696 Giviirechtspflege.

eine Verteilung des Schadens nach dem in Erwägung 4 ausgeführten
richtig. Und was die Art und Weise der Verteilung anbelangt, so mag es
einerseits hart erscheinen, den Klager, den nur ein leichtes Verschulden,
die Ausserachtlassung der äussersten Sorgfalt, irifff, mit mehr als
50 °0 des Schadens zu belasten5 aber aus der andern Seite ist zu
berücksichtigen, dass der Beklagte nur aus Grund der Kausalhastung in
Anspruch genommen werden farm, und dass nun hier, wo der Beklagte nicht
einmal am Orte, in dem das schadeustiftende Werk sich befindet, wohnt,
eine gewisse Milde ihm gegenüber nicht unangemessen erscheint. Das
vvormstanzliche Urteil ist daher auch mit Bezug auf das Mass zu
bestatigen. Demnach hat das Bundesgericht erkannt: ss

Jn Abweisung beider Berufungen wird das Urteil des Appellationsund
Kassationshofes des Kantons Bern vom 11. Juni 1903 in allen Teilen
bestätigt

83. guten vom 12. Dezember 1903 in Sachen Maschinensabrib
gt. Geer-gern Gottfried v. Zustand Bekl. u. Ber.-KI., gegen ätiidjefi,
Kl. u. Anschl.-Ver.-Kl.

Werkvertrag. Ein Recht des Unternehmers zur Vornahme unentgeliîiichee'
Verbesserungen existiert nie-Tit Art. 358 Abs. 2 ().-B. - Mdngelre'ègess:
Preisminderungs-, bezw. Conventions;lstmf-Anspruch. Ermässigung der
Conventianalstrafe, Art. 182 0.-R. Grundsätze hierüber.

A. Mit Urteil vom 25. Juli/"27. August 1903 hat das Kantonsgericht des
Kantons St. Gallen, in Aufhebung eines die Klage zur Zeit abweisenden
Urteils des Bezirksgerichtes Iniziai, über die Rechtsfrage:

Jst nicht gerichtlich zu erkennen, die Beklagte habe die klägerische
Forderung im Betrage von 19,388 Fr. nebst 5 M, Zinsen seit 13. Mai 1902
anzuerkennen und zu bezahlen?

und die Gegenrechtsfrage: Jst nicht die Klage im Sinne des Anhanges
abzuweisen?HI. Obligatmnenrecht. N° 83. 697

erkannt:

Die Klage ist im Betrage von netto 12,000 Fr. nebst 5 0/0 Zinsen seit
13. Mai 1902 geschützt, im übrigen abgewiesen.

Aus dem Anhang zur Gegenrechtssrage ist folgendes Anerbieten
hervorzuheben:

Die Beklagte offeriert folgende Leistungen:

1. Änderung der Tourenzahl im Sinne von Biff. 2 des Gutachtens Prasil
(66,9 0/0).

2. Verbesserung der Schieberkonstruktion (1,8 0/0 bezw68-7 %)." ·

Die entsprechenden Stellen in der Rechtsantwort der Beklagten vom 21. Mai
1902 lauten:

Der Beklagte erklärt sich aus freien Stücken zu folgenden Leistungen
bereit: ·

1. Änderung der Tourenzahl im Sinne des Gutachtens Prasil.

L. Verbesserung der Schieberkonstruktion im Sinne desselben .Gutachtens.

3. Der Beklagte erneuert noch einmal seine Offerte vom 13. Dezember 1901
Einsetzen einer Francisturbine in den bestehenden Turbinenkesse1).

B. Gegen das vorstehende Urteil hat die Veklagte rechtzeitig und in
richtiger Form die Berufung an das Bundesgericht ergriffen und beantragt:

1. Es sei die Beklagte im Sinne des Anhangs zur Gegenrechtssrage zu
den beantragten und von der Expertise vorgeschlagenen Änderungen und
Verbesserungen an der streitigen Turbine berechtigt zu erklären;

2. eventual sei die vom Kantonsgericht zugesprochene Summe erheblich
und zwar um mindestens 6000 Fr. zu reduzieren.

