746 Civilrechtspflege.

dessen Berechnung in diesem Punkte nicht bestritten ist, lediglich
zu bestätigen Dagegen ist noch der weitere Standpunkt der Beklagten
zu prüfen, der dahingeht, die Klage könne so wie sie gestellt nicht
gutgeheissen werden, da der Kläger nicht berechtigt sei, Herausgabe
der freiwerdenden Summe an ihn zu verlangen, diese vielmehr in die
Pfändungsmasse Fünfschilling fallen miisse, und das Urteil sei in diesem
Sinne abzuändern. (Berusungsantrag Nr. 2.) Dieser Standpunkt der Beklagten
ist insoweit unrichtig, als der Kläger, als anfechtender Gläubiger,
einen persönlichen Anspruch gegen die Beklagte, als Anfechtungsgegnerin,
aus dem ansechtbaren Rechtsgeschäft hat und als von einer Rückgewähr
andie Psändungsmasse Fünsschilling schon deswegen keine Rede sein kann,
weil eine solche gar nicht mehr besteht. Dagegen liegt ihm der richtige
Gedanke zu Stunde, dass der Kläger nicht berechtigt ist, zu verlangen,
dass die vom Beschlagsrecht der Beklagten freigewordene Summe ihm zu
Eigentum herausgegeben merde; denn dem anfechtenden Gläubiger steht das
Recht nicht zu, Übergabe des anfechtbar erworbenen und zurückzugewährenden
zu Eigentum zu verlangen, vielmehr geht sein Anspruch nur dahin,
Übergabe an ihn zu regelrechter Durchführung der Zwangsvollstreckung
zu erwirken, m. a. W. dahin, dass das vom Ansechtungsgegner durch das
ansechtbare Nechtsgeschäft und dessen Folgen erlangte in das Beschlagsund
Vollstreckungsrecht der Gläubiger zurückgebracht merde. In diesem Sinne
ist der Kläger allerdings, wie schon die I. Instanz zutreffend ausgeführt
hat, berechtigt, den sreigewordeuen Betrag zu beziehen, und in diesem
Punkte hat daher Bestätigung des angefochtenen Urteils zu erfolgen.
Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Die Berufung der Beklagten wird in dem Sinne als begründet erklärt und
das Urteil der II. Appellationskammer des Obergerichts des Kantons Zürich
vom 13. Mai 1903 dahin abgeändert, dass die dein Kläger von dem für die
Beklagte deponierten Betrage (4637 Fr. 15 Età.) nach Ansechtnngsrecht
zur Verfügung zu

stellende Summe herabgesetzt wird auf 2094 Fr. 55 Cis-. nebst
Zinsen.V. Schuldbetreibung und Konkurs. N° 88. 747

88. gutes]: vom 27. Advent-der 1903 in Sachen Yandel, Bekl. u. Ber.-Kl.,
gegen Mistgasse Richter-wir und Genossen KL u. Ver-Bett

Anfechtüngsklage im Konkeerse, Art. 285 [T. Sch-.u. li'.-Ges
Behaupleée Zahlung einer nicht verfallenen Scheeld, Art. 287 Zé/Î'. 3
leg. ott. Art. 288 eoel. Anfechtbarkee't der Zeiss-sung ein-erfälligeee
Schuld. Abtreäung' eines Masseanspruches erneinzelne Gläubiger
îndgAnsetzu-ng einer Klagefrist. Wir/fung. Art. 260 Sch: u.

.es.

A. Durch Urteil vom 25. Juni 1903 hat die I. Appellationskammer des
Obergerichts des Kantons Zürich über die Streitfrage:

Jst die am 30. Oktober 1899 von August Wolff, wohnhast gewesen in Zürich
V, an den Beklagten als Inhaber der Dampfziegefletf Männedorf geleistete °
Zahlung von 2200 Fr. als rechtsungulttg zu erklären und ist demgemäss der
Beklagte verpflichtet, die 2200 Fr. nebst Zins zu 50/0 seit so. Oktober
1899 zuniczuerstatten?

erkannt:

