.
Demnach hat das Bundesgericht e rk an n t:
Die Beschwerde wird insoweit begründet erklärt, dass die Gemeinde
Madulein nicht berechtigt ist, von den ausser dem Kanton Grauben
befindlichen Liegenschaften, welche zum Nachlasse deg V. Möli gehören,
eine Erbschaftssteuer zu erheben; im Uebrigen ist der Rekurs als
unbegründet abgewiesen.