G. Der Ktäger hat rechtzeitig die Anschlussberusung erklärt, mit dem
Rechts-begehren:

Es sei in teilweiser Abänderung des Vorbescheides des Kantonsgerichtes
St. Gallen vom 20. Januar 1903 und des Haupturteils vom 25. Juli 1903
die klägerische Forderung im Betrage von 19,338 Fr. nebst 5 O/0 Zinsen
seit 13. Mai 1902 im vollen Umsange zu schützen, unter Abweisung der
Rechtsbegehren der Beklagten und Berufungsklägerin.

698 Givilrechlspflege.

D. In der heutigen Verhandlung haben die Vertreter der Parteien ihre
Anträge mündlich begründet.

Der Vertreter der Beklagten hat beantragt, es sei die Beklagte auch
zur unentgeltlichen Ausführung des von den gerichtlichen Experten
vorgeschlagenen Umbaues der Turbinenanlage zuzulassen; hier sei die
Beklagte von Anfang an erbötig gewesen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Der vorliegende Rechtsstreit beruht aus folgendem Tatbestande:

a. Mit Vertrag vom io./16. November 1899 bestellte der Kläger bei
der Beklagten eine zum Betriebe seiner Mühle in Mörikon bestimmte,
in Rosenthal zu errichtende Überdruck-Turbinenanlage mit Transmission
im Kostenvoranschlage von eirca 16,500 Fr. unter folgenden im Vertrage
festgesetzten Bedingungen:

1. Die Turbine ist für folgende Daten zu konstruieren: Minimalwassermenge
500 Sekundenliterz Marimalwassermenge 1000 Sekundenliterz Bruttogefälle
12,5 Meter.

2. Garantie: Bei halber Beaufschlagung, d. h. bei einem Wasserquantum
von mindestens 500 Sekundenliter ein Nutzeffekt von 78 0/8, für
Solidität, tadellosen Gang und ebensolche Ausführung des Ganzen, sechs
Monate vom Tage der ersten Jngangsetzung an gerechnet. Sollte während
dieser Garantiezeit irgend ein gelieferter Teil sich wegen mangelhafter
Konstruktion oder Materialsehler als unbrauchbar erweisen, so Verpflichtet
sich die Maschinensabrik Si. Georgem denselben schnellstens zu reparieren
oder durch einen neuen unentgeltlich zu ersetzen u. s. w. Wird bei
den vorgeschriebenen Verhältnissen der garantierte Nutzeffekt von 78
O0 nicht erreicht, so vergütet die Maschinenfabrik St. Georgen jedes
fehlende Prozent mit eintansend Franken.

3. Lieferzeit: Mit der Montierung soll 4 Monate nach Unterzeichnung des
Vertrages begonnen werden.

Bei den dem Vertragsabschlusse vorangegangenen Unterhandlungen war
ursprünglich von einer Francisturbine die Rede gewesen.

b. Die Erstellung der Anlage erfolgte erst im Frühjahr, die
anetriebsetzung im Sommer 1900.

Die Konstruktion und Montierung der Anlage stellte sich
baldIII. Obligationénrecht. N° 83. 699

ais mangelhaft heraus. Im Einverständnis beider Parteien führte die
Beklagte eine Reihe von Reparaturen aus. Jnfolge dieses und anderer
Umstände konnte die Bremsprobe erst im Oktober 1901 erfolgen. Dieselbe,
durch Professor Prasil vorgenommen, ergab einen Nutzeffekt von bloss
53,8 0/0. In seinem Gutachten vom 8. Dezember 1901 erklärt Professor
Prasil u. a. folgendes:

1) Für die Beurteilung des Garantiemankos ist bei dem Umstande, dass es
bloss einer Umwechslung der Riemenscheibe am Generator bedarf, um auf
richtige Tourenzahl zu kommen, der höchst erreichbare Wirkungsgrad
in Berechnung zu ziehen, also etwa 66,9 % entsprechend 15 Zellen
Beansschlagung