Die von August Wolff der Firma Schudel & Rabus unterm 6.Eltovember 1899
erteilte Anweisung auf Johann Aeby in Dudingen, Kanten Freiburg, wird
als rechtsungültig erklärt und es wird der Beklagte als Rechtsnachfolger
der Firma Schudel &" Rabus verpflichtet, die 2200 Fr., welche seine
Recht-sowgangerin auf Grund dieser Anweisung von Aeby erhalten hatan
die Kläger als Cessionare der Konkursmasse Wolff zurückzuerstatten,
zuzüglich Zins zu 5 0/0 seit dem 22. November 1899. 'B'. Gegen dieses
Urteil hat der Beklagte rechtzeitig und in richtiger Form die Berufung
an das Bundesgericht ergriffen, mit den Anträgen :

Das angefochtene Urteil sei wie folgt abzuändern:

1. Die Klagen Muggli und Baumann seien abzuweisen wegen derspäteter
Anhängigmachung

2. Die Klagen Stirnemann, Leihkasse Richterswil, eventuell, auch bei
Verneinung von Rechtsbegehren 1, die Klagen Muggli und Baumann seien
gänzlich abzuweisen

748 Civilrechtspnege.

C. Die Kläger haben durch ihre Vertreter je ans Abweisung der Berufung
und Bestätigung des angesochtenen Urteils angetragen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. In dem am 25. November 1899 eröffneten Konkurse über den gewesenen
Bauspekulauten August Wolsf in Zürich haben die Kläger gemäss Art. 260
Sch. u. K.-Ges. von der Korn-ursverwaltung die Abtretung eines
Anfechtungsanspruchs gegenüber der Firma Schudel & Rabus verlangt,
der sich darauf stützte, dass der Gemeinschuldner dieser Firma einen
am 5. Oktober 1899 aus-gestellten Wechsel per 31. Dezember 1899 am
30. Oktober 1899, also vor Verfall, eingelöst habe. Die Klager, denen
die Konkursverwaltung (das Konkursamt Hottingen) Frist zur Einreichung
der Klage beim Friedensrichter, sowie beim Bezirksgericht gesetzt
hatte haben daraufhin das aus Fakt. A ersichtliche Rechts-begehren
gestellt, dessen Abweisung der Beklagte beantragt hat. Die Klagen waren
auf Art. 287 Ziffer 3, ferner an Art. 287 Ziffer 2 und Art. 288 Sei),
u. K.-Ges. gestützt. Uber die Firma Schudel & Rabus war im Oktober 1900
der Konkurs ausgebrochen, dann aber im November gl. JS. wider-rufen
worden. Die gesamten Akiiven und Passiven waren damals vom Beklagten
übernommen worden.

2. In tatsächlicher Beziehung ist von der ersten Instanz der sich
die zweite Instanz hierin lediglich angeschlossen hat über die
Rechtsgeschäfte, die zur vorliegenden Ansechtungsklage geführt
haben, folgendes festgestellt: Der Gemeinschuldner Wolff, der mit
der Firma Schudel & Rabus, Dampfziegelei Männedors, in der Weise in
Geschäftsverkehr stand, dass er Backsteine von ihr bezog, wogegen er
Barzahlungen leistete und Wechselakzepte ausstellte, stellte seinen
Lieferanten für Lieferungen aus dem März, Juli, August und September
1899 folgende Wechsel, bezw. Wechselakzepte aus:

1) Am 15. September 1899 einen Wechsel für den Betrag von 3900 Fr. per
15. November 1899;

2) Am 22. August 1899 ein Akzept für 3598 Fr. 90 Cis. per 31. Oktober
1899;

3) Am 8. September 1899 ein Akzept für 2394 Fr. 80 Cis. aus 30. November
1899;V. Sehuldhetreibung und Konkurs. N° 88. 749

4) Am 5. Oktober 1899 Akzepte von 2200 Fr. und 1026 Fr. 80 Cis-. ans
31. Dezember 1899.