2) Ebenso ist es billig, eine noch weiter erreichbare Erhöhung des
Wirkungsgrades durch Verbesserung der Schieberkonstruktion, bezw. deren
Dichtigkeit zu berücksichtigen; bei 15 offenen, also 12 geschlossenen
Zellen könnte die Verbesserung im Maximum circa 12 Sekundenliter
Wasserersparnis und somit eine Maximaler12.100

643 dass schliesslich mit einem erreichbaren Wirkungsgrad von

66,9 | 1,8 = 68,7 0/0

bei 15 offenen Zellen (der Wirkungsgrad gemessen an der horizontalen
Welle) zu rechnen wäre.

_ 3) Mit Rücksicht jedoch auf das Bedürfnis einer rationellen Anlage
insbesondere bei kleinem Wasserkonsum, damit der Weiher rationell
ansgenützt werden kann, scheint ein Vergleich aus Basis des Einbaues
einer neuen Turbine, bei der die Wahl des Systems obigem Bedürfnis in
richtiger Weise angepasst wird, angezeigt.

c. Am 11. Dezember 1901 schrieb der Kläger an die Beklagte: Ich bin
im Besitze des Gutachtens nebst der dazu gehörigen Akten betreffend
der Bremsprobe der von Jhnen geliefetten Turbine. Nachdem das Resultat
derselben mit den Vertragsbestimmungen nicht im Einklang steht, gewärtige
ich Jhre bezügl. Vorschläge innert kürzester Frist.

Jn der Folge kam es zu keiner Einigung.

2. Der Kläger beruft sich auf das von Professor Prasil berechnete, 21,2 %
betragende Manto an Nutzeffekt, bestreitet dagegen jegliches Recht der
Beklagten zur Vornahme der im Gutachten

höhung des Wirkungsgrades um = 1,8 00 ergeben, so

700 Civîlrechtspflege.

angeregten Verbesserungen Seine Rechnung stellt sich wie folgt: 24,217O
Manko an Nutzeffekt, laut Vertrag zu 1000 Fr.

per Prozent . . . . . Fr. 24,200 __ Anerkannte Gegenforderung. . . . . .
4,811 65

Saldo zu Gunsten des Klägers Fr. 19,388 35

Die Beklagte bestreitet, dass der Nutzeffekt nur 58,8% betrage
und bemängelt die Art und Weise, wie Professor Prasil denselben
berechnet. Dagegen ist sie erbötig, eine Anzahl Verbesserungen
unentgelilich auszuführen (vgl. Fakt. A und O hievor). Froentuelk verlangt
sie eine bedeutende Reduktion der Konventionalstrafe-

Die vom Kantonsgericht bestellten gerichtlichen Experten erklären,
die halbe Beaufschlagung lasse sich bei dem vorhandenen 27 Zellen
zählenden Leitrad überhaupt nicht herstellen; es musse daher bei der
Ermittelung des Nutzeffektes die der halben· Beaufschlagung zunächst
liegende Zahl von 15 Zellen als Grundlage dienen. Sodann wird der Sinn
des folgenden im Vertrage enthaltenen Satzes erörtert: Der Bremsapparat
soll aus die horiMontale Vorgelegwelle im Turbinenhause befestigt werden
und das Gewicht des Breinsapparates für den Reibungsverlust in Rechnung
gezogen werden. Die Experten gelangen dabei aus technischen Gründen zu
dem Schlusse, dass der Nutzeffekt zwar am Vorgelege zn messen, dagegen
aus die vertikale Turbttienwelle zu beziehen sei. Was schliesslich die
bei der Messung zu beobachtende Geschwindigkeit bezw. die Tourenzahl des
Vorgeleges betreffe, so müsse angenommen werden, dass die Garantiezisfer
sich auf die in den Plänen angegebene Tourenzahl von 241,4 beziehe.

Unter Beobachtung dieser Grundsätze berechnen die Experten den
Nutzeffekt auf 60 9/0 und den Kraftverlust bei einer Wassermenge von
r?'50 Sekundenliter auf 14 HP, was einen Geldwert von circa 35,000
Fr. darstelle, bemerken aber, dass bei einer mit einem Kostenaufwande
von nur 150 Fr. zu bewirkenden Reduktion der Tourenzahl auf 200 der
Nutzeffekt auf 85,1 00 erhoht ujid der Kraftverlust auf 10 HP (was einer
Summe von 25,000 Br. entspreche) reduziert werden könnte. _ '

Nun liege aber, wird weiter ausgeführt, die Möglichkeit vordie Anlage
mit einem bedeutend geringeren Kostenaufwand m den vertragsmässigen
Zustand zu setzen. Zwar sei der von der Be; klagten gemachte Vorschlag,
in den bestehenden Turbinenkessel einelll. Obligationenrecht. N° 83. 701

Francisturbine einzubauen, mit Rücksicht auf den vorhandenen Räderbetrieb
praktisch nicht durchführbar. Dagegen sei der garantierte Nutzeffekt
dadurch zu erreichen, dass man die bestehende Tur- bine vollständig
abbreche und an die bestehende Leitung eine Frauensturbine mit
horizontaler Axe anbaue. Die Kosten derselben, betriebsfähig ausgestellt,
würden sich mit Einrechnung der Bauerrbeiten auf rund 8000 Fr. belaufen,
wovon noch der Gegenwert der jetzigen Turbine (zu Alteisenpreisen) in
Abzug zu bringen wäre. Der Grundsehler der ganzen Anlage bestehe darin,
dass nicht von Anfang an eine Franeisturbine gewählt worden sei.

Was die durch die wiederholten Abänderungen an der Turbine verursachten
Betriebsstörungen betreffe, so werde, da während der Stillstände der
Turbinenanlage in Rosenthal die Dampfreserve in Mörikon in Anspruch
genommen worden sei, der entstandene Schaden durch die Mehrkosten der
Dampfreserve ausgedrückt Dies ergehe für 231j2 Tage 1880 Fr.

Endlich hätte noch ein weiterer Schaden in Betracht kommen können, wenn
nämlich infolge der geringeren Kraftleistung der Rosenthaler Turbine
die Dampfreserve in Mörikon fortwährend hätte in Anspruch genommen
werden müssen. Es scheine indessen, dass seit Erstellung der Anlage in
Rosenthal diese Dampsreserve wenig mehr in Funktion getreten sei. Ein
Schaden in dieser Richtung sei auch vom Kläger nicht behauptet worden,
und der Umfang desselben liesse sich zudem nur an Hand der Betriebsbücher
des Klägers bestimmen.

Die Vorinstanzen gehen mit Recht davon aus, dass das dem Prozesse zu
Grunde liegende Rechtsverhältnis dasjenige des Werkvertrages ist. Ebenso
ist den Vorinstanzen darin beizupflichten, dass das von der Beklagten
gelieferte Werk die vertraglich zugesicherten Eigenschaften nicht
besitzt. Die Beklagte hat letzteres übrigens nicht bestritten, beansprucht
dagegen grundsätzlich das Recht zur Bornahme von Verbesserungen, d. h. sie
bestreitet den Anspruch des Klägers auf Preisminderung bezw. auf Bezug
der Konventionalstrafe und bietet ihrerseits die unentgeltliche Vornahme
von Verbesserungen an. Hieran bezieht sich das erste Berufungsbegehren
der Hauptberufungspartei.