Mit Vertrag vorn 5. November 1899 verkaufte Wolff an einen Aebi in
Diidingen sechs Pferde zum Kaufpreise von 3000 Fr., woran 500 Fr. bar beim
Kaufsabschlusse bezahlt, 2200 Fr. spätestens bis 11. November zu leisten
waren; 300 Fr. sollten erst zahlbar sein, wenn der Käufer die Pferde um
2900 Fr. weiter verkauft haben würde. Wolff bat nun der Firma Schudel &
Rabus am 6. November 1899 Anweisung auf den Betrag von 2200 Fr. Erlös
ausdem Verkaufe der Pferde erteilt. Rabus ist denn auch am 16. November
1899 mit Wolff nach Düdingen gereist und hat dort 1000 Fr. bar erhalten;
die weitern 1200 Fr. erhielt er am 20.,t21. November mittelst Postsendung
durch die Spar: und Leibkasse Düdingen. Diese Zahlungen sind im Hauptund
im Kassabuch der Firma Schudel & Rabus unter dem 21. November 1899
gebucht. Die kantonalen Justanzen nehmen nun an, die Anweisung Wolff? auf
Achi sei erfolgt zwecks teilweiser Zahlung des am 31. Oktober 1899 fällig
gewordenen Wechsels von 3598 Fr. 90 CW., den die Dampfziegelei Männedorf
einge(Wat habe, und nicht zwecks Tilgung der erst am 31. Dezember 1899
fälligen Wechselschuld von 2200 Fr., noch an den, am 15. November 1899
fällig gewordenen Wechsel von 3900 Fr. Denn der per Ende Dezember 1899
fällige Wechsel sei zur Zeit der Zahlungen des Aebi gar nicht in den
Händen von Schudel & Rabus, sondern bei der Gewerbebank Zürich diskontiert
gewesen; und für den Wechsel per 15. November 1899 sei Wolff nachher in
den Büchern von Schudel & Rabus voll belastet worden Beide kantonalen
Jnstanzen gehen demgemäss davon aus, es handle sich um die Tilgung
einer fälligen Schuld, so dass Art. 287 Ziffer 3 Sch.u. K.-Ges. nicht
zur Anwendung komme. Dagegen hat die erste Instanz die Anweisung als
anfechtbar erklärt gestützt auf Ziffer 2 eod. Die zweite Instanz dagegen
lässt die Frage der Anwendbarkeit dieser Gesetzesbestimmung offen, ge,
langt aber zur Gutheissung der Anfechtungsklage aus Grund des Art. 288
leg. cit., aus den in Erwägung 5 unten angeführten Gründen.

3. In ihren Antwortschriften auf die Berufung halten nun

750 Civilrechlspflege.

sämtliche Kläger in erster Linie an ihrer ursprünglichen Darstellung fest,
wonach es sich bei der Anweisung an Aebi um Zahlung der Wechseischuld
pro Ende Dezember 1899, also um Tilgung einer nicht verfallenen Schuld,
gehandelt habe. Sie stützen sich hiebei auf das Zugeständnis des Beklagten
in der Hauptverhandlung (vor erster Jnsiauz), wonach Wolsf den Wechsel
von 3598 Fr. 90 Cis. gezahlt habe, wenn auch verspätet, auf die Bücher
der Firma Schudel & Rabus und den Rechnungsauszug dieser Firma, und
führen aus, diesen Tatsachen gegenüber können die unbestimmten Aussagen
der Zeugen Hösli und Rabus sowie der Vermerk in der Strazze von Wolff:
8. Nov. Männedors, erhalten 2 Wechsel einlösen samt Spesenwechsel
vom 31. Oktober 3603 nicht in Betracht fallen. Die Kläger verlangen
demgemäss auch noch vor Bundesgericht in erster Linie Gntheissung der
Klage gestützt auf Art. 287 Biff. 8 Sch.u. K.-Ges. Allein es kann
ihnen nicht beigestitnmt werden, dass die von ihnen als aktenwidrig
angefochtene Feststellung der ersten Instanz über die Einlösung des per
Ende Oktober 1899 fälligen Wechsels durch die Dampsziegelei Männedorf
am gerügten Mangel leide. Diese Feststellung stützt sich nicht nur auf
die Zeugenaussageu Hösli und Rabus und aus den Vormerk in der Strazze des
Wolff, sondern auch auf Uff. 80, eine Zuschrift der Gewerbebank Zürich an
den Beklagten, vom 12. Dezember 1902, wonach das Akzept A. Wolff . . . von
3598 Fr. 90 Cfs. per 31. Oktober 1899 ausgestellt von der Dampsziegelei
Männedorf am 9. November 1899 bezahlt worden ist; durch wen, vermag
die Gewerbebank Zürich allerdings nicht zu sagen, allein sie fügt bei:
Tatsache ist nur, dass wir der Dampsziegelei Männedorf am gleichen Tage
laut der von Ihnen (Schudel) und Herrn Rabus unterzeichueten Abrechnung
ein neues Akzept von 2200 Fr. per 31. Dezember 1899 auf A. Wolff
diskontierten, welches Geld wahrscheinlich zur teilweisen Einlösung des
vorerwähnten Wechsels von 8598 Fr. 90 Ers. verwendet worden isi. Wenn
nun die kantonalen Justanzen alle diese Beweismomente dahin gewürdigt
haben, der fragliche Oktober-Wechsel sei von der Dampfziegelei Männedors,
Schudel &: Rabus, eingelöst worden und diese habe daher eine Forderung
aus Wolfs gehabt, durch dieV. Schuldhetreibung und Konkurs. N° SS. 751