Muss somit in erster Linie untersucht werden, ob der Beklagten

702 Civilrechtspflege.

das Recht zustehe, selber die Fehler desWerkes zu verbessern,
so ist zunächst zu bemerken, dass Art. 308 Abs. 2 O.-R. sogar bei
minder erheblichen Mängeln oder Abweichungen vom Vertrage" über ein
solches Recht des Unternehmers nicht nur nichts bestimmt, sondern
geradezu dem Besteller die Wahl gibt, entweder einen dem Minderwert
des Werkes entsprechenden Abzug am Akkordpreise zu machen, oder aber,
sofern dies dein Unternehmer nicht übermässige Kosten verursacht,
die unentgeltlrche Verbesserung des Werkes und bei Verschulden
Schadenersatz zu verlangen (vgl. Hafners Kommentar, Art. 358 Roten Bb
und 5). In casa ist nun allerdings die Vornahme von Reparaturen während
eines Zeitraumes von sechs Monaten nach der ersten Jngangsetzung im
Verträge vorgesehen. Diese Frist von sechs Monaten ist indessen längst
abgelaufen, und ausserdem fallt in Betracht, dass die von der Beklagten
angebotenen, un Anhang zur Gegenrechtsfrage angeführten und auch vom
Privatexperten Professor Prasil empfohlenen Verbesserungen (Reduktion
der Tourenzahl auf 200, Verbesserung der SchieberkonstruitioO nach dem
hier allein massgebenden Gutachten der gerichtlichen. Erperteu nicht
geeignet wären, die Mängel der gelieferten Tuch-menanlage vollständig
zu heben. Jnsbesondere könnte tnach den Erperten der gegenwärtig 60 0/0
betragende Nutzeffekt durch die Reduktion der Tourenzahl immerhin nur
auf 65,10jz gebracht, der garantierte Nutzeffekt von 78 lo also nicht
sichergesiellt werden. Dasselbe gilt nach der gerichtlichen Expertise von
dem Einbau einer Francisturbine in den bestehenden Turbinenkessel, einer
Verbesserung, die ebenfalls in dem angeführten Privatgutachten angeregt
und von der Beklagten mit Schreiben vom is. Dezember 1901, sowie in
der Klagbeantwortung vom 21. Mai 1902 ungeboren worden ist (vgl. Fakt. A
hievor). Was aber das Begehren um Zulassung zur unentgeltlichen Ausführung
des von den gerichtlichen Erperten vorgeschlagenen Umbaues der ganzen
Anlage betrifft (vgl. Fakt. D hievor), so kann auf dasselbe schon aus dem
Grunde nicht eingetreten werden, weil, entgegen der heute aufgestellten
Behauptung der Beklagten, aus den Akten nicht ersichtlich ist, dass ein
diesbezügliches Anerbieten schon vor den kantoualen Justanzen erfolgt
sei. (Vgl. im übrigen Entsch.III. Obligationenrechi. N° 83. 703

%. Bundesger., Amis. Samml, Bd. XX, S. 647 Crw. 4z Bd, XXIV, 2, S. 415
CS,-rw. 5.) -

4. Im weitern könnte die Frage aufgeworfen werben, ob der .Kläget",
gestützt auf Art. 358 Abs. 1 am, das Werk zurückzubieten berechtigt
sei. Die Klagpartei hat jedoch diesen Anspruch nicht geltend gemacht,
und es wäre auch in dem Gebrauche der Anlage ein Verzicht auf denselben
zu erblicken.

Dagegen liegt in dem (Hein-anche, wenigstens in concreto, nachidem die
Mängel rechtzeitig und in gehöriger Form gerügt worden waren (vgl. sub
1 c hievor), kein Verzicht des Klägers auf den ihm nach Art. 358
Abs. 2 zustehenden Preisminderungsanspruch bezw. auf die laut Vertrag
denselben ersetzende Forderung der KonOentionalsirafe Wie nämlich die
Vorinstanz zutreffeud ausführt, trägt die hier in Betracht fallende
Vertragsbestimmung zweifellos gden Charakter der Konventionalstrafe
Diese Strafe ist vom Standpunkte des Art. 17 O.-R. nicht zu beanstanden,
sondern der Richter hat nur gemäss Art. 182 darüber zu entscheiden, ob die
Strafe zu dem zu schützenden Interesse bezw. zu dem dem Gläubiger wirklich
erwachsenen Schaden in einem offenbaren Missverhältnis stehe. Jst dies
der Fall, so ist die Konventionalstrafe zu ssermiiszigen, andernfalls
ist sie zuzusprechen. '

5. Fragt es sich somit, ob in casu die Konventionalstrafe übermässig
sei oder nicht, so ist einerseits davon auszugehen, dass deren Höhe bei
der durch die gerichtlichen Experten berechneten Minderleistung von 18 %
laut Vertrag 18,000 Fr. betragen würde, und anderseits ist der dem Kläger
in Tat und Wahrheit erwachsene Schaden bezw. das Erfüllungsinteresse
desselben zu bestimmen.

Was nun diesen letztern Punkt betrifft, so erklären die Erperten,
idass der garantierte Nutzeffekt nur durch Abbruch der gelieferten
Überdruckiurbine und Anbau einer Franeisturbine an die bestehende Leitung
erreicht, aber durch dieses Mittel vollständig erreicht werden könnte. Die
Kosten der neuen Turbine würden sich mit sEinrechnung der Bauarbeiten
aus rund 8000 Fr. belaufen, wovon noch der Gegenwert der jetzigen Turbine
(zu Alteisenpretsen) in Abzug zu bringen wäre-.

Zu der auf diese Weise festzusetzenden direkten Schädigung tritt nun
aber der durch die wiederholten Betriebsstörungen verursachte

xxxx, ?. 4903 46

704 Civilrechlspflege.

indirekte Schaden. Es ist unbestritten, dass während der Stillstände
der Turbine die Dampfreserve des Klägers in Mörikon in Anspruch
genommen worden ist, so dass, wie die Experten ausführen, der auf die
Betriebsstörungen zurückzuführende Schaden durch die Mehrkosten der
Dampfreserve ausgedrückt wird. Diese Mehrkosten werden zu 80 Fr. per Tag
berechnet, was für die 23 Ve Tage, während welcher der Betrieb infolge
der Reparatureit eingestellt werden musste, 1880 Fr. ausmacht

Die weitere Frage, ob dem Kläger auch insofern ein Schaden erwachsen sei,
als er seit der anetriebsetzung der mangelhaften Turbinenanlage nur
60 statt 78 Ü/0 Nutzeffekt erzielt, d. h. 14HP weniger zur Verfügung
gehabt habe, ist zu verneinenDenn anf Ersatz dieses anscheinend
verloren gegangenen Wertes hat der Kläger selbstverständlich nur dann
einen Anspruch, wenns er für die fehlenden 14 HP eine Verwendung hatte,
d. h. wenn er sie sich tatsächlich anderweitig hat verschaffen müssen,
oder trotz Bedarf nicht hat verschaffen können. Dies ist nun aber durchaus
nicht der Fall, denn die (Experten konstatieren, und die Bekiagte hat
nicht bestritten, dass seit Erstellung der Anlage in Rosenihal die
Dampfreserve des Klägers in Mörikon wenig mehr, d. h. offenbar nur
während der Reparaturen der Turbinenanlage in Funktion getreten ist,
und der Kläger hat demgegenüber weder geltend gemacht, dass er sich auf
andere Weise Kraft verschafft habe, noch dass die Deckung seines an Hand
der Geschäftsbücher zu schätzenden Kraftbedürfnisses überhaupt unmöglich
gewesen sei.

6. Kann somit von einem dein Kläger infolge Verlustes von 14 HP
entstandenen Schaden keine Rede sein, so ist anderseits zu beachten,
dass es sich im vorliegenden Falle nicht um die Ausrechnung einer
genau dem strikte nachgewiesenen Vermögensschaden entsprechenden Summe,
sondern vorerst lediglich um eine Vergleichung der 18,000 Fr. betragenden
Konventionalstrafe mit deni annähernd zu schätzenden Erfüllungsinteresse
des Ktägers handelt. Es sind deshalb als in den Bereich der durch die
Konventionalstrafe zu schützenden Interessen fallend eine Reihe von
Momenten zu berücksichtigen, die bei einer eigentlichen Schadenersatzoder
Preisminderungsklage nicht ohne weiteres und zum Teil überhaupt nicht
von Einfluss sein könnten. So vor allein das Interesse des Klägers,
bei einem allfälligen Prozesse desIII, Obligationem'echt. N° 83. 705