Anweisung sei somit eine fällige Forderung jener Firma gedeckt worden,
so haben sie nur von dem ihnen in Art. 289 Sch.u. szGes eingeräumten
Recht der Würdigung der Umstände nach freiem Ermessen Gebrauch gemacht
und keineswegs aktenwidrige tatsächliche Feststellungen vorgenommen oder
die Beweise in Verletzung bundesgesetzlicher Vorschriften gewürdigt;
gegenteils läge eine solche Verletzung wohl eher vor, wenn sie sich durch
die Darstellung und das Zugeständnis des Beklagten in der Hauptverhandlung
gebunden gefühlt hätten. Auch das Bundesgericht hat also davon auszugehen,
dass durch die Anweisung eine fällige Forderung von Schudel & Rabus
getilgt werden sollte und dass

somit Art. 287 Ziff. 3 Seh-s u. K.-Ges. von vornherein nicht

zur Anwendung kommen kann.

4. Seinen ersten Berufungsantrag: Die Klagen Muggli und Bachmann seien
abzuweisen wegen oerspäteter Geltendmachung, begründet der Beklagte damit,
diese Kläger haben die ihnen durch das Konknrsamt zur Anhäugigmachung
der Klage beim Friedensrichie): und zur Einreichung der Weisung beim
Bezirksgericht gesetzte Frist nicht innegehalten und dadurch ihr
Klagerecht verwirît. Die erste Instanz der sich die zweite Instanz in
diesem Punkt einfach angeschlossen hat hat ausgeführt, die fragliche
Fristansetzung könne nur den Charakter einer Ordnungsvorschrift haben; für
die Berechtigung des Konkursamtes, bei der Abtretung Von Rechtsansprüchen
der Masse zerstörliche Fristen (zur KlageanhebungJ anzusetzen, finden
sich keine Anhaltspunkte im Gesetze. Ubervdiese Frage ist zu bemerken:
Das Bundesgericht hat es als zulässig erklärt, dass dann, wenn ein Dritter
Sachen vindiziert, Idte sich im Besitze der Konkursverwaltung befinden,
und einzelne Gläubiger derselben an Stelle der Gesamtglänbigerschast sich
die Rechte der Masse haben abtreten lassen, den dritten Vindikanten von
der Konkursverwalrung Frist zur Klage im Sinne des Art. 242 Abs. 2 Sch.:
u. K.-Ges. gesetzt werden könne (vgl. Entscheidungen der Schuldbetr. und
Konkurskammer vom 11. Mai 1901 i. S. Konkursamt Entlebnch gegen Luzern,
Amit. Samml., Bd. XXVII, 1, S. 233 ff., spez. S. 236 f. Erw. é; SepAusg.,
Bd. IV, S. 63 ff., spez. S. 66 f. Erw. 4; Entsch. o. 30. September 1897
i. S. Meyer, Umts. Samml., Bd. XXIII,