strikten Schadensnachiveises enthoben zu sein; so auch sein Tuteressa
die Beklagte durch eine empfindliche tsoiiventionalstrafezur
befriedigenden Vertragsleistung anzuspornen; ferner das Interesse am
Besitze einer tadellosen Fabrikanlage, nicht minder an der Vermeidung
von Widerwärtigkeiten und Jukonvenienzen aller Art wie sie sich
bei der Mangelhaftigkeit eines Werkes und bei Be; triebsitörungen
erfahrungsgeniäss immer einstellen und zifferiuässig kaum nachweisbar
sind; sodann, wie die Borinstanz zutreffend bemerkt, das in Geld schwer
zu schützende Interesse des Fabrikherrn an der Hebung der Arbeitslast im
allgemeinen u. s. m. IJIe Berücksichtigung all dieser mehr oder minder
materiellen Erfnllungsinteressen führt zu der Erkenntnis, dass in easu
eine Konventionalstrafe, welche den nachgewiesenen Vermögens-schaden
{val. Erwägung 5 hievor) um bloss einige Tausend Franken übersteigen
würde, nicht als übermässig zu bezeichnen ware. Dagegen iit letzteres nun
allerdings der Fall bei der nach den Bestimmungen des Vertrags auf 18,000
Fr. zu berechnenden Summe, welche dem Kläger zuzusprechen wäre, wenn die
in Rede stehende Pönalftipulation in vollem Umsange geschützt würde. Denn
eine Vertragsstrafe erscheint jedenfalls dann als übermässig, wenn sie zu
dem zu schützend-en Interesse in einem derartigen Missverhaltnis steht,
dass gesagt werden muss, der Schuldner habe sich beim Vertragsabschluss
über die Höhe der Strafe offenbar keine Rechenschaft gegeben, ansonst er
den Vertrag nicht würde unterzeichnet haben. Solche an das Verhältnis
bei wesentlichem Irrtum über den Umfang der versprochenen Leistung
(dal. Art. 19 Biff. 4 O.-R.) erinnernde Umstände haben nun aber in casu
unzweifelhaft obgewaltet. Jst es nämlich überhaupt schon bei Festsetzung
einer Konventionalstrafe in Prozenten statt in Form einer zum voraus
bestimmten Summe besonders häufig, dass sich die Parteien über die
Tragweite der Strafftipulation nicht genügend Rechenschaft geben, so
erscheint ein solcher Jrrtuni im vorliegenden Falle als ganz besonders
naheliegend. Nach dem Gutachten der gerichtlichen Experten ist nämlich der
Grundfehler der ganzen Anlage darin zu erblicken, dass nicht von Anfang
an eine Franeisturbine statt einer Überdruckturbine eingebaut wurde. Nun
steht aber fest, dass ursprünglich in der Tat von einer Franeisturbine
die Rede gewesen war, und es ist sicher-, dass die Beklagte einen

706 Civilrechtslzflege.

Nutzeffekt von 78 9,30, mit tausend Franken Strafe für jedes
fehlende Prozent, nicht garantiert haben wurde, wenn sie sich darüber
Rechenschaft gegeben hätte, dass für die Rosenthaler Verhältnisse mit
einer Überdruckturbine bedeutend weniger Nutzeffekt zu erreichen mar, als
mit einer Franeistnrbine. Dazu kommt, dass in casa die Konventionalstrafe
welche doch nach der Meinung der Parteien in erster Linie ein Ersatz
für den Minderwert der Anlage infolge geringem Nutzeffektes sein sollte,
den Betrag des Akkordpreises für das ganze Werk um 1000 bis 2000 Franken
übersteigt. Es ist aber kaum anzunehmen, die Beklagte habe sogar für
den Fall eines bedeutenden Manto? an Nutzeffekt nicht nur auf jeglichen
Werklohn verzichten, sondern ausserdem noch eine Geldleiftung versprechen
wollen.