XXIX, 2. 1903 49

752 civilrechtsptlege

S. 1301 ff., spez. S. 1303 Erw. i; vgl. auch Amtl· Samtnl., Bd. XXVII,
2, S. 130 s. sub ?; Sep.-Ausg., Bd. IV, S. 51 sub 7); ferner hat
es ausgesprochen, dass jedenfalls das Konkursamt nicht den Dritten
gegenüber verpflichtet sei, den Abtretungsgläubigern Frist zur Klage
anzusetzen (Entsch. d. Schulwu. Konkurskannner vom 9. Juni 1903 in Sachen
Helmensdorser & Cie., Amtl. Samml., Bd. XXIX, 1, S. 261; Sep.-?1usg.,
Bd. VI, S. 125 f.); dagegen hat es im letztern Entscheide erklärt,
sofern überhaupt Art. 260 Sch. u. K.-Ges. die Möglichkeit gewähren
sollte, den Abtretungsgläubigern eine Klagefrist anzusetzen, so dürfe
dies jedenfalls nur dahin verstanden werden, dass die Konkursmasse
-im Interesse einer sachgemässen Durchführung des Konkurses zu
dieser Fristansetzung berechtigt, nicht aber (wie schon ausgeführt)
den Dritten gegenüber derpslichtet fei; es hat also die heute zum
Entscheid gebrachte Frage noch nicht ex professo entschieden. Aus dem
letztangesührten Entscheide ist aber zu folgern, dass eine derartige
Fristansetzung nur als Ordnungsvorschrift aufgefasst werden und dass eine
Verwirkung des Klagerechtes daran nicht angedroht werden darf; eine derart
weitgehende Befugnis müsste dem Konkursamt (bezw. der Konkursverwaltung)
ausdrücklich verliehen sein. Die Einrede der Klageverwirkung ist danach
unbegründet. Die übrigen vor den kantonalen Justanzen vorgebrachten
prozesshindernden Einreden des mangelnden Sühneversuches und des
Widerspruches zwischen Weisung und Klagebegründung in der Hauptverhandlung
hat der Beklagte vor Bundesgericht nicht mehr vorgebracht, und das gewiss
mit Recht, da es sich hiebei ausschliesslich um Fragen des fantonalen
Prozessrechtes handelt, deren Überprüfung dem Bundesgerichte entzogen ist.

5. In materieller Beziehung führt die Vorinstanz, nachdem sie
den Grundsatz ausgestellt hat, dass auf Grund des ein. 288 Sch.:
u. K.-Ges. auch die Zahlung einer verfallenen Schuld anfechtbar sein
könnt-, aus: Dass in der Bezahlung der Firma Schildel & Rabus eine
Begünstigung von Gläubigern liege, die unter den Begriff des Art. 288
Sch.: u. K.-Ges. falle, dürse nachder Aktenlage unbedenklich angenommen
werden. Der Kridar Wolff sei unmittelbar vor dem Konkurse gestanden,
der auch tatsächlichV. Schuldhetreibung und Konkurs. N° 88. 753

wenige Tage, nachdem die streitige Zahlung an Schudel & Rabus geleistet
war, ausgebrochen sei. Derselbe sei zur Zeit der Zahlung von jeder
Barschast entblösst gewesen und habe nur dadurch die Mittel zur
teilweisen Bezahlung der Firma Schudel & Rabus flüssig machen können,
dass er die in seinem Geschäfte verwendeten Zugpferde ver-äusserte Die
Absicht der Begünstigung von Schudel & Rabus und der Benachteiligung
der übrigen Gläubiger sei danach ganz klar. Sie sei aber auch für Rabus
erkennbar gewesen. Ganz abgesehen davon, dass die Firma Schudel & Rabus
schon im, Sommer (1899) über die ungünstige Vermögens-lage des Wolff
unterrichtet gewesen sei, spreche entscheidend gegen denguten Glauben des
Rabus die Tatsache, dass er bis in alle Details tnit den Einzelheiten
des Rechtsgeschäftes vertraut gewesen sei, durch das Wolff sich die
Barsch-erst zur Bezahlung der 2200 Fr. verschaffte. Charakteristisch
für die Absicht des Rabus, sich zu decken, sei namentlich der Umstand,
dass er den Wolff nach Düdingen begleitet habe, was beweise, dass er
den Pferdeverkauf wegen Misstrauens in die Solvabilität des Wolff habe
persönlich überwachen wollen.