7. Erscheint nach dem Gesagten die in casu sich ergebende
Konventionalstrafe von 18,000 Fr. in der Tat als übermässig, und hat daher
die in Art. i82 O.-R. vorgesehene Ermässigung derselben stattzufinden,
so kann es sich anderseits nicht darum handeln, dass der Richter deshalb
von der vertraglichen Regelung des Verhältnisses überhaupt absehe und
einfach den ziffermässig nachgewiesenen Schaden zuspreche. Vielmehr
ist von der der Willensänsserung der Parteien entsprechenden Summe
auszugehen und dieselbe lediglich ans denjenigen Betrag herabzusetzen,
der, wenn er im Ver-trage stipuliert wäre, zwar als das gesamte
Erfüllungsinteresse reichlich deckend, nicht aber als übermässig zu
be- zeichnen ware. In Berücksichtigung sämtlicher in den vorstehenden
Erwägungen gekennzeichneten Umstände des konkreten Falles erscheint es
als angemessen, diesen Betrag auf eirca 15,i)00 Fr. anzusetzen, so dass
sich nach Abzug der anerkannten Gegenforderung von 4811 Fr. 65 Ets. ein
auf 10,000 Fr. abzurundender Saldo

zu Gunsten des Klägers ergibt. Von dieser Summe sind schliess'

lich die an sich nicht bestrittenen Kapitalzins-en zu berechnen
Demnach hat das Bundesgericht erkannt: , In teilweiser Gutheissung
der Berufung der Beklagten wird die von der Beklagten an den Kläger zu
bezahlende Summe auf 10,000 Fr. nebst 5 9/0 Zinsen seit 13. Mai 1902
festgesetzt.m. Obligationenrecbt. N° 84. · 707

84. Arrét 5.1.1 12 décembre 1903, dans la cause Rod, def., res., contre
Kirchner & C'e, dem... ent.

Action en revendication, basée sur un pactum reservati dominii stipulé
dans nn contrat de vente. Obligation du vendeur de restituer les acomptes
reeus; nature juridique du pactum reservati dominii.

Les nommés Tapernonx et Duc, établis précédemment à Saint-Audio
(Neuchàtel), se décidèrent à coustruire a Yverdon une usine importante
de scierie mécanique sur un terrain acqnis par eux. Pour la fourniture
des machines, its s'adressérent à la maison demanderesse, E. Kirchner &
Cie, à, Leipzig, dont le représentant en Suisse était l'ingénieur Gunther,
Stain à Genève, puis à Zurich.

A la suite de négociations px'éliminaires, et par contrat da 9 septembre
1897, Tapernoux et Duc commandèrent aux demandeurs diverses machines
du prix total de 26 500 fr., lequel, à teneur du contrat était payable
comme seit: : 1a moitié sera garantie par la banque Crédit Yverdonnois,
à partir de la confirmation du présent contrat et payé en espèces à
la mise en marche, un quart, six mois après la mise en marche, per une
traite acceptée, remise au monteur, à la pose. Le solde restera déposé
entre les meins du Crédit. yverdonnois et pa'yé en espèces à la fin de
la garantie, c'està dire douze mois après la mise en marche.

L'art. 5 des conditions generales de livraisoo, imprimées et. foisant
partie integrante du contrat, est cong-u, in fine, en ces termes:

Les machines et autres objets de livraison (meme ceux commandés
ultérieurement), restent notre propriété exclusive (du vendeur) jusqu'à ce
que le solde du prix d'achat nous soit réglé en especes; après réception
de ce soide, le droit de propriété de l'objet de livraison est reconnu
à l'aoheteur. Si un paiement était arriéré de plus de quatre semaines,
nous (les venti-years) serious en droit de reprendre l'objet iivré sans
plus de faeons.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 29 II 696
Datum : 11. Juni 1903
Publiziert : 31. Dezember 1903
Quelle : Bundesgericht
Status : 29 II 696
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 696 Giviirechtspflege. eine Verteilung des Schadens nach dem in Erwägung 4 ausgeführten


Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • konventionalstrafe • schaden • zelle • tag • richtigkeit • kantonsgericht • monat • bundesgericht • vorinstanz • erwachsener • minderheit • zahl • ersetzung • vertragsabschluss • werkvertrag • frist • funktion • sold • frage
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