6. Richtig ist nun bomb, dass unter Umständen, nämlich dann, wenn
alle Voraussetzungen des Art.288 Sch.-u. K.-Ges.:Rechtshandlung,
Benachteiligungsabsicht des Schuldners, Erkennbarkeit dieser Absicht beim
Dritten (Anfechtungsgegner), zutreffen, auch die Zahlung einer sälligen
Schuld mit der Deliktspauliana von den benachteiligten Gläubigern
angefochten werden kann. Das Bundesgericht hat dies, wenn auch nur
beiläufig, in seinem Urteile vom 20. Juli 1897 in Sachen Pieard &
Cie. gegen Masse Weisslitz, Amii. Samml., Bd. XXIII, S. 1202 Erw. 2,
ausgesprochen, und die Doktrin stimmt ihm bei; vgl. Jäg er, Komm., Art
288 Anm. 3, S. 524, und namentlich Brand, das Anfechtungsrecht, S. 141
f. sub Aia. Dass die Zahlung einer fälligen Schuld eine Rechtshandlung
ist, ist klar, da sie die rechtliche Wirkung der Tilgung einer Schuld
hat; ebenso aber ist nicht zu bestreiten, dass sie unter Umständen die
Begünstigung einzelner Gläubiger (oder eines Gläubigers) und damit die
Benachteiligung der andern Gläubiger bedeutet. Die Argumentation des
Beklagten (in der Berufungsschrist), wenn der Grundsatz aufge-

754 Civilrechtspflege.

stellt werde, dass auch die Zahlung einer fälligen Schuld anfechtbar sein
könne, könne der Gläubiger-, der eine Konkursandrohung erwirkt, entgegen
der Vorschrift des Art. 172 Ziff. Z Sch.: u. K.-Ges. nicht mehr Zahlung
entgegennehmen, ohne sich dadurch der Gefahr einer Anfechtungsklage
auszusetzen geht fehl, weil eben nicht jede Zahlung einer fälligen
Schuld, sondern nur die mit Begünstigungsbezw. Benachteiligungsabsicht
vorgenommene, unter der weitern Voraussetzung, dass diese Absicht dem
andern Teil erkennbar war, anfechibar ist. Demgemäss haben die Kläger,
als Anfechtungskläger, zu beweisen, dass die Anweisung des Wolff
an Aebi, aus der die Zahlungen an Schudel & Rabus beruhen, in deren
Erfüllung sie geleistet wurden geschah in der Absicht, den Anweisungs(und
Zahlungs-) empfänger zu begünstigen, und damit die andern Gläubiger zu
benachteiligen, und dass diese Absicht dem andern Tette, d. h. Rabus
und der Firma Schudel & Rabus und damit auch dem heutigen Beklagten,
erkennbar gewesen sei. Nun sind die von der Vorinstanz angeführten
Momente in der Tat zunächst schlüfsig dafür, dass Wolfs die Anweisung in
Begünstigungsabsicht vorgenommen habe. Der Beklagte wendet demgegenüber
ein, die Annahmen der Vorinstanz seien gebietenteils aktenwidrigx Anfang
November (1899), als das Abkommen mit Schudel FrRabus getroffen worden
sei, sei Wolff selbst noch der vollen Überzeugung gewesen, er könne
sich noch halten; er habe damals noch ein Guthaben von 5000 Fr. bei
der Leihkasse Neumünster, ferner 15,000 Fr. bei Rechtsagent Weber in
Zürich hinterlegt gehabt; allerdings seien diese Barmittel dann in der
zweiten Hälfte November aufgebraucht worden, weil Wolff ganz plötzlich
von einigen Banken stark bedrängt worden fer. Aber gerade die eigene
Darstellung des Beklagten zeigt das unhaltbare seiner Ausführungen; denn
jene 15,000 Fr. waren depontert zwecks Abschlusses eines Nachlassverirages
Wolfss mit seinen Gläubigern. Übrigens zeigt schon der Umstand, dass bei
der Konkurserbsfnung den Aktiven von 265,000 Fr. Passiven im Betrage von
665,000 Fr. gegenüberstanden, dass Wolfs anfangs November vor dem Konkurse
stand, und dass seine Behauptung, er habe zur Zeit des angefochtenen
Rechtsgeschäftes annehmen können, er könne sich noch halten, unrichtig
ist. Die weitere Behauptung, deriPserdeverkauf sei etwas ganz natürliches
und dem normalenV. Schuldbetreibung und Konkurs. N° 88. 755

Geschäftsbetriebe nicht widersprechendes gewesen, ist schon an sich
nicht sehr wahrscheinlich, entbehrt aber auch der Erheblichkeit, da
ja nicht der Pferdeverkauf als solcher, sondern die damit verbundene
Anweisung zu Gunsten von Schudel &: Rabus angefochten wird. Danach
ist aber der Vorinstanz in allen Punkten darin beizustimmen, dass auf
Seiten Wolffs die Begünstigungsabsicht vorlag. Endlich treffen aber
auch ihre Ausführungen über die Erkennbarkeit dieser Absicht aus Seite
des Empfängers der Anweisung der Firma Schudel & Rabus zu. Wenn der
Beklagte gegenüber den Ausführungen der Vorinstanz damit argumentiert,
Schudeläc Rabus hätten ja dem Wolff noch im Sommer 1899 Lieferungen
gemacht, so folgt daraus noch nicht, dass ihnen im November 1899, zur
Zeit des Abschlusses des angefochtenen Rechtsgeschäftes, der schlechte
Stand des Wolfs und die Gefährdung ihrer Interessen bekannt war;
denn die Vermögenslage des Wolff konnte sich ja vom Sommer bis zum
November 1899 rasch ändern. Und wenn der Beklagte geltend macht, es
sei Rabus bekannt gewesen, dass Wolff noch 5000 Fr. auf der Leihkasse
Neumiinster und 15,000 Fr. bei Rechtsagent Weber habe liegen lassen,
so wendet der Vertreter des Klägers Baumann demgegenüber mit Recht ein,
dass dann Rabus auch gewusst habe, wozu die 15,000 Fr. bei Rechts-agent
Weber lagen, nämlich zum Abschluss eines Nachlassvertrages; die 5000
Fr. bei der Leihkasse Neumünster aber kommen der Tatsache gegenüber, dass
Schudel & Rabus zur Zeit der Anweisung ein Guthaben von über 6000 Fr. an
Wolf-f hatten, nicht in Betracht. Endlich ist auch die Einwendung, bei
Erkennbarkeit der Begünstigungsabsicht hätte sich Rabus den ganzen Teil
des Kaufpreises anweisen lassen, unerheblich, da ersahrungsgemäss bei in
fraudem creditorum abgeschlossenen Geschäften der Begünstigte sich häufig
mit der Befriedigung nur eines Teiles seiner Forderung zufrieden gibt.

7. In letzter Linie ruft der Beklagte zur Begründung seines Antrages auf
Abweisung der Klagen die Art. 290 und 291 Sch.: u. K.-Ges. an, indem
er ausführt, nach Auflösung der Kollektivgesellschaft Schudel & Rabus
habe er die Aktiven der srihrern Firma übernommen; ba er nun nicht in
bösem Glauben gewesen und da die Begünstigung nicht ihm zugekommen sei,
könne er nicht belangt werden. Demgegenüber ist zu bemerken,

756 cjvilrechtspiiege.

dass die Vorteile des angefochtenen Rechtsgeschästes der Firma
Schubel & Rabus zugekommen sind und dass beide Gesellschafter die
Benachteiligungsabsicht des Wolff haben kennen müssen, dass daher auch
der Beklagte passiv legitimiert erscheint. Demnach hat das Bundesgericht
erkannt: Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil der I. Appella-

tionskammer des Obergerichtes des Kantons Zürich vom 25 Juni 1908 in
allen Teilen bestätigt

Vergl. auch Nr. 89, 90 und 91.

VI. Organisation der Bundesrechtspflege. Organisation judiciaire fédérale.

89. get-teil vom 17. that-er 1993 in Sachen Eiseuljut, Bekl. u. Ber.-Kl.,
gegen Walter, Kl. u. Ber.-Bekl.

Voraussetzungen der Berufs-tugHaupturîeîl, Art. 58 Org. Ges. Ein
Urteil dar-Liber, ob ein Schuldner zu neuem Vermögen gekommen sei Art.
265 Abs. 2 SGh.u. K.-Ges. ist kei-nHaupturteil.

Das Bundesgericht hat,

da sich ergeben:

A, Durch Urteil vom 7. September 1903 hat das Kantonsgericht des Kantons
St. Gallen über die Rechtssrage

des Klägers: Ist nicht gerichtlich zu erkennen, der Beklagte sei
ps(ichtig, dem Kläger aus Grund des Verlustscheines vom 8. Januar
1894, des neuen Vermögenserwerbes und des Arrestes vom 17. März 1908,
die Summe von 4042 Fr. 84 Ets. nebst Sins à... 59/0 vom Tage des
Vermittlungsvorstandes an als Schuld anzuerkennen und zu bezahlen?, und

die Vorund Gegenrechtsfrage des Beklagten: Ist nicht
gericht-Vl. Organisation der Bundesrechtspflege. N° 89. 757

wlich zu erkennen, der Beklagte habe sich auf die Streitsache nicht
einzulassen, eventuell sei die Klage abzuweisen?

' erkannt-:

Die Klage ist geschützt-

B. Gegen dieses Urteil hat der Beklagte rechtzeitig und in richtiger
Form die Berufung an das Bundesgericht eingelegt, mit dem Antrag auf
Abweisung der Klage, eventuell Abweisung zur Zeit.

C. Der Kläger stellt die Anträge: Aus die Berufung sei nicht einzutreten;
eventuell sei sie als unbegründet abzuweisen; --

in Erwägung:

1. Der Prozess beruht auf folgendem Sachverhalt: Der Kläger war in
dem am 21. März 1892 über den Beklagten eröffneten Konkurs mit der
heute geltend gemachten Verlustscheinforderuug Von 4042 Fr. 82 W. zu
Verlust gekommen. Für diese Forderung liess er Arrest auf ein dem Kläger
durch Urteil des Bundesgerichts vom 27. Februar 1903 zugesprochenes
Guihaben von 7089 Fr. 85 Cis. nebst 50/0 Zins seit 12. August 1901 auf
Johann Rohner in Rebstein legen und hob in der Folge Betreibnng und
nach ersolgtem Rechtsvorschlag des Beklagten Klage mit dein ans Fakt. A
ersichtlichen Rechts-begehren an. Der Beklagte bestritt und bestreitet die
Existenz der Forderung nicht, wohl aber deren Vollstreckbarkeit auf dem
Betreibungswege, indem er geltend macht, er sei nicht zu neuem Vermögen
gekommen und könne somit gemäss Art. 265 Abs. 2 Sch.: u. K.-Ges. für
die Verlustscheinsorderung nicht aus dem Betreibungswege belangt
werden. Durch das eingangs mitgeteilte Urteil hat das Kantonsgericht
des Kantons St. Gallen diese Einrede des Veklagten Verworsen.

2. Danach ist klar, dass nicht Bestand und Umfang der eingeklagten
Forderung streitig sind, sondern einzig die Frage, ob der Schuldner zu
neuem Vermögen gekommen sei und ob deshalb die Forderung gemäss Art. 265
Abs. 2 Seh-: u. K.-Ges. gegen ihn auf dem Wege der Vollstreckung geltend
gemacht werden könne. Ein hierüber ergehender Entscheid ist nun aber,
gemäss feststehender Praxis des Bundesgerichis (s. Amii. Samml., Bd. XXV,
2. Teil, S. 551, Erw. 2 und dort citierte), nicht als Haupturteil im
Sinne des Art. 58 Abs. 1 Qrganis.-Ges. anzusehen, da er nicht über den
eingeklagten Anspruch an sich, dessen materielle Be-
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 29 II 747
Datum : 13. Mai 1903
Publiziert : 31. Dezember 1903
Quelle : Bundesgericht
Status : 29 II 747
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 746 Civilrechtspflege. dessen Berechnung in diesem Punkte nicht bestritten ist,


Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • bundesgericht • frage • frist • vorinstanz • konkursamt • wolf • richtigkeit • erste instanz • weisung • tag • konkursverwaltung • weiler • pferd • schuldner • zins • lieferung • kantonsgericht • berechtigter • anfechtungsklage
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